Good bye Amerika – Teil 3

Das Einzige, das ich über Molly wusste, dass sie erstens meine Cousine war, und zweitens mein Alter hatte. Ich folgte Abby durch den Flur wieder zurück zur Küche, wo Bob gerade sein Geschirr wegstellte.

„Da hat dieser Idiot mich doch glatt an die Tafel geholt.“

Ein Mädchen stand wild gestikulierend vor Bob. „Hallo Molly, darf ich dir Tom, deinen Cousin, vorstellen?“, sagte neben mir Abby und legte ihre Hände auf meine Schulter.

Das Mädchen drehte sich um. Unweigerlich musste ich grinsen. Da stand doch tatsächlich die weibliche Version von mir vor mir.

„Siehst du, ich hab gleich gesagt, die zwei sehen sich verdammt ähnlich!“, kam es von Bob.

Abby drehte mich etwas und schaute mir ins Gesicht, dann in das ihrer Tochter.

„Du hast Recht, sie könnten als Zwillinge durchgehen. Da wird die Gerüchteküche brodeln“, lachte Abby.

„Wenn ihr nichts dagegen habt, entführ ich Tom nach draußen, bevor ihr noch weitere Vergleiche anstellt“, meinte Molly und schnappte nach meiner Hand.

„Okay, wenn du meinst“, sagte Abby.

Und schon wurde ich, ohne nach meiner Meinung gefragt zu werden, nach draußen gezogen. Molly blieb erst stehen, als das Fliegengitter der Tür zufiel. Und schon waren die Hunde wieder da und umringten uns.

„Tut mir leid, aber meine Eltern neigen ab und zu zur Übertreibung. Hallo, ich bin Molly.“

„Tom“, meinte ich und reichte ihr die Hand.

Ich kam mir jetzt etwas blöd vor, weil ich nicht wusste, was ich reden sollte. Zuhause war ich schon ein Einzelgänger. Und mit Mädchen hatte ich mich schon gar nicht getroffen.

„Hast du schon unser Grundstück gesehen?“

Ich schüttelte den Kopf.

„Gut, wenn du willst, zeige ich dir alles.“

Diesmal nickte ich.

„Bist du immer so schweigsam?“

Oh Mann. Sie begann zu nerven.

„Ich weiß nicht, was ich sagen soll.“

„War dein Flug gut?“

„Ja.“

„Wie lange bist du geflogen?“

„Achtzehn Stunden.“

„Boah, so lange in einem Flugzeug, ich wäre verrückt geworden.“

„Wieso? Bist du überhaupt schon geflogen?“

„Ja. Hier gibt es eine Menge kleinerer Flugplätze. Sonst würde ich einige Freunde nur per Chat sprechen können.“

„Ihr habt hier Internet?“

„Klar!“

So klar war das jetzt auch nicht. Das Städtchen war schon etwas abgelegen. Vor allem war um die Stadt nichts als Wüste.

„So, hier sind die Ställe für die größeren Tiere, aber im Augenblick leer, bis auf unsere eigenen Pferde.“

„Ihr habt Pferde?“

„Ja, macht Spaß, hier reiten zu gehen.“

„In der Wüste?“

„Nicht alles hier ist Wüste, aber das wirst du schon noch sehen.“

Wir betraten den Stall, in dem zwei Pferde aus den Boxen schauten. Molly griff in einen Eimer und zog zwei Karotten hervor.

„Na, ihr zwei, habt ihr schon auf mich gewartet?“

Sie gab jedem Pferd eine Möhre und zog mich dann durch eine Hintertür nach draußen.

„Das hier ist das Freigehege. Wie du siehst, sind auch einige Patienten von Mum und Dad drin.“

„Hilfst du deinen Eltern in der Praxis?“, fragte ich.

„Ja, zum Beispiel, wenn eine OP ansteht, dann assistiere ich oft.“

„Ihr operiert auch?“, sagte ich geschockt.

„Klar, wir sind die einzige Tierklinik hier weit und breit.“

Es schüttelte mich.

„Kannst du etwa kein Blut sehen?“

Ich schüttelte den Kopf.

„Vielleicht gewöhnst du dich daran.“

„Bestimmt nicht!“

„Du wirst sicherlich auch mal helfen müssen, denke ich mal.“

Schon der Gedanke ließ mir einen kalten Schauer über den Rücken fließen. Molly lief weiter und nach einer Gruppe Bäumen tat sich ein kleiner See vor uns auf.

„Swimmingpool inklusive“, meinte Molly, „treibst du Sport?“

„Ja… in den Staaten habe ich Basketball gespielt.“

„Da wirst du hier nicht viel Glück haben, jedenfalls gibt es hier kein Basketballteam.“

„Wenn Grandma alles von mir eingepackt hat, dann habe ich auch einen Basketballkorb dabei.“

„Grandma hat für dich gepackt?“, fragte Molly verwundert.

„Nein, nicht so wie du meinst. Grandma hat mir geholfen, alle meine Sachen, die ich nicht in die Koffer bekommen habe, in Kisten zu verräumen. Ich war der Meinung, sie lagert sie bei sich ein. Doch sie hat alles mitgeschickt. Euer Auto ist voll beladen.“

„Oh, da sollten wir wohl zurück. Sonst lädt Dad alles alleine aus.“

„Das muss er doch nicht“, meinte ich.

„Du kennst Dad nicht. Er kann ein ganz schöner Sturkopf sein.“

So lief ich mit Molly zurück ins Haus. Aus dem Augenwinkel heraus, sah ich dem Gehege etwas hüpfen. Ein Känguruh. Ich blieb stehen.

„Das ist unser Stammgast Benny. Er kommt immer wieder zurück, egal, wie weit wir ihn ausgesetzt haben.“

„Ist er zahm?“

„Du musst vorsichtig sein, er kann ganz schön treten. Weißt du überhaupt wie die Känguruhs zu ihrem Namen gekommen sind?“

„Nein“, sagte ich und schüttelte den Kopf.

„Der Name Känguruh stammt einer Legende zu Folge von den Aboriginis. Die Mannschaft von James Cook erkundete das Land während eines Reparaturaufenthaltes ihres Schiffes >Endavour< und sah die seltsamen Tiere. Daraufhin fragten sie bei den Eingeborenen nach, was das denn für Tiere sind. Die wiederum sagten: Kangaroo. Später stellte sich heraus, in der Sprache der Aboriginis heißt das: >Ich verstehe dich nicht…< Ob es stimmt, ist nicht sicher, es ist eine Legende…“

„Woher weißt du das alles?“, fragte ich.

„So etwas lernen wir in der Schule.“

Schule, auch noch so ein Thema. Auch wenn Molly etwas viel redete, so hoffte ich doch, mit ihr gemeinsam zur Schule gehen zu können, dann hätte ich wenigstens jemanden, den ich kenne.

Mittlerweile waren wir am Haus angekommen und hatten es umrundet. Wie Molly vermutet hatte, war Bob schon kräftig dabei, das Auto zu entladen. Molly sah mich an und grinste. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, begann ich ebenfalls, meine Sachen auszuladen.

Wie Bob stellte ich die Kisten auf die Veranda. Dabei musste ich aufpassen, über keinen der Hunde zu stolpern, die die ganze Zeit uns zwischen den Beinen herum liefen.

„Das ist ja eine ganze Menge“, meinte Molly, die nun auch eine Kiste ans Haus trug.

„Wie gesagt, ich wusste nicht, dass Grandma alles mitgeschickt hat.“

„Ich glaube, wir müssen anbauen“, meinte Abby, die gerade aus dem Haus getreten war.

Ein Wagen fuhr auf den kleinen Parkplatz. Eine ältere Frau stieg aus. Sie lief zu der Heckklappe des Wagens und öffnete sie. Sie zog eine Käfigbox hervor und schloss wieder ihren Wagen.

„Mrs. Greenwich ist im Anmarsch“, sagte Molly neben mir.

„Oje, dann weiß bald die ganze Stadt von unserem Zuzug“, kam es von Abby.

Fragend schaute ich die beiden an, aber Molly hob ihren Finger vor den Mund und so fragte ich nicht weiter nach.

„Guten Tag Abby, bekommen sie gerade eine größere Lieferung.“

Hier war noch Morgen, auch etwas, was ich vergessen hatte, die Zeitumstellung.

„Guten Tag Mrs. Greenwich. Nein, unser Neffe zieht bei uns ein.“

„Ihr Neffe?“

Mir wurde unbehaglich. Abby würde sicherlich nicht mein ganzes Leben vor dieser Frau ausbreiten.

„Ja, seine Eltern hatten einen scheußlichen Unfall…“

„Oh mein Gott, der arme Junge“, meinte Mrs. Greenwich und schaute mich mitleidig an.

Tante Abby log, ohne mit der Wimper zu zucken. Die Frau imponierte mir.

„Dann wünsche ich dir mal einen guten Start“, meinte Mrs. Greenwich, lief die Stufen zu Abby hinauf und verschwand mit ihr im Haus.

Molly grinste mich an und lief wieder zum Wagen.

„So, innerhalb zwei Stunden weiß die ganze Stadt, dass wir einen armen Waisen aufgenommen haben“, meinte Bob und zog die nächste Kiste aus dem Kofferraum.

„Aber… wieso?“, begann ich, wurde aber von Bob unterbrochen.

Bob legte seine Hand auf meine Schulter.

„Tom, es ist vielleicht besser so. Die, die es wissen müssen sind informiert. Sonst braucht keiner zu wissen, warum du hier bist.“

Irgendwie war ich traurig, doch froh zugleich. Es stimmte schon was Bob sagte. Niemand brauchte wissen, dass meine Mutter abgehauen und mein Vater ein Säufer war. Endlich kamen die zwei Koffer zum Vorschein und somit war der Wagen leer.

Verzweifelt sah ich auf den Berg von Sachen.

„Also, ich geh jetzt erst mal noch was für die Schule erledigen, morgen ist dann endlich Schluss“, meinte Molly und verschwand ebenfalls im Haus.

„Heute Mittag werden wir mal nach weiteren Möbeln schauen, okay?“, fragte Bob.

Ich nickte und schon stand ich alleine da. Na ja alleine. Um mich herum wuselte es immer noch von Hunden. Also schnappte ich erst einmal die beiden Koffer, damit wenigstens die Klamotten drin waren.

Etwa zwei Stunden später saß ich erschöpft auf dem quietschenden Bett. Also als erstes musste ein anderes Bett her. Darauf wollte ich keine Nacht mehr als nötig verbringen. Es klopfte an meiner Tür, etwas was ich auch nicht gewohnt war.

„Ja?“

Die Tür ging auf und Darleen streckte ihren Kopf herein.

„Ich könnte mir denken, dass du Durst hast.“

Sie betrat das Zimmer und brachte mir ein großes Glas Limonade.

„Oh ja, danke, dass kann ich jetzt gebrauchen.“

Sie reichte mir das Glas, das ich fast auf einen Zug leer trank.

„Danke!“

„Da gibt es ja noch einiges zu tun. Wenn du mal in diesem Zimmer Mädchen empfangen willst, sollte noch etwas reingestellt werden.“

Mein Gesicht lief rot an.

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