Good bye Amerika – Teil 4

Ich hatte Glück und musste diese Feststellung meinerseits nicht erwidern. Durch die offne Tür kam Bob.

„Wie weit bist du, Tom?“, fragte er und schaute sich im Zimmer um.

Es herrschte immer noch ein heilloses Durcheinander. Der begehbare Schrank war voll eingeräumt, andere Staumöglichkeiten hatte ich nicht.

„Aha, ich sehe schon selbst. Dann lass uns mal Möbel besorgen“, meinte er.

Ich nickte und schlüpfte in meine Turnschuhe. Meine Winterkleidung aus den Staaten hatte ich in der Zwischenzeit natürlich durch sommerliche, leichte Sachen ersetzt.

„Und wohin fahren wir hin?“, fragte ich, als ich ihm nach draußen folgte.

„Wir haben hier in der Nähe eine Möbelfabrik mit Direktverkauf, da werden wir sicherlich etwas für dich finden.“

Direkt von der Fabrik – auch nicht schlecht. Ungefähr eine halbe Stunde später und nach unzähligen Erzählungen von Bob, fuhren wir auf das Fabrikgelände. Bob stellte den Wagen auf dem Parkplatz ab.

Am Eingang der Fabrik wurde Bob herzlich von einer Frau begrüßt. Er schien hier eine bekannte Größe in der Stadt zu sein. Nach ein paar Fragen der Frau an mich, brachte sie uns gezielt an verschiedene Orte des Lagers.

Schnell hatte ich ein paar Dinge gefunden, die mir völlig zusagten. Regal, Kommode, Sessel, ein kleines Sofa. Bob stand neben mir und nickte nur. Die Frau schrieb sich alles auf.

„Bob… könnte ich auch ein anderes Bett haben?“, fragte ich zaghaft.

„Ich war gespannt, wann du mit dieser Frage kommst. Auf deinem Bett war ich schon als Jugendlicher drin gelegen“, meinte Bob grinsend.

Also führte uns die Frau zu dem Lager mit den Betten. Nach langem Hin und Her hatte ich mich für eins entschieden. Doch Bob meinte gleich, ob ich nicht doch die größere Version des Bettes haben wollte… man wusste ja schließlich nie.

Wieder floss das Blut ungehindert in mein Gesicht. Warum denken hier alle nur an Freundinnen. Ich versuchte, ruhig zu bleiben. Die Frau notierte sich dann auch dieses größere Bett.

Anschließend folgten wir ihr ins Büro. Sie gab alles in einen Computer ein. Preise hatte ich keine gesehen, aber billig wurde das Ganze sicherlich nicht. Die Frau hämmerte auf die Entertaste.

„Circa eine halbe Stunde und ihr könnt alles an der Rampe abholen“, meinte die Frau.

„Gut“, begann Bob, „dann bleibt uns noch kurz Zeit für einen Hausbesuch.“

Ich verabschiedete mich artig von der Frau, deren Namen ich immer noch nicht verstanden hatte. Schnell hatten wir das Firmengelände verlassen und wieder auf dem Weg zurück in die Stadt.

„Was für ein Hausbesuch?“, fragte ich.

„Ich wollte nur kurz bei Mrs. Johnson vorbei sehen.“

„Und um welches Tier handelt es sich?“

„Um ihren Hund. Er ist schon genauso altersschwach, wie sie selbst.“

„Und was musst du da tun?“

„Er bekommt seine wöchentliche Aufbauspritze.“

Ahhhh – Spritze, das war absolut nicht mein Ding. Bob schien meine Gedankengänge zu erraten.

„Du musst nicht mit hineingehen, kannst hier im Wagen sitzen bleiben, das geht schnell.“

„Danke.“

Wie versprochen, blieb ich also im Wagen sitzen. Bob verschwand in einem der alten Häuser, die die Straße säumten. Mein Blick wanderte die Straße hinunter. Auf ihr herrschte viel Leben. Der Verkehr war hier nicht so stark, also spielten die Kinder auf der Straße.

Ein Lachen ließ mich aufschrecken. Ich drehte mich um und sah wenige Meter hinter dem Wagen zwei Jungs den Gehweg herunter laufen. Sie schienen sich angeregt zu unterhalten. Als sie in meiner Höhe waren, bleiben sie stehen. Einer von den Zweien kam an den Wagen heran und schaute durchs Fenster.

„Oh, sorry, ich dachte, Molly sitzt hier drin.“

Ach so, stimmt ja, ich saß in Bobs Wagen, der hatte natürlich die Aufschrift der Klinik drauf.

„Nein…, ich bin Tom… ihr Cousin.“

„Der Typ aus den Staaten?“

Aha, man hatte also schon über mich geredet.

„Ja“, antwortete ich.

Der Typ strahlte über beide Wangen und reichte mir seine Hand durchs Fenster.

„Ich bin Lesley und gehe mit Molly in die gleiche Klasse. Da werden wir uns sicher bald sehen.“

„Ich weiß noch nicht, in welche Klasse ich komme…“

„Molly hat erzählt, das wäre schon geregelt worden von Bob.“

„Hallo Lesley… Horaz“, hörte ich Bobs Stimme.

„Hallo Bob“, sagte der andere Junge… Horaz.

„Hi Bob, ich habe mich gerade Tom vorgestellt“, kam es von Lesley.

„Gut! Dann lernt er ja schnell ein paar Leute hier kennen. So, wir müssen weiter… man sieht sich“, meinte Bob.

„Ja, bis später“, kam es von Lesley.

Bob stieg ein und startete den Wagen.

„Lesley und Molly sind gute Freunde, schon seit dem Kindergarten. Ein Tag ohne Lesley bei uns wäre unvorstellbar“, erklärte mir Bob, als er den Wagen aus der Parklücke steuerte.

Lesley und dieser Horaz winkten uns noch nach. Wenig später fuhren wir wieder auf das Firmengelände. Diesmal nahm Bob einen anderen Weg und umrundete die Halle. Hinter der Halle kam eine Rampe zum Vorschein.

Auf dieser Rampe stand ein Berg von Kisten. Oh Gott, nicht schon wieder. Nun wusste ich auch, warum Bob den Anhänger dabei hatte. Ich hatte mir die Sachen zwar ausgesucht, aber nicht daran gedacht, dass es so viele Kisten sein würden.

Angelehnt an den Kisten, stand die Matratze zum Bett. Nach ein bisschen Papierkrieg begann ich mit Bob, alles einzuladen.

„Ich denke, du wirst deine erste Nacht hier noch im dem alten Bett verbringen müssen. Denn ich weiß nicht, ob ich dir beim Aufbauen helfen kann“, meinte Bob, als er die letzte Kiste im Wagen verstaute.

„Kein Problem“, meinte ich, „zu Hause musste ich mich um solche Dinge immer alleine kümmern.“

Bob sah mich kurz an. Ich wusste zwar nicht, was er dachte, aber sein Gesichtsausdruck sprach Bände. Als täte es ihm weh, was ich bisher durchgemacht hätte.

„Wir werden sehen“, meinte Bob und stieg ein.

Ich tat es ihm gleich und schon waren wir auf dem Rückweg. An der Klinik angekommen, wurden wir natürlich wieder von den Hunden begrüßt. Ganz ruhig bleiben, keiner tut dir was, dachte ich für mich, streichelte hier und da kurz über einen Kopf.

Die Tür vom Haus sprang auf und Molly kam heraus.

„Dad, kannst du zu Mum kommen, sie braucht deine Hilfe“, sagte Molly und lief die Treppe herunter.

Bob warf mir den Schlüssel zu.

„Falls ihr mit dem Ausladen fertig werdet, fahr doch bitte den Wagen auf seinen Platz“, meinte er zu mir.

„Äh… ich kann nicht fahren…“, sagte ich.

„Du bist siebzehn und kannst kein Auto fahren?“, fragte Molly.

Ich schüttelte beschämt den Kopf. Wie denn auch, wer sollte mir das beibringen?

„Kein Problem. Molly, dann fährst du den Wagen weg.“

„Du darfst schon Auto fahren?“, fragte ich erstaunt.

„Offiziell nicht, aber hier auf dem Grundstück darf ich, ja.“

Ich seufzte. Ausladen war angesagt.

„Was ist da alles drin?“, fragte Molly.

„Möbel“, antwortete ich kurz und knapp.

Sie legte den Kopf schief und verdrehte die Augen.

„Denke ich mir, aber was?“

So erzählte ich ihr, was ich alles erstanden hatte. Es kam keine Frage nach dem Geld, was es gekostet hatte. Ich konnte ihr das sowieso nicht sagen, denn ich hatte ja keine Ahnung. Aber ich verdrängte dieses Thema schnell, dann Molly begann bereits mit dem Ausladen.

„Am Besten, wir sortieren erstmal die Sachen… Mit was möchtest du denn anfangen?“, fragte Molly.

Sie dachte praktisch.

„Ich denke mal mit dem Bett… oder?“

„Ja gute Idee. Und was gehört alles zu dem Bett?“

„Die Matratze“, begann ich, was ein Kichern bei Molly auslöste, „ den Rest müssen wir auf den Kartons lesen.“

„Hallo Molly“, hörte ich plötzlich jemand rufen.

Ich drehte mich um und sah, wie dieser Lesley mit seinem Fahrrad die Auffahrt hereinfuhr.

„Hi Lesley, du bist spät.“

„Sorry, ich war noch mit Horaz unterwegs.“

„Ach so…, darf ich dir…“

„Hallo Tom“, unterbrach Lesley Molly.

„Ihr kennt euch?“

Auf Mollys Stirn zeichnete sich ein großes Fragezeichen ab.

„Ja… ich habe deinen Vater unterwegs getroffen, da saß Tom im Wagen.“

Ich konnte nicht anders und musste gähnen.

„Müde?“, fragte Lesley, während er sein Fahrrad abstellte.

„Ich denke mal, die Zeitumstellung…“, erwiderte ich.

„Und was steht heute noch an?“, fragte Lesley und zeigte auf die Kartons.

„Das sind alles Möbel für Toms Zimmer und mü…“

„…müssen noch aufgebaut werden“, beendete Lesley Mollys Satz.

„Erfasst!“, meinte Molly.

Ich war schon wieder am Gähnen.

„Dann wollen wir mal anfangen… bevor unser Ami hier einschläft“, kam es von Lesley.

Eine Hilfe mehr wäre ja schon gut…, aber… zu dem aber war ich schon zu müde, wieder gähnte ich. Egal, dann käme ich vielleicht doch noch in die Lage in dem neuen Bett zu schlafen.

Lesley packte einfach einen Karton und trug ihn Richtung Haus.

„Soll ich ihn zu den anderen Kartons stellen hier?“, fragte Lesley und zeigte auf die restlichen Kartons, die mir Grandma mitgeschickt hatte.

„Nein, dass sind die privaten Sachen von Tom“, kam es von Molly, bevor ich überhaupt etwas antworten konnte.

„Okay“, meinte er und verschwand im Haus.

Woher wusste er überhaupt, wo mein Zimmer war? Ich schaute zu Molly, die gerade versuchte, eine Kiste aus dem Hänger zu ziehen. Wenn die beiden sich so gut und schon so lange kannten, dann würden sie sich sicherlich alles erzählen.

Und da Molly ja schon von mir erzählt hatte, wusste Lesley sicher auch, was für ein Zimmer ich bezog. Aber was wusste er noch alles von mir? Was wusste Molly überhaupt von mir? Wie viel hatte Bob ihr erzählt?

Etwas unsicher und müde trug ich ebenfalls eine Kiste hinter Molly her. Es dauerte eine Zeit, bis wir alles hineingetragen hatten. Der Flur sah aus wie ein großes Lager. Die Tür zur Klinik ging auf und Abby und ein Mann traten heraus.

„John, kommen sie einfach morgen Mittag vorbei, da können sie ihren Hund abholen.“

„Danke Abby!“

Der Mann verschwand durch die Haustür und Abby wandte sich uns zu.

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