Good bye Amerika – Teil 10

Ich gesellte mich zu ihm und drückte nun auch gegen das Tor. Es bewegte sich keinen Millimeter.

„Da muss etwas von draußen dagegen liegen“, meinte Lesley und beugte sich erschöpft nach vorne.

„Und was machen wir jetzt?“, wollte Molly wissen.

„Es noch einmal versuchen?“, fragte ich.

„Wir haben es eben nicht aufgekriegt, dann wird es jetzt sicher auch nicht gehen!“, sagte Lesley.

Entmutigt schaute ich ihn an.

„Oh Mann, ich habe doch mein Handy“, meinte Molly und zog es aus ihrer Tasche.

Sie wählte eine Nummer und presste das Handy ans Ohr.

„Dad… Gott sei Dank… nein, uns ist nichts passiert… nein, wir sind in einer Garage und kommen nicht mehr hinaus… die zwei Jungs haben das probiert… nein, sie bewegt sich keinen Zentimeter…“, sprach Molly und sah uns plötzlich an.

„Wo sind wir eigentlich“, fragte sie und ich zuckte mit den Schultern, ich kannte mich ja nicht aus.

„Ecke Mainstreet – Kimpeltonroad, glaube ich“, kam es von Lesley.

„Glaubst du? Lesley meint, Ecke Mainstreet – Kimpeltonroad… ja… werden wir versuchen… bye Dad.“

Sie ließ ihr Handy wieder in ihre Tasche gleiten.

„Dad meint, wir sollen uns bemerkbar machen, irgendwer wird da draußen schon herum laufen. Er setzt sich in den Wagen, sobald er die Auffahrt frei geschaufelt hat.“

„Freischaufeln?“, fragte ich.

„Tom, mir ist klar, dass du dir das alles nicht vorstellen kannst.“

„Hört auf zu reden und helft mir suchen. Irgendwas muss man doch gegen das Tor schlagen können“, meinte Lesley.

Plötzlich klopfte es von draußen. Wir fuhren zusammen.

„Ist da jemand drinnen?“, hörten wir eine Stimme.

„Ja!“, schrieen wir gleichzeitig.

„Gilbert… da ist jemand in deiner Garage… komm hilf mir mal“, hörten wir wieder die Stimme.

Dann war erst mal Ruhe. Bis auf kleine Kratzgeräusche war nichts zu hören. Plötzlich rüttelte etwas an der Tür. Durch einen winzigen Spalt drang Tageslicht herein.

„Komm, lass uns gegen das Tor drücken.“, meinte Lesley und stemmte sich dagegen.

Wir folgten seinem Beispiel. Zentimeter für Zentimeter öffnete sich nun das Tor. Bis es auf einmal ganz aufsprang. Vor uns tauchten zwei verdutzte Männer aus. Um den kompletten Eingang herum lag nur Sand.

Überhaupt lag überall viel Sand,

„Ist euch etwas passiert?“, meinte der eine Mann und zeigte auf Mollys Knie.

„Ich bin nur gestürzt, als ich den Lichtschalter gesucht habe“, antwortete Molly.

„Ihr habt mächtig Glück gehabt, dass die Garage nicht zusammengestürzt ist“, meinte nun der andere Mann.

„Warum?“, fragte Lesley.

„Sie ist instabil, eigentlich wollten wir sie in den nächsten Tagen abreißen.“

Und als wollte die Hütte das bestärken, knarrte sie an verschiedenen Stellen. Ich hob Mollys Rad auf und reichte es ihr, dann ging ich zu meinem.

„Ihr solltet so schnell wie möglich da raus!“

Nichts lieber als das. Alle drei waren wir in den nächsten Sekunden aus der Garage. Ein Auto kämpfte sich um die Ecke und ich konnte erkennen, dass es sich um Bob handelte. Abby saß neben ihm.

Doch etwas anderes lenkte mich noch ab. Das Blech der Garage gab komische Laute von sich und wie im Zeitlupentempo klappte die Garage zusammen. Entsetzt sahen wir uns an.

„Da habt ihr aber mächtig Glück gehabt“, meinte nun der eine Mann, wieder der Sprache mächtig.

Inzwischen waren Bob und Abby ausgestiegen und zu uns gestoßen. Lesley war kreidebleich geworden und ich denke, ich sah nicht anders aus.

„Molly, du blutest am Knie“, hörte ich Abby sagen.

„Nicht schlimm…“, erwiderte Molly, immer noch auf die Garage starrend.

Na ja, das was einmal die Garage war. Abby beugte sich zu ihr hinunter und schaute sich das Knie an.

„Und euch Jungs, fehlt nichts?“, fragte Bob.

Wir schüttelten beide den Kopf. „Ich würde sagen, wir laden eure Räder hinten rein und fahren nach Hause“, meinte Abby.

„Ich glaube, ich fahr direkt nach Hause“, kam es von Lesley.

„Mir wäre lieber, du fährst mit uns, Lesley.“

Ohne ein Murren nickte er Abby zu. Wir bedanken uns artig bei den beiden Männern für den Unterstand und unsere Rettung. Dann schoben wir unsere Räder zu Abbys Kombi. Nacheinander verschwanden die Räder im Kofferraum.

Abby bestand darauf, dass Molly sich nach vorne setzte, damit sie für ihr Knie mehr Platz hatte. Sie selbst setzte sich zu uns auf die Rückbank. Bob startete den Wagen und schon ging es los. Ich hatte sowas noch nicht gesehen, überall Sand, wo man nur hinschaute. Aber überall waren auch schon Leute zu Gange, um den Sand auf mehrere Haufen zu verteilen. Abby schien meine fragenden Blicke zu bemerken.

„Die Stadt lässt den Sand nach und nach rauskarren“, erklärte sie.

„Wohin?“, fragte ich.

„Wieder zurück in die Wüste, da gehört er schließlich hin, … oder?“

Ich nickte und war immer noch von diesen Sandmassen fasziniert. Wenig später, nachdem Bob sich durch weitere Sandwehen gekämpft hatte, hielten wir vor einem Haus. Als der Motor schwieg, ging auch schon die Haustür auf.

Eine Frau und das Ebenbild von Lesley kamen heraus.

„Oh Bob, ihr habt sie gefunden“, hörte ich die Frau rufen.

„Ja. Und es ist ihnen Gott sei Dank nichts passiert“, antwortete Bob, während nun Lesley ausstieg.

„Moment, ich hole dir noch dein Rad aus dem Wagen“, meinte Bob und verschwand nach hinten.

„Okay… Molly – Tom, ich melde mich bei euch“, sagte Lesley.

„He Bruderherz, alles klar?“

Lesley nickte und sein Bruder klopfte ihm auf die Schulter. Er schob ihn ans Auto.

„Das Tom, ist Berry – mein Zwillingsbruder, wie du vielleicht schon bemerkt hast.“

„Ja… ihr seht euch etwas ähnlich“, meinte ich und Berry und Lesley grinsten.

Bob kam mit den Rad zurück.

„Noch mal danke, Bob“, meinte Lesleys Mutter, die nun auch ins Wageninnere schaute.

„Hallo Linda!“, sagte Abby neben mir.

„Hallo Abby…, ist das euer Besuch?“

Anscheinend wusste hier jeder wirklich über mich Bescheid, Lesleys Mutter reichte mir die Hand.

„Hallo… du musst Tom sein“, meinte sie und ich nickte.

Ich kam mir irgendwie blöd vor.

„Du Linda, wir müssen – unser Gatter hat es diesmal heftig erwischt.“

„Soll ich dir dann nicht gleich die zwei Jungs hinterher schicken?“, fragte Linda.

Er schaute kurz zu Abby, die nickte, und nickte mit dem Kopf.

„Du scheinst ja Glück gehabt zu haben“, meinte Bob und schaute zum Haus.

„Nur hier vorne“, der Garten war vom Sand regelrecht begraben.

„Sollen dann Lesley und Berry nicht lieber hier bleiben und dir helfen?“

Linda schüttelte den Kopf.

„Nein, euer Gatter is wichtiger, schon allein wegen der Tiere. Haben die das alle gut überstanden?“

„Ja, Abby und ich konnten sie alle rechtzeitig in den Stall und ins Haus bringen.“

„Okay Jungs, dann fahrt bitte zu Bob und helft ihm“, meinte Linda zu ihren Jungs.

Ohne ein Gegenwort schwang sich Lesley auf sein Fahrrad, während Berry im Haus verschwand. Bob startete das Auto und weiter ging es. Da ich mich ja überhaupt nicht auskannte, war ich völlig orientierungslos.

„Hat es uns arg erwischt, Mum?“, meldete sich plötzlich Molly zu Wort, die die ganze Zeit geschwiegen hatte.

„Auch nicht mehr als sonst“, antwortete Abby.

Nach der nächsten Biegung waren wir wieder auf der Straße zu Bobs Haus. Also wohnte Lesley und sein Bruder nicht weit weg von uns. >Nicht mehr als sonst< hatte Abby gesagt. Also ich fand, da lag genug Sand.

Ein Mann auf einem kleinen Bagger schob den Sand zusammen. Ich kannte diesen Anblick nur, wenn bei uns in den Staaten viel Schnee herunter gekommen war. Bob fuhr die Auffahrt hinauf und hielt vor der Haustür.

Wie von Zauberhand öffnete sich diese und die Hunde kamen heraus gerannt, dicht gefolgt von Darleen. Bob und ich zogen die Räder aus dem Kofferraum, während Abby mit Molly das Haus betrat.

Wieder wuselten die Hunde um uns herum.

„Aus“, rief Bob, doch schien es, als würden sie nicht auf ihn hören.

Nur mit Mühe konnte ich mein Rad abstellen. Der große Braune schien mich innig ins Herz geschlossen zu haben. Laufend schnüffelte er an mir oder leckte mir über die Hand.

„Gustav scheint einen Narren an dir gefressen zu haben“, sagte Bob, als er Mollys Rad neben meins stellte.

„Gustav?“

„Ja… Gustav haben wir von einem schwedischen Freund erhalten.“

Dieser Hund hatte einige Rassen in sich vereint, aber bestimmt war eine Dogge darunter oder etwas Ähnliches. Er war einfach riesig. Plötzlich begannen sie zu bellen und zogen von uns ab.

Der Grund waren Lesley und sein Bruder, die gerade eintrafen. Sie ließen ihre Räder in den Sand fallen und streichelten sich erst mal durch die Meute.

„Tom, geh erst mal rein und lass dir von Darleen etwas zu trinken geben“, meinte Bob.

Ich nickte und lief ins Haus. Als ich die Küche betrat, standen bereits ein paar Gläser mit einem Krug Wasser auf dem Tisch. Abby war gerade dabei, Molly zu verarzten.

„Molly, das könnte jetzt wehtun, ich muss Jod drauf machen, dass es sich nicht entzündet.“

Abby nahm eine Flasche und träufelte eine gelbe Flüssigkeit auf einen Wattetupfer. Dann tupfte sie vorsichtig über Mollys Knie. Molly selbst verzog das Gesicht, gab aber keinen Laut von sich.

Ich ging zum Tisch und schenkte mir Wasser ein. Mit einem Zug leerte ich das Glas.

„Langsam, junger Mann. Nicht so gierig… es ist genug da“, kam es von Darleen.

„Das tat gut“, meinte ich.

„Ach übrigens Tom, dass du dich nicht wunderst, ich war in deinem Zimmer und habe dein Fenster geschlossen“, meinte Abby, die nun ein dickes Pflaster über Mollys Knie klebte.

„Ähm… wieso… du kannst doch da immer rein… ist doch euer Haus…“, stammelte ich verwundert.

„Tom, es ist jetzt auch deins, du wohnst hier. Und normalerweise betrete ich nie ungefragt ein Zimmer, das ein Mitglied dieser Familie bewohnt… auch deins nicht.“

Ich nickte und verließ die Küche wieder. Das kalte Wasser zeigte Wirkung bei mir und ich verspürte den Drang, auf die Toilette zu gehen.

Vorbei an meinem Zimmer, betrat ich die Toilette. Hier stand das Fenster offen und ich konnte in den Garten schauen. Hier lag auch alles voller Sand. Bob und Lesley waren gerade dabei, einen Pfosten vom Gatter aufzurichten, als mein Blick auf Berry fiel.

Er stand etwas abseits und beobachtete die beiden. Mich wunderte das, weil er den beiden nicht zur Hand ging. Dann gab Bob ihm eine Schaufel und Berry schaufelte Erde zum Pfosten.

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