Good bye Amerika – Teil 29

„Zwei Australier.“

„Mitbringen! Je mehr, desto besser! Okay, ich mach dann mal die Fliege, wir sehen uns dann auf deiner Party!“

Corinne nahm mich in den Arm und winkte Berry kurz zu, bevor sie verschwand.

„Die kommt mir ziemlich Besitz ergreifend vor“, äußerte sich Berry, nachdem Corinne die Tür hinter sich geschlossen hatte.

„Corinne live, aber sonst ist sie recht nett.“

„Steht heute Abend eigentlich noch etwas an?“

„Ich weiß nicht, ob Bob irgendetwas geplant hat.“

„Möchtest du überhaupt etwas unternehmen… ich mein, nach dem Tag wäre es nur verständlich, wenn du hier bleiben willst.“

Ich ließ mich aufs Bett fallen und atmete tief durch.

„Ich weiß es nicht, Berry. Ist lieb, dass du so an mich denkst… Rücksicht auf mich nimmst.“

„Ist doch nur verständlich, Tom. Na ja, nicht jeden Tag erlebt man so etwas.“

„Da hast du Recht. Aber es hilft nichts… oder? Wie sagt man so schön, es geht immer weiter…“

Berry setzte sich neben mich und nahm mich in seinen Arm. Ich lehnte meinen Kopf an seine Schulter und schloss die Augen.

*-*-*

Bob hatte nichts mehr vor. Überhaupt hat sich an diesem Abend niemand mehr blicken lassen. Und ich muss zugeben – einfach dazuliegen, mit Berry zu kuscheln hatte auch gut getan. Wie am gestrigen Morgen, wurden wir auch heute Morgen per Telefon geweckt. Doch bevor wir gemeinsam hinunter wollten, kam Bob zu uns ins Zimmer.

„Morgen ihr zwei. Na, etwas geschlafen?“

Berry nickte.

„Ja…, und ohne irgendwelche Träume“, meinte ich lächelnd.

„Gut. Dann zieht euch etwas Warmes an, wir frühstücken auswärts.“

„Auswärts?“, fragte Berry.

„Ja, Abby hat da eine tolle Idee.“

„Und welche?“, fragte ich.

„Lasst euch überraschen!“

Bob verließ uns wieder und wir zogen uns wärmer an. Wenig später klopfte es erneut an unserer Tür. Davor standen schon alle versammelt, sie warteten nur auf uns. Sogar Grandma und Grandpa waren da.

„Dann können wir ja los“, meinte Bob, „ man folge mir unauffällig!“

Schon im Aufzug herrschte ein Gedränge, wie sollte es dann nachher erst in den Taxis werden. Doch Bob oder Abby hatten sich da schon etwas überlegt. Wir schritten aus dem King-George heraus und fanden ein Longvehicel vor.

„Wow!“, hörte ich Lesley sagen.

„So ein Ding habe ich bisher immer nur im TV gesehen“, meinte Berry.

„Ihr seid verrückt“, meinte Grandma.

„Wann hat man schon mal Gelegenheit, so verrückt zu sein, Mutter?“, fragte Bob und küsste sie auf die Stirn.

Lächelnd stieg sie ein und wir folgten. Man glaubt gar nicht, wie viel Platz so ein Wagen hat. Wir passten locker zu acht da hinein.

„Und wo geht es jetzt hin?“, fragte Grandpa.

„Erst einmal eine kleine Stadtrundfahrt“, meinte Abby.

„Ich kenne diese Stadt schon, ich lebe hier“, meinte Grandpa, der sich dafür ein Knuff seiner Frau einhandelte.

Langsam setzte sich dieses Monstrum von Auto in Bewegung und fädelte sich in den herrschenden Morgenverkehr ein. Imposant fanden Berry und Lesley vor allem die Häuserschluchten. In Melbourne gab es die zwar auch, aber nicht so geballt wie hier in San Fransisco.

Vorbei an Downtown fuhren wir erst mal über die Golden Gate Bridge. Molly war hin und weg und bestand sogar darauf, bevor wir nach Hause flogen, noch einmal hierher zu kommen und einen Sparziergang zu machen.

Grandpa erzählte einige Geschichten zu der Stadt, wenn wir an markanten Punkten vorbei kamen. Grandma ergänzte ihn, wenn er etwas vergessen hatte. So waren wir schon über eine Stunde unterwegs, als sich überdeutlich mein Magen meldete.

Das Knurren konnte jeder im Wagen hören.

„Also, ich denke, wir gehen dann mal essen“, meinte Bob.

Alle grinsten mich an. Der Wagen fuhr zurück entlang der Lombard Street. Höhe Broderick Street bogen wir ab. Ich war hier schon einmal, deswegen kannte ich mich etwas aus. Wo Bob mit uns hinwollte, wusste ich aber dennoch nicht.

Nun bog der Wagen in die Union Street und wenig später hielt er vor dem Blue Light Café an.

„So. Da ich weiß, wie gerne ihr alle Fleisch esst, dachte ich, wir lassen das Frühstück ausfallen und gehen gleich zum Lunch über. Hier soll es das beste Fleisch in der Stadt geben“, erklärte Bob.

„Hast du uns deswegen solange durch die Stadt kutschieren lassen, damit wir noch mehr Hunger kriegen?“, fragte Molly.

„Schuldig im Sinne der Anklage“, lächelte Abby.

Der Chauffeur öffnete die Tür und einer nach dem anderen stieg aus dem Wagen. Natürlich war klar, dass ein solches Fahrzeug auch hier für Aufsehen sorgte. Schon bald stand eine kleine Menschentraube um den Wagen, während wir den Laden betraten.

Bob erklärte uns, dass hier fast jeden Abend Party war und man jetzt am Morgen eben gut essen konnte. Grandma war nicht so angetan. Ihr war der Laden zu dunkel.

*-*-*

Zwei Stunden später und garantiert einige Pfunde schwerer verließen wir das Café wieder. Unser Auto stand allerdings nicht mehr da.

„So, jetzt heißt es einen Verdauungssparziergang machen“, kam es von Bob, „wir nehmen diese Richtung.“

Also folgten wir Bob und Abby, mussten ihnen wohl oder übel vertrauen. Wobei ich vergessen hatte, dass Bob hier auch eine Zeit lang gelebt hatte. So liefen wir fast eine Viertel Stunde, bis wir in die Market Street einbogen.

Jetzt ging mir ein Licht auf, wo Bob hinwollte. Zum Cable Car. Hier begann die Linie der Powell Hyde Line. Bob hatte gut ausgesucht. Sie war eigentlich die interessanteste Linie, da sie als einzige die steilsten Hügel überfuhr.

Ich selbst bin mit ihr schon ein paar Mal gefahren. Es dauerte auch nicht lange, bis einer der Wagen ankam. Begeistert stiegen die anderen ein. Ich ließ mich neben Berry gleiten und er nahm meine Hand in seine.

Und schon ging es los Richtung Fisherman’s Wharf. Ich hörte nicht auf das, was die anderen sagten. Ich versank in meinen Gedanken und schaute mir die bekannte Gegend an. Allein Berry riss mich ab und zu aus den Gedanken, in dem er mich noch fester an sich drückte.

Der Gedanke, in ein paar Tagen wieder nach Australien zurückzufliegen, ängstige mich nicht. Jetzt, wo Dad tot war, Grandma und Grandpa sowieso nicht für mich sorgen konnten, war die Entscheidung, mein Leben bei Bob und Abby zu verbringen, doch richtig gewesen.

Der Wermutstropfen, dadurch eben meine Großeltern nicht mehr zu sehen, wog aber die Aussicht auf eine intakte Familie voll auf. Zudem hatte ich einen Freund! Eine süßen, hingebungsvollen Freund, den ich auch keine Minute mehr missen wollte.

Ich blickte auf und beobachtete ihn. Seine wachen Augen, die wie immer funkelten. Das süße Lächeln, mit dem er mich laufend zum Schmelzen brachte. Seine Art und Weise, wie er mit mir umging.

Er nahm Rücksicht auf mich, aber sagte auch, wenn er etwas nicht gut fand.

„Hab ich mich falsch geschminkt, oder warum starrst du mich so an?“, fragte Berry lächelnd.

„Nein, ich schau dich einfach nur an…“, lächelte ich zurück und schmiegte mich an seine Schulter.

„Alles klar mit dir?“

„Ja, alles im grünen Bereich.“

Er sah mich kurz an, um sich dann wieder der tollen Aussicht zu widmen.

*-*-*

„Das ist also deine alte Schule“, stellte Molly fest.

Von der Idee, meine alten Klassenkameraden kennen zu lernen, waren Lesley und Molly natürlich begeistert. Und nun standen wir vor der Schule, meine nachorganisierte Abschlussfeier stand an.

„Japp, da bin ich einige Jahre rein gegangen. Dann wollen wir mal.“

Ich zog an der Glastür und wir traten gemeinsam ein. Schon jetzt war die Musik zu hören, die das ganze Haus erfüllte.

„Mir scheint, die sind schon gut am Abfeiern“, meinte Lesley.

„Die Musik ist schon mal gut“, kam es von Berry.

Die ganze Zeit hatte ich seine Hand gehalten. Auch jetzt, wo wir kurz vor dem Klassenzimmer waren, ließ ich sie nicht los. Ich wusste nicht, ob es aus Ängstlichkeit war, oder weil ich mich mit Berry an der Seite einfach wohler fühlte.

Harte Bässe dröhnten hinter der Klassentür. Ich atmete noch einmal tief durch und zog die Tür auf. Uns schlug nun die Musik entgegen, sehen konnten wir aber nichts, der Raum war völlig dunkel.

Plötzlich ging das Licht an und die komplette Klasse erschien aus dem Dunkeln und jubelte. Allen voran natürlich Corinne. Die Musik wurde leiser gedreht, und einige Deckenlichter angeschaltet.

Jetzt erst sah ich, dass das komplette Klassenzimmer umgeräumt war. In einer Ecke standen Getränke, in der anderen Ecke Sachen zu essen. Da hatte sich wohl jemand sehr viel Mühe gegeben. Und dieser jemand kam nun auf mich zu – Corinne.

„Legt ab, Leute und herzlich willkommen auf Toms Abschiedsparty“, rief sie uns entgegen.

Johny kam und nahm uns die Jacken ab. Jetzt war ich doch baff über die Idee von Corinne.

„Hallo“, meinte ich.

Ein >Hallo Tom< schallte mir entgegen.

Verlegen schaute ich in die Runde und konnte sogar Mr. Pikelton und Mrs. Geoffrey meine Geschichtslehrerin erkennen.

„Euch beide kenne ich noch nicht“, übernahm Corinne wieder.

„Das sind Molly und Lesley… Berrys Bruder“, erklärte ich.

„Unschwer zu erkennen“, meinte Gabriella, „typisch für Zwillinge.“

„Gabriella, mach dir keine Hoffnungen, beide sind schon vergeben“, meinte Corinne frech grinsend.

„Ich bin nicht auf der Suche, Corinne… ich lasse mich finden!“

Ein Lacher für Gabriella. Nun stellte Corinne meinen drei Begleitern den Rest der Klasse vor. Sogar Billy, unser Coolfacetyp, war gekommen. Ein Typ, dem man nachts nicht gerne begegnen wollte. Und nun kam er auf mich zu.

„Mensch Tom, du Pflaume, hättest ruhig was sagen können…“

„Ähm…, ich wusste nicht, dass es so interessant ist… auszuwandern.“

„Das meine ich nicht.“

„Was denn dann?“

„Dass du unsereiner lieber magst als Mädchen.“

Und dann kam etwas, mit dem ich nie im Leben gerechnet hätte. Billy nahm mich in den Arm und verpasste mir einen Kuss, dass ich fasst Sternchen sah. Leicht keuchend sah ich hinüber zu Berry, der mich grinsend ansah.

„Sorry, aber das wollte ich schon immer mal tun… aber bisher dachte ich, unsere Klassenschnitte is voll hetero.“

Molly und Lesley begannen laut zu lachen.

„Klassenschnitte – aha“, meinte Berry und begann zu lachen.

Immer noch von Billys Kuss verwirrt, grinste ich verlegen.

„Ähm… du bist…schwul?“, fragte ich.

„Mir jeder Faser meines Körpers!“, gab Billy zu.

„Ich hoffe, dein Freund ist mir nicht böse, dass ich dich geküsst habe.“

Berry, der noch immer in unserer Nähe stand, schüttelte lächelnd den Kopf.

„Mein Kleiner darf so etwas“, hörte ich ihn noch sagen.

„Aha… sein Kleiner bist du also“, meinte Billy, „ich würde dir ja meinen gerne vorstellen, aber der hatte heute keine Zeit, muss joben.“

„Deinen Freund?“, fragte ich.

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