Zoogeschichten III – Teil 102

Dunkle Geheimnisse

Volker

Langsam lief ich zur anderen Wand und stellte fest, dass sich dort eine weitere Tür befand. Was sollte ich jetzt tun? Bis die mich frei gebaggert hatten, dauerte es sicherlich noch etwas. So drückte ich die rostige Türklinke nach unten.

Mit etwas Rütteln ging auch diese Tür auf. Miefende Luft kam mir entgegen. Ich leuchtete mit der Taschenlampe ins Dunkle. Vor mir befand sich eine Art Flur. Ich schaute kurz zu dem Schutthaufen von Steinen und beschloss dann, der Sache nachzugehen.

Ich weiß nicht, wie lange hier niemand mehr war, denn eine dicke Staubschicht bedeckte den Boden, was auch hieß, dass hier unten alles trocken war. Ich leuchtete die Wand ab, aber ich konnte nichts Außergewöhnliches sehen. So lief ich langsam den Gang entlang, immer bedacht, mit dem Lichtstrahl alles zu erfassen, um keine bösen Überraschungen zu erleben.

Ich war circa zwanzig Meter gelaufen, als auf beiden Seiten Türen auftauchten. Meiner Orientierung zufolge, musste ich jetzt irgendwo in der Nähe des Elefantenhauses sein. Ich zog die erste Tür auf, die sich – oh Wunder – recht leicht öffnen ließ.

Wieder leuchtete ich erst in das Dunkel und konnte ein paar Feldbetten erkennen. Ein Waschbecken und eine Toilette fand ich an der gegenüberliegenden Wand. Ob das hier ein ehemaliger Bunker war? Ich drehte mich um und zog die zweite Tür auf.

Die ging schon etwas schwerer. Laut quietschend zog ich sie auf. Wieder stieg mir alte Luft entgegen, nur diesmal roch es nach modrigem Papier. Also schien hier im Raum Feuchtigkeit zu herrschen.

Wieder tastete mein Lichtstrahl den Raum ab. Dieser Raum war interessanter, denn an den Wänden standen Regale, voll mit Büchern und stapelweise Papiere. Vorsichtig ging ich hinein, zog Spinnweben zur Seite, die von der Decke hingen.

Wo war ich hier nur hingeraten. Mir war nie bekannt, dass sich so etwas unter dem Zoo befand. Wir hatten schließlich schon oft Erdaushübe im Zoo, aber nie wurde so etwas gefunden.

Ich musste husten, die Luft war doch recht schlecht. Ich ging zu einem der Holzregale und leuchtete die Buckrücken ab. Was war das alles? Vorsichtig zog ich eins der Bücher heraus. Auf dem Cover konnte ich 1924 entziffern.

Ein Buch von vor dem Krieg? Sanft schlug ich es auf um ja nichts zu beschädigen. Ich leuchte ein paar Seiten ab und merkte schnell, dass sich es hier um Buchungsunterlagen handelte. Erstaunter war ich, dass jedes Mal die Unterschrift meines Vaters darunter war.

Erstaunt deswegen, weil hinter meinem Vater immer Buchhaltung stand. Wenn Vater der Chef war, was hatte er dann mit der Buchhaltung zu tun? Vorsichtig schloss ich das Buch und stellte es wieder auf seinen Platz zurück.

Dann wanderte mein Lichtstrahl weiter über die Regale. Hier und da riskierte ich ein Blick auf die Papierbündel und stellte schnell fest, dass es sich um lauter Rechnungen vom Kauf von Tieren handelte.

Der Lichtkegel wanderte weiter. Halt, was war das? Ich wanderte mit dem Licht zurück und blieb an einer Art Geldkassette hängen. Ich lief um den Tisch herum, der inmitten des Raumes stand.

Den Stuhl, der daneben stand, sah ich nicht. Mit lautem Gepolter fiel er um.

„Scheiße!“, rief ich und rieb mir das Knie.

Beim Bücken spürte ich auch meine Schulter wieder. Ich setzte meinen Weg fort, bis ich vor dieser Geldkassette stand. Ich nahm die Taschenlampe in den Mund und zog an dem Griff des Deckels.

Abgeschlossen. Wäre auch zu schön gewesen. Ich nahm wieder meine Taschenlampe in die Hand und beschloss, diesen Gang weiter zu gehen. Als ich wieder im Gang stand, hörte ich aus dem Raum am Ende des Ganges, dass Steine flogen. Sie hatten anscheinend angefangen, den Geröllhaufen wegzubaggern.

Unbeirrt lief ich den Gang weiter, der eine Biegung nach rechts machte. Dann tauchte am Ende des Ganges wieder eine Tür auf. Dort angekommen, drückte ich wieder den Griff herunter, doch irgendetwas auf der Rückseite hinderte das Öffnen.

Also stemmte ich mich mit der heilen Schulter dagegen und übte Druck aus. Auf der anderen Seite der Tür ging etwas zu Boden, denn ich konnte es scheppern hören. Danach folgte ein Frauenschrei.

„Was war das?“, hörte ich eine männliche Stimme, die mir bekannt vorkam.

„Hallo?“, rief ich.

Wieder folgte ein Schrei und ich konnte nicht anders und musste grinsen. Dass die blöden Weiber immer gleich schreien müssen!

„Wer ist da?“, fragte die männliche Stimme.

„Siegfried, bist du das?“, fragte ich.

Anscheinend war ich wirklich im Elefantenhaus. Die weibliche Stimme konnte also nur Gisela sein.

„Volker?“

„Ja… hier ist Volker… könntet ihr mir mal hier aushelfen?“

„Wie heraushelfen?“, hörte ich Siegfried rufen.

„Das kommt aus der Wand“, hörte ich nun Gisela sagen.

Plötzlich fing es auf der anderen Seite an zu poltern. Ich hörte, wie Sachen verschoben wurden oder auf den Boden fielen.

„Da ist ja eine Tür.“

Ein weiterer Kommentar von Gisela. Dann klopfte es an der Tür.

„Volker, bist du da drinnen?“, hörte ich Siegfried fragen.

„Ja…“

„Wie kommst du da rein…?“

„Holt mich bitte jetzt erst mal raus, dann kann ich es euch immer noch erzählen.“

Plötzlich rüttelte es an der Tür.

„Die klemmt“, hörte ich Siegfried rufen, „Moment, ich hole etwas zum aufstemmen.“

Schritte entfernten sich.

„Geht es dir gut, Volker?“, hörte ich Gisela rufen.

„Ich habe mich an der Schulter aufgerissen, aber sonst geht mir’s gut.“

„Was ist denn passiert?“

„Holt mich bitte erst heraus.“

„Siegfried kommt grad zurück… Moment.“

„Volker, ich versuche die Tür jetzt aufzustemmen“, hörte ich Siegfried rufen.

Ich stemmte mich also gegen die Tür und von der anderen Seite machte sich Siegfried zu schaffen. Mit einem lauten Krachen flog die Tür auf und ich zu Boden. Sofort waren Siegfried und Gisela da, um mir aufzuhelfen.

Ich begann erstmal zu husten und Gisela reichte mir eine Sprudelflasche.

„Wie bist du da rein gekommen?“, fragte Siegfried erneut und schaute in den dunklen Gang.

Michael

Eine weitere Schaufel Steine verließ die Grube. Volker hatte nicht mehr geantwortet. So langsam machte ich mir wirklich Sorgen.

„Passt bloß auf!“ rief ich zu den Bauleuten.

Meine Kollegen hatten Mühe, neugierige Besucher des Zoos, die näher an die Baugrube wollten, abzuhalten. Eine weitere Schaufel grub sich ins Erdreich und siehe da, ein winziges Loch war zu sehen.

„Halt“, schrie ich und kletterte an das Loch hin.

Der Bagger hielt an und es wurde ruhig. Ich beugte mich vor und starrte in das dunkle Loch.

„Volker?“, rief ich laut.

Keine Antwort.

„Volker, bist du da irgendwo.“

„Ja… hinter dir“, hörte ich Volkers Stimme, fuhr erschrocken herum und fiel fast in das Loch, wenn nicht einer der Bauarbeiter mich am Arm erwischte hätte.

Volker stand dreckig am Rand der Baugrube und schaute auf mich herunter. Neben ihm Siegfried und Gisela vom Elefantenhaus.

„Aber… aber… wie kommst… woher?“, stammelte ich.

Mein Handy ging.

Sebastian

Mir war egal, ob mich die Leute komisch anguckten. Ich rannte wie ein Besessener zum Bärenhaus. Dort angekommen, war schon eine größere Ansammlung von Menschen vor Ort. Ich drängelte mich durch.

„Entschuldigung… würden sie mich bitte durchlassen.“

Ein Muskelpaket versperrte mir den Weg.

„Pech Kleiner, ich war zu erst da“, hörte ich einen Stock über mir.

Ich schaute diesen Muskelberg an.

„Mir ist es egal, ob sie hier als erstes waren… oder hoffen, irgendwelche Leichen zu sehen. Ich bin Mitarbeiter des Zoos und habe nur freundlich gefragt, ob sie mich durchlassen… Also… bitte!“, sagte ich immer noch ruhig.

„So ein kleiner Scheißer arbeitet hier niemals… am Besten suchst du das Weite.“

Zu blöd, dass ich noch meine Privatklamotten anhatte. Mittlerweile waren die umstehenden Personen auf uns aufmerksam geworden.

„Der kleine Scheißer lässt sie gleich hinaus werfen!“

Der Riese begann lauthals zu lachen und packte mich am Kragen. Die anderen Leute um uns herum traten etwas zurück, statt für mich Partei zu ergreifen und einzuschreiten.

„He, was soll der Scheiß?“, sagte ich lauter.

„Halts Maul, kleiner Scheißer und mach die Fliege!“

Ich war schon darauf gefasst, im hohen Bogen durch die Luft zu fliegen.

„Sebastian… hast du irgendwelche Probleme?“

Fritz! Gott sei dank. Das Muskelmatschgesicht drehte seinen Kopf zu Fritz.

„Könntest du Herrn Muskel mal sagen, dass er mich loslassen soll?“, fragte ich und der Druck der Hand ließ schon etwas nach.

Fritz wandte sich an Mr. Muskel.

„Haben sie irgendwelche Probleme mit meinem Kollegen?“

Die Hand verschwand von meinem Hals.

„Dieser kleine Sch… äh arbeitet hier?“, fragte Mr. Muskel.

„Ja!“, antwortete Fritz, „soll ich die Polizei holen, Sebastian?“

„Äh… sorry… sie brauchen doch nicht gleich… ich meine… es ist doch nichts passiert“, versuchte sich Mr. Dummheit in Person herauszureden.

„Lass mal Fritz… ich denke, der Herr wollte jetzt sowieso unseren Zoo verlassen“, meinte ich und fuhr mir über meinen Hals.

Mr. Muskel drängelte sich durch die Menge und verschwand. Die umstehenden Personen begannen zu klatschen. Das bräuchten sie jetzt auch nicht zu tun, hätten sie mir mal lieber vorhin geholfen.

„Alles klar mit dir?“, fragte Fritz besorgt.

„Ja, ja. Was ist mit Volker?“

„Der hat sich sozusagen gerade selber befreit.“

„Wie das?“

„Komm einfach mit, wir gehen ins Bärenhaus, hier stehen zu viele Leute.“

So folgte ich Fritz ins Kleinbärenhaus, in das ich gerade Volker verschwinden sah. Dort angekommen, waren einige Mitarbeiter versammelt. Sie folgten alle ruhig seiner Erzählung.

„Ich weiß nicht, ob es sich vielleicht um frühere Bunkeranlagen vom Zoo handelt“, endete er.

Die Tür sprang auf und der Chef selber kam hereingestürmt.

„Volker… mein Gott, ist dir was passiert?“

„Mein Ego ist etwas angekratzt, aber sonst geht es.“

Im Raum begann jeder an zu lachen.

„Und was hast du da unten gefunden?“

„Alte Unterlagen von vor dem Krieg. Unter anderem habe ich noch eine große Geldkassette gefunden. Was sich darin befindet, kann ich dir aber nicht sagen, es fehlte der Schlüssel.“

„Dann sollten wir vielleicht nachsehen“, meinte der Chef und klopfte Volker auf die Schulter, „und Herrschaften, so leid es mir tut, ihr müsst an eure Arbeit zurück!“

Jetzt, wo es interessant wurde. Na super!

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