There is no buisness – Teil 1

Vorwort: Manchmal kommen die Ideen für eine neue Geschichte ganz urplötzlich und dann wenn man am wenigsten damit rechnet. So war es auch diesmal – ich denke an nichts Schlimmes „g“ und plötzlich habe ich den ersten Teil der Story schon komplett im Kopf.
Diese Geschichte hat mich von Anfang an fasziniert und ich wollte immer schon etwas in der Richtung schreiben und nun – Voila hier ist sie also. Viel Spaß beim Lesen!

Nick

P.S.: The usual disclaimers: Alle Figuren existieren nicht in der Realität sondern nur in meinem Kopf und Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind in aller Regel zufällig aber ab und zu dann doch durchaus gewollt.

„Tobias muss das denn wirklich sein?“

„WAS?“ schnauzte ich meinen Vater an denn im Moment hatte ich wirklich keinerlei Grund auch nur ansatzweise fröhlich zu wirken. Im Grunde genommen war ich genauso Happy wie es ein Wellensittich bei den Vorbereitungen zu einer Whiskas-Werbeaufnahme gewesen wäre, kurzum ich wollte eigentlich nur noch nach Hause.

Aber sorry, ich denke ich sollte mich erst einmal vorstellen: Mein Name ist Tobias Nord (ja, Nord wie Süd alles schon tausendmal gehört), ich bin 18 Jahre alt und stehe daher mitten im Leben – sollte man meinen.

Allerdings war ich zu diesem Zeitpunkt alles andere als mitten im Leben – zu mindestens innerlich nicht. Vom Umfeld her war ich wohl da gewesen wo jeder in meinem Alter nur zu gerne gewesen wäre – mitten in einer großen Party mit allen Stars und Sternchen die im deutschen Film und Fernsehen Rang und Namen hatte.

Wie ich dazu kam das sollte ich vielleicht kurz erklären: Also mein Vater ist leitender Produzent bei einer großen deutschen Produktionsfirma für Fernseh- und Kinofilme und von daher gehören für ihn solche Feiern der „High Society“ sozusagen zum Tagesprogramm.

Und genau da lag auch schon das Problem – für ihn waren diese Feiern Routine, für mich aber ganz und gar nicht – um genau zu sein konnte ich sie auf den Tod nicht leiden. Diese ganzen Schauspieler, Produzenten und was auch immer hielten sich selber für die Krone der Schöpfung, die Vollendung der Perfektion und, und, und.

Für mich einfach zu viel, denn ich kann diese ganze Selbstaufbauschung nicht leiden und versuchte daher mich so oft wie möglich vor solchen Anlässen zu drücken, meistens auch erfolgreich aber heute war wieder einer dieser Anlässe gewesen, wo mir mein Vater sehr deutlich gemacht hatte, dass er es nicht mehr hinnehmen wird, dass ich zuhause bleibe und mit „so eine Gelegenheit“ entgehen lasse.

Um genau zu sein hatte er es natürlich nicht so direkt gesagt aber ich wusste schon sehr genau, wann ich mich vor einer Feier drücken konnte und wann nicht – dieses war eben einer der Moment wo ich mich nicht drücken konnte.

Meine Mutter konnte dieses ganze Theater auch nicht leiden und ich denke das war auch der Grund wieso die beiden sich vor einigen Jahren getrennt haben. Wie jeder, der das einmal mitgemacht hat, sicherlich zu bestätigen weiß hat die ganze Scheidung mich auch ziemlich mitgenommen obwohl die beiden nach dem was ich von ein paar meiner Schulfreunde gehört hatte (deren Eltern das gleiche hinter sich hatten) noch ohne größere Streitereien auseinander gegangen sind.

Manchmal denke ich, dass es für mich vielleicht besser gewesen wäre mit meiner Mutter zusammen dem ganzen Showbiz auf Wiedersehen zu sagen aber ich kam immer schon besser mit meinem Vater als mit meiner Mutter aus und so blieb ich dann doch (gegen den Protest meiner Mutter) bei meinem Vater. Bereut habe ich diese Entscheidung bis heute dennoch nicht auch wenn mir Abende wie die eben angesprochenen schon ziemlich auf die Nerven gingen.

Bedenkt man allerdings, dass dieser Job mir und meinem Vater das Überleben sicherte (und das zugegebenermaßen auch gar nicht mal so schlecht) musste ich natürlich auch zugeben, dass das ganze schon irgendwo eine Gelegenheit sein könnte mich bei meinem Vater für all die schönen Annehmlichkeiten zu bedanken, die er mir ermöglichte. Trotzdem : Mein Bauch sagte mir ganz deutlich, dass ich hier nichts zu suchen hatte und wer kommt schon gegen sein innerstes an ?

„Was erwartest du von mir? Dass ich hier mit einer Stimmung durch den Laden gehe als wenn ich mir nichts Schöneres vorstellen könnte? Um ehrlich zu sein könnte ich dir auf Anhieb mindestens zehn Sachen aufzählen die mir mehr Spaß machen würden als mich mit diesen Möchtegern-Helden zu unterhalten.“

„Bitte Tobias du weißt, dass dieser Abend sehr wichtig für mich ist“

Ja wichtig war dieser Abend für ihn das war mir schon klar gewesen ansonsten hätte er mich nicht ‘gebeten’ ihn zu begleiten. Mein Vater wusste nur zu gut von meiner Einstellung seinem Job gegenüber aber bisher hatten wir es immer geschafft trotzdem privat ein gutes Verhältnis zu wahren. Okay es gab natürlich ab und zu ein paar kleine Streitereien die oft auch mit Abenden wie diesem zu tun hatten aber ansonsten hatte ich ein super Verhältnis zu meinem Vater, das ich auch auf keinen Fall missen wollte.

„Papa ich weiß, dass du dir viel hiervon versprichst aber warum muss ich dann unbedingt mit dabei sein?“

„Weil nun mal viele Leute hier einen ganz anders behandeln wenn die Familie mit dabei ist und … ich weiß es ja auch nicht genau aber bitte tu mir den Gefallen und versuch wenigstens ein bisschen locker zu wirken.“

„Na gut“ seufzte ich „aber glaube nicht, dass ich gleich in Freudentränen ausbrechen werde wenn ich nachher wieder irgendwen kennen lernen darf der sich für die Mini-Ausgabe von Leonardo DiCaprio hält – obwohl ich ja gegen Leo prinzipiell nichts habe“ diesmal musste ich sogar (ungewollt) ein bisschen grinsen – ich liebte es meinen Vater ab und zu ein paar kleine Anspielungen auf mein Schwulsein zu geben.

Als er es damals von mir erfuhr war er schon ein bisschen geschockt gewesen und wusste anfangs nicht so ganz damit umzugehen aber im Laufe der Zeit hat er es voll und ganz akzeptiert und fragt mich sogar von Zeit zu Zeit wie es denn um einen Schwiegersohn aussieht. „Ich arbeite daran“ ist meine Standard-Antwort bei dieser Frage – leider. Zwar gab es schon den ein oder anderen wirklich Gutaussehenden Typen, der mir schon gefallen könnte aber wie das Leben nun mal so spielt sind diese Cuties entweder vergeben oder hetero (bei mir war es eigentlich immer das letztere aber na ja …)

„Ich wusste doch, dass ich mich auf dich verlassen kann“ lächelte er und gab mir einen kleinen Schubs in die Rippen.

„Aua! Hey wenn du dein einziges Kind misshandelst dann könnte dir das aber auch als Minuspunkt angerechnet werden und deine Popularität ziemlich stark angreifen“ grinste ich zurück „Wo wir gerade von Popularität sprechen ich glaube da vorne trägt sie mal wieder Früchte – diese Schlechtaussehende Blondine da hinten hat dir gerade zu gewunken.“

„Schlechtaussehende Blondine? Tobias das ist keine Schlechtaussehende Blondine sond…“

Ich ließ ihn dieses Satz nicht aussprechen sondern machte eine abwinkende Handbewegung und nach einem „No Sir, not my Business“ machte ich mich auf den Weg durch die Veranstaltungshalle um eventuell etwas Leckeres zu essen zu finden.

Wenigstens das sollte sich nicht als so schwer erweisen denn wie immer gab es ein Buffet das seinesgleichen suchte – eine der wenigen Sachen die ich dem Show-Geschäft durchaus positiv anrechnen musste. Essen machen konnten die großen der Leinwand aber das war es dann auch schon irgendwo gewesen.

Nachdem ich mich also durch die Heerscharen von Reportern gewühlt hatte (haben die eigentlich nichts besseres zu tun, als jeden der denen vor die Kamera läuft auch noch beim Essen zuzusehen und am liebsten noch die Lebensgeschichte des Hähnchen, das er gerade verspeist zu erfahren?), eine Viertelstunde angestanden hatte um mir meinen Teller voll zuladen und weitere zehn Minuten verzweifelt nach einem Sitzplatz gesucht hatte konnte ich endlich mal ein bisschen ausspannen und mich genüsslich der Nahrungsaufnahme widmen.

Aber so einfach wollte es mir das Schicksal dann auch wieder nicht machen und so sollte meine Ruhe auch nicht lange andauern denn ich hatte kaum die Suppe herunter geschlürft, da kamen auch schon zwei der ‘ganz großen’ an meinen Tisch und unterhielten sich lautstark über ihre Karriere, ihre zukünftigen Pläne, ihre tollsten Rollen, bla, bla, bla …

Ich beeilte mich mein Essen so schnell wie möglich zu vertilgen um dann wiederum so schnell wie möglich verschwinden zu können.

Kaum hatte ich mich vom Tisch ein bisschen entfernt und stand mehr oder weniger lustlos am Buffet als ich von hinten eine Stimme hörte.

„Na, genug von Beavis und Butthead?“ lachte mich ein Mädchengesicht an, dessen Besitzerin ungefähr in meinem Alter gewesen sein musste und nachdem ich zweimal hingesehen hatte wusste ich auch wieder woher mir das ganze bekannt vorkam.

„Steffi! Was machst du denn hier?“ fragte ich begeistert. Stefanie war wie ich ein Kind eines vom Erfolg nur so verwöhnten hohen Tieres, nur mit dem Unterschied, dass ihr Vater nicht im Film- sondern im Musikbereich tätig war, was aber bei so einer Veranstaltung auch keinen großen Unterschied machte.

Wir haben uns vor einiger Zeit während eines ‘kleinen’ Empfanges kennengelernt und uns sofort prima verstanden. Sie hatte so ziemlich die gleiche Meinung vom Big Business wie ich und von daher passten wir richtig gut zusammen. Der Abend schien gerettet, die Götter hatten mich erhört!

„Dasselbe wie du nehme ich an – mich langweilen und hoffen, dass der Abend so schnell wie möglich vorbei geht“

„Na wenigstens können wir uns jetzt zusammen langweilen was?“ der Gedanke nicht den ganzen Abend alleine in irgendeiner Ecke stehen zu müssen munterte mich dann doch wieder gewaltig auf.

„Jup. Aber mal was anderes – hast du heute Abend schon irgendjemand gesehen, der richtig gut aussieht aber nicht gerade mit 20 Autogrammkarten ‘für alle Fälle’ in der Tasche durch die Gegend läuft?“

„Na ja der ein oder andere ist mir schon über den Weg gelaufen aber was soll ich dir sagen die sind doch alle viel zu alt – außer den Jungs von Echt vielleicht“ grinste ich sie an

„Ahhh ja, die Echt-Jungs, die haben es dir auch angetan was? Wer genau ? Puffi? Kim? Flo?“

Oh oh sie hatte mich mal wieder erwischt – ich konnte nichts dagegen tun und nur tatenlos zusehen wie mir das Blut in den Kopf schoss und die Farbe sich der einer Tomate bestimmt immer mehr annäherte.

„Steffi, du kennst mich einfach zu gut“ lachte ich.

„Ja das sagen sie alle von mir obwohl ich heute noch nicht so ganz begriffen habe wieso – aber das ist jetzt gar nicht unser Thema. Also Flo richtig? … Ja ja tu mal nicht so verlegen wie gesagt ich kenne dich da viel zu gut für aber du hast ja recht der ist ja auch wirklich ein Schnuckel. Sollen wir die Jungs nicht mal suchen und ihn fragen ob er nicht was für einen armen kleinen Kölner Jungen übrig hat, der verzweifelt nach einem Freund sucht?“

„STEFFI!“

„Okay, okay“, lachte sie, „war ja nur so eine Idee gewesen“

„Du und deine Ideen“ lachte ich zurück und schüttelte den Kopf.

„Meine Ideen haben uns schon so manchen Abend vor gähnender Langeweile gerettet und uns ein paar interessante Momente beschert, die wir – ehm sorry, die ich  meinen Enkelkindern erzählen kann“

„Hey hey, wer sagt denn hier, dass ich mit deinen Enkelkindern nicht reden darf?“

„Okay, okay, der Punkt geht an dich“ lachte sie

Der Rest des Abends war wie gesagt damit auch gerettet gewesen. Steffi und ich machten unsere Witzchen über die großen dieses Landes (oder zu mindestens die, die sich dafür hielten) und irgendwie freute ich mich dann doch, an dem Abend mit meinem Vater mitgekommen zu sein.

„Na Tobi, wie sieht’s aus? Machen wir uns auf den Weg nach Hause?“, fragte mein Vater, nachdem sich der Saal zu fortgeschrittener Stunde schon ziemlich geleert hatte.

Was übrig geblieben war? Eine Spür der Verwüstung. Leere Sektgläser hier, schmutziges Geschirr da und mittendrin irgendwelche Visitenkarten die zwar ausgetauscht aber sobald der Gesprächspartner außer Sichtweite war auch schon wieder wie eine heiße Kartoffel fallen gelassen wurden. Steffi und ich machten uns bei sowas immer einen Spaß daraus diese Karten einzusammeln und zu sehen, wer die meisten ‘Nutzlos-Cards’ verteilt hatte.

„Och Papa … eine halbe Stunde noch?“

Mein Vater sah mich mit großen Augen an und wusste nicht so ganz wie ihm geschah – naja irgendwo auch verständlich, denn schließlich war ich es ja gewesen, der ihm noch ein paar Stunden zuvor die schärfsten Vorwürfe gemacht hatte, wieso er mich überhaupt mitgenommen hatte und nun wollte ich auch noch länger bleiben? Das muss wirklich zu viel für meinen alten Herren gewesen sein.

„Okay, okay – keiner bewegt sich“, sagte er nach einigen Augenblicken Bedenkzeit.

 „Steffi ich möchte jetzt klipp und klar wissen, was du mit meinem Sohn gemacht hast – das hier scheint er auf jeden Fall nicht zu sein, also jetzt rück raus mit der Sprache“.

Hatte er zu Anfang des Satzes noch einen ernsten Ton als ob er uns beiden gleich wie zwei kleinen Kindern eine Woche Stubenarrest verordnen wollten merkten wir jedoch deutlich, dass er gegen Ende ein leichtes Lächeln nicht mehr unterdrücken konnte.

„Tja, Herr Nord es gibt so manche Sachen, die wir Frauen gerne für uns behalten und es tut mir ja schrecklich Leid für sie, aber das ist ganz eindeutig eins dieser Geheimnisse“

„Na gut, na gut … also ich gebe euch noch fünfzehn Minuten, danach müssen wir dann aber wirklich los, einverstanden?“

„Klar Papa!“

„Also dann, du findest mich an der Bar. Tschüss Steffi!“

„Tschüss Herr Nord – und passen Sie mir auf diesen kleinen Engel hier auf!“

Hatte sie gerade Engel gesagt? Zu mir?? Oh Gott, wo sollte das alles noch hinführen…

„Oh, oh … glaub mir der Heiligenschein hat sich in nichts aufgelöst seit Tobias die Pubertät erreicht hat“, lachte mein Vater „Früher, da…“

„Ja Papa ich weiß… du wolltest an die Bar gehen oder? … auf Wiedersehen!“

Mit einem Kopfschütteln und einem Lächeln im Gesicht machte sich mein Vater auf den Weg zur Bar und Steffi und ich auf den Weg zu unserem Lieblingssport dem eben schon beschriebenen Karten-Einsammeln.

„Sag mal, was sollte das denn eben mit dem Engel?“, fragte ich sie, als wir uns nach der erfolgreichen ‘Jagd’ wieder an einen Tisch gesetzt hatten.

„Na man wird doch wohl noch die Wahrheit sagen dürfen oder?“, grinste sie mich an und ich konnte schon wieder merken, dass meine Eigenschaft bei jeglichem Lob sofort knallrot anzulaufen hier ihrem Ruf alle Ehre machte … „Na, na kein Grund hier direkt zur Tomate zu werden – soooo ein großer Engel bist du dann auch wieder nicht“ lachte Steffi.

„Das wäre ja auch mal was gewesen, wenn du nicht noch irgendwo ein Ass im Ärmel gehabt hättest“ grinste ich zurück, verabschiedete mich von ihr und machte mich auf den Weg zu meinem Vater, der – wieder einmal – mit irgendjemand in schwarzem Anzug ein wichtiges Gespräch zu führen schien.

„Ah Tobias, da bist du ja – darf ich dir vorstellen, Herr Schremm von IMC Productions“

„Freut mich sie kennenzulernen“, antwortete ich besagtem Herrn Schremm, als ich seine Hand schüttelte. Im Grunde genommen freute es mich natürlich nicht im Geringsten ihn kennenzulernen aber hier sprang mal wieder meine gute Erziehung ein und ich tat brav das, was mein Vater von mir in so einer Situation erwartete nämlich den lieben Sohn zu spielen.

Da ich inzwischen wieder ganz gut drauf war und der Abend sich schon seinem Ende zuneigte viel es mir auch nicht sehr schwer gute Miene zum ‘bösen’ Spiel zu machen und schließlich wollte ich auch nicht mehr Ärger als unbedingt nötig.

Kurz nachdem ich also dieses Begrüßungsritual hinter mich gebracht hatte verabschiedete sich mein Vater auch schon und wir beide machten uns auf den Weg nach Hause. Weit zu fahren hatten wir nicht und von daher dauerte es auch gar nicht lange bis wir endlich zuhause ankamen.

„Hey Tobi?“

„Ja Papa?“

„Danke für heute Abend – ich weiß, du machst sowas nicht gerne aber dafür hast du dich wirklich super geschlagen. Ich wollte nur, dass du das weißt“

„Da musst du schon Steffi danken, denn ohne sie hätte ich beileibe nicht soviel Spaß gehabt.“ antwortete ich ihm wahrheitsgemäß

„Ihr mögt euch oder?“

„Klar mögen wir uns – sie ist supernett“, sagte ich und merkte schon, dass mein Vater wieder dieses hämische Grinsen aufgesetzt hatte, „NEIN PAPA!! Natürlich nicht das, was du jetzt wieder denkst, du weißt doch…“

„Ja, ja natürlich weiß ich“, lachte er, „aber man wird doch wohl noch fragen dürfen oder?“

„Ach Papa du bist ein hoffnungsloser Fall“, lachte ich und gab ihm eine Umarmung, „gute Nacht und bis Morgen!“

„Nacht mein Großer!“

Wir beide machten uns auf den Weg in unsere Schlafzimmer und ehe ich mich versehen hatte lag ich auch schon ausgezogen im Bett und verschwand im Reich der Träume.

*-*-*

„Es ist sechs Uhr“, hörte ich aus dem Radio und bereute schon wieder mir überhaupt den Wecker gestellt zu haben aber wenn man so ein chronischer Langschläfer ist wie ich, dann führt nichts drum herum – was beneide ich doch die Leute, die ohne mit der Wimper zu zucken morgens aufwachen, in einer Minute kerzengerade vor ihrem Bett stehen und sich dann freiwillig auf den Weg ins Badezimmer machen.

Ich für meinen Teil brauche da immer eine gewisse ‘Vorlaufzeit’, in der ich einfach nur im Bett liegen kann, das Radio läuft und ich mir immer wieder vornehme zu den nächsten vollen zehn Minuten aufzustehen – wobei die dann allerdings immer wieder großzügig um zehn weitere Minuten verlängert werden.

Letzten Endes hab ich es aber bisher noch immer geschafft mehr oder weniger pünktlich aus dem Bett heraus zu kommen, mich fertig zu machen um mich dann mit dem Fahrrad auf den Weg ins Altenheim zu machen, wo ich noch ein paar Monate Zivildienst abzuleisten hatte.

Über meine Stellenbeschreibung konnte ich mich immer wieder herrlich amüsieren „Übergreifender Dienst am Menschen“ stand dort in meinem Einberufungsformular. Tatsächlich jedoch traf dies meinen Einsatzbereich ziemlich schlecht denn ich war mehr oder weniger das ‘Mädchen für alles’.

Angefangen vom Auto waschen, Kaffee kochen, Briefträger spielen und alte Leute mit dem Rollstuhl durch die Gegend fahren machte ich alles was es eben so zu tun gab und im Großen und Ganzen machte es mir sogar Spaß.

„Na, Tobias heute wieder ein bisschen länger geschlafen?“, begrüßte mich Christoph mein Zivi-Kollege, als ich schnellen Schrittes durch den Aufnahme-Bereich schlitterte und noch so gerade eben pünktlich vor der Stempeluhr zum Stehen kam.

Ich nahm meine Karte aus dem Portemonnaie, drückte auf >Kommen< und das Maschinchen quittierte mir mit zwei kurzen Pieptönen, dass ich ab jetzt wieder im Dienst des Staates stehen würde – was für Aussichten.

„Christoph, ich weiß wirklich nicht, wie du jeden Morgen schon um sieben Uhr hier als erster auf der Matte stehen kannst – bist du ein Zombie, der keinen Schlaf braucht oder hat es deine Mutter immer noch nicht aufgegeben dich jeden Morgen mit dem Geruch von frischem Kaffee aus dem Bett zu locken?“

Seit ich einmal bei Christoph übernachtet hatte, konnte ich mich immer noch an diesen durchdringenden Geruch erinnern.

„Von beiden etwas“, lachte er zurück, „und? Wie war es gestern gewesen, irgendjemand gesehen den wir beide näher im Auge behalten sollten?“

Um es direkt mal klarzustellen! Ja, Christoph war auch schwul und die Überraschung war nicht schlecht gewesen, als wir es vor ein paar Monaten gegenseitig vom anderen erfuhren.

Irgendwie sollte man jetzt erwarten, dass wir inzwischen – da wir uns schon so gut verstanden – auch zusammen wären aber dem war dann doch nicht so. Nicht, dass wir nicht beide solo wären und nicht auf der Suche nach dem Traumprinzen fürs Leben gewesen wären aber irgendwie wurde nie mehr aus unserer Freundschaft obwohl ich mir schon ab und zu wünschte mit Christoph ‘mehr’ zu unternehmen als unsere gelegentlichen Ausflüge zusammen.

Naja, was nicht ist kann ja vielleicht noch werden“, dachte ich mir bei solchen Gelegenheiten immer und außerdem wollte ich unser gutes Verhältnis nicht aufs Spiel stellen, was Christoph wohl genauso ging – dieses Gefühl hatte ich auf jeden Fall.

„Oh Gott, hör bloß mit gestern Abend auf – grausam kann ich dir nur sagen. Mal wieder der ganze übliche Kram. Gerede ohne Ende, nutzlose und überflüssige Kommentare hier und da und von den süßen Jungs wollen wir gar nicht erst reden“ antwortete ich.

„Wären die jungen Herren eventuell in der Lage die Privatkonversation für einen Augenblick zu unterbrechen und sich wieder mit der Arbeit zu beschäftigen?“, hörte ich aus Richtung Eingang rufen und nach einem kurzen Blick sah ich auch schon, dass unsere Chefin auf dem direkten Wege zu uns war.

„Gefechtszustand?“, grinste mich Christoph an.

Ich nickte nur und wir beide wussten, dass es also Zeit war den lieben Jungen aus der Nachbarschaft zu spielen.

„Natürlich Frau von Heiligenhaus, wir waren gerade damit beschäftigt die Feinkoordination für den heutigen Tag vorzunehmen.“

„Ach so – Feinkoordination nennt man das inzwischen also? Mit euch beiden habe ich mir ja wirklich zwei Herzchen an Land gezogen, eigentlich hätte ich euch ja schon längst in die Küche zum Spülen abordnen sollen aber wer macht mir dann hier vorne die ganze Arbeit? Also los ihr zwei jetzt zack zack“, sagte sie und machte sich anschließend mit einem leichten Kopfschütteln auf den Weg in ihr Büro am Ende des Flurs.

Ja, ja unsere Frau von Heiligenhaus war schon eine Vorgesetzte, wie man sie wohl nur selten findet. Solange wir unsere Arbeit anständig erledigten war ihr eigentlich der Rest ziemlich egal gewesen – solange sie nicht unbedingt alles das mitbekam, was wir nebenbei noch so fabrizierten – und so waren wir den gesamten Tag über meistens auf uns alleine gestellt und sahen sie nur ab und zu wie ein Gespenst über den Gang huschen. So ließ es sich leben!

„Okay, ich werde mich dann mal ins Auto schwingen und die tägliche Route fahren. Gibt’s noch irgendwas Besonderes?“ fragte ich Christoph, der sich wieder wie der Chef persönlich hinter ‘seinen’ PC gesetzt hatte und begann sich der alltäglichen Arbeit zu widmen.

„Ehm ja – Frau Wissoner auf der 2A – du weißt schon unsere Miss Maple – hätte gerne eine neue Nachttischlampe und zwar diese ich zitiere ‘kleene jrüne mit de schöne Schirm’ und Frau Ulsmeier hätte gerne zehn Briefmarken zu 1,10 von der Post“

„Das war alles?“

„Das war alles!“

„Na dann alles klar, wird gemacht“ antwortete ich, nahm mir den Autoschlüssel und machte mich auf den Weg.

Die tägliche Route war eigentlich eine nette kleine Stadtrundfahrt zur Bank, zur Post, zu ein paar anderen Altenheimen um die Hauspost einzusammeln und dann eben noch zu diversen anderen Stellen wenn unsere Bewohner irgendwelche besonderen Wünsche hatten, was ziemlich regelmäßig vorkam denn wenn mal alt wird hat man scheinbar genügend Zeit sich mit Dingen zu befassen, an die ein Normalmensch nie denken würde aber das nur mal so nebenbei.

Während ich in unserem neuen und blitzblanken weißen Opel Astra saß machte ich mir wie des Öfteren während so einer Fahrt Gedanken über alles Mögliche, die Welt an sich und natürlich mein weiteres Leben. Wenn es nach meinen Vater ginge dann könnte ich sofort nach meinem Zivildienst bei ihm in seiner Firma anfangen, da müsse er nur ein gutes Wort für mich einlegen und schon wäre die Sache erledigt.

Eigentlich schön und gut sollte man meinen, da ist ein hochbezahlter Job, der nur darauf wartet von mir übernommen zu werden doch eigentlich wollte ich nicht den gleichen Weg einschlagen wie Paps – immer wieder die von mir so verhassten Bälle, Empfänge und so weiter – nein irgendwas anderes musste her, doch was?

Biologie und Medizin hatten mich immer schon interessiert und so war ich mir eigentlich schon ziemlich sicher später irgendwas in dieser Richtung zu machen doch was genau? Das stand noch irgendwo in den Sternen.

Nachdem ich die täglichen Besorgungen erledigt hatte nahm ich mir noch ein bisschen Zeit um auch für mich noch ein paar Kleinigkeiten einzukaufen – eine Riesenflasche Pepsi-Cola, ein bisschen was zu knabbern und ein paar Brötchen für Christoph und mich.

Als ich an der Kasse stand hörte ich plötzlich hinter mir eine Stimme.

„Ehm sorry – kann es sein, dass wir uns gestern Abend gesehen haben?“

Ich drehte mich um und bekam einen leichten Schock.

„Du bist doch der Sohn von Albert Nord oder? Thomas, richtig?“, fragte mich ein bestimmt zwei Meter großer Herr in Anzug, der mir sehr bekannt vorkam und nachdem ich zweimal nachgedacht hatte, wusste ich auch wieder wer es war nämlich Herr Schremm, den mein Vater mir an der Bar vorgestellt hatte.

Ich wusste zwar nicht, was er von mir wollte aber wie schon gesagt habe ich ja eine gute Erziehung genossen und antwortete deshalb höflich wie (fast) immer.

„Tobias! Guten Morgen Herr Schremm“, sagte ich und schüttelte ihm die Hand.

Er schien deutlich überrascht zu sein, dass ich mich noch an seinen Namen erinnerte aber das war eine meiner Stärken – ich vergesse sehr selten den Namen von Leuten, die mir einmal über den Weg gelaufen sind, sei es nun freiwillig oder unfreiwillig.

„Oh, du kennst mich noch? Wir haben uns doch nur zwei Minuten gesehen“ fragte er verwundert

„Zwölf Euro und drei“, unterbrach uns die Kassiererin, was mir nicht gerade unangenehm war denn besonders große Lust diesen Smalltalk weiterzuführen hatte ich eigentlich nicht gehabt.

Nachdem ich meinen Kram bezahlt hatte und mehr oder weniger gut verstaut hatte wollte ich mich schon auf den Weg nach draußen machen doch wie es meistens so ist, wenn man versucht zehn verschiedene Dinge in zwei Händen zu tragen landete das meiste davon auf dem Boden.

Ziemlich verzweifelt versuchte ich also alles wieder aufzuheben doch jedes mal, wenn ich ein Teil aufgehoben hatte fiel das nächste auf den Boden – derjenige, der die Gravitation erfunden hat, hatte sowas wohl noch nicht so ganz berücksichtigt.

„Lass mal, ich helfe dir dabei“ hörte ich Herrn Schremm sagen – na also, zu irgendwas schienen die Geschäftspartner von meinem Vater ja doch gut zu sein.

„Danke! Ich möchte mal wissen, wie ich das Zeug überhaupt bis zu Kasse bekommen habe ohne wie Hänsel und Gretel eine Spur zu hinterlassen“ lachte ich, nachdem ich bemerkt hatte, dass meine Versuche alles unter einen Hut bzw. auf zwei Arme zu bekommen bestimmt einen interessanten Anblick abgegeben hatten.

„Ach Tobias, hast du noch einen Moment Zeit?“, hörte ich Herrn Schremm fragen als wir die Sachen in meinem Dienstwagen verstaut hatten und ich mich schon auf den Weg machen wollte.

„Na klar, was gibt’s denn?“

„Eigentlich wollte ja dein Vater mit dir darüber sprechen, hat er mir gesagt, aber wenn wir uns hier schon treffen, dann können wir das auch unter uns erledigen. Also es geht sich darum, dass dein Vater ja diese Woche bei mir zum Essen eingeladen ist“

„Na ja, mein Vater ist ziemlich oft zu Geschäftsessen eingeladen, was hat das mit mir zu tun?“, fragte ich nach denn auf ein pures Geschäftsessen mit allem was dazugehört war ich natürlich nicht besonders scharf gewesen.

„Ich weiß nicht ganz wie ich mich ausdrücken soll…, also ich habe mir gedacht, wenn es dir nichts ausmacht, ob du nicht vielleicht mitkommen könntest und ein bisschen Zeit mit Andreas verbringen könntest“

Andreas? Wer war das denn? Vielleicht sein Hund?

„Wer ist denn Andreas?“

„Oh entschuldige – Andreas ist mein Sohn. Er ist ungefähr so alt wie du und … na ja sagen wir mal er ist nicht gerade jemand, der viel mit anderen Leuten unternimmt und in letzter Zeit verhält er sich noch zurückgezogener als sonst und ich habe mir gedacht vielleicht fehlt im einfach nur jemand in seinem Alter, mit dem er sich mal unterhalten kann. So wie ich deinen Vater verstanden habe bist du ja nicht gerade besonders begeistert vom Showbiz…“

„Na ja ich denke das kann man so…“, ich kam nicht dazu diesen Satz auszusprechen.

„Hey, du brauchst dich vor mit nicht zu rechtfertigen – das ist ja gerade das worüber ich mit dir sprechen möchte denn Andy… ehm Andreas geht es ja nicht anders und deshalb dachte ich vielleicht …“

Also diese ganze Sache hörte sich ja schon fast gut an – ein Junge ungefähr in meinem Alter, der scheinbar das gleiche ‘Problem’ wie ich hat, vielleicht noch ganz gut aussiehst und … in diesem Moment musste ich innerlich selber leicht grinsen. Kaum höre ich, dass der Typ in meinem Alter ist und schon fange ich an sonst was hinein zu interpretieren aber wieso denn eigentlich nicht?

„Ich denke ich habe sie schon verstanden. Von mir aus gerne!“, unterbrach ich ihn nun meinerseits – eigentlich etwas, das ich ansonsten kaum mache denn wie mir mein Vater so schön beigebracht hatte ist es das A und O guter Kommunikation seinen Gesprächspartner aussprechen zu lassen aber hier lagen für mich die Karten klar auf dem Tisch also wieso noch lange drum herum reden?

„Ehrlich? Das finde ich ja wirklich klasse von dir – es macht dir wirklich nichts aus?“

„Nein wirklich nicht – so komme ich wenigstens auch mal aus dem Haus und ganz nebenbei kann ich noch ein paar Bonuspunkte sammeln weil ich meinen Vater endlich mal in ‘geschäftlichen Dingen’ begleite was er mir ja eigentlich jedes Mal gerne unterjubeln würde“

„Na, das ist natürlich auch ein Wort“ lachte Herr Schremm „also dann sehen wir uns später ja?“

„Natürlich, versprochen ist versprochen“ antwortete ich ihm und mit einem Handschlag verabschiedeten wir uns.

Ich stieg in meinen Dienstwagen und machte mich auf den Weg zurück zum Altenheim. Auf dem Weg dahin fiel mir ein, dass ich jetzt zwar Herrn Schremm zugesagt hatte aber keinerlei Ahnung hatte wann denn jetzt dieses Geschäftsessen eigentlich stattfinden würde. Genial gemacht Tobias, wirklich. Die wichtigsten Dinge fallen mir wie immer erst hinterher ein. Na ja es dürfte nicht so schwierig werden meinen Vater nach dem Termin zu fragen, wahrscheinlich würde er eh auf mich zukommen und – wie immer – versuchen mich zu überreden dieses eine Mal doch mitzukommen, was mich auf eine interessante Idee brachte. Ich war schon richtig gespannt auf seine Reaktion, wenn er nicht wie üblich ein quengelndes ‘Nein’ sondern ein spontanes ‘Ja’ hören würde. Ich konnte diesem Essen so langsam immer mehr positive Seiten abgewinnen.

Zurück im Altenheim fiel mir als erstes der leicht beißende Geruch im Eingangsbereich auf – das gute alte Gebäude wird doch nicht etwas Feuer gefangen haben?

„Christoph? … Hallo?“ Rief ich durch den Gang doch anscheinend schien mich niemand zu hören.

„Hier hinten!“ hörte ich plötzlich einen leisen Ruf und machte mich flinken Fußes auf den Weg um nachzusehen, was denn hier eigentlich los war. Ein paar Türen weiter lag die Personal-Küche und dort war die Geruchsbelästigung mindestens auf das doppelte angestiegen und ein schwarzer Rauch lag im Raum. Christoph stand am Fenster und schüttelte nur mit dem Kopf.

„Frauen! Lass sie irgendwas machen und es wird garantiert schief gehen“ grinste er „selbst das Kochen haben sie inzwischen verlernt, oh Deutschland wo sind wir gelandet?“

„Was war denn hier los? Hat der Pyromane in dir wieder zugeschlagen?“

„Wieso denken die Leute immer direkt, dass ich sowas fabrizieren könnte? Na okay, möglich wäre es vielleicht schon aber diesmal bin ich ausnahmsweise total unschuldig“

„Und was war dann los?“

„Was los war? Schwester Hilde war los!“

Das hörte sich dann schon wieder ziemlich logisch an – Schwester Hilde war die Personifikation eines Wirbelwindes. Wo immer sie auftauchte hatte sie den Stress praktisch an der Leine direkt neben sich laufen, wie die sich durchs tägliche Leben hangelte ist mir bis heute schleierhaft.

„Und was war’s diesmal?“

„Nun sagen wir es mal so: die wilde Hilde wollte sich zum Mittagessen eine kleine Pizza zubereiten doch dann fiel ihr scheinbar wie aus dem nichts ein, dass sie doch eigentlich heute noch auf eine Fortbildung muss. Tja, und da ist sie wohl auch jetzt noch – nichts ahnend, dass ihre Pizza inzwischen farblich ungefähr aussieht wie ein Autoreifen“ sagte Christoph und deutete auf einen Teller mit einer kleinen schwarzen Scheibe, die tatsächlich sehr viel Ähnlichkeit mit einem (zugegeben sehr kleinen) Autoreifen gehabt hatte „Ich denke an nichts schlimmes und will mir eine Cola aus dem Kühlschrank holen und hätte fast vor Schreck die Feuerwehr gerufen aber inzwischen geht’s ja wieder halbwegs. Die kommt mir so schnell nicht mehr an den Backofen“ lachte er.

„Wo wir gerade beim Thema Backen sind – ich habe deine Brötchen dabei, liegen vorne am Telefon“

„Oh Tobias du bist ein guter Junge“ sagte er, nachdem er sich die Tüte gekrallt hatte „Gibt’s noch mehr davon?“

„Wovon? Den Brötchen oder den guten Jungs?“

„Hmmm … wir wär’s mit beiden?“

„Ich kann nur für die Brötchen sprechen“ lachte ich „und da wo die sind, sind bestimmt noch sehr viel mehr“

„Könnte mir mal bitte jemand helfen??“ hörten wir es von der Eingangstüre her rufen.

Christoph und ich blickten uns gegenseitig an und wie sagten wie aus einem Munde: „Frau von Heiligenhaus!!“

„Wir kommen ja schon“ rief ich und wir beide machten uns schnellen Schrittes auf den Weg um unserer Chefin unter die Arme zu greifen (natürlich nur im übertragenen Sinne, denn wer wollte dieser Frau schon … nein wirklich nicht).

„Diese fünf Tabletts müssen bitte sofort in die Küche“

„Also Frau von Heiligenhaus ich glaube nicht, dass das jetzt so eine gute Idee ist“ antwortete Christoph.

„Und könnte mir mal einer von euch sagen wieso?“

„Also ich weiß nicht so ganz wie ich ihnen das erklären soll, aber sagen wir mal, die Italiener haben unsere Backofen angegriffen, wir haben sie aber erfolgreich zurückgeschlagen und das einzige Problem ist jetzt nur, dass sich der Backofen und der Rest der Küche noch ein bisschen von der Schlacht erholen muss“

„Und jetzt bitte noch mal so, dass ich es auch verstehe …“

„Das, was Christoph Ihnen sagen wollte ist, dass Schwester Hilde eine Pizza im Ofen vergessen hatte und die Küche im Augenblick dementsprechend aussieht“ antwortete ich unserer Chefin, deren Blick wir wieder einmal ansehen konnten, dass sie – auch wieder einmal – keinen Schimmer davon hatte was hier im Hause in den letzten Stunden vorgegangen war.

„Und warum sagt ihr mir das nicht gleich?“

„Nun jaaa … wir …“ stotterte Christoph

„Ihr beide zusammen seid ein Höllenteam – einer alleine ist schon schlimm genug aber zusammen …“

„… sind wir ungeheuer produktiv oder?“ warf ich frech in den Raum hinein wohl wissend, dass ich recht mit dieser Feststellung hatte. Christoph und ich hatten tatsächlich eine Menge Schwung in den Laden gebracht, was Frau von Heiligenhaus zwar ungern aber wohl oder übel doch eingestehen musste.

„Ja ja – und jetzt bringt diese Tabletts nach oben in den kleinen Konferenzraum, alles klar?“

„Jawohl, kleiner Konferenzraum, 2 Etage wird gemacht. Was ist eigentlich unter den Hauben drunter?“ fragte ich neugierig

„Belegte Brötchen, wieso?“

Jetzt fingen Christoph und ich wieder an zu lachen, denn kaum hatte ich ihm gesagt, dass da wo die Brötchen herkommen noch mehr sind da waren sie schwups auch schon da. Frau von Heiligenhaus, die natürlich nichts von unserer ‘Brötchen-Story’ wusste schüttelte nur ungläubig mit dem Kopf und machte sich auf dem Weg in ihr Büro.

Christoph und ich brachten die Tabletts wie gewünscht nach oben und gingen danach wieder unseren Alltagsaufgaben im Büro nach. Der Rest des Tages verlief dadurch mehr oder weniger ohne größere Ereignisse. Schwester Hilde kam im Laufe des Tages wieder von ihrer Fortbildung zurück und entschuldigte sich hundertmal (oder war es noch öfter?) für das Missgeschick, das ihr in der Küche passiert war und versprach sich bei uns beiden dafür erkenntlich zu zeigen, dass wir vielleicht das komplette Haus vor dem Abbrennen gerettet hatten.

Wie auch immer, auch dieser Tag ging irgendwann zu Ende und ich machte mich wieder auf den Weg nach Hause wo mein Vater – zu meiner großen Überraschung – schon mit dem Essen auf mich wartete.

„Hi Papa!“

„Hallo Sohn. Na, wie war dein Tag?“

„Och ging so“ antwortete ich ihm „sieht man davon ab, dass uns Schwester Hilde ausräuchern wollte war alles wie sonst auch“

„Bitte was? Das muss ich jetzt nicht verstehen oder?“

„Ne nicht unbedingt“ grinste ich zurück „aber was ist denn hier los? Wie kommt’s, dass das Essen schon fertig ist? Gibt’s was Wichtiges?“

„Besonders wichtiges nicht, ich wollte dich nur mal fragen, ob du am Wochenende schon was vor hast“

So, so ob ich am Wochenende schon was vorhatte wollte mein lieber Herr Vater wissen. Bedenkt man das und die Tatsache, dass das Essen so gut wie fertig war konnte das nur bedeuten, dass er mich zu einem Geschäftsessen am Wochenende überreden wollte – in diesem Falle aber hatte ich den Überraschungseffekt auf meiner Seite.

„Na ja … eigentlich schon. Ich wollte mit dir zusammen zu Herrn Schremm zum Essen fahren“ grinste ich ihn an.

Der Blick meines Vaters war unbeschreiblich – er hatte scheinbar mit allem gerechnet aber wohl nicht damit, dass ich schon mir aus das vorausnahm wonach er mich gerade fragen wollte – Kunststück, denn normalerweise hätte ich bei so einer Einladung auch sofort in meinen ‘Trotz-Mode’ geschaltet und wenn er nicht zu sehr nachgehakt hätte mir irgendeine Ausrede gesucht um dann nicht mit ihm mitfahren zu müssen aber dass ich die ganze Prozedur freiwillig mitmachte schien ihm nicht so ganz geheuer zu sein.

Nachdem er mich also eine zeitlang ziemlich entgeistert angesehen hatte fragte ich ihn „Das wollte du mich doch fragen oder?“

„Nein eigentlich wollte ich dich fragen, ob du an einer Ausbildung zum Tiefseetaucher im Mariane-Graben teilnehmen möchtest – natürlich wollte ich dich das fragen aber woher um alles in der Welt weisst du das?“

„Tja, die Wege des Herrn sind unergründlich“

„Tobias!!!“

„Hey hey ist ja schon gut“ lachte ich „Ich habe Herrn Schremm heute Mittag beim Einkaufen getroffen und bin mit ihm ein bisschen ins Gespräch gekommen“

„Wieso kauft der denn bei uns ein?“

„Also ist das jetzt mein Geschäftspartner oder deiner? Sowas darfst du mich nicht fragen. Ich habe ihn beim Einkaufen getroffen und die Sache mit ihm abgesprochen“

„Und ich hab mich schon gefragt, was denn jetzt wohl passiert ist“ lachte mein Vater „Also fährst du am Freitag mit sehe ich das richtig?“

„Papa muss ich denn alles doppelt sagen?“

„Eigentlich nicht – aber hierbei wollte ich mich eben noch mal vergewissern ob ich auch richtig gehört habe“

„Das hast du schon richtig verstanden ich komme mit“

„Und kannst mir dann mal sagen wieso ich mich extra so angestrengt habe und das Essen schon auf den Tisch gebracht habe?“

„Papa ganz einfach, wenn du mich mit solchen hinterlistigen Methoden ködern willst dann musst du auch die Strafe dafür bezahlen und das fortführen womit du angefangen hast. Also, wann ist das Gebrutzel fertig?“

„In fünf Minuten“ grummelte er und wandte sich wieder seinen Töpfen zu.

Wir besprachen an dem Abend noch ein paar allgemeine Dinge unsere Haushaltskasse betreffend und natürlich musste ich ihm auch ausführlich erzählen, was es mit Schwester Hilde auf sich hatte. Erwartungsgemäß hatte auch er seinen Spaß an dieser Geschichte und meinte er wäre gerne dabei gewesen und hätte sich dieses Spielchen persönlich angesehen.

Der Abend klang danach ziemlich schnell aus und ich machte mich auf den Weg in mein Bett. Mal sehen, was der morgige Tag bringen würde.

 

 

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6 Kommentare

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  1. Die Geschichte fängt sehr schön an und ich bin schon gespannt wie es weitergeht.
    Mach weiter so.

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    • niffnase auf 31. Juli 2012 bei 16:48
    • Antworten

    Fängt interessant an, schön geschrieben ,liest sich gut.
    Freu mich auf die nächste Nummer^^ 🙂

    LG Niff

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    • Toni Oberhage auf 31. Juli 2012 bei 16:57
    • Antworten

    Find ich klasse, dass eine meiner Lieblingsstories und Perle der schwulen Literatur dem Nirwana des Internets entrissen wurde.
    Bitte mehr davon!

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    • schulle auf 1. August 2012 bei 20:11
    • Antworten

    Hallo Nick,
    vielen Dank für Deine Geschichte. Da fällt mir nur ein dazu ein…..

    MMMMMEEEEEEHHHHHHHHHHHHHHHRRRRRRRRRRRRR

    Das hat Spaß gemacht zu lesen und ich freue mich schon auf den nächsten Teil. also lass Dir nicht so viel Zeit.
    Gruß
    Ralf

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    • Siegfried auf 12. November 2016 bei 17:53
    • Antworten

    Hallo Nick,
    das fängt ja sehr gut an. Bin mal gespannt wies weiter geht!
    Gruß Siegfried

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  2. Hallo Nick
    Schon wieder ein Kommentar – aber wenn ich mal anfange zu lesen ………..
    Ich bin von “There is no buisness” ganz begeistert – nein ich schreibe jetzt nicht genau was mir alles gefällt – aber so würde ich auch gerne Geschichten schreiben können nur dazu fehlt mir einfach das Talent und die Geduld 🙂
    Also bleibe ich bei dem was ich kann und redigiere eben Geschichten und andere Schreibereien – immerhin bekomme dadurch als einer der Ersten die Geschichten zu lesen und kann manchmal sogar eine Idee dazu beisteuern

    Mit lieben Grüssen
    Helmut

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