There is no buisness – Teil 2

„Hey Toby, wann gedenkst du eigentlich aufzustehen?“

„Hmm … was … wo?“ mich sah meinen Vater in der Tür stehen und er machte einen ziemlich amüsierten Eindruck. Nachdem ich mich ein bisschen an das Licht gewöhnt hatte merkte ich auch, was Sache war – meine Uhr zeigte irgendeine nicht zur Tageszeit passende Uhrzeit an, die nebenbei auch noch blinkte was für mich ein klares Zeichen war, dass irgendwann in der Nacht (nein nicht irgendwann sondern um genau zu sein vor zwei Stunden und dreiundvierzig Minuten) der Strom wohl kurzzeitig ausgefallen war und ich wohl anscheinend durch dieses Nicht-Funktionieren des Weckers verschlafen hatte.

„Ummm … ja … Paps – wie spät ist es denn?“

Mein Vater sah kurz auf seine Uhr und grinste mich an „Ziemlich genau Viertel vor Acht.“

„WAS? Viertel vor Acht? Na das hat mir gerade noch gefehlt“ sagte ich und im nächsten Moment stand ich schon neben meinem Bett und war auf dem Weg ins Badezimmer. Wie gesagt eigentlich war es vollkommen gegen meine Gewohnheiten gewesen von jetzt auf gleich aus dem Bett zu springen aber was sollte ich denn machen? Wenn meine liebe Chefin Frau von Heiligenhaus mitbekommen würde, dass ich nicht pünktlich zum Dienst erscheine, dann könnte ich mich auf was gefasst machen – ich hatte also gar keine andere Wahl.

Ich beeilte mich also so schnell wie möglich mit meiner üblichen Morgenprozedur fertig zu werden – was sich jedoch schwieriger gestalten sollte als ich dachte, denn wie immer wenn man eine Sache schnell und unter Hektik hinter sich bringen will, passiert natürlich wieder irgendein Missgeschick. Hier fällt die Zahnbürste auf den Boden, dort kippt das Glas um und und und – jeder der einmal verschlafen hat wird sehr gut wissen worauf ich hinaus will.

Trotz aller gegenteiliger Erwartungen schaffte ich es dann doch nach relativ kurzer Zeit aus dem Haus zu kommen und strampelte mich auf dem Fahrrad ab um vielleicht doch noch ein bisschen Zeit wieder hereinzuholen – jedoch vergeblich denn als ich endlich ankam merkte ich, dass ich immer noch fünfzehn Minuten Verspätung hatte – ich konnte die Standpauke praktisch jetzt schon hören.

Christoph sah mich ziemlich entgeistert an, als ich wie ein aufgescheuchtes Huhn durch die Eingangstür gelaufen kam und endlich meine Stempelkarte erwischt und gestempelt hatte.

„Frag lieber nicht!“ rief ich ihm entgegen ehe er auch nur die Chance hatte die Frage nach dem Grund meines Zuspätkommens (die garantiert gekommen wäre) zu stellen.

„Okay, ich frag nicht – aber erzähl’s mir trotzdem“

So konnte man das natürlich auch machen – er brauchte gar nicht zu fragen weil ich ihm wahrscheinlich sowieso erzählt hätte was los war.

„Ganz einfach – irgendwann diese Nacht muss der Strom ausgefallen sein und mein Wecker damit auch.“

„Du bist mir ja vielleicht ein Held“ antwortete Christoph „schon mal was von Batterien gehört? Damit kann mein sein Radio gegen solche Sachen absichern aber unser großer Technik-Freak hat natürlich noch nie von dieser chemischen Art Energie zu speichern gehört oder?“

Tja, wo er Recht hatte, da hatte er Recht.

„Ist ja schon gut – und, hat die große Chefin schon nach mir gefragt?“ fragte ich ihn schon das schlimmste befürchtend.

„Wieso sollte sie – sie ist doch gar nicht im Haus heute“

„Bitte? Ich habe mich also den Morgen über die ganze Zeit so beeilt nur um jetzt feststellen zu dürfen, dass das alles umsonst gewesen war?“

„Hey hey jetzt aber mal langsam. Was heisst denn hier umsonst? Wenn du noch später gekommen wärst, dann hättest du auch noch länger auf mein bezauberndes Lächeln verzichten müssen und wer will das schon?“

„Na gut das du nicht eingebildet bist, was?“ lachte ich – wohl wissend, dass Christoph schon ziemlich genau wusste wovon er redete denn schließlich hatte er ja Recht gehabt – sein Lächeln war wirklich umwerfend und eigentlich konnte ich gar nicht genug davon bekommen denn sonst war er ja auch ein unheimlich lieber Typ – aber das musste ich ihn ja schließlich nicht immer wissen lassen denn sonst hätte er sich wirklich noch was darauf eingebildet.

Irgendwo war die Verbindung zwischen Christoph und mir schon ziemlich seltsam gewesen – auf der einen Seite war es schon eine richtig tiefe Freundschaft, die bei weitem über das hinausging, was wir beruflich miteinander zu tun hatten, und ich hatte mir schon mehr als einmal gewünscht, dass vielleicht doch mehr daraus werden würde aber auf der anderen Seite war dann doch wieder irgendwie diese unsichtbare Hürde gewesen, die mich daran gehindert hat den ersten Schritt in diese Richtung zu unternehmen und Christoph vielleicht doch endlich noch näher an mich heran und in mein Privatleben zu lassen als ich es eh schon tat. Wieso musste das Leben nur manchmal so gemein sein?

„Aber mal wieder zum dienstlichen – wo ist die gute von Heiligenhaus denn heute hin?“

„Also ich glaube mit deinem Siebgedächtnis wäre ich bestimmt schon längst durchgedreht oder hätte mich einweisen lassen – die alte Dame ist auf Fortbildung, was übrigens schon seit geraumer Zeit im Kalender steht.“

Jetzt wurde ich mal wieder rot und fühlte mich ertappt denn nachdem mir Christoph nochmal diese Fortbildung ins Gedächtnis gerufen hatte fiel es mir auch wieder ein.

Mein morgendlicher Verspätungsauftritt und die anschließende Diskussion mit Christoph, die sich im Laufe des Tages wie immer über eine breite Palette von Themen ausweitetet blieb im Laufe der Woche dann auch das einzige spannende Ereignis, ansonsten gab es nur das übliche : Nervige aber auch lustige alte Leute und viel viel Arbeit.

Kaum hatte ich mich versehen da war die Woche auch schon (fast) wieder vorbei gewesen. Am Freitag Nachmittag saß ich kurz vor Feierabend mit Christoph in der Zentrale ‚unseres‘ Altenheimes und wir warteten geradezu sehnsüchtig auf den Feierabend und darauf, dass wir endlich das Wochenende einleiten konnten und unseres Hobbies und sonstigen Interessen nachgehen konnten.

Wie üblich zogen sich jedoch diese Minuten wieder unheimlich in die Länge und eine halbe Stunde kam uns vor wie ein halber Tag.

Zusätzlich kam noch der Effekt, dass ich mich (ausnahmsweise mal) auf das Geschäftsessen mit meinem Vater freute. Naja wenn ich ehrlich bin freute ich mich auch weniger auf das Essen an sich sondern eher auf die Gesellschaft die mich dort erwarten würde. Zwar hatte ich Andreas noch nie gesehen und nur ein paar kleine Details von ihm erfahren aber gespannt war ich natürlich schon – wer wäre das auch nicht gewesen?

Mitten in meine Träume platzte Christoph mit der Ankündigung, dass er jetzt nach Hause gehen würde, ganz egal wie spät es war. Da ich keine große Lust hatte noch alleine im Büro zu sitzen (wo um diese Zeit ohnehin nichts mehr los war) schloss ich mich ihm an und wir beide machten uns also auf den Weg nach Hause.

Wir verabschiedeten uns auf dem Parkplatz und ich machte mich mit meinem Drahtesel wieder auf den Weg nach Hause – schließlich hatte ich dort auch noch eine Menge zu tun.

Zwar achtete ich schon jeden Morgen darauf, dass ich anständig aussah aber natürlich wollte ich mich für diesen Abend ganz besonders fein machen und genau das tat ich dann auch – mein Vater wunderte sich zwar schon, dass ich es schaffte so lange unter der Dusche zu bleiben ohne Schwimmhäute anzusetzen aber von so etwas ließ ich mich gar nicht beeindrucken – was muss, das muss und falls ich bei Andreas Chancen haben sollte wollte ich mir die nicht durch irgendwas äußerlichen zunichte machen.

Viel Zeit hatte ich nach meinem fast eine halbe Stunde langem Badezimmeraufenthalt nicht aber trotzdem schaute ich nochmal schnell ins Internet um nachzusehen ob ich neue Post hatte oder ob irgendwas anderes wichtiges in der Netzwelt passiert war.

Ich hatte tatsächlich ein paar Mails in der Inbox : Eine Mail von einem E-Mailfreund aus Canada und ein paar Infos aus diversen Mailing-Lists aber nichts wirklich aussergewöhnliches. Ich hatte mich gerade ausgeloggt, als mein Vater auch schon von unten rief wo ich denn bleiben würde.

„Ich komme schon Papa, bin sofort unten“ rief ich ihm zu, schnappte mir meine Jacke und machte mich auf den Weg nach unten.

„Ich habe schon gedacht du kommst überhaupt nicht mehr“ sagte er

„Du weißt doch, das will ich mir nicht entgehen lassen“

„DAS oder vielleicht doch eher doch DEN?“ grinste mein Vater zurück.

„PAPA!!“

„Hey hey ist ja schon gut“

Ich schüttelte nur kurz mit dem Kopf und wir setzen uns ins Auto und machten uns auf den Weg.

Nach etwa 45 Minuten Fahrt waren wir dann endlich auch bei Familie Schremm angekommen und bekamen auch direkt einen Parkplatz obwohl das eigentlich auch nicht so aussergewöhnlich war, denn das Wohngebiet in dem die Schremms lebten war ziemlich am Stadtrand gelegen und von daher ziemlich ruhig.

Mein Vater holte noch ein paar Dokumente aus dem Kofferraum und kurz danach standen wir dann auch schon vor der Haustür und entgegen meinem Gefühl die ganze Woche über war ich nun doch ziemlich nervös – was wäre wenn ich mit Andreas nicht so gut auskommen würde wie ich mir das vorgestellt hatte?

Lange darüber nachdenken konnte ich aber auch wieder nicht denn schon nach kurzer Zeit wurden wir von einer netten Dame begrüßt, die eigentlich nur Frau Schremm sein konnte. Sie machte einen auf den ersten Blick schon unheimlich sympathischen, wirklich lustigen und eben einfach netten Eindruck.

„Ah guten Abend Herr Nord, kommen sie doch herein und Sie müssen bestimmt Tobias sein oder?“ Hatte diese nette Frau gerade ‚Sie‘ zu mir gesagt?

Das war etwas gewesen, dass ich eigentlich gar nicht leiden konnte. ‚Sie‘ durfte mich irgendwer nennen, der mir auf der Straße begegnet aber niemand, der irgend etwas direkt mit mir zu tun hat – Okay, eigentlich hatte Frau Schremm ja auch nichts mit mir direkt zu tun, genau erklären kann ich es ja selber nicht aber auf jeden Fall mochte ich es nicht auf diese Weise mit ‚Sie‘ angesprochen zu werden.

„Ja das bin ich aber sie können ruhig noch beim Du bleiben, da habe ich absolut keine Probleme mit“

„Okay, soll mir recht sein aber kommt doch erst mal herein“

Wir taten wie uns befohlen und mir fiel sofort auf, dass das Haus unheimlich modern eingerichtet war – mein Vater war ja in Sachen Einrichtung schon ziemlich fortschrittlich gewesen (zumindestens hatte ich den Eindruck) aber hier musste sogar er bei weitem den kürzeren ziehen denn sowohl die Möbel als auch die Bilder, die an der Wand hingen waren mehr als nur aussergewöhnlich sondern wirklich einzigartig und ich kam kaum aus dem Staunen heraus.

„Schatz, die Nords sind da“

„Ich komme sofort“ hörten wir Herrn Schremm aus der Küche rufen und nach ein paar Augenblicken stand er dann auch schon vor uns aber nicht etwa in dunklem Anzug wie ich erwartet hatte sondern in Sportklamotten und einer Schürze – wie viel Überraschungen würden wohl an diesem Abend noch auf mich warten?

„Hallo Albert, kommt doch schon mal in die Küche, das Essen ist sofort fertig. Noch ein paar Kleinigkeiten dann können wir anfangen.“

Na so was – seit wann duzen sich denn mein Vater und Herrn Schremm? Irgend etwas musste mir hier wohl entgangen sein – dieses Geschäftsessen schien entweder nicht die typische Art Geschäftsessens meines Vaters gewesen zu sein oder aber (und davon ging ich dann schon eher aus) das ganze hatte eher private als geschäftliche Züge angenommen – na ja im Grunde genommen konnte mir das ganze ja egal sein aber interessant fand ich es natürlich schon.

„Gerne“ antwortete mein Vater „Ich habe eh heute ziemlich wenig gegessen, was ist mit dir Tobias?“

„Natürlich will ich auch was essen – das habe ich zwar heute schon im Altenheim gemacht aber das Essen dort kannst du doch vergessen also von mir aus können wir loslegen!“

„Super!“ antwortete Herr Schremm „Schatz rufst du Andreas bitte ? Der scheint da oben vor seinem Computer wieder mal total die Zeit vergessen zu haben“ Vor seinem Computer? Mentale Notiz : Für die Zukunft merken, wer weiss wozu das noch gut sein kann auf jeden Fall sah ich da schon mal eine Gemeinsamkeit zwischen uns beiden.

Schon interessant, ich machte mir Gedanken über einen Jungen von dem ich bisher noch praktisch gar nicht kannte, was sich jedoch in den nächsten Augenblicken ändern sollte.

„Na klar, man hört zwar ziemlich wenig von ihm aber trotzdem beklagt er sich schon seit einer Stunde, dass er endlich etwas essen will also scheinen wir ja alle in der richtigen Stimmung für die Nahrungsaufnahme zu sein“ Frau Schremm lief schnellen Schrittes die Treppe ins erste Obergeschoss hinauf und man hörte sie noch leise ihren Sohn zum Essen rufen, der dann auch sofort mit ihr die Treppe herunter kam.

Hier hatte ich dann auch das erste Mal die Gelegenheit ihn mir näher anzusehen und wenn mich nicht gegen das Geländer zum Keller gelehnt hätte, dann hätte ich das jetzt wohl machen müssen. Es war wie im Film – der Held der Geschichte kommt die Treppe herunter und das ganze Publikum ist sprachlos, weil man nicht mit dem gerechnet hat was da auf einen zumarschiert kommt.

Ich für meinen Teil war mehr als nur überwältigt denn Andreas war mehr als einfach nur gut aussehend. Christoph war süß aber der Junge, der nun die Treppe herunter kam war einfach … unbeschreiblich!

Dunkelblonde relativ kurze, leicht gelockte Haare, leuchtende grüne Augen und ein Lächeln gegen das Christoph (und jeder andere den ich kannte) wirklich alt aussah.

Aber was mir besonders auffiel war die Tatsache, dass Andreas ziemlich klein war – vielleicht 170cm aber viel mehr dann wirklich nicht. Ich selber war ja mit meinen 180cm auch nicht gerade der größte gewesen wenn man mal den Alterdurchschnitt meiner alten Klasse betrachtete aber Andreas war noch ein ganzes Stückchen kleiner als ich – auf der anderen Seite machte ihn das nur noch niedlicher. Ich konnte nicht anders – ich war schlicht und ergreifend überwältigt von diesem jungen Gott, der da vor mir stand – ich wünschte mir, dass dieser Abend nie zuende gehen würde.

„Du lässt dich da aber wirklich auf was ein!“ grinste mich diese Personifikation des Schönen an als er die Treppe herunter kam.

„Hmmm? Was meinst du?“ Na toll, das fing ja herrlich an. Der erste Satz, den ich sagte in Andreas‘ Anwesenheit hörte sich an wie von irgendeinem Idioten, der von nichts eine Ahnung hat – was war nur los mit mir?

„Na wenn du dir freiwillig Papas Essen antust, dann muss irgendetwas nicht stimmen. Wieviel haben sie dir denn geboten?“

Gerade als ich nachfragen wollte was er denn jetzt schon wieder meint fiel es mir zum Glück auch schon selber ein – was ging eigentlich in diesem Haus vor? War hier irgendwo ein elektrisches Gerät versteckt gewesen, dass vernünftiges Denken bei Gästen unterband oder lösten sich einfach nur meine Nervenzellen in ihre Bestandteile auf?

„Noch gar nichts – aber das kann sich ja noch ändern oder?“ lachte ich und grinste Frau Schremm an, die jetzt neben mir stand.

„Alexander?“ rief sie, nachdem sie einmal kurz mit den Augen gerollt hatte und lachend in Richtung Küche lief „Jetzt haben wir zwei von der Sorte im Hause … ich weiss wirklich nicht mehr wo das ganze noch enden soll“

„Hehe … die Reaktion war klasse“ lachte Andreas und klopfte mir auf die Schulter. Moment mal – er klopfte mir auf die Schulter? Das heisst er hatte mich berührt – Wow!

Das schien die leichte Anspannung zwischen uns, die zumindestens auf meiner Seite existierte, gelöst zu haben. Wir beide gingen ins Esszimmer (sowas gabs bei uns zuhause gar nicht) und setzten uns zusammen mit unseren Eltern an den Tisch.

„Also dann guten Appetit!“ sagte Herr Schremm und deutete uns an, dass wir uns ruhig bedienen sollten, doch wovon? Das ganze Essen zu nennen war eine leichte Untertreibung, bei allem was da auf dem Tisch Stand wäre der Ausdruck Buffett schon passender gewesen.

„Sag mal Papa, bekommen wir heute Abend noch mehr Besuch oder wieso hast du das halbe Haus mit Essen vollgestellt?“ Aha – ich war also nicht der einzige, dem diese enorme Menge Essen aufgefallen war. Mein Gehirn schien so nach und nach seine normale Funktion wieder aufzunehmen.

„Was heisst hier das halbe Haus? Ich habe lediglich versucht dieses“ hier sagte er ein unaussprechliches französisches Wort „so gut wie möglich zu gestalten und du bist doch sonst jemand, der viel in sich hineinschaufelt“

„Ja? Das wundert mich jetzt aber irgendwo – bei der Größe vermutet man das ja nicht so schnell“ warf ich mutig ein denn irgendwie musste ich ja mit Andreas ins Gespräch kommen – wir hatten schließlich noch einen ganzen Abend vor uns und die ganze Zeit bei meinem Vater zu sitzen und mir dessen geschäftliche Strategien anzuhören wollte ich nicht unbedingt.

„Hey hey“ lachte Andreas „sei nur froh, dass ich gut erzogen bin und Gäste unseres Hauses nicht am Tisch beim Essen angreife ansonsten hättest du dich jetzt auf was gefasst machen dürfen“

Zu meinem Glück hatte er auf diese kleine Anspielung mit genausoviel Humor reagiert wie ich in sie hineingesteckt hatte, was mir den Eindruck gab, dass wir beide was so was angeht auf derselben Wellenlänge liegen.

Während der nächsten halben Stunde in der ich die tollsten Köstlichkeiten probierte, deren Namen ich vorher noch nie gehört hatte und die alleine schon einen Französisch-Kurs gerechtfertigt hätten, entwickelte sich eine lockere und richtig schöne Unterhaltung sowohl zwischen mir und Andreas als auch zwischen mir und seiner Mutter. Mein Vater und Herr Schremm waren (wie immer) voll in ihre geschäftlichen Planungen vertieft und nahmen uns wohl kaum noch war. Ich lernte eine Menge über Andreas‘ »Untaten« während seiner Kindheit (nur gut, dass mein Vater zu beschäftigt war um welche aus meiner eigenen zu erzählen) aber auch, was er sonst gerne machte.

Wie ich es mir schon gedacht hatte hatten wir eine ganze Menge Gemeinsamkeiten. Wir beide konnten uns nicht besonders für die Geschäfte unserer Väter begeistern (um es mal milde auszudrücken), waren beide leidenschaftliche Computer-Freaks und hörten beide gerne Musik aus den 80ern. Je länger ich mit Andreas redete umso mehr freute ich mich an diesem Abend mit meinem Vater mitgefahren zu sein und nicht wie sonst üblich meine Abende zuhause vor dem Computer zu verbringen.

Einige Zeit – und etliche verspeiste Kalorien später – war dann auch der Punkt gekommen, wo wir uns aus der Küche langsam zurückzogen und das schöne geräumige Wohnzimmer der Familie Schremm belegten.

Andreas und ich merkte allerdings ziemlich schnell, dass wir eigentlich gar kein großes Interesse daran hatten mit unseren Vätern die Probleme der Welt auszudiskutieren und die Lösungsvorschläge für die elementarsten Probleme der deutschen Wirtschaft auszuarbeiten.

So machten wir uns also auf den Weg in Andreas‘ Zimmer – wo ich dann allerdings direkt die nächste Überraschung erleben durfte. Nachdem der Rest des Hauses eigentlich überall sehr modern und extravagant eingerichtet war nahm ich eigentlich an, dass Andreas‘ Zimmer auch nicht anders aussehen würde – ich war sogar schon ziemlich gespannt zu sehen wie es dort aussah. Doch als er die Tür öffnete war ich wieder einmal überrasch : Nichts besonders ausgefallenes, kein Designer-Schrank oder ähnliches sondern ein schlicht aber trotzdem interessant eingerichtetes Jugendzimmer. Richtig schön – aber eben nicht das, was ich erwartet hatte.

„Na – was guckst du so? Hast du irgendwo die Pläne für den Zusammenbau einer russischen Atombombe entdeckt oder was ist los?“ fragte mich Andreas.

„Nein das wohl nicht“ lachte ich zurück „aber ich bin ehrlich gesagt ein kleines bisschen verwundert. Irgendwie hatte ich angenommen hier jetzt auch die tollsten und ausgefallenen Möbel zu finden und von daher bin ich jetzt doch ein bisschen platt.“

„Ja ja“ lachte er zurück „da bist du nicht der einzige, dem das aufgefallen ist aber erstens wollte ich mal einen kleine Kontrast zu meinen Eltern setzen wie wohl jedes Kind und zweitens gefällt mir das hier einfach besser. Was hilft mir denn ein supertolles Bett, wenn man nicht anständig darin schlafen kann, weil überall die Kanten und Ecken hervorstechen? Nee, das tu ich mich beim besten Willen nicht an. Da bleibe ich lieber beim Jugendzimmer aus dem Katalog.“

„Das hat auch was – obwohl ich mir durchaus vorstellen könnte bei dem Platz, den du hier hast auch das ein oder andere ausgefallene Stück Architektur hinzustellen“

„Ach wieso … jedem so, wie es ihm gefällt oder?“

„Okay, lasse ich gelten.“

Mehr konnte ich auch schon gar nicht mehr sagen denn mein Vater rief mich von unten zu sich herunter.

„Was hat der denn jetzt vor?“ fragte ich

„Ist das mein Vater oder deiner? Diese Frage musst du dir schon selber beantworten.“

„Na dann wollen wir doch mal sehen, was der alte Mann will“ lachte ich und so machten wir uns, kaum in Andreas‘ Zimmer angekommen, auch schon wieder auf den Weg nach unten.

„Paps?“

„Du, ich habe eine bitte an dich …“ na das konnte ja was werden. Wenn mein Vater schon so anfing, dann konnte das eigentlich nichts gutes werden.

Doch diesmal war das ganze wesentlich interessanter, als es sich andeutete. Mein Vater – vergesslich wie er eben von Zeit zu Zeit ist – hatte ein paar seiner wichtigen Unterlagen zuhause gelassen und bat mich nun darum nochmal ‚kurz‘ nach Hause zu fahren und die fehlenden Sachen zu holen.

An und für sich hätte mich das auch nicht mit Begeisterung erfüllt aber zwei Tatsachen versüßten dann diese Tour doch wieder – die erste (und wohl ungewöhnlichste) war, dass mein Vater mir seinen SLK anvertrauten ohne mit wachsamem Auge daneben zusitzen (die Unterlagen müssen also scheinbar wirklich _sehr_ wichtig gewesen sein) und das zweite (für mich viel interessantere) war die Tatsache, dass Andreas direkt angeboten hatte mir Gesellschaft zu leisten – HEY, mit diesem Jungen an meiner Seite wäre ich sogar bis nach Sydney gefahren! Das bedeutete mindestens zwei Stunden mit meinem Traumtypen alleine in einem Auto zu sitzen, wer weiss was sich daraus noch ergeben konnte …

„Na gut Paps – ich wird dir einfach mal diesen Gefallen tun, weil ich ja so ein herzensguter Mensch bin, oder darf ich die Wahrheit sagen?“

„Die Wahrheit?“ fragte mein Vater etwas verdutzt

„Ja klar! Dass du mich zuhause sonst grün und blau schlägst wenn ich es nicht mache“ das schien ihn dann doch im ersten Moment ein bisschen geschockt zu haben, dieses Gesicht hatte ich noch nie bei ihm gesehen aber es dauerte gar nicht lange bis auch er checkte, dass alles nur ein Spass gewesen war.

„Sohnemann, dafür brauchen wir nicht zu warten bis wir wieder zuhause sind, sondern können direkt hier …“

„Okay okay … ich bin ja schon weg“ lachte ich „wo liegt der Krams denn?“

Paps erklärte mir noch kurz wo ich die Mappe mit den Dokumenten finden würde, gab mir den Autoschlüssel und vergaß auch nicht mir noch mal den üblichen Rat zu geben vorsichtig zu fahren. Ob das wohl das elterliche Brutpflegeverhalten war oder wohl eher die Angst davor, das du gute Auto zu verlieren? Wahrscheinlich wohl ersteres … oder?

Andreas und ich zogen uns unsere Jacken über und machten uns auf den Weg zum Auto..

„Meine Damen und Herren ich begrüße Sie an Bord von Nord-Airlines. Bitte bringen Sie Ihre Tische in eine Aufrechte Position, legen die Sicherheitsgurte ein und stellen das Rauchen ein. Für den Fall eines Druckabfalls …“

„Sag mal fahren wir heute noch los oder muss der Captain noch warten bis das Flugzeug aufgetankt worden ist?“ lachte mich Andreas an.

„Na gut na gut … aber sag nicht ich hätte dich nicht gewarnt“ grinste ich zurück, startete den Wagen, setzte mit einem schnellen Spurt zurück und machte mich auf den Weg nach Hause …

„Ehm Tobias … ohne jetzt irgendwie unverschämt wirken zu wollen aber würde es dir etwas ausmachen vielleicht nicht ganz so … naja sagen wir mal extrem zu fahren?“

Wollte da etwa jemand meinen Fahrstil kritisieren? Ich blickte kurz nach rechts und sah, dass Andreas mit einem ziemlich entgeisterten Gesicht neben mir saß und nicht so ganz wusste, was er sagen sollte. Naja Okay, ich fahre vielleicht tatsächlich manchmal ein bisschen forsch und nicht unbedingt immer so, wie es meine Fahrlehrerin gerne gesehen hätte aber hey – jetzt wo ich schonmal Paps‘ tolles Auto ganz für mich alleine hatte musste ich doch ein bisschen auf die Tube drücken und mal sehen, was die Kiste so alles hergibt.

Auf der anderen Seite saß dann da aber dieser süße Typ neben mir, dem ich keinen Wunsch abschlagen konnte also was blieb mir da anderes übrig, als meinen Fahrstil ein wenig zu normalisieren? Vielleicht war es ja auch besser so, denn ich wollte ja eigentlich auch nicht irgendwo in einem Straßengraben landen.

„Okay, ich wird’s versuchen. Und keine Sorge ich nehme dir das schon nicht übel – eigentlich mag ich es zwar nicht so besonders, wenn man mir erzählt wie ich Auto fahren soll aber bei dir will ich da mal eine Ausnahme machen“

Hups … was hatte ich denn da gerade gesagt? Vielleicht hatte ich es da doch ein kleines bisschen übertrieben – was würde Andreas jetzt wohl von mir denken ? Oder hatte er es vielleicht gar nicht so aufgeschnappt wie ich es mir jetzt vorstellte? Fragen über Fragen, die zum Glück sehr schnell beantwortet wurden. Andreas lachte kurz und meinte nur, dass er sich dabei glücklich schätzen würde der erste zu sein, der mir beibringen könnte wie ich zu fahren habe – schon lustig, er war tatsächlich der erste, von dem ich mir in Sachen Autofahren etwas sagen ließ – naja zumindestens seit ich meinen Führerschein hatte, vorher war ich ja notgedrungen dazu gezwungen gewesen alles schön so zu machen wie meine Fahrlehrerin es wollte – aber Schluss damit.

Die Autobahn war voller gewesen als ich gedacht hatte und so hatte ich doch nicht ganz so viele Gelegenheiten mir meinen niedlichen Beifahrer ausgiebig anzusehen wie ich es eigentlich vorgehabt hatte – trotzdem schaffte ich es immer mal wieder einen kleinen Blick zu erhaschen und hatte sogar das Gefühl gehabt, dass auch Andreas ab und zu in meine Richtung sah – oder war es nur mal wieder meine Einbildung, die das gerne gesehen hätte? Ich weiss es nicht.

Irgendwann zog sich der Verkehr dann immer weiter zu und es kam wie es kommen musste – wir steckten auf einmal mitten in einem Stau.

„Na großartig – kannst du mir mal sagen, wieso hier um diese Zeit noch so viele Autos unterwegs sind?“ fluchte ich vor mich hin

„Keine Ahnung – vielleicht ist vorne irgendwo was passiert“ war Andreas‘ Antwort „Aber sieh das ganze doch auch mal positiv – so haben wir ein bisschen mehr Zeit für uns“.

Ein bisschen mehr Zeit für uns? Moooment … wenn ich diesen Satz gerade richtig verstanden hatte, dann hieß das, dass Andreas mehr als nur daran interessiert war mit mir zusammen ein paar Unterlagen für meinen Vater holen zu fahren – doch wie interessiert genau?

„Wie meinst du das denn jetzt?“ fragte ich nach, darauf hoffend eine Antwort zu bekommen, die mir etwas mehr über Andreas und seine Gefühle (hoffentlich auch zu mir) sagen würde.

„Ach schon gut … war nicht so wichtig“ antwortete Andreas hastig.

Nicht so wichtig? Für mich war es schon sehr wichtig gewesen aber nach einem weiteren kurzen Blick merkte ich, dass Andreas gar nicht wohl zu sein schien bei dieser Frage, die ich ihm gestellt hatte und von daher wollte ich jetzt nicht noch tiefer nachfragen – schließlich hatten wir noch mindestens eine Viertelstunde Hinfahrt und dann nochmal fast eine Stunde Rückfahrt vor uns und das letzte was ich wollte war, dass wir beide uns die ganze Zeit lang anschweigen würden, weil ich mit meiner Neugier mal wieder alles vermasselt hatte. Also beließ ich es einfach bei seiner Antwort und konzentrierte mich wieder auf den Verkehr, der sich langsam auch wieder zu entzerren begann.

Ein paar Minuten später merkten wir dann auch, wieso sich dieser kleine Stau gebildet hatte – ein Autofahrer hatte scheinbar nicht so ganz auf den Verkehr geachtet und daraufhin Bekanntschaft mit der Mittelleitplanke gemacht. Kaum hatten wir die Engstelle hinter uns, als die Fahrbahn auch wieder frei war und wir mit normaler Geschwindigkeit weiterfahren konnten.

Es dauerte dann auch nicht mehr lange und wir waren bei mir zuhause angelangt.

„Kommst du mit rein oder willst du im Auto warten?“ fragte ich Andreas

„Och ne, wenn du nichts dagegen hast dann würde ich schon gerne mitkommen.“

Nichts dagegen ist gut – diesen süßen Lockenkopf hätte ich mit um die halbe Weit genommen – und noch weiter, wenn es mir etwas gebracht hätte.

„Nö wieso denn … dann lass uns mal gehen“

Als wir im Haus angekommen waren fiel mir plötzlich ein, dass ich total vergessen hatte den Videorecorder zu programmieren – StarTrek konnte ich mir schließlich nicht entgehen lassen und wenn ich schon nicht zuhause war, dann musste ich wenigstens die Chance haben die aktuelle Folge am nächsten Tag zu sehen.

Wir gingen in mein Zimmer direkt unter dem Dach und ich stellte noch schnell den Recorder ein – gerade noch rechtzeitig wie ich bemerkt hatte, denn kaum hatte ich die Fernbedienung aus der Hand gelegt, als die liebe Technik sich auch schon in Bewegung setzte.

„Na das nenne ich Timing“ lachte ich „ein Hoch auf die Vergesslichkeit meines Vaters“

„Na scheinbar scheint die Vergesslichkeit ja in der Familie zu liegen“ lachte Andreas

„Wie darf ich das denn jetzt verstehen … oh duuu …“ sagte ich, nachdem ich begriffen hatte worauf er hinaus wollte und ehe weiter nachzudenken tat ich das, was ich in solchen Situationen immer gerne tue – ich schnappte mir Andreas und begann in kräftig durchzukitzeln. Damit schien er nicht so ganz gerechnet zu haben und war überhaupt nicht darauf gefasst einer derartigen Attacke von mir ausgesetzt zu sein. Aber die Überraschung schien nicht lange anzuhalten, denn kaum hatte ich ihn gefasst, da begann er auch nun schon seinerseits sich zu revangieren und so wurde ich plötzlich vom Jäger zum Gejagten.

Ich hätte dieses Spiel ewig weiterspielen können, so wohl fühlte ich mich dabei – Andreas‘ Hände überall an meinem Körper zu spüren war etwas, das ich noch nie so in der Art erlebt hatte und schnell begann sich etwas an mir zu regen, dass in dieser Situation gar nicht so passend war. Ich versuchte mich also so schnell wie möglich aus Andreas seiner Klammerung zu befreien, was sich als schwieriger herausstellte, als ich dachte aber schließlich gelang es mir doch.

„Ich glaube ich gehe jetzt mal langsam die Unterlagen für meinen Vater holen, sonst vergessen wir die noch“ lachte ich, noch immer nach Luft ringend.

„Na dann mach mal – aber denk dran, ich kriege dich schon noch!“ rief mir Andreas hinterher. Oh wenn er nur wüsste, wie gerne ich das hätte …

So machte ich mich also auf den Weg in das Arbeitszimmer meines Vaters um dort dann festzustellen, dass die Mappe die er mir beschrieben hatte gar nicht an dem Platz war, wo sie eigentlich hätte sein sollen. Ich wühlte mich also ein bisschen durch seinen Schreibtisch und fand dann aber doch, wonach ich suchte.

Mit einem ganzen Stapel von Papier unter dem Arm machte ich mich also wieder auf den Weg nach oben in mein Zimmer und fand Andreas mit ein paar CDs von mir auf meiner Couch sitzend vor.

„Ehm … ich habe mir mal deine CDs hier angesehen – ich hoffe du hast nichts dagegen?“ fragte er mich und wirkte dabei als sei es ihm plötzlich peinlich einfach so an meine Sachen gegangen zu sein.

„Nein quatsch! Natürlich nicht. Guck sie dir nur durch und wenn du eine CD mitnehmen möchtest dann mach das einfach – ich komme ja eh nicht dazu alle auf einmal zu hören.“

„Cool“ antwortete er deutlich erleichtert und saß plötzlich vor meinem CD-Regal wie ein kleines Kind vor einem großen Glas mit Bonbons – ich hatte wirklich selten jemand mit soviel Freude beim CD gucken gesehen.

„Ich wusste gar nicht, dass du Hanson hörst“ fragte er mich nach kurzer Zeit.

Hatte er gerade Hanson gesagt? Na dann dürfte ja wohl der nächste Schluss für ihn nicht gerade in weiter Ferne liegen, denn zugegeben, welcher Hetero-Junge hört sich schön freiwillig die drei Jungs aus Tulsa an und gibt das auch noch freiwillig zu?

„Mmmm, ja. Ich hab die CD vor einiger Zeit beim Wichteln in der Schule gewonnen“ log ich. Natürlich hatte ich die CD nicht ‚zufällig‘ irgendwo gewonnen sondern ganz bewusst gekauft, nachdem ich ein paar Songs im Radio gehört hatte und sie mir einfach supergut gefallen hatten.

„Hehe … find ich ja klasse und ich dachte schon, ich wäre der einzige, den ich kenne, der eine CD von den Jungs im Schrank hat.“

Hatte ich das gerade richtig verstanden? Andreas hatte auch eine Hanson-CD im Schrank gehabt? Ich weiss nicht wieso aber in diesem Moment kam ich plötzlich zu der Erkenntnis, dass ich vielleicht gar nicht der einzige war, der versuchte hier Kontakt zum anderen zu knüpfen.

Was war, wenn es Andreas vielleicht genauso ging wie mir?

Okay, die Tatsache, dass jemand Hanson hörte musste ja nicht automatisch dazu führen, dass dieser jenige auch schwul war aber diese Tatsache kombiniert mit dem, was Andreas im Auto gesagt hatte und so einiger anderer Dinge an diesem Abend … vielleicht war das ja das berühmte Gaydar oder auch einfach nur eine wilde Hoffnung aber für mich stand in dieser Sekunde fest, dass Andreas schwul sein musste.

Ich kann es nicht logisch begründen aber ich wusste es einfach. Für mich stelle sich jetzt nur noch die Frage, wie ich an ihn heran kommen würde ohne zu aufdringlich oder zu ’normal‘ zu wirken.

„Und auch wenn sich meine halbe Klasse damals darüber aufgeregt hat – ich denke die Jungs machen einfach gute Musik“ sagte Andreas

‚und sind ausserdem fast so süß wie du‘ wäre mir beinahe noch hinterher gerutscht – vielleicht hätte ich es einfach sagen sollen, vielleicht wäre dann alles viel einfacher gewesen, dann hätte er gewusst, wie ich denke und fühle, wenn er in meiner Nähe ist, dann hätte er gewusst, dass bei mir schon den ganzen Abend die berühmt-berüchtigten Schmetterlinge im Bauch herumtanzen. Aber irgendwie konnte ich es ihm nicht sagen – nicht hier, nicht jetzt und nicht so. Scheisse !

„Okay, wie sieht’s denn aus? Sollen wir uns mal langsam wieder auf den Weg machen? Wer weiss, was unsere alten Herren sagen, wenn wir es uns hier noch länger gemütlich machen, schließlich habe ich hier ja noch wichtige Dokumente in meiner Hand, die über das Fortbestehen der Gattung Mensch entscheiden werden“ lachte ich und schwenkte mit der Mappe meines Vaters

„Na dann mal los – schließlich will ich nicht dafür verantwortlich sein, wenn wir morgen vor dem jüngsten Gericht stehen und die Frage kommt, wer denn jetzt an allem Schuld sei“ grinste Andreas zurück … oh dieses Gesicht, ich musste ihn einfach haben.

Ehe wir uns versehen hatten waren wir auch schon wieder auf der Autobahn unterwegs – diesmal gänzlich ohne Stau und ohne zweideutige Gespräche während der Fahrt. Wir unterhielten uns über die Schule, die wir beide jetzt Gott sei Dank hinter uns hatten (keiner von uns vermisste wirklich etwas an dieser althergebrachten Einrichtung) und über so einiges mehr.

Was mich dann doch überraschte war die Tatsache, dass Andreas schon von kleine auf an diversen Hörspielproduktionen mitgewirkt hatte wie er mir zwischendurch erzählte.

„Echt? So richtig mit allem drum und dran? Wo denn genau?“ fragte ich neugierig – wer weiss, vielleicht hatte ich auch schon mal die ein oder andere Cassette gehört wo mein Traum von heute mitspielte.

„Oh das waren einige und um ehrlich zu sein ich weiss schon gar nicht mehr was alles – die drei Fragezeichen waren dabei, die fünf Freunde und so einiges andere auch noch“

„Und? Hat’s dir denn wenigstens Spaß gemacht?“

„Ja klar doch! Das ganze war wirklich spitze gewesen. Du arbeitest mit unheimlich netten Leuten zusammen, die im Gegensatz zu ihren Kollegen auf der Leinwand keinerlei Starallüren oder sowas haben und mit denen man einfach nur seine Arbeit macht und neben bei noch eine Menge Spaß haben kann ohne ständig darauf bedacht zu sein bloß nichts zu tun, dass das eigene Image beschädigen könnte und vor allem …“

„Also Andreas ich möchte dich ja wirklich nicht unterbrechen aber …“

„Aber??“ er sah mich fragend an

„Aber wir sind da!“ grinste ich zurück und Andreas fing an zu lachen. Tja und wie es nun so einmal meine Art ist konnte ich da auch nicht lange ruhig bei bleiben und musste einfach mitlachen, ich bin eben ein lustiger Mensch.

„Okay okay, dann lass uns rein gehen. Meine Lebensphilosophie kann ich dir nachher auch noch erzählen“ grinste er und wir machten uns wieder auf den Weg nach drinnen.

„Da seit ihr ja endlich wieder!“ rief Frau Schremm als wir beide zur Tür hereinkamen „wie wollten gerade schon eine Vermisstenanzeige aufgeben“

„Das sagt sie auch nur weil du dabei bist“ flüsterte mir Andreas ins Ohr „ansonsten wäre sie heilfroh mich loszuwerden – auf jeden Fall solange, bis ihr Computer wieder streikt, dann bin ich plötzlich doch wieder zu was gut“ lachte er

„Was flüstert ihr denn da?“ fragte Andreas‘ Vater

„Nichts Papa – gar nichts“

„Bitte Herr Bundeskanzler – der Einheitsvertrag“ grinste ich und übergab meinem Vater die Mappe mit seinen Unterlagen.

„Sag mal, könnte mir mal bitte jemand erklären, was mit den Kindern los ist?“ fragte mein Vater „ward ihr bei uns an der Hausbar oder was ?“

Darauf mussten wir alle Lachen und nachdem wir uns alle wieder beruhigt hatten gingen Andreas und ich wieder hoch auf sein Zimmer. Als wir dort oben angekommen waren schloss Andreas die Tür und setzte sich zu mir auf die Couch.

„Okay, Tobias“ sagte er nachdem er tief Luft geholt hatte „Ich habe jetzt eine Frage an dich und ich möchte, dass du sie mir ehrlich beantwortest …“

 

 

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1 Kommentar

    • niffnase auf 6. August 2012 bei 19:39
    • Antworten

    Vom üblen Cliffhänger mal abgesehen, eine sehr schöne Geschichte, gefällt mir gut
    Danke, Niff

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