Wir machten uns also auf den Weg zu seinem Auto, dass wirklich auf der komplett anderen Seite der Schule stand und wir daher einiges zu laufen hatten. Naja so schlimm fand ich das ja auch eigentlich gar nicht denn so hatte ich auch mal wieder die Gelegenheit mich mit der Schule und dem ganzen drum herum ein bisschen vertrauter zu machen. Matthew erklärte mir auch noch so das ein oder andere so dass ich hinterher auch wieder eine ganze Ecke schlauer war.
Nach einer Weile kamen wir dann aber auch endlich an seinem Auto an und machten uns auf den Weg. Das Auto selbst war für mich eine typische Schüler-Kiste. Ein Kleinwagen, der schon seine Jahre (oder waren es doch schon Jahrzehnte ?) auf dem Buckel hatte und den Eindruck machte jeden Moment auseinanderzufallen aber Matthew versicherte mir, dass sein „liebes Autochen“ ihn bisher noch nicht im Stich gelassen hatte und man ihm nur gut zureden müsste, damit das auch so bliebe – naja versuchen kann man es ja. Solange es nicht in dem Moment zerfiel als ich drin saß konnte ja nicht viel passieren.
Während der Fahrt hatte ich dann auch endlich einmal die Gelegenheit mir Matthew einmal in Ruhe anzusehen (ich weiß sowas macht man nicht aber trotzdem). Er war ein bisschen kleiner als ich gewesen, hatte kurze bis mittellange dunkelbraune Haare und leuchtend helle braune Augen. Dazu ein fast makelloses Gesicht wo sich nur auf der Stirn ein paar Pinkel finden ließen aber ansonsten nicht die kleinste Unebenheit. Seine Wangen formten wenn er lachte kleine Grübchen und er sah für mich einfach perfekt aus.
Irgendwann im Laufe der Fahrt lief im Radio eines meiner absoluten Lieblingslieder „MMMBop“ von Hanson und ich musste mich wirklich zusammen reißen um nicht lauthals mitzusingen, wie es sonst wohl getan hätte wenn ich alleine gewesen wäre, wie sähe das denn aus ? Nein das ging nicht. Zu meinem Erstaunen schien sich Matthew daran aber überhaupt nicht zu stären denn ihm schien das Lied auch ziemlich gut zu gefallen und so wippte er in seinem Sitz leicht in und her – und sah dabei noch süßer aus als vorher.
Er grinste mich kurz an und meinte nur er könne nun mal nichts dafür aber wenn gute Musik im Radio käme könne er einfach nicht still an seinem Platz sitzenbleiben sondern müsste sich bewegen, das ging gar nicht anders. Wieder etwas, das ich ziemlich gut nachvollziehen konnte denn im Grunde genommen ging es mir ja genauso.
Wir beide verstanden uns eigentlich schon den ganzen Tag über prima – ich hätte vorher niemals gedacht schon nach relativ kurzer Zeit zu jemandem ein so gutes Verhältnis aufbauen zu können. Es schien als hätten wir beide im Grunde genommen die gleiche Lebenseinstellung – alles versuchen von der besten Seite zu sehen und immer mit einer gehörigen Portion Spaß zu nehmen.
„Sag mal hattest du eigentlich eine Freundin in Deutschland?“
Matthews Frage riss mich abrupt aus meinen Träumen und ich musste erst mal wieder zu mir finden.
„Ehm was?“ fragte ich geistig noch etwas abwesend
„Na ob du in Deutschland schon eine Freundin gehabt hast. Irgendwer meinte einmal zu mir die Mädels da sollen ganz gut aussehen“
Ich hatte befürchtet, dass diese Frage irgendwann einmal kommen würde und trotzdem traf es mich ein bisschen unvorbereitet – was für eine Antwort sollte ich ihm geben ? Mit was für einer Antwort hatte er gerechnet? Sollte ich ihm, dass ich schon dutzende Freundinnen gehabt hatte und wie viel „Spaß“ ich mit ihnen schon gehabt hatte? Nein bestimmt nicht. Ich kannte ihn zwar erst einen Tag aber ich würde trotzdem nicht solchen Schwachsinn erfinden nur um bei ihm möglichst toll dazu stehen. Ich entschloss mich daher für die Wahrheit (oder zu mindestens einen Teil davon) :
„Nein hatte ich nicht – irgendwie habe ich mir da auch noch nie so viele Gedanken drüber gemacht“ sagte ich.
„Ja ich auch nicht – irgendwie muss ich auch nicht mit irgendjemand zusammen sein, der schon bei der Aussprache des Namens Nick Carter fast in Ohnmacht fällt – da bleibe ich doch lieber bei mir selber“ lachte er und ich konnte nicht anders und musste mit lachen – er hatte ja auch Recht gehabt.
Mal ganz davon abgesehen, dass ich sowieso nie etwas mit einem Mädchen angefangen hätte, hätte ich mich garantiert von der Sorte Girls ferngehalten, die sich ihr Zimmer mit Boygroup-Postern nahezu volltapezieren und sich für gar nichts anderes mehr interessieren als die Kragenweite ihres angehimmelten.
Doch irgendwie hatte mich sein Satz auch hellhörig gemacht. Hatte er mir damit eine versteckte Botschaft geben wollen? Vielleicht … nein kein vielleicht sagte ich mir – ich interpretiere hier wieder viel zu viel hinein in eine Situation die für mich nach etwas interessantem aussieht aber es sehr wahrscheinlich gar nicht ist. Wer weiß wie ich das ganze gesehen hätte wenn ich Matthew schon länger gekannt hätte aber da ich ja immer noch relativ wenig aber auf der anderen Seite dann doch wieder relativ viel von ihm wusste wollte ich dann lieber doch nicht näher darauf eingehen. Tja, und da Matthew auch nichts mehr dazu sagte liessen wir diese kurze Anspielung dann auch auf sich beruhen.
Die Fahrt an sich dauerte nicht besonders lange und da waren wir auch schon bei Matthew zu Hause angekommen. Die Gegend in der er wohnte erinnerte mich ein bisschen an meine eigene neue Nachbarschaft – eine scheinbar endlose Straße von Einfamilienhäusern, eben so wie man sich die typische amerikanische Wohnlandschaft vorstellt.
Als wir aus dem Auto ausstiegen rief schon ein Junge aus der Nachbarschaft Mathews Namen und nachdem dieser einen kurzen Blick über die Straße riskiert hatte meinte er zu mir nur, dass das dort sein Nachbar sei.
„Ach was“ lachte ich ihn an „also das gehört zu den Dingen, auf die ich jetzt bestimmt nicht gekommen wäre aber danke für den Hinweis“
Als er auch realisierte, dass er mir damit wirklich nichts Neues gesagt hatte musste er auch anfangen zu grinsen
„Ach Mann lass mich doch“ sagte er und gab mir einen leichten Stubs in die Rippen.
„Hi Mat ! Wie sieht’s aus, hast du Lust auf eine Runde C&C?“ rief der andere Junge von der anderen Seite der Straße
„Nein lass mal – ich hab heute schon was anderes vor, vielleicht Morgen Okay?“ antwortete Matthew
„Ja Okay – See you“
„Dieser unverbesserliche Typ“ sagte Matthew als wir durch seine Haustür gingen „von 20 Spielen gewinnt er zwar nur eins oder zwei aber irgendwie meint er immer noch, dass sich das Blatt irgendwann wenden müsse – hoffnungsloser Fall“ er warf seine Schultasche in die Ecke unter der Garderobe und warf einen kurzen Blick ins Wohnzimmer.
„Mum ? Bist du da?“
Keine Reaktion
„Muuuuum ?“, es dauerte wieder ein bisschen und dann hörte man ein leises Rascheln aus der Küche.
„Ja, ja was ist denn du Quälgeist?“, sagte seine Mutter als sie aus der Tür kam. Ich traute meinen Augen kaum denn Mathews Mutter war das Inbild einer Frau anders konnte man das nicht sagen. Claudia Schiffer hätte alt neben ihr ausgesehen. Gut, ich interessierte mich wenig für Frauen aber trotzdem sah sie unheimlich gut aus.
„Mum das ist Steffen er ist neu hier und ich habe ihn heute einfach mal mit nach Hause gebracht ist das Okay?“, fragte Matthew
„Naja wenn es denn unbedingt sein muss“ ehe ich noch die Zeit hatte mir Gedanken darüber zu machen ob ich das jetzt als schlechtes Zeichen für mich sehen sollte fuhr sie aber auch schon fort „Nein Quatsch natürlich kannst du hierbleiben. Woher kommst du denn ?“
Ich erzählte ihr also während auch ich mich meines Rucksacks entledigte, dass ich zusammen mit meiner Familie aus Deutschland kam, dass mein Vater hier einen Job angeboten bekommen hatte und so weiter und sofort. Sie fand das alles scheinbar furchtbar interessant denn sie kam aus dem Fragen stellen und ich aus dem Fragen beantworte kaum noch raus.
Irgendwann meinte Matthew dann aber zu seiner Mutter, dass es jetzt aber gut sei und ich sein Gast sei. Seine Mutter lachte kurz und antwortete dann, dass er ja eigentlich recht hatte und wir uns schon auf den Weg machen sollten aber nicht ohne mich zu fragen, ob ich nicht zum Essen bleiben wollte. Meine guterzogene Seite wollte da natürlich nicht hinten anstehen und so nahm ich das Angebot dankend an.
Wahnsinn, ich war den ersten Tag in einer neuen Schule, hatte direkt neue Freunde gefunden und wurde sogar von einer Familie schon zum Essen eingeladen – das konnte ja eigentlich gar nicht mehr besser werden oder?
Als wir nach oben im Mathews Zimmer kamen, wobei das ganze schon verwunderlich ist : Wieso sind eigentlich so gut wie alle Jugendzimmer in amerikanischen Wohnungen oben ? Naja wie auch immer als wir oben ankamen kam mir das ganze schon ein bisschen bekannt vor – Matthew hatte sein Zimmer ziemlich ähnlich wie ich eingerichtet und ich musste schon ein bisschen grinsen.
„Was gibt’s denn da zu grinsen?“, fragte mich Matthew.
„Na ganz einfach – du solltest mal mein Zimmer sehen, dann hättest du wahrscheinlich den gleichen Gesichtsausdruck wie ich jetzt auch denn mir kommt das ganze hier ziemlich bekannt vor, wir scheinen zu mindestens was die Einrichtung angeht denselben Geschmack zu haben“ antwortete ich ihm.
„Na gut auf das Angebot gehe ich ein – ich muss mir dann dein Zimmer auch in den nächsten Tagen mal ansehen“
Konnte ich da noch widersprechen? Natürlich nicht und ich war selber schon etwas überrascht von der Vorstellung Matthew demnächst mein kleines Reich zeigen zu können.
Nachdem wir es uns auf seiner Couch gemütlich gemacht hatten und er mich erstmal ziemlich ausführlich über mein bisheriges Leben ausgefragt hatte, was ich denn an Deutschland gut und schlecht gefunden hatte und wie da meine Meinung jetzt zu Amerika aussieht kam dann für mich – doch ziemlich verwunderlich – der Kommentar, dass mein Englisch eigentlich kaum verraten würde woher ich kam.
„Danke“ war alles was ich dazu sagen konnte denn wie gesagt gerechnet hatte ich damit ganz und gar nicht. Ich meine Okay als Realist wusste ich auch, dass ich die Sprache ziemlich gut beherrschte (sowas kann man ja unter anderem auch an den Zeugnisnoten erkennen) und es machte mir ja auch Spaß aber wie hinlänglich bekannt ist besteht ja nun ein großer Unterschied zwischen dem was man in der Schule von der Weltsprache schlechthin lernt und dem, was tatsächlich aus dem Munde der Leute kommt, die diese jede Minute ihres Lebens benutzen.
Naja auf jeden Fall war ich ziemlich überrascht gewesen.
Die Unterhaltung ging noch ein bisschen über die Schule und wie ich denn alles dort gefunden hatte bis wir schließlich auch – ziemlich klischeehaft – da landeten wo man als Jugendlicher in Amerika wohl immer landet – bei Video- und PC-Spielen.
Wir beide hatten jedoch etwas Niveau (na gut ist hoffnungslos übertrieben) und setzten uns nicht vor ein N64, wobei die 64 für mich ja sowieso nur die Anzahl der Knöpfe auf dem Controller angibt – schrecklich, wie kann man sich das alles merken? Also auf jeden Fall setzten wir uns nicht vor ein N64 sondern bevorzugten den klassischen PC obwohl Matthews Ausgabe da auch alles andere als klassisch war. Hier hatte scheinbar der Weihnachtsmann oder wer auch immer besonders gute Arbeit geleistet und ein Spitzengerät sondergleichen geliefert. Pentium IV 1200, 512MB RAM, 40 GB Platte, DVD-Laufwerk, TV-Karte und was weiß ich noch alles.
Matthew, der mein Staunen bemerkt hatte (Kunststück denn mir sieht man sowas nun mal immer an) grinste ein bisschen vor sich hin und als meine obligatorische Frage nach dem Ursprung dieses tollen Gerätes kam meinte er nur sein Onkel arbeitete bei Dell (ja, ja ich weiß – aber dies soll keine Schleichwerbung sein) und dort sei der Rechner als Reklamation zurückgekommen – weil der Lüfter ab und zu ein schleifendes Geräusch von sich gibt.
„Aber was stört mich das? Wenn ich die Musik ein bisschen aufgedreht habe hört auch kein Mensch mehr irgendwas von dem Lüfter – manche Leute haben wirklich Probleme, die gibt es gar nicht“ lachte er und schüttelte den Kopf.
Nachdem wir ein bisschen durchs Netz gesurft hatten meinte Matthew :
„Du ich habe mal wieder so richtig Lust auf Zocken – was meinst du? Ein kleines Netzwerk-Duell ?“
„Klar doch“ antwortete ich „ich frage mich nur, wie du im Moment ein Netzwerk mit einem Computer aufbauen willst, das geht irgendwie gegen jegliche Logik“ meinte ich doch etwas verdutzt
„Ach das ist kein Problem – wir müssen nur meinen alten PC aus dem Schrank holen kurz aufbauen, dann wird das ganze auch schon“
Wir machten uns also daran einen weiteren Computer aus einem seiner vielen Schränke heraus zu kramen und anzuschließen. Erstaunlicherweise ging das ganze dann doch schneller als ich das bisher gewohnt war wenn ich einen PC aufgebaut hatte.
Nach einem kurzen Blick meinerseits auf den Bildschirm während des Starts meinte Matthew nur, dass der PC von der Leistung her nicht so toll wäre aber trotzdem ganz brauchbar. Ganz brauchbar ? Naja das war dann wohl doch ein bisschen untertrieben. Gut im Vergleich zu seinem PC vielleicht nicht vergleichbar aber ein Celeron 600 ist ja auch nicht zu verachten.
Als wir also endlich alles am Laufen hatten und die Computer untereinander verbunden hatten ging es auch schon los – Doom im Netzwerk. Jeder der das schon einmal ausprobiert hat wird wissen wovon ich spreche, demjenigen der noch nicht die Chance dazu gehabt hat das auszuprobieren kann ich das nur schärfsten empfehlen. Es gibt einen ungeheuren Kick – und nicht zu vergessen sogar einen kleinen Blutrausch.
Ich weiß nicht wie lange wir vor den Computern saßen und wie oft der eine dem anderen auf bestialische Weise aus dem Leben befördert hatte, aber irgendwann rief uns seine Mutter von unten zum Essen und nachdem wir auch das letzte Duell beendet hatten und Matthew von mir ein letztes Mal Bekanntschaft mit meiner Kettensäge gemacht hatte machte wir uns auf den Weg nach unten jedoch nicht ohne Matthews abschließenden Kommentar : „Das war Wahnsinn !“.
Als wir am Tisch saßen bemerkte ich, dass es mal wieder eine meiner Lieblings-Speisen gab : Pizza vom Blech. Okay vielleicht nicht gerade so anspruchsvoll wie man das aus einem französischen Edel-Restaurant her kennt aber für einen Teenager im Wachstum genau das richtige.
Matthew schien es nicht anders zu gehen und so waren wir zwei schon etliche Minuten vor seinen Eltern fertig.
„Euren Hunger möchte ich haben“ grinste seine Mutter, als sie unsere restlos leeren Teller sah „wollt ihr vielleicht noch mehr?“
Ich guckte Matthew an, der wiederrum guckte mich an und ich merkte, wie sich auf unserem beiden Gesichtern ein Grinsen formte: „Na klar“ antworteten wir wie aus einem Munde.
Kopfschüttelnd ging seine Mutter in die Küche und kam alsbald mit einem weiteren Tablett an den Tisch „Hab ich es mir doch gedacht – na nur gut, dass ich hier vorgesorgt habe. Dann lasst es euch mal weiterschmecken.“
Wir beide begannen also auch die nächste Portion in uns hinein zuschaufeln – zwar nicht mehr ganz so energisch wie zu Beginn aber immerhin, wir schafften auch das zweite Tablett. Dann jedoch merkte ich, dass mein Magen definitiv genug hatte und Matthew schien es nicht anders zu gehen, wie ich seinem tiefen Seufzer ziemlich gut entnehmen konnte.
„Ihr zwei könnt als Pizza-Tester anfangen“ lachte Matthews Vater als er seine Pizza aufgegessen hatte. In der Zeit wo wir gerade mal eine Portion aufgegessen haben habt ihr die doppelte Menge in euch hinein geschaufelt – wo lasst ihr das alles?“
„Na ganz einfach Dad“ antwortete Matthew „langsam müsstest du doch mitbekommen haben, dass ich nach dem Essen immer aufs Klo gehe und mir den Finger in den Hals stecke oder ?“
Seine Mutter machte einen ziemlich schockierten Eindruck und ließ fast die Gabel fallen.
„MUM ! Das war ein Scherz!“ lachte er sie an.
„Meine Güte bitte erschreck doch deine arme Mutter nicht so“ antwortete sie und nahm ihre Hand von der Brust
„Hattest du mir sowas denn wirklich zugetraut?“
„Nein natürlich nicht“ grinste sie jetzt „aber bei dem Temperament – man weiß doch nie“
„Du weißt doch das bekomme ich gar nicht fertig außerdem ist doch die Pizza hier viel zu Schade um sie direkt wieder in die Kanalisation zu befördern – nein, nein die bleibt schön da wo sie jetzt ist, das heißt irgendwann kommt sie da ja schon wieder raus – naja du weißt schon was ich meine“
Jetzt waren wir alle nicht mehr in der Lage ein kleines Gelächter zu vermeiden.
„Sag mal wo ist eigentlich Daniel?“ fragte Matthew nach einem Schluck Cola.
„Na wo wohl ? Du kennst deinen Bruder doch – der ist wahrscheinlich mal wieder irgendwo unterwegs und macht die Spielhöllen unsicher oder veranstaltet sonst irgendeinen Blödsinn – wann war der denn in letzter Zeit mal zum Essen zu Hause?“ antwortete ihm sein Vater.
„Hmm … ja gute Frage … wann …“ Matthew machte einen nachdenklichen Eindruck um anschließend in einer Heureka-Geste zu sagen „Ich glaube zum Weihnachtsbrunch war er hier gewesen richtig?“
Das löste erneut allgemeine Erheiterung aus und seine Eltern meinte als sie wieder etwas zur Ruhe gekommen waren nur wir sollten uns langsam mal wieder auf den Weg machen, wer weiß wo das sonst noch hinführen würde.
Wir taten wir uns befohlen und gingen wieder nach oben in Matthews Zimmer.
„Ich wusste gar nicht, dass du einen Bruder hast“ sagte ich, als wir uns wieder auf seine Couch gesetzt hatten und ein bisschen durch das amerikanische TV-Programm zappten.
„Kunststück – wie denn auch“ lachte er „der ist ja wie du gerade schon mitbekommen hast so gut wie nie zu Hause“
„Und du ? Nicht so der Außentyp ?“ ich weiß selber nicht so genau, was mich zu dieser Frage getrieben hatte aber ich hatte das Gefühl Matthew schon so lange zu kennen, und so sprudelte es einfach aus mir heraus.
Seine Reaktion war etwas zurückhaltend. Er atmete einmal kurz tief durch und sagte etwas leiser als vorher „Naja ich weiß auch nicht so genau – irgendwie ist das alle nicht so mein Fall. In den letzten Jahren kamen einige Dinge zusammen und … na irgendwie sitze ich wohl lieber hier zuhause rum als mich draußen mit den Jungs rumzutreiben aber das ist eine längere Geschichte“
Ich merkte an seiner Haltung, dass ich das Thema scheinbar nicht gerade angenehm war und so zog ich es vor nicht noch weiter nachzufragen sondern es für den Moment einfach mal dabei zu belassen.
„Wenn du Lust hast kannst du sie mir ja mal irgendwann erzählen.“ sagte ich
„Ja mal sehen“ antwortete er wieder etwas energischer.
Mit einem Blick auf meine Uhr fiel mir auf einmal auf, dass es schon ziemlich spät war und ich ja irgendwann auch nochmal nach Hause musste. Wir bauten also seinen »alten« PC wieder ab, verstauten ihn sicher dort wo er vorher auch gelagert war und machten uns auf den Weg nach unten.
Dort sagte ich dann – wie es sich gehört – seinen Eltern noch brav auf Wiedersehen und machte mich auf den Weg nach draußen.
„Ciao Steffen“ rief mir Matthew hinterher als ich schon draußen war und ich machte mich auf den Weg nach Hause. Sehr weit war es ja nicht, der Fußmarsch dauerte ungefähr 15 Minuten und schon war ich auch wieder zuhause.
Während des Weges ging mir noch so einiges durch den Kopf aber hauptsächlich freute ich mich, dass ich am ersten Tag in meiner neuen Schule schon einen guten Freund gefunden hatte, denn so wie Matthew und ich uns verstanden konnten wir nur gute Freunde werden das setzte ich einfach einmal voraus.
Als ich nach Hause kam – irgendwann Abends so gegen 20:00 Uhr oder wie ich mir inzwischen auch schon angewöhnt hatte zu sagen : 8pm – war der Rest meiner Familie scheinbar außer Haus denn nirgendwo brannte mehr Licht und irgendein Geräusch war auch von nirgends zu vernehmen – nun gut musste ich mich eben selber beschäftigen schließlich war ich ja auch kein kleines Kind mehr.
Ich setzte mich in meinem Zimmer ein bisschen vor den Fernseher und ließ den Tag nochmal Revue passieren – besser hätte mein „erster Schultag“ wohl kaum verlaufen können. Ich hatte mich nicht vor allen Leuten zum Narren gemacht, das war schon mal Pluspunkt Nummer Eins, dann hatte ich sogar neue Freunde gefunden – Pluspunkt Nummer Zwei – und mich hatte sogar jemand mit zu sich nach Hause genommen und damit war Pluspunkt Nummer Drei definitiv der wichtigste für mich gewesen.
Irgendwann als ich mich gerade in eine neue Star Trek – Folge vertieft hatte klopfte es an meiner Tür und im nächsten Moment stand mein Bruder auch schon mit verschränkten Armen und der Tür und meinte ziemlich fordernd:
„Na ? Wie war’s?“
„Wie soll’s gewesen sei?“, fragte ich im selben Tonfall zurück.
„Na, bist du zufrieden? Sind deine schlimmen Vorahnungen in Erfüllung gegangen, hat sich die ganze Welt gegen dich gestellt?“
„Nein, hat sie nicht … so, zufrieden?“, antwortete ich ihm
„Ja bin ich – ich hab’s dir doch direkt gesagt aber neeeeein, mein kleiner Bruder wollte mir ja mal wieder nicht glauben richtig?“
Ich sagte erst mal gar nichts und versuchte irgendeine passenden Antwort zu finde aber schließlich blieb mir dann auch nichts übrig als ein leises „Ja“ zu murmeln.
„Also bitte ! Sag mal wo warst du eigentlich den Rest des Nachmittags gewesen?“ war seine nächste Frage
„Bei Matthew“
„Ach soooo … bei Matthew“ sagte Sven in diesem Ich-weiß-ganz-genau-was-passiert-ist Ton „und was habt ihr bei Matthew denn so gemacht?“
„Ein bisschen PC gespielt, geredet …“ ich kam gar nicht dazu den Satz auszusprechen denn Sven viel mir schon ins Wort
„und bestimmt ein paar andere interessante Sachen gemacht was?“ Die Art und Weise wie er ‚interessante‘ betont hatte zeigte mir eigentlich ziemlich deutlich worauf er hier anspielte.
„SVEN !!“
„Ist ja schon gut“ lachte er „ich wollte ja auch nur mal sehen, wie du drauf reagierst“
„Ja, ja du und deine Scherze – das haben wir gerne. Jetzt mach mal lieber, dass du hier rauskommst ich habe noch ein paar Dinge zu erledigen“
„Bestimmt wegen Matthew was?“
„Du!!!“ rief ich ihm hinterher doch das ihm entgegen geworfene Kissen landete nur an meiner Tür – da war mein lieber Bruder mal wieder schneller gewesen.
So saß ich also wieder alleine da.
Viel gemacht habe ich an diesem Abend nicht mehr – noch ein bisschen was gelesen und dann aber auch sehr schnell ins Bett gegangen der Tag war einfach zu interessant gewesen. Hatte ich am Morgen noch Angst vor so ziemlich allem gehabt, Angst davor nicht akzeptiert zu werden und Angst davor für den Rest meiner Schullaufbahn wieder ohne Freunde dazu stehen so sah das doch jetzt alles plötzlich so anders aus – besser hätte es kaum laufen können.
Ich dachte noch an das ein oder andere was den Tag über passiert war und ehe ich mich versehen hatte war ich auch schon eingeschlafen.
Ziemlich unsanft wurde ich am nächsten Morgen von meinem Wecker aus meinen Träumen gerissen – irgendwann würde ich dieses Gerät nochmal so wie es war gegen die Wand werfen und das bestimmt nicht, weil es einer dieser tollen Wecker war, die durchaus dafür ausgelegt waren Kontakt mit dem Beton herzustellen.
Nach meiner täglichen Routine im Badezimmer (die wie ich das Gefühl hatte inzwischen von Tag zu Tag länger dauerte) setzte ich mich nach unten zu meiner Mutter und meinem Bruder an den Frühstückstisch. Hier ging es nun natürlich ziemlich aufgeregt zu denn meine Mutter wollte von uns beiden jede Kleinigkeit des vorangegangenen Tages wissen. Was wir für Lehrer hatten, ob wir dem Stoff folgen konnten und natürlich auch die Frage nach unseren Mitschülern.
Auch meine Mutter war sichtlich erleichtert, dass es nicht nur mir sondern wie ich gehört hatte auch Sven nur positiv ergangen war. Sie meinte, dass sie sich schon ein bisschen Sorgen gemacht hatte (wie es wohl die Hauptbeschäftigung für jede Mutter ist) ob wir denn das ganze so einfach schaffen würden, aber so wie es aussieht war das ja kein Problem gewesen.
Sie meinte noch wir sollten jetzt nur nicht anfangen überhaupt nicht mehr nach Hause zu kommen denn so schnell wollte sie das auch nicht haben. Wir mussten alle kurz lachen und widmeten uns danach wieder unserer Hauptbeschäftigung nämlich der Nahrungsaufnahme sprich : Dem Frühstück.
Als wir alle fertig waren machte wir uns in unserem neuen Golf (den immer noch nur meiner Mutter fahren durften, da Sven und ich ja schließlich noch nicht die Gelegenheit hatten unseren Führerschein zu machen) auf den Weg zur Schule.
Anders als am Vortag ging es mir diesmal jedoch richtig gut und ich freute mich richtig darauf alle wiederzusehen. Es war schon komisch, ich war zwar erst einen Tag an der neuen Schule aber trotzdem fühlte ich mich schon richtig wie zuhause.
Meine Mutter gab uns noch ein paar gute Ratschläge mit auf den Weg und ließ uns an der Schule raus.
Drinnen angekommen versuchte ich mich erst mal wieder zu orientieren und zu überlegen, was ich für Unterricht hatte und wo ich hinmusste. Ehe ich mich versehen hatte kam aber auch schon Andrew auf mich zugelaufen begrüßte mich mit einem – in den USA scheinbar üblichen – HighFive und wir machten uns zusammen auf den Weg zur ersten Unterrichtsstunde – puh, mal wieder hatte ich Glück gehabt und musste mich nicht alleine durch das Gewühl und die scheinbar endlosen Schulgänge wühlen.
„Na, wie war es gestern noch? Bist du bei Matthew gewesen?“, fragte er mich nachdem Matthew an uns vorbeigelaufen war und uns ebenfalls mit einem freundlichen Hello begrüßte.
„Ja war ich.“
„Und ? Wie war’s?“
„Naja wir hatten schon eine Menge Spaß gehabt“
„Ah ja – eine Menge Spaß“
Irgendetwas in seiner Stimme machte den Eindruck, als wenn er hier mehr hinein interpretieren würde als ich das machen würde. Ich wusste zwar nicht ganz genau worauf er hinaus wollte und wechselte daher schnell das Thema, so dass wir als wir in den Chemie-Raum kamen wieder munter über Autos und Motorräder diskutierten.
Der Unterricht selber war eher durchschnittlich – der Lehrer schien sich nicht gerade große Mühe zu geben uns Schülern den Stoff anschaulich zu vermitteln aber er machte auch nicht den Eindruck als ob er den Job nur gewählt hatte um arme kleine Kinder zu quälen.
Ich dachte zwar der Tag würde nie mehr vorübergehen aber ehe ich mich versah saß ich auch schon wieder mit der ganzen »Truppe« an einem Tisch in der Cafeteria.