Freudestrahlend ging Jan zum Feld, wo der Großvater schon am Arbeiten war. Sofort schloss er sich an und war heute besonders gut bei der Sache. Die einzigen Gedanken die ihm durch den Kopf gingen waren diesmal, wie er Reiner treffen könnte.
Er dachte das erste Mal seit Tagen nicht an das ständig präsente Thema. Sie saßen zur Mittagspause wieder unter dem Baum und beobachteten die Wolken. Sie wurden immer dichter. „Hoffentlich gibt es bald regen“, meinte der Großvater und schnappte sich noch eine belegte Schnitte aus dem Korb.
„Wer kommt denn da?“ Der Großvater hatte Reiner zuerst entdeckt! Jan sprang auf und rannte ihm entgegen. Am liebsten wäre er ihm um den Hals gefallen, aber das traute er sich vor dem Großvater nicht.
„Was machst du denn hier?“ Reiner konnte man ansehen, dass kurz zuvor Tränen aus seinen Augen gelaufen waren. Der feine Staub hatte die Spuren deutlich hervortreten lassen. „Reiner, was ist denn los?“
Aber dieser sackte auf die Knie und begann zu weinen. Heftig wurde sein Körper durchgeschüttelt. Jan schaute hilflos zu seinem Großvater. Der stand auf und deutete Jan sich wieder an die Arbeit zu machen.
Er schaute sich noch einmal um und sah, wie Großvater den Jungen aufhalf und mit ihm in den Schatten des Baumes ging. Immer wieder sah Jan zu den beiden, aber der Großvater und Reiner unterhielten sich nur. Glücklich stellte er fest, dass er nicht mehr weinte.
Er hatte sich so gewünscht, dass er Reiner wiedersehen würde, aber nun war ihm etwas mulmig in der Magengegend. Es dauerte noch fast eine halbe Stunde, dann sah er, wie der Großvater ihn zu sich winkte.
Schnell ließ er die Arbeit, Arbeit sein und rannte zum Feldrand. „Jan, für heut ist Schluss, geh mal mit Reiner und lass dir alles erzählen. Dann kommst du nach Haus und berichtest.“ Der Großvater sah ihn durchdringend an. Alles hörte sich so geheimnisvoll an.
Reiner schaute ihn an, in seinem Blick lag Angst, aber auch Hoffnung. Die beiden gingen los, ziellos aber durch Zufall in Richtung Badestrand.
„Also“, begann Reiner und musste den Frosch in seinem Hals runterschlucken, des sich dort breitgemacht hatte. „Die Inspektion war gestern da“, und richtete den Blick nach unten.
Also stimmte, was Reiner gestern sagte. Sie hatten wirklich eine Inspektion. „Und?“, fragte Jan weiter.
„Meine Großeltern hatten etwas nicht richtig abgerechnet. Da haben sie Ärger bekommen.“ Jan wusste, dass man die Russen nicht betrügen durfte. Auch sie wurden regelmäßig kontrolliert. Dann kamen Igor und der Kommandant und prüften alles sehr genau. Aber Großvater war ein korrekter Mensch. Er würde nie etwas verstecken oder verheimlichen.
„Die sagten, dass sie das nochmal prüfen würden um dann wiederzukommen.“ Jan schaute Reiner an, sah, wie sich eine Träne aus dem Augenwinkel löste. „Meine Großeltern sagten, dass sie sich nicht mehr schikanieren lassen wollten und haben ihre Sachen gepackt und sind in Richtung Westen losgemacht.“
Jan wurden die Knie weich. Das hieße ja, dass Reiner nun auch verschwinden würde. Gerade jetzt, wo er doch begonnen hatte ihn zu…
Er strauchelte, stolperte und setzte sich in das Gras am Wegesrand. In seinem Kopf drehte sich alles, er brachte kein Wort raus.
Reiner zündete zwei Zigaretten an und reichte eine Jan. Der nahm sie, inhalierte kräftig und sah seinem Freund in die Augen. „Und nun willst du mir auf Wiedersehen sagen?“ In seiner Stimme konnte man die Traurigkeit und den Schmerz hören.
„Nein, eigentlich nicht. Aber…“ „Was aber? Du musst doch mit deinen Großeltern mit! Also?“
Reiner sah ihn erst an. „Es gibt eine Möglichkeit, dass ich hierbleibe.“ „Und, welche ist das?“, Jan wurde hellhörig und sein Herz machte einen kleinen Sprung. „Ich könnte bei dir bleiben, wenn ich darf?“
Jan glaubte sich verhört zu haben. Hat er eben wirklich gesagt, bei mir bleiben? Bei meinen Großeltern und Mutter? Er schaute in Reiners Gesicht und erkannte dass er es ernst meinte. Er legte den Arm um Reiner, zog ihn zu sich und schaute ihm ganz tief in die Augen.
„Meinst du das ernst? Willst du wirklich hier bleiben?“ Reiner schaute ebenso ernst. „Ja“, hauchte er. Sie näherten sich noch etwas und ihre Lippen trafen sich.
Jan sprang auf und hüpfte wie ein kleines Kind vor Freude. Reiner konnte nicht anders, machte mit, beide umarmten sich öfter, ließen sich ins Gras fallen und begannen den Freudentanz von vorn.
„Komm, ich zeige dir etwas, was nur ich kenne.“ Jan schnappte die Hand von Reiner und hastete über den Damm zum Kanal hin. Er suchte etwas, die Gegend hatte sich in den zwei Jahren, die er schon nicht mehr hier war verändert.
Auch hatte er die Stelle, die er suchte, nur vom Wasser aus gefunden, nun musste er von der Landseite suchen. Dann entdeckte er die kleine Krüppelkiefer. Sich schlugen sich durch den Uferbewuchs und kamen an einer kleinen Stelle an, die hoch umgeben vom Schilf war.
Ein circa dreimal drei Meter großes Stück vor dem Wasser war mit niedrigem Gras bewachsen. Auch schien der Kanal an dieser Stelle keine größeren Steine zu haben. Sie schauten sich an. Sie zogen sich so schnell aus wie es ging, dann gingen sie vorsichtig, mit den Füßen tastend ins Wasser.
Jan vornweg, der nach einem Schritt schon bis zur Hüfte im Wasser stand. Es war herrlich, er stieß sich ab und schwamm einige Meter und Reiner folgte ihm. Sie tobten im Wasser vor Freude. Dann, als sie sich wieder mal mit den Händen gegenseitig gehalten hatten wurden sie still.
Sie sahen sich in die Augen und wussten, dass die Entscheidung richtig war. Reiner gehörte zu Jan und Jan zu Reiner. Sie stiegen aus dem Wasser und legten sich auf das Stück Rasen. Zärtlich streichelten sie sich gegenseitig, aber das Steife Ding zwischen ihren Beinen ließen sie aus.
Sie wurden immer erregter, bis sich Jan plötzlich aufrichtete. Er schaute zu Reiner. Und der wusste, was Jan wollte.
Er blieb auf dem Rücken liegen und streichelte Jan die Brust. Der hatte sich inzwischen auf Reiner gesetzt und seinen Schwanz ergriffen. Vorsichtig führte er ihn an sein Loch und versuchte ihn aufzunehmen.
Es gelang nicht. Er zog vorsichtig Reiners Vorhaut zurück und darunter war alles schon glitschig und schmierig. Er verrieb den Vorsaft an seinem Loch und versuchte es wieder. Er presste etwas stärker, dann atmete er scharf ein, als er die Eichel mit einem Ruck in sich presste.
Er verharrte in dieser Stellung, beide hatten die Augen geschlossen und genossen nur das Gefühl. Dann ließ er sich langsam immer weiter an ihn herabgleiten und schließlich saß er mit seinem Hintern auf dem Becken auf.
Er fühlte sich ausgefüllt und dieses Gefühl hatte er noch nie. Er konnte es selbst bestimmen, er bestimmte wie weit und das machte ihn immer erregter. Vorsichtig hob er seinen Hintern wieder an, um sich gleich wieder fallen zu lassen. Reiner lag mit geschlossenen Augen vor ihm. Er genoss es, an seinem Atem merkte er, dass es nicht mehr lange dauern würde.
Dann stöhnte er auf, Jan spürte, wie der Schwanz in seinem Hintern zu zucken begann und dann spürte er die Wärme, die ihn ausfüllte. Er griff seinen Schwanz, machte ein paar Bewegungen und dann spritzte er seine Freude auf Reiner.
Der hechelte immer noch unter ihm. Er konnte sich gar nicht beruhigen. Beide öffneten die Augen und sahen sich strahlend an. „Danke“, mehr brachte Reiner nicht heraus. Jan beugte sich vor und ihre Münder trafen sich wieder.
Als ihre Herzen wieder normal schlugen, gingen sie noch einmal ins Wasser. Reiner erzählte Jan, dass er am Vormittag schon bei seiner Großmutter und Mutter war. Diese haben ihm das Angebot gemacht, dass er bleiben könnte, wenn der Großvater nichts dagegen hätte. Der war über jede Hand froh, schließlich stand die Ernte noch bevor.
Jan war überglücklich. Er schlang die Arme um Reiner und wieder trafen sich ihre Münder. „Wo wirst du schlafen?“ Reiner hatte nicht mit der Frage gerechnet. „Ich weiß nicht. Darüber haben wir noch nicht geredet.“
„Und, was haben deine Großeltern gesagt, dass du nicht mitgegangen bist?“ „Sie haben nichts gesagt, sind einfach nur gegangen“, man konnte die Traurigkeit in seiner Stimme hören. Jan könnte sich nie vorstellen, dass er seine Mutter oder Großeltern einfach verlassen könnte.
Die Sonne brannte immer noch gnadenlos vom Himmel, aber am Horizont konnte man eine Gewitterfront ausmachen, die immer näher kam. Sie hörten es schon grollen. Schnell zogen sie sich an und machten sich auf den Weg.
Kaum hatten sie die Tür hinter sich geschlossen, als auch schon die ersten schweren Tropfen gegen die Scheibe schlugen. „Da habt ihr es ja noch rechtzeitig geschafft“, meinte Mutter, und Großmutter war froh, dass ihr Enkel wohlbehalten zurück war.
„Ja, wir sind den Rest vom Weg auch gerannt“, und Jan grinste verschmitzt. „Also, wenn ich das recht sehe“, begann der Großvater, der mit einer Hand seine Pfeife stopfte, „dann bleibt Reiner also da?“ Jan schaute mit einem schnellen Blick zu seinem Freund. Der senkte den Kopf. Ihm war es sichtlich peinlich.
„Ja, Reiner bleibt hier“, und Jan ergriff die Hand von Reiner und drückte sie. „Dann ist ja alles geklärt“, und der Großvater entzündete ein Streichholz. Er zog heftig an seiner klobigen Pfeife, Rauch umhüllte den Kopf. „Wisst ihr schon, wo der Junge schlafen kann?“
Die Frauen schauten sich an. Gerade wollte die Mutter etwas sagen. „Er kann erst mal bei mir in der Kammer schlafen“, brachte Jan schnell hervor. Er schaute unsicher zur Mutter, die ihre Augenbrauen ein kleines Stück höher gezogen hat.
Sie überlegte einen kurzen Moment. „Ist das nicht zu eng da?“ Jan schüttelte den Kopf verneinend. „Wir bekommen das schon hin, außerdem ist Reiner dann nicht so allein“, fügte er noch hinzu und drückte abermals die Hand.
„Also gut, aber wir werden noch etwas in den nächsten Tagen herrichten. So geht es nicht. Reiner hat seine Hilfe angeboten, also muss er auch ordentlich untergebracht werden.“ Mutter hatte gesprochen und ließ keinen Zweifel daran, dass es nur eine Übergangslösung war, dass Reiner mit in der Kammer schlief.
Jan ließ es auf sich beruhen, Reiner wollte dazu nichts sagen. Sie aßen zu Abend und Reiner erzählte, was er in den letzten Monaten alles erlebt hatte. Er war mit den Großeltern immer auf dem Hof geblieben. Sie hatten die Kampfverbände gesehen, hatten aber auch Glück, dass die Hauptkampflinie noch weiter südlich war.
Er erzählte, dass die Russen eines Nachts kamen und den Großeltern die Vorratskammer plünderten. Sie standen hilflos daneben, konnten sich nicht wehren. Jan bemerkte die Traurigkeit in seinen Augen. Am liebsten hätte er Reiner in den Arm genommen, aber das ging nicht.
Nach dem Essen machten sich die Jungen auf zur Kammer. Reiner hielt das kleine Bündel in der Hand, sein ganzes Hab und Gut. Es war nicht viel, was ihm geblieben war. Jan zeigte, wo er die Sachen verstauen konnte.
Sie legten sich ins Bett, Reiner erzählte noch etwas, aber Jan hörte nicht mehr richtig zu. Seine Augenlieder begannen zu flattern, bis er schließlich ganz eingeschlafen war.
Am nächsten Morgen spürte er beim Erwachen, die Wärme an seinem Rücken. Reiner hatte sich an ihn gekuschelt. Er fand es überaus angenehm, dieses Gefühl. Er genoss es und es war nicht zu vermeiden, dass er erregt wurde.
Reiners Atemzüge gingen noch gleichmäßig. Was sollte er nun machen? Sollte er etwa…? Aber das konnte er nicht. Vorsichtig glitt er aus dem Bett und setzte sich an den Rand. Er betrachtete Reiner, der so süß dalag.
Vorsichtig beugte er den Kopf vor und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. Reiner wurde dadurch wach. Er öffnete die Augen und grinste Jan an. „Los, lass uns aufstehen, die Arbeit wartet“, und Jan zog sich sein Nachthemd aus.
Er stand erregt vor Reiner, der immer breiter grinste. Er schlug die Bettdecke zurück und zog sein Hemd hoch. Er war auch erregt und beide mussten kichern. In der Küche wurden sie schon erwartet. Sie aßen schnell und machten sich an die Arbeit.
Jan ging dann mit der Kanne zur Sammelstelle und Reiner fuhr mit dem Großvater schon aufs Feld. Vor dem Laden konnte er schon Kurt sehen. Er stellte grade die leeren Kannen auf den Wagen.
„Na, du warst gestern gar nicht an der Badestelle. Ist was passiert?“ Jan grinste ihn an und nickte. „Reiner ist gestern aufgetaucht. Seine Großeltern haben sich in den Westen abgesetzt“, sagte er leise. Kurt zog die Augenbrauen nach oben. „Und, wieso ist er nicht mitgegangen?“
Jan erzählte ihm schnell die Geschichte. Kurt war beeindruckt. „Er scheint dich sehr zu mögen?“ Jan wurde rot. „Ja, ich glaub.“ Kurt klopfte ihm auf die Schulter. „Ihr passt zusammen“, flüsterte er ihm ins Ohr. Jan grinste ihn an und verschwand mit der Kanne im Laden.
„Wir treffen uns heute am Kanal“, rief Kurt noch zu Jan, der gerade den Laden verließ. Schon war das Gespann weg und Jan blieb keine Zeit um noch zu antworten. Sollten sie am Abend wirklich noch zur Badestelle. Viel lieber wäre er mit Reiner zu seinem geheimen Plätzchen gegangen.
Fröhlich beschwingt ging er zum Feld. Reiner schaute erleichtert, als sein Freund auftauchte. Sie arbeiteten bei schwüler Luft, die das Gewitter letzte Nacht hinterlassen hatte. Beide Jungen stellten fest, dass die Arbeit leichter von der Hand ging, wenn sie zusammen waren. Sie alberten etwas, warfen sich Worte zu und machten sich über alles lustig.
Der Großvater lächelte zufrieden, als er das geschaffte sah, als sie sich zum Mittag unter den Baum setzten. Er war auch froh darüber, dass sich die Jungen verstanden. Ab und zu hatte er den Eindruck, dass sie vielleicht mehr wie Freunde waren. Aber was waren das denn für Gedanken. Er wischte sie beiseite und zündete sich vor lauter Zufriedenheit eine Pfeife an.
Der Tag neigte sich dem Ende zu und alle fuhren auf dem Wagen nach Haus. „Wenn ihr wollt, könnt ihr noch baden gehen“, sagte der Großvater zufrieden. Er freute sich, dass Reiner da war, und ordentlich mit angepackt hatte. Das ließen sich die Jungen nicht zwei Mal sagen, sprangen vom Wagen und waren schon über den Damm verschwunden. Er grinste vor sich hin und lenkte den Wagen zum Hof.
Jan und Reiner rannten zur Badestelle. Sie sahen Kurt und die beiden Mädchen. Jan wäre am liebsten wieder umgedreht, aber Reiner ging unbeirrt zu den dreien. Er gab Kurt die Hand und wollte sie auch den Mädchen reichen. Die sahen ihn zuerst skeptisch an, ergriffen die Hand dann aber zögerlich.
Jan schaute unsicher zu Hilde. Die nahm völlig teilnahmslos die Hand von Jan und sagte kein Ton. Es war beiden peinlich. Schnell wandte er sich ab und begrüßte dann noch Gerda und Kurt. Die beiden saßen dicht beieinander und grinsten ihn an.
Er zog sich bis auf die Unterhose aus und folgt Reiner in das kühle Nass. „Ist irgendetwas mit dir und Hilde?“ Er hatte alles beobachtet. Jan schaute Reiner an. „Ich erzähl es dir später, lass uns baden.“ Er schwamm zum Baum. Als er auf dem Stamm stand, beobachteten ihn vier Augenpaare. Er kam sich in diesem Moment komisch vor. Er versuchte einen Kopfsprung, der aber völlig misslang.
Alle vier lachten, als er wieder aus dem Wasser auftauchte. Er ärgerte sich, wollte die Schande aber nicht auf sich sitzen lassen. Wieder zog er sich aus dem Wasser und versuchte gleich den Salto. Der klappte und er erntete diesmal dünnen Applaus.
Als er wieder auf dem Stamm stand, sah er die anderen auch alle im Wasser. Schnell entwickelte sich zwischen allen eine Wasserschlacht. Er dümpelte auch Hilde, die vor Vergnügen quickte. War nun wieder alles in Ordnung zwischen ihnen? Er hoffte es.
Es ergab sich, dass Jan und Hilde etwas abgetrieben wurden. Sie schaute ihn an und grinste. „Jan, lass uns alles vergessen und einfach nur wieder Freunde sein.“ Ihm fiel ein Stein vom Herzen. „Ja, danke“, flüsterte er ihr zu. Sie gab ihm mit einer schnellen Bewegung einen Schmatzer auf die Wange. Er war so überrascht, dass er nicht mitbekam, wie sie zum Angriff ansetzte.
Nun war er derjenige, der gedümpelt wurde. Er tauchte prustend aus dem Wasser auf und sah Hilde mit schnellen Schwimmbewegungen verschwinden. Er schwamm so schnell er konnte hinterher und erwischte einen Fuß von ihr. Wieder ging die Schlacht von vorn los, bis sie alle erschöpft auf der Wiese lagen.
Eine Schachtel Zigaretten kreiste in der Runde. Alle inhalierten den Rauch genüsslich. Kurt und Gerda saßen wieder dicht beisammen, Hilde etwas abseits und Jan traute sich nicht, sich dichter an Reiner zu setzen. Reiner ging es ebenso.
„Nun rutscht doch schon zusammen, das hält ja keiner aus, wie ihr euch benehmt“, und Hilde schaute in vier weit aufgerissenen Augen. Kurt und Gerda glucksten vor Lachen. Jan schwor sich Rache! Hat Kurt etwa gepetzt? Wie konnte er nur?
Die beiden blieben wie angewurzelt auf ihren Plätzen sitzen. Keiner sagte etwas, nur das Kichern von Kurt war noch zu hören. Jan schaute verärgert zu ihm. Der hob beide Hände und wedelte damit abwehrend. „Ich hab nichts gesagt“, aber nun war es raus.
Beide Mädchen schauten erst erschreckt auf Jan und Reiner, dann formte sich ein Lächeln auf ihren Lippen und schließlich begannen sie zu lachen. Es waren eben doch Zwillinge. Kurt konnte nicht mehr, er fiel zur Seite und hielt sich den nicht vorhandenen Bauch vor Lachen. Auch Jan und Reiner mussten nun miteinstimmen.
„Ich…ich hab wirklich… wirklich nichts… gesagt“, brach es nochmals aus Kurt hervor. „Ich hab es so gesehen“, sagte Hilde und lächelte Jan noch immer an, „es ist nicht zu übersehen, wirklich.“ Jan und Reiner waren verwirrt.
„Ihr seht euch beide immerzu an, als ob ihr gleich übereinander herfallen wollt“, und Hilde hatte recht damit. Sie konnten den Blick nicht voneinander lassen. Schließlich setzten sie sich dicht zusammen und genossen die letzten Reste der Zigarette. Reiner erzählte was gestern passiert ist und er nun bei Jan wohnte.
Beide Mädchen waren erstaunt, also hatte Kurt doch nichts verraten. Sie redeten noch eine Weile, dann bemerkten sie, dass es schon spät war, später als sie dachten. Alle sprangen auf und zogen sich an, um dann den Weg nach Haus im Laufschritt zu machen.
Großvater wartete schon vor dem Haus auf die beiden. Die Sonne war fast verschwunden. „nun aber rein, deine Mutter wartet schon“, sagte er zu seinem Enkel und schob ihn durch die Tür. Reiner hielt er jedoch fest und schloss die Haustür. Jan schaute sich verwirrt um.
„Da seid ihr ja endlich“, sagte die Mutter und schaute auf. „Wo ist denn Reiner?“ „Großvater hat…“ Weiter kam er nicht. „Ist schon gut mein Sohn“, sagte die Mutter gütig und Jan spürte, dass irgendetwas in der Luft lag.
Aber er hatte keine Ahnung, was es war. Er setzte sich an den Tisch und schaute wie gebannt zur Tür. Er rutschte unruhig auf dem Stuhl hin und her. Dann ging endlich die Tür auf und Reiner kam weinend in die Küche.
Jan hielt nichts mehr. Er sprang auf und rannte zu seinem Freund. Er nahm ihn in den Arm und versuchte ihn zu trösten, aber der schluchzte immer lauter. „Meine Großeltern, sie wurden gefasst“, sagte er unter größter Anstrengung, dann sackten ihm die Beine weg, aber Jan hielt ihn.
Er schaute mit Tränen in den Augen zu seinem Großvater, der sich schwermütig an den Tisch setzte. Auch ihm war anzusehen, dass es ihm nicht leicht fiel. Gedankenversunken stopfte er seine Pfeife, konnte sie aber nicht anzünden.
Jan bugsierte Reiner zu einem Stuhl am Tisch und setzte ihn. Er hielt ihn noch immer fest und schaute fragend in die Runde. „Sie haben sie geschnappt, als sie fliehen wollten. Sie werden in der Stadt von den Russen festgehalten“, und Großvaters Faust donnerte auf den Tisch.
Alle erschraken. So etwas hatte der Großvater noch nie gemacht. Das war ein Zeichen dafür, dass es ihm gegen den Strich ging, was sie mit den Großeltern von Reiner machten. Reiner hatte sich inzwischen gefangen. Auch er hatte Jan nun umarmt.
Die Mutter sah, wie sich die Jungen aneinander klammerten, sagte aber nichts. Sollte Vater doch Recht haben? Sind sie vielleicht doch mehr als Freunde? Er hatte es ihr heute nach der Arbeit gesagt, sie wollte es aber auch nicht wahrhaben.
Aber als sie die beiden jetzt so sah, kamen ihr die ersten Zweifel. Auch der Großvater und Großmutter sahen die beiden an. Sie nickten nur, sagten aber nichts.
„Was wird nun?“ Jan fand als erster die Sprache wieder. „Wir müssen abwarten. Ich weiß auch nicht, was die Russen machen. Aber Reiner werden sie in Ruhe lassen. Er wollte ja nicht weg.“ Großvater zündete seine Pfeife an.
Das war nicht viel, was er erfuhr, aber es beruhigte ihn, dass Reiner nichts geschehen würde. Er wischte seinem Freund die Tränen aus den Augen. Drei Augenpaare beobachteten ihn, drei Menschen sahen, wie gefühlvoll Jan war. Und bei drei Leuten wurde die Unkenntnis zur Gewissheit. Es konnte nicht anders sein.
Mutter sah etwas unglücklich aus, aber die Großeltern hatten ein ganz leichtes Lächeln im Gesicht. Jan kümmerte sich liebevoll um Reiner, was er mit einem dankbaren Blick erwiderte.
Obwohl allen der Appetit nach dieser Nachricht vergangen war, aßen sie doch etwas. Es herrschte Schweigen am Tisch. „Ich muss morgen in die Stadt“, sagte Reiner plötzlich in die Stille, „ich muss sehen, wie es ihnen geht.“ Großvater nickte und Jan wäre fast das Herz in die Hose gerutscht.
„Meinst du wirklich, dass du das solltest?“ Jan war es anzuhören, dass er Angst hatte. „Ich muss“, sagte Reiner, „es gibt keinen anderen Weg.“ „Reiner, ich werde dich begleiten“, und Großvater legte den Arm auf dessen Schulter. „Darf ich auch mitkommen“, fragte Jan hastig.
Der Großvater schüttelte den Kopf. „Nein, du bleibst hier und machst deine Arbeit. Wir werden ganz früh los müssen, also legt euch gleich hin.“ Die Jungen standen wortlos auf und gingen in ihre Kammer.
Schweigend zogen sie sich die Nachthemden an und legten sich ins Bett. Jan umklammerte seinen Freund von hinten. Er hörte es noch einige Male schluchzen von ihm, dann wurde der Atem gleichmäßig und auch ihm fielen die Augen zu.
Am nächsten Morgen erwachte Jan und fand sein Bett leer vor. Er hatte nicht mitbekommen, als Reiner aufgestanden war. In Panik rannte er nach unten, wo er die Mutter in der Küche traf. „Sind sie schon weg?!“, und seine Stimme überschlug sich. „Bleib ganz ruhig. Sie sind schon los. Zieh dich erst mal richtig an und komm etwas essen.“
Die Mutter betrachtete ihren Sohn, wie er schlotternd vor ihr stand. Wie groß er geworden ist, dachte sie. Sie stand auf und drückte ihn an sich. „Es wird alles gut, glaub mir“, und noch immer zitterte er am ganzen Körper. Er wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel und gab der Mutter einen Kuss auf die Wange.
Sie lächelte ihn an und gab ihm einen Klaps. „Los, mach schon. Die Arbeit wartet.“ Er rannte in seine Kammer und zog sich für den Tag an. Reiner und Großvater kreisten ständig durch seinen Kopf, als er auf dem Weg zum Dorf war. Hoffentlich, hoffentlich würde sich alles klären.
Als er sich der Sammelstelle näherte, sah er schon von weitem, dass sich eine Menschentraube vor dem Laden gebildet hatte. Beim Näherkommen konnte er immer mehr erkennen. Die Leute sahen furchtbar aus. Die Kleidung war zerlumpt und ihre Gesichter waren schmutzig.
Zwischen den Gestalten sah er den Kommandanten und Igor stehen. Es konnte sich nur um Flüchtlinge Handeln, ging es ihm durch den Kopf. Der Flüchtlingsstrom hatte sie also erreicht. Igor erkannte Jan und winkte ihm freudig zu, was er erwiderte. Köpfe drehten sich zu ihm, musterten ihn um dann wieder auf die beiden Russen einzureden.
Jan schob sich an der Menge vorbei und ging in den Laden. „Es kommen noch mehr Flüchtlinge. Jeder Hof muss welche Aufnehmen“, sagte der Krämer und deutete nach draußen. Jan schaute durch die Scheiben des Ladens.
Es waren drei alte Frauen und zwei alte Männer. Sie sahen ausgemergelt aus und redeten immer noch auf die Russen ein, denen es scheinbar egal war, was die Leute sagten. Der Kommandant sah immer wieder auf eine Liste. Neben der Menschentraube bemerkte er noch einige Kinder, denen er vorher keine Beachtung geschenkt hatte.
„In meinem Haus muss ich auch welche aufnehmen. Hoffentlich schleppen die kein Viehzeug mit an“, flüsterte der Krämer weiter, der nun mit Jan aus dem Fenster sah. Aber Jan hörte ihn nicht. Sein Blick blieb an einer Gestalt hängen, die seine Aufmerksamkeit erregte.
Er stand bei den Kindern, war aber einen Kopf größer als die meisten. Er sah noch dreckiger aus, als die anderen. Nur die Augen waren weiß. „Wer weiß, wie das alles noch enden soll“, sagte der Krämer und ging hinter die Theke.
Jan folgte ihm, nahm die leere Kanne entgegen und ging aus dem Laden. Igor kam auf ihn zu. „Na, alles gut bei dir?“, und klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter. „Ja, es ist alles gut. Sag, wer sind die Leute da?“ und deutete mit dem Kopf auf die Flüchtlinge. „Kommen aus Schlesien. Müssen finden Unterkunft für sie.“ Igor schaute traurig. Jan merkte es ihm an, dass er diese Aufgabe nicht mochte, aber dass er sie lösen musste.
„Sag Jan, du kennen Reiner?“ Jan riss den Kopf zur Seite und schaute Igor mit großen Augen an. Igor lachte. „Ich mir denken konnte. Kein Angst. Ihm geht gut.“ Jan schaute immer noch fragend zu Igor.
„Ach Junge. Er wieder auf Weg zu dir. Und seine Angehörigen wieder frei. Komisch Menschen das sind. Lassen Bub einfach zurück.“ Jan musste die Informationen erst mal verarbeiten, die er von Igor bekam. Dann begann er zu lächeln und wäre Igor am liebsten um den Hals gefallen.
„Ich weiter machen muss. Bis dann“, und er wandte sich wieder den aufgebrachten Erwachsenen zu. Jan schaute noch mal nach der Gestalt. Er sah, dass er von ihm beobachtet wurde. Der Kopf drehte sich schnell weg.
Jan schob sich wieder an der Menge vorbei und verließ schnell den Platz. Als er sich noch einmal umdrehte, sah er die Augen wieder, die er im Rücken spürte. Kaum hatte er geschaut, wurde der Kopf auch schon wieder zur Seite gedreht.
Jan dachte nur kurz daran, dann fiel ihm wieder ein, was Igor gesagt hatte. Reiner würde also hierbleiben. Und seine Großeltern waren wieder frei und auf dem Weg Richtung Westen. Das hatte sicher sein Großvater gerichtet.
Freudig ging er zum Feld und arbeitete unter der strahlenden Sonne, die heut wieder besonders heiß schien. Die Arbeit ging ihm nicht von der Hand. Er musste immer an gestern denken. Wie viel mehr Spaß hatte das Arbeiten mit Reiner gemacht. Wann würden sie hier sein und ihn aus den trüben Gedanken reißen?
Zum Mittag war von den beiden immer noch nichts zu sehen. Er raffte sich auf und arbeitete weiter. Als er sich streckte um seinen Rücken wieder gerade zu biegen, sah er Reiner kommen. Er ließ das Werkzeug fallen und rannte ihm entgegen. Beide fielen sich in den Arm. „Jan, meine Großeltern sind wieder frei und haben sich auf den Weg gemacht. Ich bin so glücklich“, aber er sah nicht glücklich aus.
Eine Träne bahnte sich den Weg aus seinem Auge. Jan schaute ihn an und wischte sie vorsichtig weg. „Sei nicht traurig. Ich kann verstehen, dass du sie liebst.“ „Danke“, flüsterte er und drückte sich wieder an Jan.
Sie setzten sich in den Schatten und Reiner erzählte ihm, was vorgefallen war. Man hatte die Großeltern schon kurz nach der Flucht erwischt. Ein Russe hatte sie erkannt, als sie sich in den Flüchtlingsstrom mischen wollten. Dann wurden sie die Nacht über festgesetzt.
Als Reiner und der Großvater in der Stadt ankamen, haben sie Igor und den Kommandanten gesehen. Der Großvater hat mit den Russen gesprochen und keine halbe Stunde später waren die Großeltern von Reiner frei. Sie beharrten darauf, dass sie in den Westen wollten, auch gutes Zureden konnte sie nicht davon abbringen. Dann sollen sie doch, hat der Kommandant gesagt und die Sache wäre erledigt.
Sie versuchten dann noch, Reiner zu überreden, mitzukommen, der sich aber dagegen wehrte. Schließlich gingen sie, ohne sich noch einmal umzublicken. Reiner tat es weh, alles zu erzählen. Jan merkte es und legte den Arm um ihn.
Er erzählte weiter, dass Jans Großvater zwei Flüchtlingsfamilien zum Hof von Reiner bringen musste, die dort alles übernehmen sollten. Reiner hatte schnell im Haus noch alles Brauchbare und wichtige zusammengesucht und ist dann mit zum Hof gefahren. Der Großvater wurde von den Russen aufgefordert, noch mal zur Sammelstelle zu kommen. Aber warum, konnte Reiner nicht sagen. Er ist dann zum Feld gelaufen, nachdem er die geborgenen Sachen untergestellt hatte.
Sie arbeiteten weiter, aber es herrschte Schweigen. Jeder hing seinen Gedanken nach, aber keiner wollte sie laut äußern. Es war eine eigenartige Stimmung, Freude wollte nicht aufkommen. Jan musste Reiner Zeit geben. Es traf ihn schwer, dass er so im Stich gelassen wurde.
Als die Zeit gekommen war, beendeten sie die Arbeit und gingen diesmal gleich nach Haus. Sie bogen gerade zum Tor ein, als sich der Großvater von hinten näherte. Er war nicht allein auf dem Wagen. Jan kannte dieses Gesicht, er hatte es heute Morgen schon gesehen.