Up and away – Teil 6

Der nächste Tag in der Schule brachte, abgesehen von einer guten Note in Mathe, nicht besonders viel neues, so dass ich schon fast das Gefühl hatte immer und ewig in Amerika zur Schule gegangen zu sein. So langsam setzte wirklich schon so etwas wie Routine ein – schon faszinierend wie schnell man sich an eine neue Umgebung gewöhnt. Heute wirkt noch alles neu und fremd und morgen kennt man es schon gar nicht mehr anders.

Zwischen Matthew und mit lief zu meinem Erstaunen alles wie immer – wieso ich etwas anderes befürchtet (oder gehofft) hatte weiß ich selber nicht genau. Ich dachte einfach wenn zwei Schwule Jungs so gute Freunde sind dann muss doch zwangsweise etwas ‚mehr‘ passieren. Wie schön wenn man immer wieder selber auf so alte und vollkommen schwachsinnige Stereotypen hinein fällt.

Trotzdem hatte ich mir vorgenommen mit Matthew früher oder später mal ein paar ’sehr private‘ Worte zu wechseln alleine schon weil man ja als Schwuler doch irgendwo das Bedürfnis hat zu erfahren, wie jemand anders damit umgeht, was für Erfahrungen er gemacht hat und natürlich auch wo man am besten hingeht um ein paar süße Jungs zu sehen. Nicht, dass wir in der Schule nicht auch den ein oder anderen wirklich süßen Typen gehabt hätten (Matthew eingeschlossen) aber – naja man muss sich ja auch mal im weiteren Umkreis ein bisschen umsehen oder?

Gegen Ende der Mittagspause als ich mit Matthew und noch ein paar anderen draußen auf dem riesigen Außengelände unserer Schule auf einer Wiese lag und wir einfach nur das gute Wetter genossen kam Sherly vorbeigelaufen (wobei vorbeigelaufen noch leicht untertrieben ist – dieses Mädchen flog einfach nur durch die Gegend, der Himmel weiß wo sie diese Energie hernahm) und fragte uns, ob wir nicht Lust hätten heute bei ihr auf eine kleine „Haus-Party“ zu kommen. Ihre Eltern seien kurzfristig außer Haus und deshalb wollte sie mal wieder ein bisschen Spaß haben. Da alle anderen von diesem Vorschlag hellauf begeistert waren konnte (und wollte) ich wohl schlecht nein sagen und so freute sich also jeder, dass wir alle am Abend vorbeikommen würden.

Kaum hatten wir alle Sherly’s Vorschlag zugestimmt und sie sich mit einem breiten Lächeln kurz bedankt sah man auch schon wieder nur ihren Rücken der sich mit samt dem restlichen Körper in einem Höllentempo in Richtung einer anderen Gruppe Leute bewegte, die ungefähr 50 Meter weit weg von uns saßen.

„Die Personifizierung des Temperamentes ist also wieder unterwegs“ grinste Matthew und wir anderen konnten auch nicht anders als über diesen kleinen Witz herzhaft loszulachen – es gibt eben manchmal Personen über die man schon nach ziemlich kurzer Zeit sagen kann, dass sie alles andere als Langweiler sind und Sherly gehörte definitiv dazu!

„Du warst noch nicht auf eine von Sherly’s Parties oder?“ fragte mich Matthew nachdem wir alle wieder etwas zur Ruhe gekommen waren.

„Oh doch natürlich – erinnerst du dich nicht? Sie hat mich doch bisher immer als Ehrengast aus Deutschland einfliegen lassen“ lachte ich und Matthew realisierte scheinbar auch, dass es sich diese Frage wohl genauso gut hätte sparen können.

„Okay, okay … na dann wirst du heute Abend bestimmt deinen Spaß haben. Das letzte Mal endete es damit, dass wir uns alle auf die Suche nach den guten Tellern mit europäischen Motiven machen mussten weil irgendso ein Verrückter nach etlichen Gläsern hochprozentigem keinen normalen Teller mehr gefunden hat und deshalb einfach diese ’schönen bunten Teller‘ von der Wand genommen hat. Ich kann dir sagen da haben wir alle gelacht wie selten zuvor. Naja zu mindestens alle außer Sherly, denn die hatte ziemlichen Bammel gehabt, dass ihre Eltern doch noch dahinter kommen. Als sie wieder nach Hause kamen hing dann aber doch der Teller wieder da wo er vorher auch gehangen hatte. Du siehst, Sherly’s Parties sind immer der Hammer schlechthin“

„Na da bin ich ja wirklich mal gespannt“ sagte ich und begann mir schon wieder Gedanken um die unmöglichsten Dinge zu machen. Ich überlegte mir, was ich anziehen sollte und so weiter und so weiter – eben alles das worüber sich ein Teenager so seinen Kopf zerbricht. Eigentlich total überflüssig aber im Moment eben doch wichtig.

Die Schule ging – entgegen meinen Erwartungen – an diesem Tag doch irgendwann zu ende auch wenn mir die letzte Stunde vorkam als wäre es ein Tag gewesen. Nach der letzten Stunde standen wir noch mit ein paar Jungs vor dem Haupteingang und beredeten wie wir denn alle am Abend zu Sherly kommen würden und vor allem wie wir wieder zurückkommen würden. Es war Freitag gewesen, das heißt wir mussten schon mal nicht so planen, dass wir alle am nächsten Morgen mehr oder weniger fit zur Schule gehen konnten aber trotzdem sollte diese Frage auch geklärt werden.

Fast alle anderen hatten schon einen Führerschein und die meisten auch ein Auto, so dass ich die Qual der Wahl hatte zu entscheiden wer mich mitnehmen ‚durfte‘. Nach längerem hin und her beschloss dann aber Andy, dass er der einzige war, der gut genug wäre mich fahren zu dürfen (welch eine beruhigende Feststellung) und so war die Frage des Hin und Zurück auch geklärt gewesen.

Wir verabschiedeten uns alle und machten uns dann auch den Weg nach Hause. Ich traf Sven an unserem üblichen Treffpunkt und wir machten uns – heute zu Fuß – auf den Weg nach Hause.

„Na kleiner Bruder wie war dein Tag gewesen?“ fragte er mich auf dem Weg

„Naja ziemlich langweilig – ich muss immer wieder feststellen, dass die amerikanischen Schulen doch nicht so anders sind als die deutschen. Schule ist und bleibt eben Schule und da wird sich wohl in keinem Land der Welt etwas dran ändern.“

„Wenn du das so sagst werde ich dir bestimmt nicht widersprechen“ lachte er „Und was liegt am Wochenende an?“

„Weiß ich noch nicht. Heute Abend bin ich erst mal auf einer Party eingeladen und wenn ich morgen noch zurechnungsfähig bin dann sehen wir mal weiter“

Sven hustete demonstrativ und meinte dann nur „Du und nicht zurechnungsfähig! Das soll wohl ein Witz sein oder? Du hast doch noch nie einen Tropfen Alkohol zu dir genommen und erzähl mir nicht du hast vor das jetzt zu ändern“

„Wer weiß …“ grinste ich ihn an

„Ja ja erzähl du mal.“

Der Rest unseres Heimweges verlief ziemlich langweilig. Wir diskutierten über alles mögliche und Sven wollte mir mal wieder erklären was der Unterschied zwischen Renten- und Aktienfonds ist. Wie üblich blieb es aber bei dem Erklärungsversuch.

Zuhause angekommen überraschte uns meine Mutter dann erst mal damit, dass sie für uns beide eine Sonderaufgabe habe.

„Oh oh …“ hörte ich Sven sagen und mir ging es ähnlich denn wenn meine Mutter von ‚Sonderaufgaben‘ sprach dann konnten wir mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass es irgendwas werden würde, worauf wir beide eigentlich nicht sonderlich scharf waren und diesmal sollte keine Ausnahme werden. ‚Haus- und Gartenarbeit‘ lautete das Zauberwort. Kurzum wir sollten also draußen den Rasen mähen und drinnen den Keller etwas auf Vordermann bringen.

Wir fügten uns also in unser Schicksal denn mit meiner Mutter darüber zu diskutieren hätte wenig Sinn gemacht das wussten wir beide inzwischen sehr genau. Da hätte man genauso gut mit Greenpeace darüber diskutieren können ob wir nicht doch das ein oder andere Fässchen Giftmüll ausnahmsweise in die Nordsee kippen dürften – mit anderen Worten jeder Widerstand war zwecklos.

Sven und ich einigten uns also darauf, dass er den Keller und ich den Garten übernehmen würde und kurz darauf machten wir uns an die Arbeit. So lange wie ich befürchtet hatte dauerte es auch gar nicht und nach einer guten halben Stunde war alles schon erledigt gewesen.

„Na jetzt sagt mal ehrlich das war doch nicht so schlimm gewesen oder?“ fragte meine Mutter als Sven und ich uns umgezogen hatten und zum Essen am Tisch saßen.

„Wir leben noch, sagen wir es mal so“ grinste Ich.

„Ihr beide seid genauso verrückt wie euer Vater“

„Was höre ich da von mir?“ rief mein Vater als er die aus dem Bad herauskam „Das letzte Wort in der Erziehung der Kinder lag stets in deiner Hand meine Liebe also versuch jetzt nicht wieder alles auf mich abzuwälzen“

„Seht ihr“ lachte meine Mutter „Ich sag’s ja – ihr seid genauso wie euer Vater, danke mein Schatz für das Beispiel“ sagte sie und gab meinem Vater einen Kuss auf die Wange.

Nach dem Essen machte ich mich für den Abend fertig was wie immer viel länger dauerte, als ich dafür eingeplant hatte. Zuerst konnte ich mich nicht entscheiden, was ich anziehen sollte und dann kam auch noch die Frage dazu, ob meine Frisur so gut war, wie sie nun einmal war – Probleme über Probleme und keine Lösung weit und breit in Sicht.

Während ich mir also immer noch Gedanken darum machte wie ich aus dem Haus gehen konnte ohne dass jeder einen breiten Bogen um mich machen würde rief meine Mutter von unten, dass Andy da sei und mich abholen wollte.

Was? War es schon so spät gewesen? Ich warf einen kurzen Blick auf meine Uhr und musste mit Entsetzen feststellen, dass ich schon wieder mal über eine halbe Stunde über hinter meinem Zeitplan zurückhing.

„Ich komme sofort!“ rief ich nach unten und beeilte mich mir schnell noch meine Schuhe an- und meine Jacke überzuziehen.

Als ich unten ankam saß Andy schon gemütlich mit meiner Mutter am Küchentisch und die beiden unterhielten sich über die neuesten Entwicklungen auf dem Bereich der Haarpflege – wo war ich denn hier gelandet? War das jetzt mein Schulfreund oder der Vertreter von nebenan?

„Ehhm … wenn ihr beide vielleicht eure Diskussion unterbrechen könntet denn eigentlich wollten Andy und ich noch weg.“ unterbrach ich die beiden.

Meine Mutter und Andy sahen sich kurz an dann sahen sie mich an und begannen zu lachen, jetzt wusste ich überhaupt nicht mehr was Sache war aber auf jeden Fall stand Andy auf, verabschiedete sich von seiner Mutter und wir beide machten uns in seinem Auto auf den Weg zu Sherly.

„Du hast eine klasse Mutter weißt du das Steve?“ fragte mich Andy während der Fahrt

„Ja sie ist schon klasse aber wenn das so weitergeht will sie dich womöglich noch adoptieren“ lachte ich

„Nun da meine Mutter sich eh vor ein paar Jahren aus dem Staub gemacht hat hätte ich da nichts gegen einzuwenden“

Na toll, da war ich ja wohl mal wieder voll ins Fettnäpfchen getreten. Toll Steffen nur weiter so!

„Sorry, ich wusste ja nicht, dass …“

„Hey ist ja Okay du konntest es ja auch nicht wissen und außerdem bin ich über so was hinweg. Sie war sowieso nie zuhause gewesen und von daher vermisse ich sie auch nicht. Vielleicht war’s besser so. Aber wenden wir uns wieder den schönen Dingen des Lebens zu, weißt du eigentlich was auf der letzten Party von Sherly passiert ist?“

„Meinst du die Geschichte mit dem Teller?“ fragte ich ihn

„Okay, okay, ich sehe schon – du weißt es also“ lachte Andy

Er erzählte mir noch ein paar weitere nette Geschichten was alles auf Sherly’s Parties passiert war und nun war ich wirklich gespannt, wie das heute werden würde…

Bei Sherly angekommen merkte ich auch direkt, dass das hier alles andere war als die Parties, die ich von zuhause her kannte, wo jeder irgendwo in der Ecke sitzt und mit irgendwem eine Cola trinkt und über Gott und die Welt redet. Obwohl erst ein paar Leute da waren war die Stimmung schon richtig klasse gewesen und jeder freute sich endlich mal ein bisschen abschalten zu können und ein bisschen auf andere Gedanken zu kommen.

Sherly begrüßte uns mit einem fröhlichen Hallo und einem Küsschen auf die Wange (ja ja Mädchen können ja so sentimental sein) und ehe wir überhaupt Zeit hatten richtig zu realisieren was sie uns eigentlich gesagt hatte war sie auch schon wieder weg und schwirrte wie eine fleißige Biene durch die Gegend um alles noch ein bisschen perfekter zu machen als es eh schon war – Wow!

Allgemein drängte sich einem der Eindruck auf, auf einer dieser typischen Parties gelandet zu sein wie man sie in amerikanischen Highschool-Filmen immer wieder sehen kann. Es gab ein großes Buffett, die übliche Musik und auch die Pärchen, die knutschend in der Ecke saßen fehlten nicht – ich fragte mich schon wo denn wohl die Kameras seien als ich auch schon die erste erblickte.

„Cheese!“, hörte ich Jolana sagen aber bevor ich überhaupt begriffen hatte was eigentlich los war hatte sie auch schon auf den Auslöser gedrückt und zu meinem ohnehin schon überraschten Gesicht muss ich jetzt wohl noch doofer geguckt haben wie das nun mal so ist wenn man frontal in einem Blitz hinein gesehen hat.

„Na das kann ja ein Foto werden!“ lachte ich nachdem ich die ganze Situation erkannt hatte „Was hast du damit vor? Es ans schwarze Brett zu hängen mit dem Titel ‚Nominiert für den Oscar in der Rubrik interessantester Blick‘ oder wie?“

„Nein, nein das dann doch nicht“ antwortete Jolana“, aber so siehst du bestimmt richtig süß aus – du weißt doch was uns Mr. Winnok beigebracht hat: „Nicht gestellte Aufnahmen vermitteln den einzig wahren Eindruck vom Leben“

„Na wenn du meinst – aber tu mir einen Gefallen und mach wenigstens noch ein Foto von mir auf dem ich einigermaßen anständig und nicht so überrascht drauf aussehe einverstanden?“

„Na klar doch … Also bitte lächeln“

Ich tat wie mir befohlen und konnte nur hoffen, dass dieses Foto besser werden würde als das letzte. Schließlich wollte ich nicht mit diesem dämlichen Blick in irgendeinem Photoalbum landen und dort womöglich die nächsten Jahrzehnte verbringen.

Nachdem ich also diesen kurzen Foto-Exkurs hinter mich gebracht hatte machte ich mich auf die Suche nach Matthew, den ich noch gar nicht gesehen hatte. Die Suche nahm ihm nahm ich dann direkt zur Gelegenheit mich ein bisschen im Haus umzusehen wo ich an diesem Abend Gast war. Und wieder einmal passte alles auf das TV-Klischee: Überall im Haus hatten sich inzwischen kleine Grüppchen von Jungen und Mädchen gebildet, die vergnügt über dieses und jenes sprachen und sich dabei mit allerlei Getränken den Abend versüßten.

Draußen im Garten war sogar ein kleiner Grill aufgebaut und da ließ ich es mir natürlich nicht nehmen auch einen kleinen Happen zu essen. Ich war schließlich ein Teenager im Wachstum und die brauchen bekanntlich ständig Kalorien-Nachschub.

Nachdem ich das erste Schnitzel verdrückt hatte sah ich David an der Terrassentür stehen – unseren Basketball-Captain und wirklich der Inbegriff dessen, was ich als gutaussehend bezeichnen würde. David war mit seinen 170cm für einen Basketball-Spieler eigentlich außergewöhnlich klein aber das schien ihn nicht daran gehindert zu haben trotzdem das Team unserer Schule zum Sieg bei den letzten County-Meisterschaften zu führen.

Dunkle mittellange blonde Haare und ein Lächeln bei dem jedes Mädchen und erst recht jeder schwule Junge dahin schmolz rundeten sein äußeres Erscheinungsbild ab. Mehr als einmal hatte ich mir gewünscht einmal sehen zu dürfen was sich wohl unter diesen Basketball-Shorts verbirgt aber meine schmutzige Phantasie ließ ich für diesen Moment erst mal beiseite und sagte ihm kurz Hallo. Wir hatten die Woche über in Chemie zusammen ein interessantes Projekt begonnen, dass sich über mehrere Wochen hinziehen sollte und hatten uns daher auch persönlich näher kennen gelernt. Was für mich wieder einmal ein Grund war eine alte Meinung über Bord zu werfen nämlich die, dass Sportlerasse automatisch die doofen Nüsse in anderen Fächern sind – zu mindestens bei David traf das nicht zu. Er war eben einfach das, was ich ein Allround-Talent nennen würde – und ein lieber Kerl war er noch dazu.

„Hey David! Na, auch hier?“

„Nein ich bin nicht hier sondern sitze noch zuhause vor meinem PC und habe hier nur ein Hologramm von mir hingeschickt, damit jeder denkt ich wäre da.“

Auf diesen Kommentar konnte ich mir ein Lachen nicht verkneifen – gut gekontert kann ich nur sagen.

„Kein guter Kommentar von mir was?“ fragte ich ihn

„Ach was – soll ich dir mal was sagen? Ich wollte dich gerade schon dasselbe fragen“

„Echt? Wir sind schon zwei verrückte was?“

„Jep! Aber wo wir gerade bei Verrückten sind, Sag mal hat dir eigentlich schon einer erzählt was hier bei der letzten Party passiert ist?“

Schon wieder – wie viele Leute wollen mir diese Geschichte eigentlich noch erzählen dachte ich mir „Naja um genau zu sein bist du jetzt der dritte, der mir jetzt die Tellergeschichte erzählen will“

„Ups – tja siehst du mal, jeder scheint sehr darauf bedacht sein, dich an allem teilhaben zu lassen – ist doch super oder?“

„Klaro!“

Wir unterhielten uns noch eine ganze Weile, wobei ich David ziemlich genau erzählen musste was aus meiner Sicht die Hauptunterschiede zwischen Deutschland und Amerika sind. Er war scheinbar an Europa genauso interessiert wie ich an Amerika – in dieser Hinsicht passten wir also schon ziemlich gut zusammen. Ich überlegt mir schon in welcher Hinsicht wir wohl noch zusammenpassen würden, als mich ein Ruf von drinnen aus allen meinen Träumen riss.

„Hier steckst du also – ich hab dich schon die ganze Zeit gesucht“ rief mir Matthew entgegen „Oh, Hi David“ fügte er leise hinzu als er gesehen hatte wer bei mir stand.

„Halle Matthew“ antwortete David „Steffen und ich haben uns hier wohl ein bisschen festgequatscht. Ward ihr verabredet?“

„Nein ist schon Okay“ sagte Matthew „Du Steve, ich hab Durst kommst du mit was trinken?“

„Na klar! Ehm sorry David vielleicht sieht man sich später nochmal Okay?“

„Alles klar bis dann … bye!“

Ich machte mich also mit Matthew auf den Weg nach drinnen um etwas trinken zu gehen und wunderte mich schon ein bisschen – als er nach draußen gestürmt kam sah er richtig happy aus aber nachdem er David gesehen hatte wirkte er komplett verändert. Scheinbar kamen die beiden also nicht so besonders miteinander klar, was mich in eine etwas prekäre Lage brachte denn ich fand beide supernett – und fürs Protokoll: Beide sind super süß. Aber vielleicht ging auch einfach mal wieder meine Phantasie mit mir durch – was sollte denn daran problematisch sein? Schließlich muss ich ja nicht direkt mit den beiden gleichzeitig was unternehmen. Trotzdem fand ich es ein bisschen schade – naja auch egal.

Matthew und ich schnappten uns also beide eine Cola und setzten uns im Wohnzimmer auf eine Couch. Irgendwas war immer noch komisch mit Mat. Er wirkte nicht so locker und gelöst, so fröhlich und gelassen wie sonst. Ich konnte mir nicht erklären was mit ihm los war, denn morgens war er noch so gut drauf wie eigentlich immer gewesen.

Wir zwei saßen eine ganze Weile aber redeten eigentlich ziemlich wenig. So langsam wurde mir das alles schon fast unheimlich.

„Matthew lass uns bitte mal nach draußen gehen okay?“

„Ja klar“

Wir machten uns also auf den Weg nach draußen und nachdem wir uns dort mit ein bisschen was zu Essen eingedeckt hatten lenkte ich uns beide langsam aber deutlich in eine ruhige Ecke des Gartens weil ich mit Matthew etwas besprechen wollte.

„Hey Mat, was ist los mit dir heute Abend?“

„Mit mir? Nichts. Ich meine mir geht’s gut was soll sein?“

„Das frage ich dich! Den ganzen Abend bist du schon irgendwie total down. Was ist los? Hat es was mit mir zu tun? Hab ich irgendwas falsch gemacht?“

„Nein Steve glaub mir du bist voll okay es hat nichts mir dir zu tun“

„Womit dann? … Mensch Mat! Hey ich dachte wir beide wären Freunde. Ich verstehe das nicht. Seit du hier angekommen bist und mich begrüßt hast als ich bei David stand …“ da fiel es mir wieder ein – die beiden schienen sich nicht besonders gut zu verstehen „Hat es etwas mit David zu tun?“

Lange Zeit bekam ich gar keine Antwort, Matthew sah einfach nur in die kleine Menschenmenge, die sich um den Grill herum gebildet hatte und dann plötzlich wie aus heiterem Himmel sagte er „JA!“

„Und was war los? Seid ihr irgendwann mal aneinander gekommen und deshalb kannst du ihn nicht leiden?“

Matthew lachte kurz allerdings war es nicht sein übliches Lachen was vollgepackt mit Freude war sondern eher ein zynisches, trauriges Lachen.

„Nicht leiden? Wohl eher im Gegenteil.“

Im Gegenteil? Das machte jetzt für mich keinen Sinn … oder vielleicht doch? Jetzt erinnerte ich mich wieder daran was Sven gesagt hatte, nämlich dass Matthew auch schwul war. Ich hatte es die Woche über so verdrängt gehabt aus Angst unsere Freundschaft könnte einen Knacks bekommen, dass ich es fast schon vergessen hatte. Jetzt begann alles wieder Sinn zu machen. Sollte sich Matthew eine Abfuhr bei David geholt haben und deshalb nicht mehr gut auf ihn zu sprechen sein?

„Matthew, ich denke wir beide sollte mal in Ruhe miteinander sprechen“

„Bitte Steve ich weiß nicht ob das so eine gute Idee ist“

Mir wurde abwechselnd warm und kalt – ich stand kurz davor Matthew zu sagen wie ich mich fühlte, was ich für ihn empfand aber wollte es nicht hier draußen im Garten vor allen anderen machen. Ich wusste nicht genau was ich machen sollte aber ich wusste, dass ich mit Matthew alleine sprechen wollte.

Ich überredete ihn mir einfach zu folgen und als wir wieder drinnen waren und ich Sherly Gott sei dank direkt gefunden hatte fragte ich sie, ob es in dem Haus einen Raum gab wo ich mit Matthew ein paar Worte alleine wechseln konnte.

Sie sah mich mit einem ziemlich verwirrten Blick an und war mir in dem Moment fast sicher gewesen, dass sie ahnte worauf das hinauslaufen würde aber zum Glück stellte sie keine weiteren Fragen sondern verwies uns ihr Zimmer in der ersten Etage. Ich zog Matthew buchstäblich hinter mir her, indem ich ihn an der Schulter anfasste doch dann kam er wenn auch etwas widerwillig hinter mir her.

In Sherly’s Zimmer angekommen setzten wir beide uns aufs Bett und redeten die ersten Minuten kein Wort miteinander.

„Okay, Matthew was war jetzt mit dir und David?“ brach ich schließlich das Eis.

„Naja was soll zwischen uns gewesen sein? Ich hatte mich total in David verschossen aber er wollte nichts von mir. So, wenn du es bis jetzt nicht erfahren haben solltest, dann weißt du jetzt, dass dein bester Freund auf Jungs steht. Zufrieden mit dem was du jetzt erfahren hast?“

Ich wusste nicht ob ich zufrieden mit dem war was er mir erzählt hatte – konnte ich denn zufrieden sein? Sollte ich denn zufrieden sein? Was heißt Zufriedenheit in diesem Zusammenhang überhaupt?

Eine weitere Minute verging in der keiner von uns ein Wort sagte – ich hätte nicht gedacht, dass zwischen uns beiden jemals so eine Situation entstehen könnte. Wir das ‚dynamische Duo‘, das eigentlich immer etwas zu sagen hatte und wo jeder gute Laune verbreitet hat saßen plötzlich mehr oder weniger regungslos nebeneinander und wussten nicht so recht, was wir sagen sollten.

Diesmal war Matthew es, der das Eis brach „Hey Steve … Sind wir immer noch Freunde?“

Trotz der ganzen Gespanntheit, die diese Situation hatte musste ich ein keines bisschen lachen „Ja natürlich sind wir immer noch Freunde, wieso denn nicht?“

„Ich weiß nicht … Ich hab gedacht jetzt wo du weißt, dass ich schwul bin und wir beide bisher immer soviel zusammen gemacht haben, dass du mich vielleicht …“ diesen Satz ließ ich ihn gar nicht erst aussprechen.

„Matthew hör auf! Das ändert nichts aber auch gar nichts an unserer Freundschaft – jedenfalls nicht in der Art und Weise wie du dir das vorstellst“

Matthew sah etwas verdutzt aus, was mir aber in derselben Lage wahrscheinlich nicht anders gegangen wäre also versuchte ich ihm meine Sicht der Dinge zu erläutern: „Du bist in diesem Raum ja schließlich nicht der einzige der auf Jungs steht!“

So – jetzt war es gesagt. Das was ich Matthew eigentlich schon immer sagen wollte und mich nie getraut habe war gesagt. Mein erstes Coming-Out außerhalb meiner Familie und dann noch bei dem Jungen, in den ich mich verliebt hatte. Die oft zitierten Schmetterlinge setzten sich nun auch bei mir im Bauch in Bewegung und ich hoffte, dass es so weiterlaufen würde wie ich es mir schon so oft erträumt hatte.

„Du machst Witze oder?“ fragte Matthew sachlich

„Ist das hier der richtige Augenblick um einen Witz zu machen?“

„Nein ist es wohl nicht … Also du … Wow!“ stotterte Matthew und nahm mich danach in den Arm – er nahm mich tatsächlich in den Arm. Zum ersten Mal verspürte ich dieses Gefühl jemanden so dicht bei mir zu haben und ihn nie wieder loslassen zu wollen.

„Steffen du bist ein toller Kerl!“ sagte er, nachdem er mich wieder losgelassen hatte. Er wollte schon wieder aufstehen und ich denke wieder nach unten gehen denn er hatte plötzlich sein lächeln wiedergefunden und wirkte komplett verändert doch ich war noch nicht fertig.

„Matthew ich muss dir noch etwas sagen“

„Ja?“

„Ich weiß nicht wie ich anfangen soll … Mat seit dem ersten Mal wo ich dich gesehen habe … oh verdammt – ich habe mich in dich verliebt. So, jetzt ist es raus.“

Mir gingen tausend Dinge gleichzeitig durch den Kopf – was würde er nun sagen, was würde er machen, was würde ich machen? Was würde ich machen, wenn er nein sagt, was würde ich machen wenn er ja sagt und, und, und…

„Oh … Wow … Steffen ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich meine bisher hat mir noch niemand so etwas gesagt. Ich … ich meine wir kennen uns noch nicht besonders lange aber ich denke ich habe noch nie so einen guten Freund gehabt wie dich…“

Da war es – ich konnte fühlen, dass Matthew nicht so für mich empfand wie ich für ihn. Keine herzliche Umarmungsszene mit folgender Bettszene wie man es in vielen Geschichten lesen kann, keine Liebesbekundungen, keine… keine Beziehung.

„Aber mehr auch nicht richtig? Dir geht es nicht wie mir oder?“, ich sah ihm tief in die Augen um zu ergründen ob ich mich nicht vielleicht doch geirrt habe und dann passierte es, ich konnte es nicht und ich wollte es nicht verhindern : Mir schossen die Tränen in die Augen und ehe ich mich versehen konnte hatte mich Matthew wieder in den Arm genommen und ich konnte mich bei ihm ausheulen.

„Es tut mir leid Steffen, es tut mir leid“ flüsterte er, als er mir leicht durch das Haar strich „Manchmal ist das Leben einfach nicht so wie man es sich erträumt und das hier ist so ein Fall. Es tut mir so leid“

„Es muss dir nicht leid tun“ sagte ich, nachdem ich langsam merkte, dass die Tränen nachließen und ich mich allgemein wieder etwas besser fühlte „Niemand kann seine Gefühle beeinflussen. Du nicht, und ich auch nicht… aber danke!“

„Danke wofür?“

„Für deine Ehrlichkeit und dafür, dass… naja einfach Danke. Komm jetzt lass uns runtergehen“

„Bist du sicher?“, fragte mich Matthew mit einem besorgten Gesicht.

„Ja bin ich. Aber vergiss nicht, ich bin immer noch in dich verknallt und so einfach wirst du mich nicht los“ lächelte ich ihn an.

„Na gut!“ war seine kurze und knappe Antwort. Ich sah ihm noch einmal kurz in die Augen und merkte, dass wir beide uns verstanden hatten. Ich wusste, dass meine Gefühle für ihn sich nicht von heute auf morgen ändern würden aber ich wusste auch, dass ich mit ihm einen Freund hatte auf den ich setzen konnte – auch wenn es nicht soweit ging wie ich mir erhofft hatte – aber so ist das Leben.

„Jetzt lass uns aber gehen“ grinste ich leicht „sonst denken die da unten noch weiß Gott, was wir hier oben veranstalten.“

Das hatte den Knoten wieder gelöst – wir beide lachten wieder zusammen und es war alles wieder beim alten – naja fast alles. Wir beide hatten eine wichtige Sache geklärt – und waren uns dabei wahrscheinlich doch irgendwo näher gekommen als ich zuerst gedacht hatte. Die Ungewissheit war vorüber.

Zurück unten angekommen merkten wir erst, dass wir wohl doch länger oben gewesen waren als es uns schien – denn der Zustand der Wohnung ließ – naja sagen wir mal sehr zu wünschen übrig. überall standen leere oder halbleere Gläser herum und sämtliche Ablageplätze quollen schon über vor Papptellern mit allen möglichen Essensresten.

„Also irgendwas müssen wir hier verpasst haben was?“ grinste mich Matthew an

„Sieht wohl ganz so aus“

„Hey ihr zwei da seid ihr ja wieder!“ kam Sherly lachend von draußen angelaufen. „Und? Habt ihr beide geklärt was es zu klären gab?“

Matthew und ich sahen uns kurz an und antworteten wie aus einem Mund.

„Jep“.

„Na super – Ich hab nämlich keine Lust hier irgendeinen mit schlechter Laune herum laufen zu haben – soweit kommt das gerade noch“, sagte sie und nahm uns beide an der Hand (eigentlich eher an den Arm). Matthew links und mich rechts.

So eingehakt gingen wir in die Küche und dort versuchte Sherly dann erst einmal alles aus uns beiden herauszuquetschen und möglichst über jede Kleinigkeit die wir beide in ihrem Zimmer gesprochen hatten informiert zu werden.

Matthew und ich waren uns aber beide einig, dass sie erst mal nichts von dem zu erfahren brauchte, was wir beide geredet hatten. Sherly protestierte zwar lauthals, ließ sich dann aber doch überzeugen, dass wir ihr eh nichts sagen würden und so ließ sie nach einer Ewigkeit doch von uns ab um sich wieder ihren anderen Gästen zuzuwenden.

„Die hat vielleicht eine Ausdauer“ lachte ich, als sie draußen war und wir beide alleine in der Küche standen. Der Rest der Truppe hatte sich nach draußen in den Garten verzogen und sang irgendwas, dass sich – wahrscheinlich durch den Alkoholeinfluss – so gut wie gar nicht erkennen ließ.

„Oh ja, die hatte sie schon immer“ antwortete Matthew „was meinst du? Sollen wir uns zu den Suffköpfen da draußen gesellen oder lieber nach Hause gehen?“

„Zu Fuß?“

„Na klar. So weit ist es auch wieder nicht also kommst du mit?“

„Klaro“ und so machten wir beide uns auf den Weg – allerdings nicht ohne uns von den anderen zu verabschieden was wesentlich länger dauerte als wie beide angenommen hatten denn jeder der mal versucht hat jemandem auf Wiedersehen zu sagen, der mehrere Promille Alkohol im Blut hat wird das bestens verstehen können.

Letzten Endes waren wir dann aber doch auf dem Weg durch die (inzwischen dunklen und menschenleeren) Straßen unserer kleinen Vorstadtsiedlung und unsere Unterhaltung schwenkte von den neuesten Autos irgendwann auf unser eigenes Coming-Out und die Probleme aber auch Erleichterungen die es uns beiden gebracht hatte.

An diesem Abend schienen wir kein Ende mehr zu finden. Wir redeten und redeten und redeten. Schließlich waren wir schon drei Extrarunden um den Block gegangen als wir beiden meinten es sei vielleicht doch besser langsam mal ins Bett zu gehen. Da unser Haus das nächstgelegene war brachte mich Matthew noch zur Tür und bevor er sich verabschiedete sah er mir nochmal tief in die Augen.

„Hey Steve alles klar?“

„Jep – mir geht’s prima, danke“

„Na dann – gute Nacht“ sagte Matthew und drücke mich zum Abschied nochmal kräftig – wie wünschte ich mir, dass dieser Zustand für immer anhalten würde.

„Nacht Mat!“ antwortete ich und schloss die Tür. Drinnen angekommen nahm ich mir ein Glas Saft aus dem Kühlschrank, knipste den Fernseher an und setze mich ins Wohnzimmer auf die Couch. Meine Eltern und wohl auch Sven waren schon im Bett gewesen aber ich konnte einfach noch nicht schlafen gehen. Den Abend über war eine Menge passiert und ich musste das alles erst noch ein bisschen verarbeiten. Da es allerdings schon ziemlich späte war fielen mir dann doch langsam die Augen zu.

„Hey Steffen!“ hörte ich es plötzlich aus der Küche und wachte aus meinem Halbschlaf auf.

„Oh – hi Sven!“ sagte ich noch immer etwas verschlafen „was machst du denn hier?“

„Ich wollte mir nur was zu trinken holen gehen, die Frage ist wohl eher was du um diese Zeit noch hier machst“

„Well … lange Geschichte“

„Na dann erzähl mal, ich hab Zeit“ sagte Sven, machte den Kühlschrank zu und setzte sich zu mir auf die Couch.

„Okay …“ fing ich an und erzählte Sven, was den Abend über passiert war. Er hörte sich die gesamte Geschichte an ohne ein Wort zu sagen. Erst als ich fertig war nahm er einen Schluck aus seinem Glas und stellte kurz fest, dass das ganze sicherlich im Moment alles etwas erdrückend für mich wirken würde aber ich in ein paar Tagen schon wieder ganz anders darüber denken würde.

Wie immer hatte er wahrscheinlich recht – zwar hatte ich mit Matthew auf dem Rückweg ein wirklich interessantes Gespräch geführt aber irgendwo in meinem inneren war ich immer noch enttäuscht darüber gewesen, dass er mich nicht in dem Maße mochte wie ich ihn – aber sollte ich jetzt deswegen für den Rest meines Lebens deprimiert durch die Gegend laufen? Nein bestimmt nicht.

Sven und ich sprachen noch eine ganze Weile und ich merkte, wie es mir von Minute zu Minute besser ging – irgendwie hatte mein Bruder dieses gewisse etwas an sich, dass mir immer wieder gute Laune machen konnte.

Nach einem kurzen Blick auf die Uhr stellten wir beide aber irgendwann fest, dass es langsam mal Zeit wäre ins Bett zu gehen ansonsten könnten wir in auch direkt den Frühstückstisch decken. So machten wir uns dann auch auf den Weg nach oben und ehe ich mich versehen hatte lag ich in meinem Bett und war im Reich der Träume verschwunden.

Der Rest des Wochenendes verlief ziemlich ereignislos – wir fuhren zusammen mit meinen Eltern in einen kleinen Park außerhalb der Stadt und genossen das schöne Wetter und einen kleinen Waldspaziergang. Da meinem Vater noch einige Kleinigkeiten an unserem Haus nicht gefielen überlegt wir noch zusammen, was man außer seinen Wünschen sonst noch alles verändern könnte und schon war der Samstag auch schon wieder vorüber gewesen. Den Sonntag verbrachte ich alleine vor dem Fernseher und meinem PC mal abgesehen von einem kleinen Telefongespräch mit Matthew, der sich noch nach den aktuellen Mathe-Aufgaben erkundigte und sich von mir nochmal bestätigen ließ, dass es mir gut ging.

Der Wochenanfang in der Schule brachte auch nichts großartiges neues wenn man mal davon absah, dass fast alle unserer Lehrer wieder einmal betonen mussten, wie wichtig es doch sei seine Hausaufgaben pünktlich und vor allem komplett zu erledigen. Bla bla eben.

David und ich arbeiteten weiter an unserem Chemie-Projekt und auch Matthew und ich hatten wieder unsere gemeinsam Fun-Zeit. Alles schien wieder wie die Woche vorher zu sein – abgesehen vielleicht davon, dass ich von Tag zu Tag mehr Zeit mit David verbrachte. Klaro unser Chemie-Projekt war ziemlich aufwendig gewesen aber jeden Tag nahm es uns auch wieder nicht in Anspruch. Wir lernte uns eben immer besser kennen und wurden richtig gute Freunde – naja so gute Freunde wie man eben innerhalb von einer Woche werden kann.

Donnerstagmittag kam David dann mit einer außergewöhnlichen Einladung an. Er schlug mir vor wenn ich Lust hätte bei am Wochenende doch einfach bei ihm zu übernachten. Wir könnten dann ein paar Videos gucken und ein bisschen was für Chemie tun.

Hatte ich da richtig gehört? David lädt mich nach Hause ein? Der Captain unseres Basketball-Teams? Mich den unauffälligen Schüler aus der letzten Reihe? Also irgendwie kam mir das ganze schon seltsam vor aber hey – dieser Typ war alles das, was man unter perfekt versteht und wenn ich mir vorstellte in einem Zimmer mit David zu schlafen, ihn in Boxershorts und vielleicht sogar komplett ohne … meine Güte dieses Wochenende würde einfach nur der Himmel auf Erden werden.

„Also was ist jetzt Steffen? Hast du Lust oder nicht?“

„Eehm ja klar!“ und was für eine Lust ich hatte – aber wahrscheinlich nicht die, die er sich in dem Moment vorgestellt hatte. Ich versuchte also nicht allzu begeistert zu wirken sonst würde er womöglich noch sonst was von mir denken und mit ihm die Details abzuklären. Er würde mich also am Freitag direkt nach der Schule mit zu sich nehmen und danach würden wir dann sehen, was wir noch so anstellen könnten.

Meine Eltern waren Abends als ich ihnen meine Wochenendeplanung vorstellte auch begeistert und hatten nichts dagegen einzuwenden – hatte ihr lieber jüngster Sohn doch nun auch endlich Anschluss gefunden und keine Probleme im neuen Land gehabt – wer hätte denn da schon was gegen einzuwenden?

Den Rest des Abends war ich immer noch ziemlich aufgeregt und konnte es kaum abwarten bis der nächste Tag endlich begann und ich zu dem Star unserer Schule nach Hause durfte. Wow, Wow, Wow!

Ich hätte es zwar nicht für möglich gehalten aber ich war an diesem Abend doch relativ schnell eingeschlafen und am nächsten Morgen wachte ich genauso müde wie immer auf doch diesmal kostete es mich sehr viel weniger Überwindung als sonst aufzustehen und mich fertig zumachen als sonst denn schließlich hatte ich ein interessantes Wochenende vor mir.

Der Freitag kam schneller als gedacht und ausnahmsweise machte mir diesmal sogar das Aufstehen morgens weniger Probleme als sonst aber wer wäre bei den Aussichten die ich hatte nicht auch sofort von Morgenmuffel zum Frühaufsteher geworden?

Nachdem ich meine sieben Sachen beisammen hatte (es waren tatsächlich sieben gewesen) und zum ersten Mal seit Wochen mir morgens wirklich Zeit für ein ausgedehntes Frühstück genommen hatte, konnte es endlich auch auf den Weg in die Schule gehen. Endlich? Nun war ich sogar schon soweit, dass ich mich allen ernstes auf die Schule gefreut hatte – was würde wohl als nächstes kommen? Klare Diagnose: David hatte mir wohl den Kopf ziemlich verdreht.

Als ich nach der zweiten Stunde auf dem Weg zu meinem Spind war kam mir David entgegengelaufen und blieb etwas außer Atem neben mir stehen.

„Puhh … Hi Steve!“

„Na du! Hast du gerade einen Marathonlauf hinter dir oder warum bist du so aus der Puste?“

„Naja so ähnlich“ grinste er

„Ich hatte später Schule und bin noch ein bisschen durch die Gegend gejoggt. Allerdings habe ich mich dann wohl doch ein bisschen übernommen und musste mich dann um pünktlich hier zu sein ein bisschen anstrengen.“

„Na so verrückt wie du möchte ich mal sein“ lachte ich „mich schon am frühen Morgen so abzuhetzen – wo doch mein Bett viel gemütlicher ist. Wenn ich später habe dann schlafe ich einfach ein bisschen länger“

„Weichei!“ lächelte er und gab mir einen Stubs in die Rippen „Du ich hab schlechte Neuigkeiten“

‚Na super‘ dachte ich mir. Als nächstes würde jetzt garantiert kommen, dass er am Wochenende schon was anderes vorhatte, dass ihm erst am Morgen eingefallen war und ich deshalb doch leider nicht bei ihm übernachten konnte. Naja wäre ja auch zu perfekt gewesen.

„Was gibt’s denn?“

„Wegen heute Nachmittag“ keuchte er immer noch ein bisschen außer Atem. Na also – da war es doch. Meine Stimmung sank schon auf irgendwo nahe dem absoluten Nullpunkt. „Der Coach hat noch eine Extra-Trainingssession angesetzt und das heißt wir müssen ein bisschen später fahren.“

Nur ein bisschen später? Ein bisschen später hieß zwar noch länger warten aber es hieß nicht, dass wir überhaupt nicht fahren. Ich hoffe ich habe mich nicht allzu begeistert aufgeführt denn von einem Moment auf den andere ging es mir wieder blendend.

„No Problem, dann komme ich vielleicht auch mal dazu die Deutsch-Hausaufgaben zu machen, die ich schon seit Tagen vor mir herschiebe“

„Haha! Du und Deutsch-Hausaufgaben, das ist nicht dein Ernst oder? Also wenn die einer nicht zu machen braucht, dann garantiert du“ lachte David

„Sag das man Mrs. Baumann – die wird dir was anderes erzählen. Es gibt keine Ausnahmen, jeder wird gleich behandelt, bla bla bla – das übliche Lehrergeschätz eben“

David schüttelte nur den Kopf und nach einem kurzen Blick auf die Uhr sagte er „Okay, okay dann sehen wir uns also um 15:00 Uhr vor der Sporthalle einverstanden?“

„Jep, abgemacht“

„Du kannst ja mal vorbeischauen wenn du fertig bist vielleicht bekommst du ja Lust mal mitzuspielen“

„Oh nein mein Lieber“ grinste ich ihn an „wenn sich zwei Sachen absolut nicht verstehen, dann sind das Steffen und jede Art von Sport – das hat bisher nie funktioniert und wird wahrscheinlich auch nie funktionieren also vergiss das lieber direkt“

„Okay okay wie du willst – also dann bis später!“ lachte er, drehte sich um und ehe ich mich versah war er wieder schnellen Schrittes unterwegs in seine Klasse. Also dann, noch sechs Stunden.

Ich drehte mich um, um mich auf den Weg zu Biologie zu machen, als ich fast mit Matthew zusammengestoßen wäre. Nur durch einen schnellen Sprung zur Seite konnte ich noch verhindern frontal in ihn hineinzulaufen.

„Meine Güte was machst du denn hier? Willst du mich pünktlich zum Wochenende noch ins Krankenhaus bringen?“

„Hey hey jetzt immer schön langsam“ lachte er „wer läuft denn hier von null auf hundert in zehn Sekunden ohne vorher mal nachzusehen ob eventuell jemand in der Umgebung ist, der ein Hindernis für den fliegenden Start darstellen könnte? Na?“

„Ja, ja – Punkt für dich“

„Na also! Können wir dann gehen?“

„Wohin?“

„Haaaaallo? Jemand zuhause?“ sagte er und klopfte mir leicht auf den Kopf „Wir beide haben jetzt gleich Biologie zusammen! Was ist denn los mit dir heute?“

Ich musste leicht grinsen und merkte schon, dass ich leicht rot anlief.

„Ist schon gut“ lachte Matthew „Ich kann es mir schon fast denken, kleiner Verrückter! Also was ist jetzt können wir gehen?“

„Logo!“

Und genau das taten wir auch. Pünktlich zum Klingeln saßen wir auf unseren Plätzen uns verfolgten gespannt die Funktionsweise der Photosynthese und der Energiegewinnung der Zelle. Alles sicherlich sehr interessant aber im Moment wünschte ich, das alles schon hinter mir zu haben und mich auf den Weg zu David machen zu können.

Man soll es kaum glauben doch auch die Biologie-Stunde und die nachfolgenden Stunden fanden irgendwann ein Ende und um 14:30 Uhr hatte ich es endlich geschafft und mein Wochen-Soll an Unterricht hinter mich gebracht. Die Deutsch-Hausaufgaben waren innerhalb von 10 Minuten erledigt gewesen und da sich alle anderen schon auf den Heimweg gemacht hatten entschloss ich mich doch Davids Vorschlag zu folgen und mir das Basketball-Training anzusehen.

In der Sporthalle angekommen setzte ich mich auf die Tribüne zu ein paar anderen Jungs und Mädchen aus meinem Jahrgang und wir redeten ein bisschen über die vergangene Woche und versuchten uns gegenseitig ein bisschen auf den neuesten Stand in Sachen Klatsch und Tratsch zu bringen. Zu unser aller Enttäuschung war aber nichts Weltbewegendes passiert – niemand wurde erschossen, keine wegen irgendwelchen Drogen-Geschichten verhaftet und geheiratet hatte auch niemand. Alles in allem eine erstaunlich ereignislose Woche wie wir alle feststellen mussten.

Nach einer ganzen Zeit kam David zu mir auf die Tribüne und meinte ich könnte mich schon mal fertig machen – er würde sich nur schnell anziehen gehen und danach könnten wir abfahren.

Ich tat wie mir befohlen, verabschiedete mich von allen anderen und machte mich auf den Weg zum Ausgang. Nachdem ich dort ein paar Minuten gewartet hatte kam auch schon David mit ein paar anderen Jungs aus dem Team aus der Tür, verabschiedete sich von ihnen und gab mir einen kleinen Klaps auf die Schulter.

„Na alles klar? Kann’s losgehen?“ sagte er mit einem Lächeln, das alles zum Schmelzen gebracht hätte. Hätte die Titanic David an Bord gehabt wäre der Eisberg wohl schon in zehn Metern Entfernung zu einem kleinen Eiswürfel geschrumpft.

„Von mir aus immer“ antwortete ich

„Na dann auf zum Auto!“.

 

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1 Kommentar

    • Steffen auf 15. Oktober 2012 bei 16:30
    • Antworten

    Geht es noch weiter ???

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