Ich hatte mich in den Armen von Isaak beruhigt.
„Mister, sie können hier nicht stehen bleiben“, rief uns ein Polizist zu, der sich unbemerkt genähert hatte.
„Komm Jack, wir fahren zusammen nach London.“
„Ich habe hier ein Zimmer…“
*-*-*
„Ich verstehe nicht, warum du so kurz vor dem Ziel aufgibst! Es tut mir regelrecht weh, wenn ich dich so leiden sehe.“
Isaak hatte sein Auto rechtmäßig geparkt und war mit mir in ein der Promenade gegenüberliegendes Pub gegangen. Nun saßen wir an einem kleinen Tisch am Fenster, jeder vor sich ein Guinness stehen.
Ich schaute ihn an.
„Isaak, ich kann dir nicht sagen, mein Bauchgefühl sagte mir, mach das so und ich habe ohne groß darüber nachzudenken es einfach gemacht.“
„Du weißt schon, dass Riley sich tierisch Sorgen um dich macht und alle Welt deswegen rebellisch aufwiegelt?“
„Das tut mir Leid, ich wollte doch bloß…“
„Was wolltest du?“
Ich atmete tief durch.
„Isaak, hast du mich jemals in diesem Zustand gesehen, oder mich weinen gesehen?“
Er schüttelte erschrocken den Kopf.
„Ich bin alle, ausgebrannt, ich weiß einfach nicht mehr weiter.“
„Warum hast du nichts gesagt…ich hätte…“
„Du bist gut, ich habe das doch selbst erst gemerkt und du kennst mich gut genug, dass ich über so etwas nicht gerne rede.“
„Aber du bist es doch immer der groß verlauten lässt, dass man seine Gefühle zeigen soll, warum hältst du dich nicht selbst daran?“
„Ich weiß es nicht…“, sagte ich kraftlos und rieb mir übers Gesicht, bevor ich ein Schluck vom Bier nahm.
„Aber es muss doch einen Grund geben, dass du so einen Absturz hast. Ist diese Suche nach diesem Kenneth daran schuld?“
„Nein…, vielleicht etwas… der Auslöser, mir ist soviel bewusst geworden.“
„Soll ich heute Nacht bei dir bleiben?“
Ich zuckte mit den Schultern.
„Okay, meinst du in deinem Hotel ist noch ein Zimmer frei? Wenn nicht schlafe ich im Auto und nehme dich morgen mit nach Hause. Auf keinen Fall bleibst du mir alleine hier.“
Ich fühlte mich wie in Watte gepackt und hörte Isaaks Worte nur noch aus der Ferne. Auch bekam ich nicht richtig mit, dass mich Isaak wieder ins Hotel brachte.
*-*-*
Als ich am nächsten Morgen wieder erwachte, war es schon hell draußen. Ich blinzelte Richtung Fenster und rieb mir die Augen. Langsam kam die Erinnerung an gestern zurück und erschrocken schaute ich durch mein Zimmer.
Auf den Inhalt im Bett neben mir blieb mein Blick haften. Da lag Isaak friedlich schlafend. Was machte er hier. Ich strich sanft über den nackten Arm, der auf der Decke lag. Ich hörte ihn etwas brummeln, verstand es aber nicht.
„Isaak?“, sagte ich ganz leise.
„Mmmmh?“
„Bist du wach?“
Er streckte sich und setzte sich auf, dabei rutschte die Decke weg und gab die Sicht auf seinen nackten Oberkörper frei.
„Morgen…“, brummte er und rieb sich durchs Gesicht.
„Morgen Isaak…“, sagte ich immer noch sehr leise.
Er öffnete seine Augen und sah mich an.
„Morgen und geht es dir etwas besser?“
Ich zuckte mit den Schultern.
„Auf alle Fälle bist du wieder ansprechbar“, meinte er und ließ sich wieder in sein Kissen fallen.
„Was ist passiert, ich kann mich an nichts mehr genau erinnern.“
„Du hattest gestern einen kleinen Nervenzusammenbruch. Louis war so freundlich mich bei dir unterzubringen.“
„Der Portier?“
„Ja, oder kennst du einen anderen Louis hier?“
Ich schüttelte den Kopf.
„Ach, weiß du was, dieser David hat mir so vom Frühstück vor geschwärmt, ich steh jetzt auf, denn ich habe Hunger.“
Er warf die Decke zurück und hüpfte aus dem Bett und ging Richtung Bad. Außer einer enganliegenden Shorts hatte er nichts mehr an. Ich selbst stellte fest, dass ich auch nicht mehr anhatte, als ich das Bett verließ.
„Willst du noch etwas hierbleiben, oder nach dem Frühstück gleich mit mir fahren?“
Isaak hatte die Tür offen gelassen.
„Kann ich mich nach dem Frühstück entscheiden?“, fragte ich unsicher, während ich mir ein Shirt überzog.
„Kein Problem“, rief es aus dem Bad.
Ich hörte wie die Dusche anging und drehte mich Richtung Fenster. Der Nebel von gestern Abend hatte sich verzogen und somit hatte frei Sicht über die ganze Mündung der Themse. Ich weiß nicht wie lange ich da gestanden hatte.
„Könntest du mir eventuell mit einer Shorts aushelfen?“, hörte ich plötzlich Isaak dicht hinter mir.
„Ähm… ja“, antwortete ich und drehte mich um.
Er hatte sich ein Handtuch um die Hüften gebunden und stand nun mit tropfenden Haaren vor mir. Ich ging zum Schrank und zog eine Shorts heraus, gab sie ihm.
„Danke!“, meinte er und lief wieder Richtung Bad, während er das Handtuch wegzog und ich dadurch Blick auf seinen nackten Hintern erhaschen konnte.
*-*-*
Das Frühstück schmeckte mir besser als gestern und mit der Gegenwart von Isaak stieg auch meine Laune. Wir fuhren natürlich nicht gleich zurück nach London und genossen das schöne Wetter und die Aussicht auf die Themse.
Erst gegen späten Mittag machten wir uns auf den Rückweg. Ich zahlte meine Rechnung, Louis bat mich freundlich doch recht bald wieder deren Gast zu sein, selbst David war da und geleitete uns noch nach draußen zum Auto.
Während der Fahrt sprach ich kaum ein Wort, zu sehr war ich in meinen Gedanken gefangen. Isaak schwieg ebenfalls, vielleicht wusste er auch, wie es in mir aussah und ließ mich deswegen in Ruhe.
Wegen dem dichten Verkehr in London brauchten wir durch die Stadt mehr Zeit, als vom Hotel nach London. Nach einer weiteren halben Stunden und unzähligen kleinen Staus und roten Ampel parkte Isaak sein Auto vor dem Wohnhaus in dem ich wohnte.
„Soll ich noch mit dir hochkommen?“, fragte Isaak leise.
Er legte dabei seine Hand auf meine. Ich schüttelte den Kopf.
„Sei mir bitte nicht böse, aber ich möchte jetzt alleine sein.“
„Bin ich nicht, Jack! Wenn aber etwas ist, dann rufe mich bitte sofort an und renn bitte nicht wieder weg!“
„Versprochen.“
Er stieg mit mir aus und reichte mir meine Tasche aus dem Kofferraum. Er machte Anstalten mich zu umarmen, aber ich wich etwas zurück.
„Okay, melde dich, okay?“
Ich nickte. Er lief wieder zur Fahrertür, lächelte mich kurz aufmuntern an und stieg ein. Ich weiß nicht wie lange ich da gestanden hatte, aber er war schon längst nicht mehr zu sehen. Ich atmete tief durch und lief zur Eingangstür.
Unsicher schloss ich sie auf, betrat das Haus und schloss die Tür wieder hinter mir.
*-*-*
Mit einer Tasse Tee in der Hand, saß ich auf meinem Sofa. Mein Blick ruhte auf meinem Anrufbeantworteter, der blinkte. Ich hatte den Ton abgestellte, hörte nur das leise Klicken, wenn das Gerät den Betrieb aufnahm.
Ich war einfach nicht fähig jetzt mit jemand zu sprechen, auch wollte ich niemand sehen. Ich fuhr zusammen, als meine Türklingel anfing Sturm zu klingeln. Nachdem ich meinen Tee abgestellt hatte, ging ich zur Sprechanlage neben der Tür.
„Ja?“
„Bruderherz, würdest du mich bitte herein lassen?“
Ich drückte ohne etwas zu antworten den Türöffner und öffnete die Wohnungstür. Danach lief ich wieder ins Wohnzimmer zurück und setzte mich auf meinem angewärmten Platz auf dem Sofa.
Ich hörte den Takt der Stöckelschuhe meiner Schwester, wie sie die Treppe herauf rannte. Dann ging meine Wohnungstür auf und wurde wieder geschlossen.
„Jack?“
„Hier…“, sagte ich leise und nahm meine Tasse Tee wieder zu mir.
Ich hörte wie Schuhe auf den Boden fielen und wenig später stand meine Schwester im Zimmer.
„Bruderherz, was machst du nur für Sachen?“
Ich zuckte mit den Schultern und schlürfte an meinem Tee. Amelia warf ihren Mantel auf den Stuhl und setzte sich neben mich.
„Ein total aufgelöster Riley hat mich angerufen und mir wunder was noch für Horrorstories erzählt.“
Etwas verwundert schaute ich sie an. Ich wusste nicht, dass Riley die Telefonnummer meiner Schwester hatte.
„Ich war froh als mich Isaak anrief und mir sagte, er hätte dich nach Hause gebracht. Er erzählte mir auch wo er dich gefunden hat. Kannst du mir sagen, was mit meinem kleinen Bruder los ist?“
„Dein kleiner Bruder ist einfach zusammen geklappt.“
„Haben wir uns früher nicht immer alles erzählt? Musste es so weit kommen?“
„Früher…, da war noch vieles anders…“
„Ja früher…, komm mir aber jetzt nicht damit wie unsere Eltern immer sagen, früher war alles besser, das stimmt nicht! Jede Zeit hat ihr Gutes!“
Ich nickte und war schon dabei wieder resigniert abzuschalten.
„Ich kann ja verstehen wie es dir geht, denn…“
Das wunderte mich jetzt.
„Ja?“
„Ja Jack, glaubst du nicht, dass ich nicht auch oft einsame Momente habe, wo ich mich nach jemandem sehne, an den ich mich anlehnen kann. Klar macht mir mein Beruf Spaß, aber er hat auch seinen Preis!“
„Ich…, ich verstehe nicht…“
„Was verstehst du nicht?“
„Warum geht das nicht? Warum ist das alles so kompliziert? Wir könnten es doch alle so einfach haben und glücklich sein. Steht dieses Recht nicht jedem zu?“