Liebe auf den ersten Klick – Teil 23

tuer-23Sie streichelte mir sanft über den Rücken. Ich spürte wie mir die Tränen über die Wangen liefen.

„Ich verstehe was du meinst, aber daran sind wir wohl alle selbst schuld, Jack. Jeder ist seines Glückes Schmied heißt es, und der Spruch stimmt. Du musst dein Leben selbst in die Hand nehmen und nicht alles auf dich zu treiben lassen. Dazu gehören auch Entscheidungen, wie zum Beispiel deine, den Job als Lehrer an den Nagel zu hängen um einen anderen Beruf zu erwählen, der dir mehr Spaß macht. Dafür habe ich übrigens sehr viel Hochachtung, nicht jeder kann das.“

„Danke“, sagte ich leise und wischte mir die Tränen weg.

„Und wenn dir dein Herz sagt, es ist NICHT richtig, Kenneth näher kennen zu lernen, dann bleib bei dieser Entscheidung. Ich will dich da auf keinen Fall beeinflussen, auch wenn Kenneth ein ganz lieber Kerl ist.“

Ich musste etwas grinsen, weil sie es doch tat. Ich schaute sie an.

„Möchtest du auch einen Tee?“

„Gerne!“

Ich stand auf und lief in meine Küche.

„Du kennst ihn?“

„Kenneth?“

„Ja“, antwortete ich, während ich ihr Teewasser aufbrühte.

„Kennen ist eigentlich zu viel ausgedrückt. Ich habe ihn ein paar Mal getroffen, wenn ich mit Alisa zusammen war. Er ist sehr freundlich, zu vorkommen und hat Humor.“

„Wie war das mit dem nicht beeinflussen…?“

Amelia lachte. Ich hängte einen Teebeutel in ihre Tasse und ging wieder zu ihr zurück.

„Danke“, meinte sie, als ich ihr die Tasse reichte.

„Wusstest du, dass er auch schwul ist?“

„Um ehrlich zu sein, das merkte man sofort?“

„Wieso? Ist er irgendwie tuntig oder so?“

„Nein, auf keinen Fall, aber so ein perfekter Mann gegenüber Frau kann nur schwul sein!“

Jetzt konnte ich nicht anders und lachte ebenfalls. Mir kam Riley wieder in den Sinn.

„Riley macht sich solche Sorgen um mich?“

„Ich versteh ihn voll und ganz. Für ihn bist du wie ein kleiner Bruder. Da kann ich ihm gut nach fühlen.“

„Das tut mir Leid, dass wusste ich nicht.“

Sie stellte ihre Tasse ab und griff nach meiner Hand.

„Jack, es gibt viele Menschen die dich lieben und nach dir sahen und vor allem auf dich achten.“

Ich nickte.

„Was hältst du davon, wenn wir zu Riley gehen und etwas essen, ich habe heute außer einem Brötchen und viel Kaffee noch nicht viel in den Magen bekommen.“

„Schwesterchen, du solltest mehr auf dich achten!“

„Und das von dir!“

*-*-*

Ein leichtes schlechtes Gewissen hatte ich jetzt schon. Wir hatten gemeinsam das Covent Garden betreten und waren auf dem Weg zum Bistro. Nachdenklich trottete ich hinter meiner Schwester her.

„Jetzt komm!“, sagte meine Schwester, „er wird dir schon nicht den Kopf herunter reisen.“

Sie blieb stehen, bis ich sie eingeholt hatte und hängte sich bei mir ein. Wenig später betraten wir das Bistro One.

„Hallo Riley“, rief meine Schwester.

Ich sah zu Riley, der erst zu meiner Schwester sah, dann auf mich, während ich aus ihrem Schatten trat.

„Jack…, mein Gott…!“, rief er, umrundete die Theke, lief auf mich zu und fiel mir um den Hals.

„Warum hast du dich nicht gemeldet…?“, sprach er weiter und es war mir schon peinlich, weil der Rest der Gäste auf uns schaute. Georg und Connor waren ebenso da und strahlten mich an.

„Kommt…, habt ihr schon etwas gegessen?“

Er löste sich von mir, griff nach Amelias Arm und zog sie Richtung Theke.

„Nein, aber Jack hat von deiner Küche immer geschwärmt, da wollte ich sie mal selbst ausprobieren.“

„Eine gute Idee, komm setzt euch zu mir an die Theke.“

Das war mir auch lieb so, denn ich wollte nicht, dass Riley weiterhin durch den Laden brüllte. Ich folgte den beiden und setzte mich auf meinen Stammplatz.

„Möchtest du vorneweg einen kleinen Cocktail?“

„Gerne!“

Riley schaute mich an. Ich atmete tief durch.

„Dein Bruder macht die Weltbesten Cocktails, immer passend und immer lecker“, lobte mich Riley.

Ich spürte, wie mir sämtliches Blut in den Kopf zog.

„Das wusste ich überhaupt nicht Brüderchen, was kannst du mir denn empfehlen?“

Ich atmete tief durch und wischte mir übers Gesicht, während ich mich zu Riley gesellte. Er lächelte mich an.

„Du möchtest sicher etwas Besonderes, aber nicht so Aufwendiges?“

Meine Schwester nickte. Ich zog das gekühlte Barfach heraus und fand auch gleich den Champagner.

„Oh, Champagner…“, meinte Riley.

Ich grinste ihn an und öffnete die Flasche. Dann holte ich mir bei der Kaffeemaschine einen Zuckerwürfel und tat ihn in ein hohes Weinglas. Aus dem Regal nahm ich die Angostura Flasche und beträufelte den Zuckerwürfel.

Ich hatte das Gefühl, als würde der ganze Laden mich beobachten, es war auf alle Fälle, sehr ruhig. Danach nahm ich den Champagner und füllte das Glas auf, zum Schluss träufelte ich etwas Saft einer Zitrone hinein.

Ich nahm das Glas und stellte es meiner Schwester vor die Nase.

„Danke“, meinte sie, nahm das Glas und probierte.

„Wow, herrlich frisch!“

Plötzlich ging das Gerede an den Tischen wieder weiter, als hätte jeder die Luft angehalten. Ich wollte, nachdem ich alles wieder verräumt hatte mich wieder zu meiner Schwester gesellen, als Connor und Georg fast gleichzeitig an die Theke traten.

„Ich bekomme drei dieses Champagner Cocktails…“

„Ich vier!“, bestellten beide.

Amelia hielt sich die Hand vor den Mund und fing an zu kichern. Ich schaute zu Riley, der verlegen kicherte. Kurz seufzte ich.

„Könntest du mir bitte noch eine Flasche Champagner holen?“, meinte ich zu Riley, der darauf gleich nickend nach hinten entschwand.

„Hast du den selbst erfunden?“, fragte Amelia.

„Nein Schwesterherz. Das ist ein sehr alter und klassischer Cocktail. Wurde von einem Jerry Thomas zum ersten Mal 1862 gefertigt.“

„Oh doch so alt schon, aber er verfehlt nicht seine Wirkung. Ich bekomme Hunger. Aber sag, woher weißt du das und vor allem kannst das?“

„Ein Hobby von mir. Irgendwann vor vier Jahren habe ich damit angefangen, mich für Cocktails zu interessieren. Dank dem Internet konnte ich viel darüber lesen und selbst auch die Rezept ausprobieren und mit der Zeit hast du das dann irgendwie in dir drin und weißt welche Zutaten wo hineingehören, was sich mit was verträgt.“

„Interessant.“

„Hast du einen besonderen Wunsch beim Essen?“, fragte ich, während ich die bestellten Gläser mit Zuckerwürfel versah.

„Nein, ich verlasse mich da ganz auf dein Urteil, was du mir empfiehlst.“

„Du magst gerne Fisch?“

„Ja, klar!“

„Dann würde ich dir Rileys spezielle Meeresfrüchte auf Linguine mit Tomaten und Knoblauchsauce empfehlen.“

„Hört sich lecker an.“

Riley war zurück gekommen und reichte mir den Champagner.

„Danke. Riley würdest du zwei Portionen deiner Spezialität zubereiten?“

Er strahlte über das ganze Gesicht, nickte und verschwand wieder in der Küche. Ich dagegen bereitete die Cocktails fertig, stellte sie auf die Theke, welche dann Connor und Georg gleich servierten.

Ich dagegen verräumte alles und setzte mich wieder zu meiner Schwester.

„Du bringst es immer wieder fertig, mich von neuem zu überraschen. Willst du das nicht hauptberuflich machen?“

„Den Schreiberlingjob an den Nagel hängen? Nein, nicht wirklich. Das hier ist so etwas wie ein Hobby und soll auch so bleiben. Ich schreibe lieber meine Artikel weiter und gehe einmal mindestens in der Woche auf Verlagskosten essen.“

Die Eingangstür wurde aufgestoßen und mein Blick wanderte automatisch dahin.

„Das gibt es nicht, dass sind Alisa und ihr Bruder Kenneth“, hörte ich meine Schwester sagen.

Aber da hatte ich ihn schon erkannt. Diese Alisa winkte meiner Schwester zu und irgendwie bekam ich das Gefühl, dass alles hier war irgendwie abgesprochen.

Die beiden kamen zu uns und man begrüßte sich.

„So sieht man sich unverhofft wieder“, sagte Kenneth zu mir und schüttelte mir die Hand.

Seine Stimme war angenehm und die Hände sanft. Ich wunderte mich, dass ich so ruhig blieb und Ich weiß nicht wie ich darauf kam, aber plötzlich befielen mich die Worte meiner Schwester – jeder ist seines Glückes Schmied heißt es – ich nickte ihm zu.

Die beiden setzten sich zu uns und während ich in die Augen von Kenneth versank, kam mir noch ein Satz in den Sinn – Jack, es gibt viele Menschen die dich lieben und nach dir sahen und vor allem auf dich achten.

Ich stand auf.

Leute, es tut mir Leid, aber mir fällt das etwas ganz Wichtiges ein, dass keinen Aufschub duldet!“

Ich lief Richtung Tür und schnappte mir meinen Mantel.

„Jack!“, hörte ich noch meiner Schwester rufen, aber da hatte ich das Bistro schon verlassen.

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