Margie 52 – Zwangslage

Am liebsten hätt ich ihm „ich komm mit und helf dir..“ hinterhergerufen, aber ich wollte das sein lassen, denn ich war mir absolut sicher, dass es so eine Chance noch viele, viele Male geben würde. So sah ich ihn entschwinden, im Bad. Aber da war eben dieses Etwas in mir; das mir einfach verbot, nur so dazusitzen als hätte ich nichts Besseres zu tun.
»Ich komm gleich wieder«, sagte ich von diesem Etwas gesteuert zu Ronald und erntete von dem ein Augenblinzeln. Ja, der wusste was in mir vorging und.. na ja, die Frau die den kriegt ist auf jeden Fall zu beneiden. Das fiel mir so ein bei dem Anblick.
Ich stürmte Angelo hinterher, ins Bad, wo er grade seine Hose abstreifte. Ich stellte mich hinter ihn und wir betrachteten uns im Spiegel. »Ich bin so verdammt stolz auf dich, Angel. Weiß gar nicht was ich sagen soll.«

Er lächelte und drehte sich zu mit um. Nur noch die Boxer zierte seinen Körper und ich war in der zweiten Situation, wo ich einfach hätte über ihn herfallen können.

»Später, Ralfi, später«, hauchte er mir ins Ohr und mehr Erotik kann man überhaupt nicht in einer Stimme unterbringen.

Ohne sich um mich zu kümmern, zog er auch seine Boxer aus. Ich sah nicht direkt hin, das war viel zu gefährlich. Ralfi hatte er auch noch gesagt. Eine Steigerung gab’s kaum, eigentlich.

»Weißt du, was Placzek noch gesagt hat?«, fragte dann, während seine Boxer auf dem Luftweg in der Ecke landete.

»Hm, eher nicht«, war meine ehrliche Antwort.

»Er meinte, ich könnte einen der jüngsten Solo – Violinisten werden, die es jemals gab.«

Ich schluckte. »Das hat.. er wirklich gesagt?.. Ähm, hat er da nicht was vergessen?«

Angelo stand nackt vor mir, das muss man sich einmal vorstellen. Es war die schwerste Prüfung, die ich bis dahin in meinem noch jungen Leben absolvieren musste.

»Was denn?«

»Dass du auch der schönste Violinist bist.«

»Ach du… es wird halt erst mal viel Arbeit für mich geben.«

»Klar. Solange du mich dabei nicht vergisst..«

Er lachte. »Du kannst mir den Rücken waschen, wenn du willst.«

Diese Worte vernahm ich, während Angelo in die Dusche stieg, wie aus einem Film. Ich mein, sowas sieht man da schon mal, aber live.. das ist was völlig anderes. Ich versuchte mir das dann gar nicht erst vorzustellen. »Ach, Angel, du solltest dir mal einen Duschvorhang zulegen.. «, fiel nebenbei ein. Eigentlich so ne Art eigenes Ablenkungsmanöver.

Er grinste mich an. »Wozu das denn? Ich brauch keinen mehr.«

»Ähm.. na ja, wenn du meinst.« Klar, wenn ich bei ihm war, wozu dann einen Vorhang? Das bisschen Wasser drumherum.. Aber, mit ihm unter die Dusche? Jetzt, wo Ronny da draußen war? So doof konnte mein Hase gar nicht sein, dass er glaubte, ich würde nicht mehr als ihm den Rücken schrubben.
Gut, im Grunde hatte er es selber so gewollt. Rasch schlüpfte ich aus meinen Shorts und schon stand ich bei ihm.
Ich konnte überhaupt nichts machen, wie denn auch. Mein kleiner Freund tat jedenfalls so, als hätte er Wochenlang nichts zu tun gehabt. Angelo stand mit dem Rücken zu mir, er konnte meinen Steifen nicht sehen und ich wollte auch nicht dass er das tut. Zumindest da nicht.
Ich begann, den herrlichen Körper langsam einzuseifen, am Hals beginnend, die Achselhöhlen, die Schulterblätter.. Angelo hielt ganz still. Nur das Rauschen des Wassers umgab uns.
Ich zwang mich, nicht an Sex zu denken. Das würde auch künftig eine Rolle spielen, ich konnte ja nicht immer grade dann über meinen Schatz herfallen, wenn er mal kaum was anhatte. Alles schön der Reihe nach. Nur, mein kleiner Freund gehorchte keinesfalls und wer hätte es ihm verdenken können.
Besonders in dem Moment nicht, als sich Angelo zu mir umdrehte. Das Wasser perlte an seinem Gesicht herunter, eine freche Locke klebte auf seiner Stirn. Ja, kein Zweifel: Mein Hase sah richtig glücklich aus. Und in dem Augenblick war ich es auch.
Ich umarmte ihn und drückte ihn ganz fest an mich. Irgendwie drehte Angelo hinter seinem Rücken das Wasser ab und so standen wir da. Zu viert, wenn man so will, denn ich spürte Angelos Steifen an meinem.. Man spricht ja von vernaschen wenn es sich so plötzlich ergibt, und das kam mir dann auch tatsächlich in den Sinn. Angelo ließ seine Hände auf meinem Rücken, obwohl er das Theater zwischen unseren Beinen genauso mitbekam. Das war so ne richtige Zwangslage, weil keiner den Anfang machen wollte.
»Was machen wir eigentlich jetzt?«, wollte ich deswegen von ihm wissen, wobei ich mehr wisperte als sprach.

»Jetzt..? ..die Sachen packen«, sagte er.

Ich schob ihn ein Stück von mir. »Was heißt, packen?« Zum einen hätte ich jetzt erwartet dass er anfängt an mir zu fummeln oder noch besser, Ronald so quasi aus der Wohnung zu bitten und dann.. Zum anderen verstand ich echt nicht was er damit sagen wollte.

Er grinste. Frech, eigentlich schon unverschämt. »So, wie es der Name sagt.«

Ich verstand immer noch nicht. »Ja, was denn packen?«

Angelo stieg aus der Dusche und schnappte sich ein Handtuch. »Alles was ich schon ausgepackt hab war umsonst.«

Es dauerte eine Weile, bis ich halbwegs kapierte. Meine Begierde nach dem schönen Körper ließ zwar keinesfalls nach, aber nachdem wir nun wieder räumlichen Abstand hatten wurde es etwas entspannter.

»Ralf, dieser Placzek baut bei mir zu Hause das Studio aus. Er meinte, wenn das professionell gemacht wird brauch ich nicht in der Gegend herumzufahren wegen eines Studios. Er will mir einen Profi zur Seite stellen, der meine Musik aufzeichnet. Sehr viele Künstler würden das so machen.«

Ich ließ mir das langsam das Wort „Künstler“ auf der Zunge zergehen. »Das heißt.. du bist wieder zu Hause?«

Er lächelte mich an und frottierte sich die Haare dabei. »Das heißt es. Ich werd ab und zu hierher kommen, vielleicht sogar eine Zweitwohnung nehmen, aber in der Hauptsache werde ich zu Hause arbeiten. Es hat ja auch den Vorteil, dass da draußen ruhig ist und niemand sich gestört fühlt.«

Gestört fühlt. Margie und stören. Na ja, für Werner wäre das nix, aber dem war nicht so. Vielmehr ergaben sich dadurch plötzlich ganz andere Perspektiven. Keine Wochenendbeziehung, keine elend lange Woche zu Hause sitzen und auch keine Telefonrechung in astronomischer Höhe.
»Aber, wieso behältst du diese Wohnung jetzt nicht einfach – als Zweitwohnung?«

»Placzek meinte, das wäre rausgeschmissenes Geld. Wenn ich sie einmal wirklich benötigen würde, dürfte sich was anderes finden. Zentraler jedenfalls. Nur wenige Minuten bis zum Sender.«

Angelo hatte sich das Handtuch um die Hüfte gewickelt, bevor ich wieder zu mir kam. Im Grunde war das alles viel zu schön um wahr zu sein und ich suchte freilich sofort nach einem Wermutstropfen. »Was ist.. mit Willard?«

Anstatt mich jetzt geschockt anzusehen, pfiff Angelo nur kurz. »An den hab ich gar nicht mehr gedacht. Na ja, irgendwie werden wir den schon los.«

Aha. Dies bedurfte keinen weiteren Nachfragen. Abgehakt. Wie er das machen wollte, darüber musste er entscheiden. Hauptsache er ließ die Finger von dem Geschäft.

Ich verließ hinter ihm das Bad und dann..

»Verfluchter Mist.«

»Angel, was ist los?«

»Wo in drei Teufels Namen hab ich meine.. Unterwäsche?« Dabei wanderte sein Blick über das Chaos im Zimmer.

»Zja, also, weißt du.. da hab ich absolut keinen Schimmer.«

»Hm, ich glaube.. such mal bitte in den Kartons da drüben, ich werd mal da nachsehen.«

Gesagt, getan und nach wenigstens tausend Kisten endlich ein Freudenruf. Angelo ließ mitten in der Wohnung das Handtuch fallen und schlüpfte in eine Short. »Kann die Boxers jetzt nicht finden. Auch recht.«

„Hehe. Dann hast du später ganz wenig, was du ihm ausziehen musst.“ Da war was dran, denn die Absicht hegte ich von Minute zu Minute mehr. Irgendwann würde es Nacht werden, irgendwann waren wir alleine..

Wenig später kamen wir zurück auf den Balkon, wo Ronald noch immer saß. »Der Sekt dürfte jetzt warm geworden sein«, begrüßte er uns, wobei ein kleines bisschen Sarkasmus in seinem Gesicht zu stehen schien. Weiß der Geier, was er uns im Bad alles

»Macht nichts«, entgegnete Angelo, »kochen wird er noch nicht.«

So stießen wir mit dem nicht mehr ganz so kalten Sekt an, wobei Angelo den noch ahnungslosen Ronny über die Neuigkeiten informierte. »Wir müssen nur das bisschen wieder zusammenpacken, alles weitere braucht uns nicht kümmern. Placzek lässt eine Umzugsfirma kommen. Find ich übrigens nen feinen Zug von dem.«

Ja, allerdings, denn in den tiefen meiner Seele hatte ich schon Bammel vor einem richtigen Umzug. »Und wann werden die kommen?«

»Morgen früh. Hab ja fast alles noch in den Kisten, wenn wir zusammen da dran gehen haben wir das ruckzuck erledigt. Ein Glück bin ich da nicht von der eiligen Sorte.«

Wie wahr. Hätte er einen Ordnungsfimmel gehabt, würde das jetzt noch mal ne Menge Arbeit bedeuten. »Dann sollten wir das jetzt schnell erledigen, mein ich mal.«

Angelo nickte. »Ich auch. Danach gehen wir schön essen, auf meine Kosten.«

Wer lässt sich das zweimal sagen? Ronald nickte und wenig später begannen wir, unter Angelos fachkundiger Anleitung, die wenigen ausgepackten Sachen wieder in den Kisten zu verstauen. Nebenher lief das Radio ziemlich laut und der Sekt nahm rasch ab. Komisch, ich bin schon immer ein absolut militanter Gegner von Umzügen gewesen, aber dieser machte richtig Freude. Nun gut, das tat er schon deshalb, weil er ja im Grunde eine neue Ära einläutete. Ich befand mich dauernd schon in der Zukunft, und die war greifbar nahe und auch noch realistisch dazu.
Immer mal wieder fiel mein Blick auf Ronald. Der musste ja nun zurückbleiben irgendwie, aber statt irgendwelche Eifersüchteleien gegen ihn zu entwickeln, würde ich ihn gern in unserer Nähe haben.
»Und.. wie geht’s dir dabei.. ich mein, dass Angelo wieder nach Hause geht?«, fragte ich ihn zwischen Kisten und Kasten packen.

Er sah mich an und lächelte dabei. »Och weißt du, Frankfurt ist nicht Sydney und fahren macht mir auch nichts aus. Zudem, wenn ich mir euch so betrachte, ich werd schon abkömmlich sein, irgendwie.«

Ich streichelte seinen Arm. »Du bist lieb, weißt du das?«

Jetzt wurde er wieder rot. »Ähm.. «

Angelo kam dazu und wischte sich mit einem Handtuch den Schweiß aus dem Gesicht. »Ja, Ralf hat recht. Also.. du bist jedenfalls immer herzlich willkommen. Zudem, ich werde natürlich eine Einstandsparty geben, ganz wie sich das gehört.«

Diese Worte dämpfte dann meine Euphorie ein bisschen. Denn seine Arbeit fand sicher nur zum Teil im Studio statt. »Wirst du.. auch auf Tourneen gehen?«

Angelo zog die Mundwinkel nach oben. »Wenn du Angst haben solltest, dass ich ewige Zeiten unterwegs sein werde.. ich denke das ist noch sehr lange hin. Mein Name ist noch nicht Programm.« Er lachte, offenbar über seine eigenen Worte.

Jep, er hatte recht. Die Gunst der Stunde, so lange er da war, bei mir, in meiner Nähe.

Nach zwei Stunden schweißtreibender Arbeit hatten wir alles verstaut. Dadurch verlor die Wohnung dann schon wieder etwas von ihrem chaotischen Flair, es sah sogar richtig aufgeräumt aus.

»So. Frisch machen, essen gehen«, befahl Angelo.

Dem war freilich nichts entgegen zu setzen. Der letzte Abend, die letzte Nacht in Frankfurt. Irgendwie war ich ja schon dabeigewesen, mich an das neue Umfeld zu gewöhnen; wohl auch unter dem Aspekt, sehr viel öfter hier zu sein. Aber böse war ich natürlich nicht. Und Angelo? Der scheinbar erst recht nicht. Allerdings hatte ich mehr als einmal das Gefühl, dass er bereits ganz wo anders war in seinen Gedanken. Verständlich, denn mit einem Mal standen ihm Tür und Tor offen. Dass sein Name irgendwann Programm sein würde, das bezweifelte hier niemand. Dieser Placzek wusste genauso wie Willard, was sie an Angelo hatten. Von mir mochte ich gar nicht erst reden. Mein Stolz war ungebrochen und ich würde ohne Skrupel damit angeben, jawohl: Dieser Mensch da im Fernsehen, in den Konzertsälen, ist mein Freund. Wahrscheinlich hatte Angelo das noch gar nicht in seinen Überlegungen mit drin. War es nicht seine Furcht, enttarnt zu werden? Wir würden noch lange Gespräche zu führen haben, grade aus dem Grund. Aber ich hatte keine Angst davor. Nein, wirklich nicht.

Gerade als wir die Wohnung verlassen wollten, klopfte es an der Tür. Komisch, aber ich erkannte den Verursacher bereits. Es war ganz ohne Zweifel das selbe Klopfen wie an dem Morgen.
»Das ist die mit C hinten, ohne K«, grinste ich.

»Bist du sicher?«, fragte Angelo verwundert.

»Hm, also Hundert zu Eins würd ich schon wetten.«

Mein Hase ging zur Tür und öffnete sie einen Spalt. Ich konnte sein Gesicht beobachten, die Augen, die auf einen Schlag größer wurden. Dann öffnete er die Tür ganz und ein silbernes Tablett schob sich in die Wohnung, getragen von der offensichtlich ziemlich fürsorglichen Nachbarin.

»Ich dachte, ihr werdet Hunger haben..«, weiter kam sie nicht. Denn nun fiel ihr Blick auf die Kisten. »Oh, ich dachte..«

Ja, klar, jeder wusste was sie sagen wollte. Dass sie eigentlich damit gerechnet hatte, alles ausgepackt und an seinem Platz vorzufinden.

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