Margie 56 – Auf dem Mars gibt's keine Hasen

»Wir müssen da was machen, ich kann das jetzt nicht brauchen.« Angelo wurde sogar richtig wütend, was mich allerdings sehr glücklich machte.

»Was heißt jetzt nicht? Überhaupt nicht wolltest du doch sagen, oder? Die sind eh ganz verwirrt weil.. komm, lass und das später in Ruhe überlegen.«

Angelo nickte. Ich sagte das, weil ich mal eine Zeitlang nichts von diesem ganzen Tralala wissen wollte. Mein Blick fiel dann auf das Dach des Schuppens. Schön geworden.. aber an die Arbeit wollte ich jetzt nicht denken, nicht vor Montagmorgen. Schule.. na ja, nur ein paar Minuten eigentlich, wegen der Stundenpläne. Und die Montage fiel mir ein, dieses Angebot meines Onkels.. Nein. Und nochmals Nein. Es würde eben das erste Mal sein, dass ich meinen Kopf durchsetzte. Gerade war die zarte Pflanze unserer Freundschaft dem Keim entsprungen, sollte ich weg von ihm. Das ging gar nicht. Außerdem, mit mir selbst hatte ich ja ausgemacht, dass ich nur dann gefahren wäre wenn das mit meinem Hasen nicht funktioniert hätte. Hat es aber und damit war der Fall erledigt. Zudem, wenn es einer verstehen würde, dann war es sowieso der Werner. Der wusste was in mir passiert, haargenau. Aber das war ja alles soweit weg.
Ich nahm mein Handy und verkündete meine Ankunft in heimischen Gefilden. Wann ich zu Hause aufzutauchen gedachte, wusste ich meiner Mutter allerdings nicht zu sagen. Wichtig war ja nur die Information an sich.

Ich legte das Handy auf den Tisch, faltete meine Hände vorm Gesicht und begann, Nägel mit Köpfen zu machen. War an der Zeit, fand ich. »Angel.. ich würde.. «

Paul kam heraus und stellte einiges an Getränken auf die Ablage, um Sekunden später wieder verschwunden zu sein.

Angelo griff sich eine Wasserflasche. »Was wolltest du sagen?«

»Nun, also, eigentlich..«

Unaufgefordert schenkte er mir ein Glas Wasser ein, setzte sich zu mir, legte seinen Arm um meine Schulter und zündete sich eine Zigarette an. »Nun, was hast du denn auf dem Herzen?«

»Angel, ich würde gern zu dir ziehen. Das hab ich aufm Herzen.« Dabei sah ich ihn mir genau an. Zuckte da irgendwas, wurde sein Blick anders? Gab’s einen Räusper?

Aber er grinste nur. »Weiß grad nicht, wo das Problem liegt.«

Das war eine eindeutige Zusage. Ich rückte meinen Stuhl ganz dicht neben den seinen. »Das.. ist lieb von dir.« Ich hauchte ihm einen Kuss auf die Wange, was er mit einem richtigen Kuss auf die Lippen beantwortete.

Somit entschwand ich zunächst im siebten Himmel wie man so schön sagt. Ein Traum das alles. »Übrigens.. war das vorhin verkehrt.. das mit Paul?«

»Nein, wieso? Er muss sich ja fast als aller erstes an dich gewöhnen.«

»Meinst du.. ich kann ihm sagen wenn ich was brauche?«

Er lachte.»Seit heute auf jeden Fall. Er ist das ja gewohnt, sozusagen. Aber.. übertreib nicht gleich..«

»Nein, so hab ich das auch nicht gemeint. Nur, lieber soll er sich drum kümmern, ich mein, ich kann ja hier nicht rumlaufen wie du.«
Es ließ mir keine Ruhe. »Wann.. kann.. also ich mein, wann soll ich denn, umziehen?«

Angelo lächelte mich an. »Wann du willst. Aber ich denk, erst mal sollten meine Sachen wieder dahin wo sie hingehören.«

Es klingelte.

»Wird Sebi sein«, sagte Angelo und begab sich in die Wohnung. Komisch, ich wurde gegen die Klingelei langsam allergisch. Immer war das mit irgendwelchen Ungemütlichkeiten verbunden. Mal war’s Willard, mal die Nachbarin, Ronald, Sebi.. Nie kam bloß der Postbote oder der Mann vom Gaswerk. Sebastian.. okay, was soll’s. Er ist halt jetzt öfter mit meinem Hasen zusammen, aber so wie es aussah musste ich ja nichts befürchten.

Stimmen im Haus. Paul Angelo, Sebastian.. es kam mir vor als würden die völlig unkoordiniert durcheinander reden. Ich blieb einfach sitzen, denn was sollte ich da jetzt auch meinen Senf dazugeben.

»Hallo Ralf.« Sebastian setzte sich völlig geschafft zu mir. »Also, in den nächsten 200 Jahren zieh ich nicht mehr um, das steht fest. Allenfalls im Winter, bei 10 Grad minus.«

»Hm, kann aber sein dass du das wenigstens noch ein mal durchhalten musst.«

Er sah mich mit großen Augen an. »Wie?«

»Ja, stell dir vor, ich werde hier einziehen, so bald wie möglich.«

Er senkte seinen Kopf und sah mich über die Brille an. »Aha. Das ging aber schnell.«

»Och weißt du, irgendwann muss man ja mal anfangen. Und wir.. sind uns ja auch einig.«

»Sehr schön«. Dann winkte er ab. »Aber deine Sachen kannst selber tragen.. ich hab genug.«

»Kein Problem, ich hab eh nicht viel. Schwere Möbel gibt’s ja keine zu tragen. Ist alles vorhanden.«

»Dann wirst du.. im Gästezimmer einziehen?«

»Ähm.. nein, das ist eher für dich reserviert.«

Er rückte ganz nah zu mir. »Also wirst du zu Angelo.. in sein Zimmer..?«

Ich hörte ein bisschen Neid heraus. »Ja, was dachtest du denn? Ansonsten könnt ich ja auch zu Hause bleiben. Außerdem ist Angels Zimmer groß genug, meinst du nicht auch?«

Er schüttelte eine Hand. »Oha, Ihr beide.. und ich daneben..« Er sagte, was ich dachte. Ehrlich gesagt, das würde mir auch nicht schmecken. Da wohnt man mit einem Pärchen unter einem Dach und.. na ja, im Grunde war’s nicht mein Problem. Interessant würde ja nur, was seine Eltern dazu sagen. Diese Unterredung stand noch aus und ein bisschen ging mir da schon die Muffe. Aber gut, ich zwang mich schließlich niemanden auf. Angel wollte es so und das war wichtig.

»Sind die mit den Möbeln schon unterwegs?«, wollte ich dann wissen.

»Ja, das heißt, sie machen die Wohnung noch Besenrein. Denke dass sie in der nächsten Stunde hier aufkreuzen.«

»Also.. du hattest doch keine Arbeit damit oder? Ich mein, weil du so geschafft bist..«

»Normalerweise nicht, aber einer von denen hat einen Hexenschuss.. da hab ich halt mitgeholfen.«

Das ist wohl das doofste was einen Möbelpacker passieren kann. Aber gut, ich würde.. doch schon. Es gab ja kein Stockwerk zu überwinden hier, da konnte man schon zur Hand gehen.

Angelo und Paul kamen dann zu uns raus, wir unterhielten uns noch ein bisschen, vornehmlich ging’s um die Um- und Einzieherei.

Währenddessen ging mein Handy, Mum war dran. Ich stand auf und ging ein Stück in den Garten. »Was gibt’s?«

»Kannst du heimkommen, oder..?«

»Oh, ist etwas passiert?«

»Nicht direkt, Onkel Herbert ist hier..«

Mir schwante außergewöhnlich Böses. »Will er was von mir?«

»Ja, im Grunde schon.«

Ich holte Luft. Auf ja nichts einlassen jetzt. »Du kannst ihm sagen, dass ich nicht mit auf Montage gehen möchte.« Au, sicher hatte das jetzt weh getan, aber da mussten sie durch.

»Hm, du.. kannst es ihm ja selber sagen.. Moment.«

Herzklopfen. Er war immerhin mein Cheffe und da konnte ich nicht rotzfrech daherkommen. Also, sachlich bleiben. Vielleicht nützte es auch, ihn auf seine Jugend aufmerksam zu machen. Sicher hätte er sich da auch nicht diktieren lassen wenn’s um seine Liebste ging.

»Hallo Ralf.«

»Hallo Onkel.«

»Ja also, wegen der Montage.. du weißt schon..«

»Ja, klar. Aber Onkel, ich.. ich denke nicht dass das jetzt ein passender Zeitpunkt ist.«

»Der ist eh nie«, hörte ich ihn sagen.

Damit wusste ich, dass meine Chancen ziemlich mickrig einzustufen waren. Ich sagte darauf nichts.

»Also hör mal, Ralf. Ich weiß ja was im Moment bei dir los ist und ich wäre der Letzte der kein Verständnis dafür hätte. Aber sieh es mal auch von der anderen Seite.«

Puh, Psychoterror. Klar wusste ich dass diese Gelegenheit günstig war, dass es mir da drüben nicht schlecht gehen würde, von den Kohlen mal ganz abgesehen. Aber ausgerechnet jetzt.. nein, ich hatte einfach keinen Bock drauf.
»Mir ist schon klar dass das Wichtig ist, unter anderem, aber.. es ist wirklich ein ganz blöder Zeitpunkt.«

»Also, Ralf, ums mal deutlich zu machen..«

Jetzt würde es kommen. Die Pistole. Durchgeladen und entsichert war sie schon, er musste sie mir nur noch auf die Brust setzen. Mann, was hatte der Tag so schön angefangen. Und ich Depp dachte, das würde so bleiben. Angelo brauchte ich gar nicht fragen, der würde mich sogar da rüberfahren wenn’s nötig gewesen wäre. „Das ist doch gut, siehst mal was anderes, verdienst Geld und lernst viel..“ Das käme mit traumwandlersicherer Sicherheit. Also, hatten die jetzt alle recht, bloß ich wieder nicht..

».. ich hab dich dort schon angemeldet. Es ist alles vorbereitet und.. ich.. «

Ja ja, schon klar. Man erwartete Engagement von mir, Einsatzfreude, Fleiß und so weiter und so fort. Ich biss mir echt auf die Zunge. Nicht vor Wut oder Zorn, es war ja wie’s war. Nur ausgerechnet jetzt.. »Wann geht das los?«

Ich hörte ein Aufatmen. Sie hatten mich weichgeklopft, meine Argumente dagegen waren einfach zu läppisch.

»Wenn du Montag von der Schule kommst kannst du gleich mit Werner losfahren. Die anderen fahren schon Sonntagabend.«

Es war Mittwoch, ein paar lausige Tage blieben mir also noch. Vielleicht reichte es aber für den Umzug. »Okay, ich.. komme mit.«

Es fehlte der Jubelschrei am anderen Ende. Normalerweise hätte ich ein extra Aufgeld dafür verlangen sollen, aber das nennt man glaub ich Erpressung.

»Prima. Was anderes hab ich jetzt auch nicht von dir erwartet. Moment, ich geb dir deine Mutter.«

»Das ist schön, Schatz. Wann kommst du denn nach Hause?«, flötete sie auch schon.

„Vor Montagmorgen nicht“ hätte ich beinahe gesagt, aber das wollte ich ihnen dann doch nicht antun. »Ich komm heut Abend kurz vorbei.« Ups, jetzt hatte ich die Katze aus dem Sack gelassen. War so nicht geplant, aber gut, das ersparte mir dann auch weitere Überlegungen.

»Wie, kurz?«

»Mum, ich werde zu Angelo ziehen.«

Schweigen. Klar, mein Hase wohnte nicht auf dem Mars, schon auch weil’s da gar keine gibt, aber trotzdem.. wenn das einzige Kind flügge wird, das ja ein halbes Drama, meistens jedenfalls.

»Das.. kommt ein bisschen plötzlich.. Weißt du eigentlich, dass wir Angelo.. noch nie gesehen haben?«

Ich nickte, was sie natürlich nicht sehen konnte. Das war ein absolut korrekter Vorwurf. »Ja, schon..«

»Also weißt du, egal wie es ist, aber wir wollen schon wissen wie..«

».. ja,« unterbrach ich sie, »ihr werdet ihn kennen lernen. Bislang hat das ja echt nie geklappt.« Kann nicht verheimlichen, dass mir das peinlich war. Dachte nur an mich, irgendwie.

»Die Entscheidung zu ihm zu ziehen, ist auch erst ne Stunde alt, oder so.«

»Aha. Na gut, darüber können wir ja reden wen du da bist. Grüß Angelo von mir und bis heute Abend.«

Hm, echt blöd. Jetzt dieser Umzug hier.. denn die Gelegenheit wäre günstig gewesen, mal eben mit meinem Hasen rüberzufahren.
Aber mir kam dann eine Idee. Es wurde höchste Zeit, die ganze Sache rund zu machen. höchste Zeit, die ganze Sache rund zu machen.

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