Almost Nothing – Knocking on Heavens Door – Teil 2

Mats

Etwas verwirrt öffnete ich meine Augen und spürte einen nackten Körper an mir. Schemenhaft kehrten die Ereignisse der vergangenen Nacht in meine Erinnerung zurück. Thomas hatte es erlaubt! Der Gedanke an seine geilen Küsse und das harte Fleisch in mir ließ mich grinsen. Dass er ausgehungert war, konnte er nicht verbergen. Gierig und doch irgendwie liebevoll stieß er in mich hinein, so konnte ich es mir in Zukunft öfter vorstellen.

Vorsichtig drehte ich mich in seinen Armen um und betrachtete ihn. Tom hatte ein sehr markantes Gesicht, hart und weich in einem, einen leichten Dreitagebart und ganz winzige Fältchen um die Augen. Nur daran erkannte ich, dass er ein wenig älter war. Sein Body war einfach nur heiß, sehnig und muskulös – Kevin konnte da nicht mithalten.

Ich seufzte, mein alter Freund schob sich mir, mit einem bitteren Beigeschmack, ins Gedächtnis. Beide waren einfach bildhübsch und sexy. Nur fehlte Kevin die Reife von Thomas, diese nachdenkliche Ausstrahlung. Und nun genoss ich dieses Gefühl der Geborgenheit in den Armen des viel erfahreneren Mannes. Wie es wohl wäre, mit ihm den Rest meines Lebens zu verbringen?

Um mich ein wenig abzulenken, legte ich meine Hand auf die kratzig weiche Wange meines Gegenübers und streichelte den leichten Bartansatz. Mein Daumen glitt an der Schläfe auf und ab und Thomas schlafende Lippen verzogen sich zu einem leichten Lächeln. Ich fragte mich, wovon er gerade wohl träumte.

Der Versuchung, diese Lippen zu küssen, konnte ich nicht widerstehen. Hauchzart leckte ich über seinen Mundwinkel und spürte meine stärker werdende Geilheit. Mit meinem Becken rutschte ich näher an ihn heran und brachte unsere Schwänze auf eine Höhe, auch seine Morgenlatte war beachtlich. Meine Hand schloss sich um die beiden und ich rieb sie langsam. Thomas ruckelte ein wenig herum und stöhnte seufzend. Mein Daumen strich über seine feuchter werdende Kuppe.

Dass er langsam wach wurde, bemerkte ich, als er anfing meine Küsse zu erwidern. Erst zaghaft und dann mit steigender Lust. Verschlafene Augen sahen mich an.

„Morgen, Mats“, nuschelte er mit einem leichten Grinsen. „Schöner Weckdienst.“ Thomas rollte sich halb über mich und bedachte nun mich mit seinen Küssen. Die letzte Nacht hatte all seine Vorbehalte verschwinden lassen, er genoss es jetzt einfach.

„Ich weiß gar nicht, wann ich das letzte mal Lust darauf hatte“, meinte er nach einer Weile.

„Worauf denn?“

Thomas grinste und rutschte an mir herunter. „Darauf.“ Seine Zunge leckte über meinen Oberschenkel und näherte sich meinem Sack.

Der Daumen drückte sacht gegen meinen Damm und löste eine wahre Flut an Schauern in mir aus. Thomas küsste meine Leiste und sog daran, ich keuchte auf. So was hatte ich bisher nicht mal mit Kevin erlebt. Das Gefühl der saugenden Lippen und leicht knabbernder Zähne war unbeschreiblich.

Nur langsam wanderte seine Zunge weiter, den Schaft entlang und er leckte genüsslich über die vielen Vortropfen, die in großen Mengen aus mir flossen.

„Du schmeckst auch ziemlich lecker, Kleiner“, grinste er zu mir hoch.

„Ich heiße nicht Klei…“ Die – nicht ganz so ernst gemeinte – Beschwerde blieb mir im Hals stecken, als mein Schwanz plötzlich tief in seinem Rachen verschwand. Seine Hände pressten mein Becken unnachgiebig auf die Matratze, so dass ich keine Chance hatte, aus eigener Kraft zu stoßen. Thomas war hier der Chef im Ring und ich ließ es mir gerne gefallen. So passiv er sich gestern noch verwöhnen ließ, so dominant war er nun, zeigte mir wo es lang ging. Wieder eine neue Erfahrung für mich und bei weitem nicht die schlechteste. Hauchzart glitten seine Zähne über den gewölbten Kranz meiner Eichel.

„Tom, bitte hör auf, ich komme!“ Verzweifelt versuchte ich ihn abzuschütteln, es war noch nicht an der Zeit.

Sofort ließ er meinen Schwanz frei und grinste wieder. „Ganz wie du willst, dann ändere ich mal die Taktik.“ Die Frage, was er damit meinte, erübrigte sich sofort und ich war froh, dass ich mich am Abend unter der Dusche zumindest etwas gespült hatte. Thomas legte meine Beine über seine Schultern und vergrub sein Gesicht in meiner Furche. Zischend atmete ich ein, als seine Zunge meine Pforte durchbrach. Bei der Behandlung flossen wahre Ströme meines Vorsaftes auf meinen Bauch.

„Fuck ist das geil“, keuchte ich. Tom fühlte sich bestätigt und widmete sich meinem Loch noch intensiver, die Zungenspitze strich um den mittlerweile weichen Ring. Mit beiden Händen zog ich seinen Kopf fester an mich, was Tom ebenfalls ein erregtes Stöhnen entlockte. Seine Lippen sandten Stromstöße durch meinen Körper und ich sah kleine Sterne vor meinen Augen aufblitzen.

„Bitte, bitte fick mich!“, rief ich aus, mein Darm gierte nach seinem Kolben. Ich wollte ihn hart und heftig in mir, dass er sich richtig in mir austobte. Noch nie hatte ich diesen Wunsch so intensiv gespürt.

„Das sind ja ganz neue Töne, Kleiner. Wie hättest du es denn gerne?“ Mann, was konnte der sexy lächeln, ich war völlig willenlos.

„Mach wie du willst, besorg‘s mir“, bettelte ich. Es gab kein Halten mehr.

„Unter einer Bedingung!“ Sein Daumen kreiste um den weichen Muskelring und nahm mir die Fähigkeit zu denken.

„Egal was, bitte fang nur endlich an!“ Er folterte mich absichtlich.

„Ich darf weiter ‚Kleiner’ sagen und du hörst auf, dich darüber zu beschweren.“

Er hätte mich auch kleines Dreckstück nennen dürfen, wenn er gewollt hätte, also nickte ich mit heftiger Zustimmung.

„Okay, dann bekommst du jetzt ein kleines Dankeschön für gestern.“ Thomas robbte auf mich rauf und presste meinen Körper mit seinem ganzen Gewicht auf das Laken. Lediglich meine Beine hingen noch hoch auf seinen starken Schultern und glitten langsam hinunter um seine Taille. Einen Arm schob er unter meinen Nacken und er küsste mich.

Und dann schrie ich lustvoll auf, schneller als erwartet glitt er in mich hinein und ich war froh, nicht noch weiter betteln zu müssen. Meine Arme schlossen sich hart um seinen Rücken und mit absoluter Zielsicherheit fand er den zentralen Punkt meiner Lust, die Stelle, die mich mit jedem seiner Treffer Blitze sehen ließ. Mein Körper war zum Zerreißen gespannt und der Schweiß lief in Strömen. Ich wusste nicht, mehr wo ich aufhörte und wo er anfing, für einen Moment löschte Thomas mich völlig aus.

Das Ende näherte sich nicht weniger gewaltig als der ganze Akt davor. Er nahm mich wie von Sinnen, sein hartes Fleisch pumpte er immer schneller in mich hinein und ich entlud mich unter völlig ungekannten, schmerzfreien Krämpfen. Dieser Gewalt konnte sich auch Tom nicht entziehen, meine umnebelten Sinne spürten eine wahre Sintflut, mit der er mich überflutete.

Schwer atmend blieb er auf und in mir liegen. Mein Verstand arbeitete noch nicht richtig und mein Mund war etwas schneller als gewollt. „Ich hab mich in dich verliebt, Thomas.“

Vielleicht hatte er das nicht gehört, denn noch lag er auf mir, schweigend den Kopf an meinen Hals gepresst, sanfte Küsse verteilend. Dann rollte er plötzlich von mir herunter und legte sich auf die Seite. Seine Hand lag langsam streichelnd auf meiner Brust.

„Tom? Sag bitte was!“, flehte ich ihn an.

Einen weiteren Moment schaute er mir in die Augen und gab mir einen leichten Kuss auf die Nasenspitze.

„Nein, Kleiner, das hast du nicht.“ Das war es? Kein ‚ich hab mich auch in dich verliebt’?

„Ich werde doch wohl wissen, was ich fühle“, antwortete ich sauer. Mit einem Mal fröstelte es mich, doch Thomas kraulte unbeirrt weiter meine Brust. Das sanfte Lächeln verwirrte mich.

„Du bist verliebt, ganz sicher, vielleicht sogar mehr als das, aber nicht in mich. Du magst mich, so wie ich dich auch mag, und wir vertrauen uns. Ich kenne dein dunkles Geheimnis und du kennst meines.“ Er machte eine nachdenkliche Pause und mir fehlten die Worte.

„Ich habe über gestern nachgedacht, über das, was du mir über Kevin erzählt hast. Mats, du liebst ihn mehr als alles andere. Daran habe ich nicht den geringsten Zweifel.“

Zum Kloß in meinem Hals gesellten sich ein paar Tränen. Konnte es sein? „Aber… wie soll das möglich sein? Wir kennen uns ewig!“

„Wahrscheinlich bemerkt man es dann nur noch schwer. Aber überleg doch mal… ihr schlaft miteinander, habt euch bis vor Kurzem restlos alles erzählt und jetzt erträgst du es nicht mehr, dass er mit anderen schläft, wenn auch nur gegen Geld. Warum deine Eifersucht, wenn ihr nur Freunde seid?“

Toms Worte ergaben Sinn, mehr als ich wahrhaben wollte, und trotzdem kuschelte ich mich fest an ihn heran, denn von Kevin fühlte ich mich verraten, mehr noch als vorher. „Aber was ist das mit uns? Warum hast du trotzdem mit mir geschlafen?“

Er lächelte leicht verlegen. „Weil ich dich mag, weil du süß bist und… du hast mich verführt. Und ich glaube, dass wir es beide gebraucht haben.“ Erneut bekam ich einen zärtlichen Kuss von ihm. „Mats, es ändert nichts an meinem Versprechen. Du kannst erstmal hier bleiben, aber daran knüpfe ich zwei kleine Bedingungen.“

„Kein Sex mehr und was noch?“ Ich musste wohl komisch geguckt haben, denn Thomas lachte laut.

„An Sex dachte ich gerade nicht. Das kann, aber es muss nicht passieren. Kommt darauf an, ob wir beide es wollen oder auch nicht. Nein, diese beiden Dinge sind mir wichtig: Du schreibst Bewerbungen, wie du es mir versprochen hast, und, dass ist noch wichtiger, keine Diebstähle mehr! Halte dich fern von jedem Ärger. Wenn du noch einmal klaust und ich bekomme es mit, dann werfe ich dich achtkantig aus meiner Bude, unwiderruflich. Akzeptierst du das?“

„Ja… aber ich hab kein Geld, du kannst doch nicht alles bezahlen?“ Mir war ja bewusst, dass er selber kaum was zur Verfügung hatte.

„Alles nicht, aber für Lebensmittel für uns wird’s reichen. Ich brauch nicht viel, im Knast wird man genügsam. Du versuchst einfach nur dein Leben in den Griff zu bekommen. Außerdem bringst du mir bitte sämtliche Unterlagen von der ARGE her. Da erfahren wir bestimmt, wie du wieder Geld von denen bekommst. Steht alles in deiner Eingliederungsvereinbarung. Also, haben wir einen Deal?“

„Deal!“ Es war unglaublich, dass ich diesen Kerl erst vor zwei Tagen kennengelernt hatte und wie selbstverständlich wir miteinander umgingen. Und das trotz der Umstände. ‚Freund durch missglückten Diebstahl gewonnen’, so lautete meine persönliche Schlagzeile.

„Soll ich gleich mit den Bewerbungen anfangen, oder darf ich mich noch eine Weile an dich kuscheln?“

Mit einem Lächeln auf den Lippen zog er mich zu sich heran und ich dämmerte bald darauf noch mal für eine Weile weg.

Thomas

Um kurz vor Mittag verließ ich ein wenig widerwillig mein Bett und lächelte in das herrliche Sonntagswetter. Unser Nümmerchen – okay, ein wenig mehr war es dann doch – hatte Mats ziemlich erschöpft und ich ließ ihn schlafen. Zum Glück hatte ich mich auf sein kleines und nur all zu vorhersehbares Liebesgeständnis vorbereitet und mir die Worte schon in der Nacht zurechtgelegt. Und jedes einzelne Wort hatte ich ernst gemeint.

Ich war mir ziemlich sicher, dass Kevin ähnliche Gefühle für Mats hatte und dass dieser wirklich verzweifelt war, als der freche Dieb ihn verließ. So wie ich ‚meinen Kleinen’ einschätzte, ging ich davon aus, dass er Kevin seine Gefühle nicht zeigen konnte. Sie waren eben beide noch zu jung und blind dafür. Aber mehr als Mats aufzumuntern, kam für mich nicht in Frage. Wenn der Möchtegern-Callboy wirklich verliebt war, dann sollte er den nächsten Schritt unternehmen und dafür eine schwerwiegende Entscheidung treffen.

Für Mats hätte ich mir das wirklich sehr gewünscht. Doch erstmal würde ich die Dinge ihren Lauf nehmen lassen und vielleicht noch das ein oder andere Mal den Sex mit dem Kleinen genießen, es harmonierte einfach wunderbar. Wenn ein weiterer Nebeneffekt wäre, dass Kevin eifersüchtig würde, dann könnte auch das nicht schaden.

Vor einer entspannenden Dusche setzte ich noch schnell Kaffee auf, um mich kurz danach mit einer Tasse in die Garage zu begeben. Der ruhige Sonntag bot sich für die leisen Lackierarbeiten geradezu an. Doch die Ruhe hielt nicht lange.

„Thomas, wir müssen reden!“ Evelyn kam in die Garage gestürmt, rote Hektikflecken im Gesicht.

„Dir auch einen guten Morgen.“

Sie ignorierte meinen Gruß völlig. „Dieser Junge ist wieder bei dir. Und ihr hattet Sex, es war nicht zu überhören!“

Genervt verdrehte ich meine Augen. „Erstens: Der ‚Junge’ ist kein Kind mehr, sondern mehr als volljährig. Und ob wir miteinander schlafen oder nicht, geht dich absolut gar nichts an. Das ist seine und meine Privatangelegenheit!“

„Nein, Thomas, das ist mein Haus, es geht mich sehr wohl etwas an. Und mir ist egal wie alt er ist, er sieht wie ein Kind aus! Was sollen die Leute denken, wenn das rauskommt?“

„Dein Haus, meine Wohnung. Als Mieter habe ich Hausrecht. Willst du seine Ausweiskopie, damit du sie irgendwelchen Lauschern zeigen kannst?“ Allmählich wurde auch ich lauter, diese Frau brachte mich zum Kochen. Rainer versteckte sich lieber im Haus, allerdings öffnete sich nun meine Tür und Mats blickte etwas verstört in unsere Richtung.

„Ich will dir keinen Ärger machen, Tommy. Irgendwo komme ich vielleicht unter.“ Dass meine Vermieterin ihn so verunsicherte, machte mich wütend.

Demonstrativ ging ich zu ihm und umarmte den Kleinen. „Kommt nicht in Frage, ich habe es dir versprochen und du bleibst. Sie hat dabei nichts zu melden.“

Mats umarmte mich dankbar. „Ich hab dich echt lieb, Tom.“

Er ging beruhigt zurück in die Wohnung und auch Evelyn stampfte wütend zurück ins Haus, die Tür schloss sich hinter ihr mit einem Knall. Ja, vielleicht war ich ein Ex-Häftling, aber ich war auch ein Mensch mit Rechten und sie hatte keinerlei Macht über mich. Wenn sich doch nur die Wohnungssuche erfolgreicher gestalten würde. Ich hätte kein Problem, mir mit Evelyn einen kleinen Krieg zu liefern, aber Rainer tat mir leid, er war wirklich in Ordnung und ansonsten lief es zwischen den beiden wirklich gut.

Konzentriert pinselte ich die Holzteile ein, beinahe vergeblich bemüht das Wutzittern in meiner Hand zu unterdrücken. So bemerkte ich auch nicht die leisen Schritte hinter meinem Rücken.

„Machst du eigentlich nie Pause?“

Ich fuhr erschrocken herum und funkelte den Störenfried böse an, bis ich das grinsende Gesicht erkannte.

„René? Was machst du denn hier?“ Da stand er vor mir, der blonde Hüne und wieder bekam ich starkes Herzklopfen. Diese Wirkung hatte bisher noch kein Mann bei mir gehabt.

„Ich komme wohl ungelegen? Eigentlich wollte ich heute nicht mit einem Pinsel erstochen werden.“

Mein Blick fiel auf die Hand, die mein Werkzeug beinahe wie ein Messer hielt.

„Ähm, nein, sorry. Ich hab heute irgendwie nen schlechten Tag. Stress mit der Vermieterin.“ Der Pinsel landete auf dem ausgebreiteten Zeitungspapier. „Mit dir hab ich heute nur nicht gerechnet. Hat sich deine Tante über die Kommode gefreut?“

René kratzte sich hinter dem Ohr. „Naja, gefallen hat sie ihr schon, aber… ach, lassen wir das. Hast du öfter Streit mit ihr?“

„Frag mich lieber, wann wir keinen haben. Da ginge am ehesten noch die Fahrt hierher durch, nach meiner Entlassung. Ein Knacki ist schlecht für ihren Ruf.“ Die Sache mit Mats ließ ich ganz unter den Tisch fallen. „So ähnlich sehen das auch die meisten Eigentümer. Und dazu noch die Stütze… nicht so wichtig, es sind nicht deine Probleme. Mit einem richtigen Job würden meine Chancen sicherlich steigen.“

„Ah, sehr subtil“, lächelte er mich an. „Deswegen bin ich hier. Können wir kurz rein, ich hab was mit dir zu bereden.“

Ich hoffte inständig, dass Mats unsere Spuren ein wenig beseitigt hatte, auch wenn ich ihn nicht gerade für einen Ordnungsfanatiker hielt. Sicherheitshalber warnte ich René vor, dass sich kurzfristig ein Gast bei mir eingefunden hatte.

Ängstlich blickte ich durch die Schlafzimmertür und fand ein ordentlich gemachtes Bett vor. Durch das offene Fenster waren die Ausdünstungen unserer morgendlichen Aktivität verschwunden. Ich schickte ein kurzes Dankgebet zum Himmel. Mats hatte sich die Zeitung vom Vortag gegriffen und lümmelte sich konzentriert auf der Couch.

„René, darf ich dir Mats vorstellen und Mats, René verschafft mir vielleicht ein Probearbeiten bei seinem Onkel.“

Die beiden begrüßten sich kurz und mir entging nicht, dass Mats meinen anderen Gast misstrauisch musterte.

„Ja… das Probearbeiten. Darüber wollte ich mit dir sprechen.“

Mein Herz sackte mir in die Hose.

„Vergiss das ‚Vielleicht’. Onkel Karl möchte aber deine Bewerbungsunterlagen. Hast du eine Kopie für mich?“ René grinste mich frech an, während ich verzweifelt versuchte, meine entgleisten Gesichtszüge zu sortieren.

„Ernsthaft? Wow, warte kurz.“ Ich griff nach der Bewerbungsmappe im Regal über dem Sofa und fing kurz Mats anerkennenden Blick auf. Er wusste ja, wie sehr ich mir richtige Arbeit wünschte.

Vor lauter Nervosität glitt mir die Mappe aus den Händen und die Papiere breiteten sich vor Renés Füßen aus. Gleichzeitig bückten wir uns danach und stießen mit den Köpfen zusammen. Ich beeilte mich aus seinem Dunstkreis zu kommen, bevor mir sein Geruch ein Zelt in der Hose bescheren konnte.

„In irgendeinem Land, bei irgendeinem Stamm, bringt das bestimmt Glück“, stöhnte der Blonde und rieb sich über den Kopf. Mats kicherte leise.

„Sorry, ich.. ähm… diese Chance ist riesig, ich bin nur etwas nervös.“ Schnell raffte ich die Unterlagen zusammen und reichte René die gewünschte Kopie.

„Kein Thema, ist noch alles dran. Karl verzichtet übrigens auf dein Führungszeugnis, an deine Bewerbung konnte er sich noch erinnern. Vielleicht hättest du mit der Arbeitsprobe von Anfang an bessere Chancen gehabt.“

Dass es weder die Bilder, noch ein fertiges Möbelstück zum damaligen Zeitpunkt gab, verstand mein persönlicher Retter natürlich.

„Versprechen kann ich dir nichts und noch weiter helfen auch nicht. Es liegt ganz allein an dir, denn mit der Firma hab ich sonst wenig am Hut.“ Er zwinkerte mir zu. „Aber da mach ich mir eigentlich keine Sorgen, anhand der Bilder hat sich mein Onkel schon eine ziemlich positive Meinung gebildet. Den Rest sagt er dir morgen. Kann ich dich um 7:30 Uhr abholen?“

Aus einem Impuls heraus umarmte ich ihn kurz und René klopfte mir auf den Rücken, bevor er sich, mit meiner Zusage, wieder aus dem Staub machte. Zurück im Wohnzimmer fing Mats an zu lachen.

„Ich glaube, er gefällt euch“, kicherte er.

„Uns?“

Der Kleine grinste weiter und zeigte auf meine Hose. „Also, ihm gefällt er ganz offensichtlich.“

„Scheiße“, murmelte ich. „Ich hoffe, er hängt da nicht zu oft rum, sonst wird’s echt hart.“

Und wieder lachte Mats, mir wurde die Doppeldeutigkeit meines Satzes bewusst. Aber ich war froh, dass er es so locker nahm. Die kleine Ansprache im Bett schien wirklich angekommen zu sein.

„Ach, Tommy, vielleicht wird’s ja nicht so schlimm. Scharf sieht er ja aus und nett ist er auch noch. Ich würde dir einen Freund wie ihn gönnen, auch wenn das hier dann aufhören müsste.“

„Was müsste aufhören?“ Mein Zustand erschwerte mir das Denken.

Mein Hausgast stand von der Couch auf und ging vor mir auf die Knie. „Genau das hier“, sagte er noch und schwieg dann. Getreu dem Motto: ‚mit vollem Mund spricht man nicht’.

Natürlich ging auch Mats nicht leer aus, dafür machte es mir mit ihm einfach zuviel Spaß und der Besuch von René tat sein Übriges. Vergessen war der Stress mit Evelyn.

Recht bald danach rollte ich von ihm runter, unser kurzes Intermezzo hatte wieder im Schlafzimmer geendet. Sein Blick sagte mir, dass er reden wollte und nicht wusste, wie er anfangen sollte.

„Na los, du hast was auf dem Herzen.“

Erleichtert atmete er auf. „Na ja, wie würde es denn weitergehen? Wenn er und du…“

„Warum machst du dir jetzt darüber Gedanken? Ja, ich steh auf René und das war es auch schon. Er hat für seinen Onkel jemanden gesucht und gefunden, mehr nicht. Bei der Umarmung war er ziemlich steif, kein gutes Zeichen.“

„Du aber auch!“ Mats kicherte lauthals und ich knuffte ihm in die Seite.

„Anders steif“, lachte ich nun ebenfalls. „Aber rein hypothetisch, ich bleibe bei meinem Wort. Du müsstest dann vielleicht wieder mit der Couch vorlieb nehmen.“

„Okay, verstehe ich. Dann sollte ich mal dafür sorgen, dass ich wieder in meine Bruchbude komme.“

„Und es stört dich wirklich nicht, Kleiner?“

„Wirklich nicht. Du hattest ja mit allem recht.“

Mats kämpfte sich unter meinem Arm hervor und raffte seine Klamotten zusammen. „Ich geh schnell duschen und hol meine Unterlagen, okay?“

„Hey, gute Idee. Beeil dich, ich koche uns was zu essen. Hast du Lust auf was Bestimmtes?“

Er grinste frech und ich hob mahnend die Augenbraue. „Ach, du meinst das Essen! Nein, was immer du möchtest, ich werde es mögen. Lass dir Zeit, ich hab zwei Kilometer vor mir, gib mir 90 Minuten.“

Als Mats in der Dusche verschwand, legte ich mich grinsend zurück. Ich hätte mir nie vorstellen können, dass Sex so viel Spaß machen könnte, auch wenn man nicht Hals über Kopf verknallt ist. Das Gefängnis blendete ich bei diesen Gedanken völlig aus und erinnerte mich an das eine Mal mit Jakob. Durch die Angst vor Mac, war unser zärtlicher Akt die pure Hölle.

Mit einem fröhlichen „Bis später!“ verschwand mein Gast und ich begab mich ebenfalls unter die Dusche. Meine Freiheit gefiel mir von Tag zu Tag besser und besonders der Gedanke an Morgen verursachte Herzklopfen, die Aussicht auf richtige Arbeit und ein Wiedersehen mit René. Für seinen Wunschoptimismus bewunderte ich Mats, aber ich war zu sehr Realist, mein neuer Schwarm hatte eindeutig ein wenig Distanz aufgebaut, als ich mich ihm um den Hals warf. Vielleicht verstand er meine impulsive Reaktion ja trotzdem.

In der Küche legte ich zielstrebig die Zutaten für später bereit, meine Kochkünste beschränkten sich auf Nudeln mit Hackfleischsoße. Die Fleischbeilage würde am Fenster schnell auftauen.

Dann griff ich nach dem Telefon und meldete mich bei den Bankows für den nächsten Tag ab. Sie drückten mir natürlich die Daumen, auch wenn sie meinen Weggang bedauern würden.

Mittlerweile war eine Stunde vergangen und ich machte mich ans Werk, das Essen würde rechtzeitig fertig werden.

Nach 90 Minuten nahm ich die Nudeln vom Herd, wartend. Mein Magen knurrte bereits heftig. Ich starrte auf die Uhr und beobachtete die Zeiger. Zwei Stunden und keine Spur von Mats, was machte er nur so lang?

Die Zeit verging quälend langsam und ich wurde allmählich sauer. Warum meldete er sich nicht? Mir fiel es wie Schuppen von den Augen, wir hatten ja unsere Nummern nicht getauscht. Nach drei Stunden packte mich die Sorge, irgendwas stimmte hier nicht. Nervös tigerte ich durch die Wohnung, lief immer mal wieder bis zur Straße und hielt nach ihm Ausschau. Wenn ich seine Adresse gekannt hätte, dann wäre ich losgelaufen, so aber musste ich einfach nur warten. Hatte er sich vielleicht mit Kevin versöhnt?

Verzweifelt saß ich auf der Couch, mein Hunger war restlos verflogen, als es leise an meiner Tür klopfte.

Mats stand nach fast vier Stunden vor mir und wirkte verstört.

„Himmel, was ist los, Kleiner?“ Er warf sich nur in meine Arme und ich spürte sein Zittern. „Ist was mit Kevin?“

„Nein. Lass uns nicht reden, bitte. Halt mich einfach nur fest.“ Seine Stimme klang etwas brüchig.

„Aber…“

„NEIN!“ Er riss sich los und rannte ins Wohnzimmer. Ich folgte ihm und fand ihn zusammengekauert auf der Couch.

„Mats, wir können über alles reden, dass weißt du, oder?“

In seinem Blick lag pure Verzweifelung, aber er schüttelte den Kopf. „Bitte glaub mir, ich kann nicht. Sei einfach nur hier, bei mir. BITTE!“

Ich setzte mich neben ihn und griff um sein zitterndes Handgelenk, meine Finger lagen über dem Puls und der raste in einer besorgniserregenden Geschwindigkeit. Sofort vergrub er sein Gesicht an meiner Schulter und schluchzte. In mir machte sich absolute Hilflosigkeit breit, sein Anblick versetzte mir einen Stich.

„Alles ist gut, ich bin hier.“ Meine Hand streichelte vorsichtig über sein Haar und nur langsam beruhigte er sich etwas. Doch in seinen Augen blieb eine Veränderung zurück, ein gehetzter und leerer Ausdruck. Wo war ‚mein’ Mats geblieben?

Mit Müh und Not überredete ich ihn noch etwas zu essen, die erste Ladung Nudeln verschwand im Müll und ich kochte neue. Mats stocherte abwesend in seiner Portion und schwieg weiterhin verbissen. Daran änderte sich auch nichts, als wir ins Bett gingen. Der Kleine presste seinen Rücken eng an meine Brust und wickelte meine Arme wie eine Decke um sich.

„Schläfst du schon, Tom?“, fragte er nach einer Weile im Flüsterton.

„Nein, noch nicht. Willst du reden?“

Er schüttelte nur den Kopf. „Versprich mir nur, dass du mich nicht hassen wirst.“

„Warum sollte ich das tun? Mats, bitte, was ist los?“

„Versprich es mir bitte. Ich bin nicht schlecht…“ Diesem verwirrenden Satz folgte ein leises Schniefen.

„Natürlich bist du das nicht. Ich verspreche es dir, egal was ist, wir schaffen das. Okay?“

Auf die Antwort wartete ich vergeblich, mein neuer bester Freund war eingeschlafen. Noch eine Weile versuchte ich mir einen Reim auf dieses merkwürdige Verhalten zu machen, ohne Erfolg. Das war einfach nicht zu erklären, solange Mats nicht redete.

Für einen Moment schloss ich die Augen und erschrak beinahe, als mein Wecker 6 Uhr anzeigte. Wirklich erholt war ich nicht. Mein Kleiner und ich hatten unsere Position nicht verändert, noch immer lag er in meinen Armen. Vorsichtig löste ich mich von ihm.

„Guten Morgen, Tommy“, flüsterte er leise.

„Hey Kleiner. Schlaf noch ein wenig, ich muss leider raus. Oder soll ich absagen? Möchtest du das ich hierbleibe?“

„Nein, du musst das unbedingt machen. Geh duschen, ich koche uns Kaffee.“

Mit einem besorgten Blick musterte ich ihn, seine Stimme gefiel mir nicht, sie war monoton und traurig. Und wie er aussah… Evelyn würde ihn sicher nicht für ein Kind halten. „Okay, das ist lieb von dir.“

„Tom?“

„Ja, Kleiner?“

Er sah mich mit feuchten Augen an. „Egal was passiert, ich hab dich wirklich sehr lieb. Vergiss das bitte nie.“

Langsam bekam ich es mit der Angst zu tun, denn ich kannte diesen Blick, den Klang der Stimme. Er war wie Jakob, damals im Keller des alten Industriekomplexes, gebrochen von der Angst. Aber was hatte ihm so zugesetzt? Mir traten Tränen in die Augen. „Ich hab dich auch lieb.“

„Geh duschen, René kommt bald!“ Er krabbelte aus dem Bett und schlurfte mit hängenden Schultern in Richtung Kochecke. Ob ich ihn wirklich alleine lassen konnte? Natürlich war mir der Job wichtig, aber… Frustriert schlug ich meine Faust gegen die nasse Fliesenwand und stellte das Wasser ab.

„Vergiss es, ich lass dich nicht alleine!“

Mats musterte mich ausdruckslos. „Geh! Tu mir nur einen Gefallen und schließ die Tür hinter dir ab. Bitte.“ Ich wollte einlenken, doch er schnitt mir das Wort ab. „Frag nicht, mach es bitte.“

„Du machst mir Angst. Ich versteh nicht, was mit dir passiert ist…“

„Es ist alles okay“, log er und setzte ein bemühtes Lächeln auf. „Ich warte hier auf dich. Du solltest dir aber noch was anziehen.“ Und nach einer kurzen Umarmung ergänzte er, „vorher abtrocknen kann auch nicht schaden, Kaffee ist gleich fertig.“

Vergeblich wartete ich auf ein kleines Zwinkern oder ein freches Grinsen. Aber er hatte recht, die Dusche hatte ich etwas überstürzt verlassen.

Als René klingelte, folgte ich Mats Wunsch mit einem unguten Gefühl. Ihn in der Wohnung einzusperren war mehr als seltsam. Gut, notfalls konnte er durch ein Fenster raus. Kaum hatte ich das gedacht, schlossen sich nach und nach ringsum die Außenrollos.

„Was ist los? Du siehst schlecht aus.“ René entging mein missmutiger Gesichtsausdruck natürlich nicht.

„Keine Ahnung. Irgendwas stimmt mit Mats nicht. Seit gestern… lass uns nicht darüber reden, okay? Ich muss mit ihm selber klären, was los ist.“

„Natürlich. Wollen wir deinen Probetag verschieben? Das wäre in Ordnung.“

„Nein, er will das auch nicht. Denke ich. Eigentlich weiß ich gerade überhaupt nicht, was er will.“

Irgendwas schien meinen Fahrer zu beschäftigen. „Seid ihr eigentlich verwandt?“

„Nein, wie kommst du denn da drauf?“

„Nur so. Ihr wirkt so vertraut. Dachte, er könnte vielleicht ein jüngerer Cousin sein, oder so.“

Die Art, wie er ‚jüngerer’ Aussprach, gefiel mir nicht.

„Wir haben uns angefreundet und so jung ist er mit 19 auch nicht mehr.“ Was bloß immer alle mit dem Alter hatten?

„Sorry, ich wollte dir nicht zu Nahe treten. Du hast natürlich recht, mit 19 ist er nicht zu jung.“

Angriffslustig sah ich zu René rüber. „Zu jung für was?“

„Ähm…“, ahnte er etwas? Zumindest wurde er rot. „Na für alles nicht. Nichts Spezielles.“

„Ich kümmere mich lediglich um ihn, er hat im Moment Probleme. Offensichtlich größere, so wie es gerade aussieht.“ Meine Stimme hatte einen aggressiven Tonfall angenommen. Auch wenn ich René heiß fand, er ging mit seinen Worten zu weit, es ging ihn nichts an. Es war ja beinahe schon ein kleines Verhör.

„Hey, kein Grund sauer zu sein, ich war doch nur ein wenig neugierig. Tut mir leid.“

„Unser Verhältnis geht dich nichts an, also wäre ich tatsächlich dankbar, wenn du es nicht mehr ansprichst.“ Sein Versöhnungsversuch verpuffte wirkungslos.

„Verstanden, du hast ja recht.“

Wir fuhren ein wenig außerhalb von Berlin über die Landstraße, der Verkehr war recht ruhig und wir kamen gut voran. Keiner von uns sagte mehr was. Nach insgesamt 40 Minuten fuhren wir auf das Gelände der Schreinerei. Es war beeindruckend. Rechter Hand lagen die Werkhallen und auf der linken Seite befanden sich einige Wohnhäuser, kleine Einfamilienresidenzen, vor einem schmalen Waldstreifen und um ein kleines Grundstück herum. Sogar einen Basketballplatz entdeckte ich, unweit der Arbeitshallen. Aber noch etwas anderes fiel mir auf – weit und breit hatte ich auf dem Weg keine Haltestelle gesehen.

„Sag mal, mit öffentlichen Verkehrsmitteln kommt man hier nicht weit, oder?“

„Ja, das stimmt. Aber darüber würde ich mir keinen Kopf machen, falls du den Job bekommst. Einen Führerschein hast du doch, oder?“

„Ja, hab ich. Bin nur ewig nicht mehr gefahren. Mehr als fünf Jahre nicht.“

„Das wirst du bestimmt hinbekommen. Mein Onkel hat ein paar Firmenwagen, einen davon könntest du haben, ist schon geklärt. Also, wenn du hier anfängst.“

René war mittlerweile sehr reserviert, nahezu abweisend, nachdem ich ihn so angeschnauzt hatte. „Es tut mir leid, dass ich vorhin lauter geworden bin. Meine Nerven liegen etwas blank. Das Probearbeiten, jetzt das seltsame Verhalten von Mats und der unbedingte Wunsch es hier und heute nicht zu versauen.“

Ich streckte meine Hand aus und hielt sie ihm entgegen. Der Blondschopf musterte mich einen Moment etwas bockig, schlug dann aber mit einem versöhnlichen Lächeln ein. „Ist okay, ich war anmaßend.“ Dass ein so junger Typ solche Worte benutzte, überraschte mich etwas.

„Ein wenig“, lächelte ich zurück.

„Okay, hier kommt ein Friedensangebot von mir: Schau doch nach Feierabend bei mir vorbei, auf ein Bier. Danach fahr ich dich heim. Na?“

„Ja, klar, gerne. Aber wo wohnst du?“

René deutete auf das erste Haus, das mit dem Basketballplatz vorne an. „Wir wohnen alle hier. Und das ist mein eigenes kleines Reich.“

Und damit gebührte ihm sicherlich der Preis für die Untertreibung des Jahres. Dieses Haus als kleines Reich zu bezeichnen grenzte schon fast an Größenwahn.

Als ob er meine Gedanken erraten hatte, korrigierte er sich auch sofort. „Naja, mein Reich halt.“ Die Worte begleitete er mit einem kleinen Zwinkern, welches mich beinahe schwach werden ließ. Er war einfach sexy und nun musste ich auch noch die Hoffnung begraben, dass er sich hier nicht all zu oft herumtrieb. „Na komm, Onkel Karl wartet bestimmt schon. Die Firma hat gut zu tun, ein großer Auftrag.“

Zusammen verließen wir den Wagen und ich folgte René zu einem flacheren Gebäude, offensichtlich der Bürobereich. Hinter der Tür empfing mich ein Geruch, den ich schon im Gefängnis zu schätzen wusste, der würzige Duft von Holz, der sich durch den feinen Staub entfaltete. Und zugleich ein rauchiges Aroma von Brettern, die durch die Schleifmaschinen erhitzt wurden. Wer den Holzgeruch nur aus dem Baumarkt kannte, der würde meine Begeisterung nicht verstehen, denn hier war es das reine Material und nicht die mit Leim und Chemie versetzten Imitationen, aus Spänen gepresst, wo die Säge stinkende Wunden in die Struktur riss und giftige Dämpfe freisetzte. Sofort fühlte ich mich wohl und entspannte ein wenig. Durch eine Seitentür, die direkt in die Werkshalle führte, erhaschte ich einen Blick auf die großen Maschinen.

Karl Wobrecht telefonierte bereits mit einem Kunden und wies uns an zu warten.

„So, Sie sind also Herr Ingenberg?“, begrüßte er mich, nachdem der Hörer wieder in der Station lag.

Ich nickte und schüttelte die schwielige Hand.

„Ich hoffe, Sie verzeihen mir, dass ich gewisse Vorbehalte hatte. Aber mein Neffe hatte überzeugende Argumente dabei. Das waren gute Arbeiten. An wenigen Stellen etwas unsauber gearbeitet, aber René hat mir erzählt, dass sie nur wenig Werkzeug zur Verfügung hatten.“

„Das stimmt, ich wollte eigentlich nur in Übung bleiben. Aber wie das so ist, manchmal braucht man Geld und ich hab mich zu einem Verkauf entschlossen. Vielleicht eine wirklich gute Idee, hoffe ich.“

„Das werden wir sehen. Sie arbeiten heute mit einem der Meister und gehen ihm ein wenig zur Hand. Er wird testen, in wieweit wir Sie hier einsetzen können.“

Karl Wobrecht zählte ein paar der Maschinen auf, an denen ich eventuell arbeiten müsste und mir fiel ein kleiner Stein vom Herzen, denn mit fast allen hatte ich im Gefängnis Erfahrungen gesammelt. Dass diese etwas kleiner waren, als die Modelle hier, machte dabei keinen großen Unterschied.

René verabschiedete sich mit einer ‚Daumen-hoch-Geste’ und ließ mich mit seinem Onkel alleine. Ich erfuhr einiges über die Geschichte der Firma und über einige Referenzprojekte. Insgesamt tummelten sich knapp 30 Mitarbeiter auf dem Gelände. Die Schreinerei war keine ‚Fastfood-Bude’, wie mir der Chef erzählte, wer hier etwas in Auftrag gab, der benötigte Geduld und Geld.

Martin Klein, der Meister der mir zugeteilt wurde, war mit der Sanierung eines Jagdhauses beschäftigt, von einem reichen Geschäftsmann in Auftrag gegeben. Bei den Bildern des Anwesens, anders konnte man das ‚Haus’ nicht nennen, blieb mir die Luft weg. Es war, von der Größe her, mit zwei Wohnhäusern der Familie vergleichbar.

Herr Klein, den ich beim Vornamen ansprechen sollte, erklärte mir, dass allein für dieses Projekt sechs Monate geplant waren, mit insgesamt zehn Mitarbeitern. Nahezu die komplette Holzkonstruktion, größtenteils tragende Teile, musste ausgetauscht werden. Der Bau hatte bereits mehr als 200 Jahre auf dem Buckel. Allein das Material kostete Unsummen. Die Fertigung aller Elemente fand, selbstredend, in den Hallen auf diesem Gelände statt. Langeweile kannte man hier nicht.

Der Tag verlief beim Zuschneiden von Balken und den ersten Handgriffen an der großen Fräse wie im Fluge. Wie einfach es hier gewesen wäre, die Stühle und die Kommode zu restaurieren, für jede Arbeit das passende Werkzeug. Ich fühlte mich wie ein kleines Kind im Spielwarenladen, sogar die Sorgen um Mats traten ein wenig in den Hintergrund.

„So, Feierabend, Thomas. Du kannst dir dahinten den Staub wegduschen, ich muss erstmal mit dem Chef reden.“

Ich sah auf die Uhr und erschrak, die 9 Stunden waren nahezu verflogen. „Hab ich Chancen, Martin?“

„Kann ich dir nicht sagen, das muss Karl entscheiden.“

Meine Zuversicht bröckelte etwas, als der Meister im Büro verschwand, er ließ sich wirklich nichts anmerken. Ich lief in Richtung der Duschen und begrüßte die Anwesenden, ließ mir die Verunsicherung nicht anmerken, denn überfüllte Sammelduschen weckten negative Erinnerungen. Ein wenig abseits zog ich meine Klamotten aus und klopfte, über einem Waschbecken, die hartnäckige Schicht Holzstaub aus den Fasern. An Wechselkleidung hatte ich natürlich nicht gedacht.

„Hi, ich bin Sven“, begrüßte mich einer der Mitarbeiter, dem ich heute des Öfteren über den Weg gelaufen war. Etwas bemüht versuchte ich, ihn nicht zu genau zu mustern. Die Jungs hier waren alle ziemlich fit. „Wir haben uns gerade gefragt, ob du jetzt der Neue bist.“

„Thomas. Wenn ich das nur wüsste, Martin ist gerade beim Chef. Bald weiß ich mehr.“

„Da musst du dir eigentlich keine Sorgen machen, der ‚kleine Meister’ sah ganz zufrieden aus.“

„Abwarten, der Kuchen muss erst gebacken werden, bevor man ihn essen kann“, entgegnete ich noch vorsichtig. Thomas Ingenberg und Glück, das passte meist nicht zusammen.

Nach einer kurzen Dusche war ich wieder frisch. Natürlich gab es keine Übergriffe, aber das angespannte Gefühl würde noch eine Weile bleiben. Grund zur Angst gab es jedenfalls nicht, die Jungs balgten sich wie die Kinder, hier herrschte ein verdammt gutes Klima.

20 Minuten später schmorte ich noch in Unwissenheit, bis Martin mich hereinrief. Unsicher betrat ich den Raum.

„So, ich habe einen ausführlichen Bericht bekommen. Was denken Sie denn über Ihre Leistung heute?“

„Ganz okay, Herr Wobrecht. Das hier hat mit dem Gefängnis wenig zu tun, aber ich könnte noch besser werden.“

„Ganz okay. Hmm-hmm… könnten Sie also.“ Ich erwartete fast schon einen Rauswurf und spielte nervös mit meinen Fingern. Meine Antwort war ein absolutes No-Go, schlechter konnte man sich selbst nicht verkaufen.

„Also, ich befürchte, dass Sie hier vielleicht nicht allzu viel dazulernen können, Martin war beeindruckt. Und bitte, nenn mich Karl, wie alle Mitarbeiter hier. Herzlich Willkommen in unserer Firma, Thomas. Du scheinst ein Glücksgriff zu sein und eine lehrreiche Erfahrung für mich. Ich habe damals vorschnell entschieden.“

Fassungslos griff ich nach der dargebotenen Hand und schlug ein. Wir besprachen nur noch ein paar Details. Geldprobleme würde ich künftig kaum noch befürchten müssen, die Entlohnung war ein Traum.

In zwei Tagen würde ich anfangen können, damit ich meine Amtsgänge erledigen konnte.

Freudestrahlend machte ich mich auf den Weg zu René, das angebotene Bier konnte ich gut gebrauchen. Kurz darauf stand ich vor der Tür und klingelte.

„Ich bin im Garten, komm ums Haus“, rief er mir entgegen.

Der schmale Weg führte an ein paar gepflegten Beeten vorbei, bis ich direkt auf einer größeren Rasenfläche stand. Der Garten war eine Wucht, die hintere Mauer grenzte an das Waldstück. Weiter hinten in der Ecke plätscherte ein Teich vor sich hin. Hier ließ es sich aushalten. Auf der Natursteinterrasse fand ich dann René und schluckte heftig. Seelenruhig lag er auf einer Sonnenliege, eine dunkle Brille auf der Nase und präsentierte sich mir in voller Pracht, seine Figur war beneidenswert geil. Definierte Muskeln, beinahe wie gemeißelt und doch unter der glatten Haut weich wirkend. Die knappe Badehose konnte ich getrost als ‚fast nicht vorhanden’ bezeichnen.

Er stand auf und schob die Brille in seine Haare hoch, entblößte fragende Augen. „Wie war’s?“

„Wir sehen uns wahrscheinlich öfter“, grinste ich leicht gequält. Der Anblick war fast zuviel für mich.

„Wow, herzlichen Glückwunsch!“ Nun drehte sich die Szene vom Vortag um, René umarmte mich herzlich und ich stand stocksteif da, in mehrfacher Hinsicht. „Sorry“, lachte er, „ich schwitz wie ein Schwein und stink wahrscheinlich auch so.“

Ich räusperte mich. „Keine Ahnung, hab nichts gerochen.“ Das war gelogen, und wie ich ihn gerochen hatte.

„Komm, setzen wir uns da rüber.“ Er deutete auf eine gemütliche Hollywood-Schaukel. Daneben stand eine Kühlbox und er zauberte zwei Flaschen hervor, alkoholfreies Bier für sich und den richtigen Stoff für mich. Die Hoffnung, dass er sich was überziehen wollte, konnte ich sofort danach begraben. Etwas verkrampft setzte ich mich daneben, sehr bemüht, mein stocksteifes Problem vor ihm zu verbergen.

„Ich freu mich echt für dich, ist ne super Chance. Und gefällt es dir da auch?“

„Gefallen? Ich liebe es! Die Kollegen scheinen nett, tolle Stimmung und viel zu tun, das Geld stimmt und hier kann ich mich richtig austoben. Es ist ein kleines Paradies. Danke, wirklich René, du hast was gut bei mir.“

„So, was denn?“ Er grinste mich an.

„Alles“, schoss ich raus und ruderte panisch zurück. „Alles was machbar ist.“

Er fing an zu lachen. „Wir können ja mal was trinken gehen, du zahlst. Hast du zufällig grad Lust auf ‘ne Runde Basketball?“

Ich sollte ihm beim Rumhüpfen zusehen? Das wäre zuviel für meine Hormone gewesen. „Sorry, trinken gehen ist gebongt, aber für das andere bin ich echt zu fertig.“

Nach dem zweiten Bier ließ ich mir die Toilette zeigen und im geräumigen Flur dieses traumhaft modern eingerichteten Hauses stutzte ich. „Wolltest du die“, ich zeigte auf die Kommode, „nicht deiner Tante geben?“

„Naja, schon, aber die gefällt mir einfach. Sie muss selber suchen, ich finde, die passt hier super rein. Ein kleiner Kontrast zu den anderen Möbeln.“

Kurz darauf saßen wir wieder draußen und ich erlaubte mir ein paar unauffällige Blicke. René wollte mir gerade ein drittes Bier reichen, da fiel mein Blick auf die Uhr.

„Bringst du mich bitte schnell heim? Mats ist jetzt schon über 12 Stunden allein, ich hab ihn total vergessen. Gott und das in seinem Zustand.“ Das Hochgefühl war weg, ich fühlte mich scheiße.

„Klar, kein Thema. Ich hab auch nicht mehr daran gedacht.“

Dieser Traum von einem Mann verschwand im Haus und kehrte bald zurück, endlich ein wenig besser verhüllt. „Na komm, wir können los. Ich fand es war trotzdem ein schöner Abend.“

„Fand ich auch. Wenn es dem Kleinen besser geht, dann können wir das gerne wiederholen.“

Am Anfang der Fahrt schwieg ich nachdenklich, überlegte mir, wie man über René mehr erfahren könnte, ohne dabei zu aufdringlich zu sein.

„Sag mal, machst du eigentlich noch was anderes, außer Basketball?“

„Ja, warum fragst du?“

„Nur so, ich dachte mir schon, dass die Figur nicht allein davon kommt.“ Hoffentlich war ich damit nicht wieder einen Schritt zu weit vorgeprescht, er ließ sich jedoch nichts anmerken.

„Nein, sicher nicht“, lachte er. „Ich mach seit siebzehn Jahren Karate und probier immer mal was Neues aus. Seit einigen Monaten probiere ich es mit Capoeira, bin aber grottenschlecht. Ich übe zwar wie ein Weltmeister, leg mich aber ständig hin dabei. Bist du neidisch?“ Und da war es wieder, dieses Grinsen, welches beinahe schon anzüglich wirkte. Noch wurde ich aus diesem Kerl nicht schlau.

„Vielleicht ein wenig, ja. Seit siebzehn Jahren? Hast wohl ziemlich früh angefangen.“ Zur Abwechselung horchte ich ihn mal ein wenig aus, so unverfänglich wie möglich. Sein Alter interessierte mich, er war schlecht zu schätzen.

„Nein, eigentlich nicht, sogar ziemlich spät. Es ging mit ungefähr acht Jahren los, die Meisten waren schon ne Weile dabei. Und Thomas, wenn du wissen willst, wie alt ich bin, dann frag doch einfach, ich bin 25.“ Ich fühlte mich ertappt und wurde leicht rot, René kicherte vergnügt. „Sorry, du bist nicht gerade ein geschickter Frager. Aber Neid hast du doch nicht nötig, bist selber gut in Form, oder nicht?“

„Geht so. Ich mach so nicht viel, hab im Knast oft im Kraftraum gesessen, aber seit der Entlassung nichts mehr gemacht, Studio kostet Geld.“

„Geld ist jetzt nicht mehr das Problem, aber sparen könntest du es dir, hab im Keller ein paar Geräte. Zeig doch mal.“

„Was?“, fragte ich dümmlich zurück.

„Na deinen Body, was denn sonst?“

Mein Herz klopfte heftig, was sollte das jetzt? „Hier?“

„Wo denn sonst? Ist doch kein Problem, oder? Du hast nix was ich nicht auch kenne.“

Nervös langte ich in den Saum meines Shirts und lüftete es ein wenig nach oben.

„Nicht so schüchtern“, grinste er, „Man, zieh es doch kurz aus, so sehe ich ja nix.“

Seufzend folgte ich der Bitte und spürte die steigende Erregung in mir. In meinen Gedanken fühlte ich seine Hand auf mir, tastend und forschend.

Doch er schenkte mir lediglich einen kurzen Seitenblick. „Ich weiß nicht was du hast, die Mädels fallen bestimmt um, wenn sie das sehen. Kenn ich ja von mir. Ständig wollen sie mal anfassen, ist echt schwer die sich vom Leib zu halten. Ich hasse das, wenn die so aufdringlich sind.“

„Ja, natürlich, reihenweise“, seufzte ich und zog mein Shirt wieder an. Deutlicher hätte er nicht mehr werden können. „Läuft bei dir sonst bestimmt gut mit den Mädels, oder?

„Ein Gentleman genießt und schweigt, weißt du doch.“ Er zwinkerte frech. „Aber du sei ruhig ein wenig selbstbewusster, du kannst es dir erlauben, siehst wirklich gut aus.“

Der Typ verwirrte mich zutiefst.

„Gebe ich gern zurück, aber mehr Selbstbewusstsein brauchst du bestimmt nicht.“

René sah mich einen Moment nachdenklich an und trommelte mit den Fingern auf dem Lenkrad herum, bis er sich vernehmlich räusperte.

„Danke, aber weißt du, es war nicht immer so. Mit dem Sport hab ich nicht nur aus Spaß angefangen. Das, was ich dir jetzt erzähle, bleibt unter uns, sonst muss ich dich töten, okay?“

„Versprochen“, antwortete ich verwirrt.

„Also, ich litt damals an einer Stoffwechselstörung und war… naja, fett. Die Störung ging weg, aber ich bin dabei geblieben, irgendwann hat es mir dann doch Spaß gemacht. Deswegen höre ich so was auch heute noch gerne. Selbstsicherheit ist halt auch nicht immer echt.“

Ich schluckte schwer. „Okay, kann ich mir bei dir eigentlich nicht vorstellen. Aber warum erzählst du mir das?“

„Ganz ehrlich? Keine Ahnung!“ Sein Lachen klang nicht ganz echt. „Ich hatte noch nie einen Kumpel, der im Knast war und… ach, vergiss das einfach wieder.“

„Kumpel? Beende den Satz bitte.“

„Nur wenn du willst… wir verstehen uns doch ganz gut, oder? Und…“, er seufzte. „Ich will jetzt nicht dämlich klingen, aber du scheinst ja Probleme zu haben, wegen der ganzen Vorurteile. Also ich hab keine, wirklich, aber vielleicht hilft es ja wenn du weißt, dass nicht immer alles so ist wie es scheint.“

Die Erklärung war toll und hilfreich, denn jetzt verstand ich eigentlich überhaupt nichts mehr.

„Ich rede gerade ‘nen ziemlichen Scheiß zusammen, oder?“ Wieder folgte ein unsicheres Lachen.

„Ja, ich glaub schon.“ Ich boxte ihm leicht gegen den Arm. „Aber das Wichtige ist angekommen, denke ich. Von mir aus können wir gerne Freunde werden, schauen wir einfach mal. Und du hast recht, es fällt mir manchmal schwer mit der ganzen Ablehnung umzugehen. Gerade bei meiner Vermieterin ist es schlimm, ich bin mit ihrem Mann befreundet, er arbeitet in der JVA und hat mir die Wohnung verschafft, gegen den Widerstand seiner Frau. Die Ehe der beiden leidet unter meiner Anwesenheit. Aber bald kann ich mir etwas Neues suchen, mit dem Geld aus der Schreinerei.“

„Das tut mir leid, ist bestimmt nicht einfach. Aber was ist denn ihr Problem? Du scheinst mir doch ganz anständig zu sein, eigentlich kaum vorstellbar, dass du gesessen hast.“

„Es geht scheinbar nur um ihren Ruf, das Ansehen. Ich verstehe es ein wenig. Und danke, aber ich saß zu Recht. Eigentlich hätte ich mehr verdient, für alles was ich getan habe.“

René sah mich betroffen an. „Was war es denn, wenn ich fragen darf?“

„Vielleicht irgendwann, ja? Es ist schwer für mich darüber zu reden, denn beinahe hätte ich das Leben eines wirklich großartigen Jungen zerstört.“ Bei dem Gedanken an Jakob, kamen mir wieder die Tränen. Nach dem Gesetz war meine Schuld abgegolten, aber nicht für mich.

Er legte seine Hand auf meinen Unterarm, doch ich zog weg, Berührungen konnte ich in diesem Moment nicht ertragen, besonders nicht von ihm. Mein Körper verlangte nach ihm und mein Herz… es wollte ihn auch immer mehr. Ausgerechnet ihn, von dem die Frauen nicht die Finger lassen konnten.

„Mach dich nicht so fertig deswegen, du bist ein anderer als damals, hast dich geändert. Jetzt geht es für dich wieder aufwärts.“

Er hatte leicht reden, aber für die Worte war ich dankbar. Dass unser Gespräch länger gedauert hatte, merkte ich, als wir in meine Straße einbogen.

„Danke fürs Heimfahren. Komm gut zurück.“ Ich hielt ihm die Hand hin.

„Gute Nacht, Thomas.

Ich stieg aus und ging zur Tür. René sprang aus dem Auto und kam hinterher.

„Moment noch, wann fängst du eigentlich an? Ich hol dich dann wieder ab.“

„Donnerstag, ich hab zwei Tage für die Behördengänge bekommen.“

„Okay, ich bin dann hier, so wie heute. Schlaf gut.“

Plötzlich nahm er mich in den Arm und drückte mich leicht. „Alles wird gut, Tom, du wirst sehen, okay?“

Etwas hastig ließ er mich los und verschwand in seinem Wagen, ich blieb mit klopfendem Herzen zurück.

„Oh scheiße, Mats!“ Ihn hatte ich wieder komplett vergessen.

Mats

Jedes Geräusch ließ mich zusammenzucken, seit Tom die Wohnung verlassen hatte. Ich hätte ihn bitten sollen zu bleiben, er war gerade mein Schutzwall und auch der Grund meiner Probleme. Zumindest zum Teil. Hätte ich nicht geklaut, dann säße ich jetzt nicht in der Falle.

Der Gedanke, an den gestrigen Abend, löste wahre Zitteranfälle in mir aus, nackte Angst. Dabei fing der Tag unglaublich gut an. Tom hatte mit mir geschlafen, mich bombastisch gefickt und es war der beste Sex seit langem – pure Lust und Leidenschaft, mit einer Zuneigung, die der Liebe in kaum etwas nachstand. Seine Freundschaft war mir enorm wichtig und er war es, der mir sagte, wen ich wirklich liebte. Und nun waren alle in Gefahr: Tom und Kevin.

Ich hatte mich erpressbar gemacht, war unvorsichtig geworden und enttäuschte nun alle.

Mit geschlossenen Augen versuchte ich mich an den verhängnisvollen Abend zu erinnern.

Etwas lustlos krabbele ich aus dem kuscheligen und schmalen Bett, in dem wir es gerade wie die Karnickel getrieben haben. Ich bin so herrlich erschöpft und befriedigt. Toms Bedingungen sind mehr als fair und so beschließe ich, gleich meine Unterlagen aus der Wohnung zu holen, während er uns etwas zum Essen kocht.

Doch kurz nach betreten meiner Wohnung, nimmt alles eine neue Wendung.

Der Gestank in meiner Wohnung kann mein Hochgefühl nicht trüben. Toms Anblick, der durch die Umarmung von René total spitz wurde, war einfach zu geil. Sofort war der Ärger über die Vermietertussi vergessen.

„Ich bin doch echt kein Kind mehr“, sage ich, leicht kichernd, zu mir selbst. „Tom hat mich so was von zum Mann gemacht!“ Ja, ich bin total albern und gelöst.

Im Wohnschlafzimmer gehe ich zielstrebig auf das Bett zu, stecke meinen Kopf unter das Gestell und suche nach der zerfledderten Mappe. Der Staub kitzelt mir in der Nase und ich muss niesen. Plötzlich klopft es an der Tür. Kevin? Würde mich wundern. Wahrscheinlich wieder der Hausmeister, oder? “Nein“, sage ich zu mir selbst, der dürfte wie immer besoffen in einer Kneipe rumliegen. Das Gepolter bei seiner Heimkehr hätte ich gehört.

Es klopft wieder, diesmal energischer.

„Verdammte Scheiße! Moment, ich komm ja schon.“

Trotzdem klopft es wieder. Ich öffne die Tür einen Spalt und werde zurückgeworfen, die Klinke knallt an die Wand. Putz rieselt herunter.

Ein fetter Typ mit Schnauzer läuft einfach an mir vorbei und rümpft die Nase, beschwert sich über den Gestank. Angesäuert stehe ich auf und übersehe die zwei Schlägervisagen, die an der Tür lauern. Ich reibe mir den schmerzenden Hintern und kassiere einen Tritt, der mich wieder zu Boden wirft.

„Bringt ihn zu mir“, befiehlt die Qualle, wie ich den Schnauzertyp nun nenne, und ich werde im Nacken gepackt. Der Schläger hebt mich mühelos hoch und befördert mich ins Wohnzimmer. Ich bin nicht mehr sauer, sondern mache mir fast in die Hose.

„Nicht ganz, was ich von meinen künftigen Mitarbeitern erwarte, aber zweckmäßig“, sagt die Qualle.

Hat der Typ einen Knall? „Mitarbeiter? Du hast wohl den Schuss nicht gehört!“

Die Antwort kommt nicht von Schnauzi, sondern vom zweiten Bodyguard und besteht aus einem Schlag mit der flachen Hand gegen meinen Hinterkopf. Ich sehe Sterne und schwitze vor Angst. Ein Tropfen läuft mir von der Stirn ins Auge und es brennt ein wenig.

„Du nur sprechen, wenn Boss erlaubt“, belehrt mich einer der Schläger mit russischem Akzent. Ein unnötiger Satz, durch den Angriff habe ich das schon verstanden.

„Mitarbeiter, genau. Und nein, ich bin völlig in Ordnung. Aber wer hier gleich den Schuss nicht mehr hört….“ Die Qualle lässt den Satz offen und dreht sich zu mir um. Der polierte Knauf seiner Knarre, der unter dieser kotzlilafarbenen Jacke hervorblitzt, ist wahrscheinlich Antwort genug.

„Wir verstehen uns“, stellt er überlegen fest und greift in seine Jackentasche. Vor meinen Füßen landet ein kleiner Stapel Papier. Ich bin nicht sonderlich fotogen, stelle ich fest, besonders nicht, wenn meine Hand in einer fremden Tasche steckt. Auf der Bilderserie verlässt meine Hand die besagte Tasche. Sie zeigen meinen letzten Diebstahl im Boulevard, den leeren Geldbeutel.

„Ich habe ein paar Erkundigungen über dich eingeholt, Mats Ole Jorgensen. Bewährung, hmm? Die schlechten Angewohnheiten wird man einfach nicht los. Und, bist du nun mein Mitarbeiter?“ Dieses überlegene Grinsen ist ekelhaft, ich möchte es ihm aus der Fresse schlagen, aber vor Angst kann ich nicht mal einen Finger heben.

Ich starre weiterhin auf die Bilder, warum ich? Was ist hier falsch gelaufen? Mein Schweigen bringt mir einen neuen Schlag ein. „Antworte!“ Meine Panik wird riesig, der Gedanke an Gefängnis ist unerträglich, Tom hat mir dafür die Augen geöffnet, ich will nicht täglich vergewaltigt werden.

„Was willst du von mir?“

„Wir haben einen gemeinsamen Bekannten, er ist mir noch was schuldig. Und da ich schon länger ein Auge auf ihn habe, bist du mir natürlich auch sofort aufgefallen. Sieht so aus, als ob er dich mag. Das macht dich perfekt für meinen Plan.“ Der Kerl lacht dreckig. „Ich suche noch einen Geschäftspartner, der ab und an schöne Dinge für mich verkauft, Sachen die viel Freude bringen. Du kannst natürlich nein sagen, aber dann gehen die Bilder zur Polizei. Ich hab auch noch ein hübsches Foto von dir, mit Tin zusammen. Hat er dich etwa angestiftet?“ Das Lachen wird noch eine Spur finsterer.

„Tin?“ Den Namen habe ich noch nie gehört.

„Ach ja, unser Tomboy nutzt seinen alten Künstlernamen nicht mehr.“

Ich werde blass. „Dann muss er doch zurück in den Knast?“ Tom ist das Beste, was mir im Moment passieren konnte, ein Ausweg aus dem Übel. Der Typ hat mich in der Hand, ich kann Thomas nicht ans Messer liefern. „Ich kann mich auch stellen.“

Was hat Tom noch gesagt? Ich bedeute Ärger für ihn. Und, verdammte Scheiße, er hat recht. Dann ertrage ich lieber den Knast und hoffe, dass es mich nicht zerstört.

Das eiskalte Funkeln in den Gangsteraugen lässt mich zusammenzucken. „Mach weiter so, dann kommst du nur noch in die Gerichtsmedizin, in einer Plastiktüte. Also hör auf nachzudenken, dass bekommt dir nicht.“

Ich gebe auf. „Was soll ich machen?“

„Du gehst erstmal wieder zu deinem Thomas und wartest, bis ich dich kontaktieren lasse. Und kein Wort zu ihm. Sollte ich rauskriegen, dass du geplaudert hast, dann wird das für euch nicht gut ausgehen.“

„Und wenn ich das mache, dann lässt du Tommy in Ruhe?“

Die Qualle lacht nur. „Nein, natürlich nicht. Mit ihm werde ich mich viel später selber beschäftigen. Ach, und für den Fall das du ihn warnst und ihr verschwindet: Sagt dir der Name Schmidt etwas?“

„Kevin!“ Was will das Schwein denn noch alles auffahren?

„Genau. Ihn brauche ich eigentlich nicht, auf den kann ich getrost verzichten.“ Er tätschelt den Knauf seiner Knarre.

Ich zittere und mir wird schlecht. Hände packen mich grob an den Schultern, leichte Schläge treffen auf mein Gesicht. Und ich höre eine Stimme.

„Mats!“

Zitternd öffnete ich die Augen, starke Hände schüttelten mich weiter. Thomas atmete auf und umarmte mich fest, seine geflüsterten Worte konnten mein weinerliches Schluchzen nicht übertönen, zu mächtig war diese Erinnerung.

„Es ist alles gut“, hörte ich mich sagen und streichelte seinen Rücken. Tommy war völlig aufgelöst.

„Spinnst du? Was ist hier gerade in Ordnung? Mats, ich mache mir Sorgen, habe Angst um dich, was ist mit dir los?“

Ich küsste ihn einfach nur, seine Hilfe hatte ich nicht verdient, denn ich würde ihn unglücklich machen, wenn die Qualle Wort hielt. Kevin… ein wertloser Mensch? Jemand, den man einfach beseitigen könnte, nur um mir weh zu tun? Das war einfach zuviel, mehr als ich verkraften konnte. „Tommy, guck nicht so traurig, du bist hübscher wenn du lächelst. Hast du den Job bekommen?“

Er konnte nicht antworten. „Nicht weinen, Tommy. Es wird alles gut.“ Eine Option hatte ich schließlich noch.

Mein Freund hatte eingesehen, dass es im Moment nichts zu bereden gab und so zog er mich ins Schlafzimmer. Es war lieb von ihm, wie er sich schützend an mich klammerte, es tat gut. Ich würde es vermissen. Die Nacht über machte ich kein Auge zu, aber er war eingeschlafen. Ich kuschelte mich an ihn, genoss seinen Duft und überlegte mir, wie ich das Problem am besten lösen könnte. Der Plan nahm langsam Gestalt an. Er würde es mir bestimmt verzeihen.

Um Punkt sieben Uhr klingelte der Wecker und mein Freund wurde langsam wach. Wieder küsste ich ihn, weil es schön war. Er lächelte mich für einen Moment an und ich lächelte zurück. Doch dann schien er sich an gestern zu erinnern. Den traurigen Ausdruck in seinen Augen wollte ich nicht sehen und streichelte seine Wange, es half aber nicht viel.

„Guten Morgen, Kleiner. Geht es dir besser?“

„Vielleicht. Ich bin sicher, dass heute wieder alles in Ordnung kommt.“

„Sagst du mir dann, was los war? Du hast doch nicht vergessen, dass ich dich lieb habe, oder? Kleiner Dieb.“ Jetzt lächelte er doch, aber sein letztes Wort brachte den Schmerz zurück. Genau das war ich wohl, ein Dieb.

„Du wirst alles erfahren, versprochen.“ Wenn auch nicht mehr von mir, dachte ich traurig. Aber es würde ihm Zeit verschaffen. Vielleicht sogar ausreichend Zeit, wenn er merkt, dass hier etwas nicht stimmt. Ich würde ihm alles sagen, ohne etwas zu sagen. Das hatte er verdient. „Hab dich auch lieb, Tommy. Und Kevin. Er muss auch wissen, dass ich ihn liebe.“

„Du redest seltsam, Mats.“

„Meinst du? Naja, ich bin noch ein wenig durcheinander, aber das kommt wieder in Ordnung. Ich weiß jetzt, was zu tun ist. Möchtest du Kaffee? Ich koch welchen, dann kannst du schnell duschen.“

„Mach mal langsam, Kleiner, ich muss heute nur zum Amt, mich abmelden. Ich wollte es dir ja gestern sagen, aber ich konnte nicht. Ab Donnerstag fange ich bei Wobrecht an. Dann wird alles besser, wir kommen hier raus, weg von Evelyn und es geht in eine neue Wohnung.“

„Wir?“ Ich bekam einen Kloß im Hals.

„Natürlich“, lächelte er. „Solange du bei mir bist und meine Hilfe brauchst, kommst du natürlich mit. Ich suche was mit einem Gästezimmer, da kannst du jederzeit vorbei kommen. Von mir aus auch mit Kevin, wenn es was mit euch wird. Er kann eigentlich nicht so dumm sein nicht zu bemerken, was er an dir hat. Du kennst ja meine Meinung, ich denke auch weiterhin, dass er dich ebenfalls liebt.“

„Das wäre schön, stimmt.“ Warum machte er es mir nur so schwer?

Wir blieben noch eine Weile angekuschelt liegen, bis wir dann nacheinander duschen gingen. Ich betrachtete ihn beim Frühstück, bis es Zeit zum Aufbruch war.

„Warte, ich komm mit, hab in der Stadt was zu erledigen.“

Thomas atmete erleichtert auf. „Schön, ich hatte schon Angst, ich müsste dich wieder einsperren.“

„Nein, das Thema ist erledigt, musst du nie wieder.“

„Das wollte ich hören. Komm, wir gehen. Wir packen das alles.“

In der Nähe der Schloßstraße trennten wir uns, Thomas lief weiter geradeaus und ich bog nach rechts ab. Langsam näherte ich mich den Einkaufszentren und mein Ziel ragte in sichtbarer Nähe vor mir auf. Durch eine Stahltür gelangte ich in das Innere eines Treppenhauses und ich folgte den Stufen ein paar Stockwerke nach oben. Die Treppe endete direkt vor dem letzten Deck des Parkhauses. Die Tür schwang mit einem leisen Quietschen nach außen auf und die Sonne blendete mich. Es war schon sehr warm für die frühe Stunde, nicht ganz neun Uhr und der weite Betonboden lag leer vor mir. Unter den Sommerduft mischten sich die Dünste von Benzin und Abgasen, typisch für diese Stadt.

Es war merkwürdig, wie deutlich mir diese Kleinigkeiten heute auffielen. Ein paar Schritte fehlten noch bis zum Randbereich und ich schaute in die Tiefe. Subjektiv betrachtet war es nicht mal so unglaublich hoch. Aber es würde reichen.

Langsam kletterte ich über die erhöhte Brüstung, meine Beine schwangen auf die andere Seite und ich sah nachdenklich in die Tiefe. Ein Schritt nur und den beiden wäre geholfen. Kevin wäre sicher, ohne mich hätten sie keinen Grund mehr ihm etwas zu tun. Gerne hätte ich mich noch mit ihm versöhnt, aber dazu blieb keine Zeit mehr. Thomas… Tommy, nutze die Zeit und hau ab. Das hier würde dir keinen großen Vorsprung geben.

Seine letzten Worte gingen mir durch den Kopf, dass Kevin es noch merken muss. Ich rückte noch ein Stück vor, die Einkaufsstraße war noch verlassen, nur ein paar Straßenkehrer schoben ihre Besen vor sich her. Wenn Thomas recht hatte… mein ältester Freund würde das nur schwer überstehen. Ob Tommy sich um ihn kümmern würde? Die Tränen liefen mir übers Gesicht. Beide würden sehr traurig sein. Aber wir konnten es nicht schaffen, oder? Die Qualle würde uns doch bekommen, der Mann war das pure Böse. Wir würden sterben.

„Du bist so ein Idiot, Mats“, lachte ich mich aus. Wenn ich jetzt spränge , dann wäre ich auch tot. Dann gäbe es wirklich nicht den Hauch einer Chance. Sollte ich nicht einfach mitspielen und auf eine Gelegenheit hoffen, auf ein Wunder? Den Ritter in strahlender Rüstung? Plötzlich hatte ich eine beschissene Angst vor der Höhe und kletterte langsam zurück. Ich musste es schaffen, damit Thomas weiter lachen konnte und damit Kevin wieder vernünftig würde.

Auf dem Weg vom Geländer herunter hörte ich in meinem Rücken erneut das Quietschen der rostigen Türscharniere. Einer der Schläger von vorgestern näherte sich mir, der, der noch kein Wort gesprochen hatte. Er applaudierte spöttisch.

„Schade, schade, schade. Dem Boss hätte das echt gefallen. Er liebt Drama, solange es ihn nicht selber betrifft. Aber gut, du bist halt feige.“

„Dein Boss kann sich in den fetten Arsch ficken. Er soll mir diese verfickten Jobs geben und mich ansonsten in Ruhe lassen. Ihr Penner seid es nicht wert, dass ich mich wegen euch umbringe.“ Die Angst war weg, ich fühlte nur noch den Hass auf diese Schweine.

„Du bist ja doch nicht ganz so feige, aber dämlich. Das kann dich das Leben kosten.“

„Weißt du was, du Wichser? Dann mach mich doch kalt. Ist mir egal, aber den Spaß, dass ich es selber tue, gönn ich euch nicht.“ Er machte einen drohenden Schritt auf mich zu. „Ja komm, schlag mich oder fick mich! Mach was du willst! Wenn es dich aufgeilt einem Schwächeren weh zu tun, dann kann ich nichts dagegen machen. Aber ich krieche nicht vor euch!“

„Nicht schlecht, Kleiner. Ich hab nichts für kleine Knabenärsche übrig. Hier nimm.“ Der Typ blieb erstaunlich ruhig und drückte mir einen Zettel in die Hand. „Komm heute Abend zu der Adresse. Du holst dort ein Päckchen und bekommst neue Informationen, wo du es hinbringen sollst. Und wenn du sterben willst, dann verschwindest du mit dem Paket oder dem Geld, das du dafür bekommst. Und glaub mir, keiner von uns würde zögern dir den Kopf wegzuballern.“

„Verstanden.“ Ich drückte mich an dem Kerl vorbei und ging auf die Tür zu. Und fand mich plötzlich mit dem Rücken an der Wand, ein Arm auf die Kehle gepresst. „Wenn du mich noch einmal Wichser nennst, dann schneide ich dir den Schwanz ab und stopf ihn dir in dein freches Maul, klar?“

Okay, ich hatte doch noch Angst und nickte einfach nur.

„Gut und jetzt darfst du verschwinden.“

Langsam verließ das Adrenalin mein Blut und ich bekam weiche Knie. In Zukunft würde ich mich etwas zurückhalten, denn den eigenen Schwanz wollte ich sicher nicht auf diese Weise lutschen.

Bis zum Abend trieb ich mich in der Stadt rum und ging nicht mehr zu Thomas, ihm wollte ich vorerst nicht mehr in die Augen sehen müssen. Hoffentlich konnte er mir das Kommende verzeihen.

Thomas

Der Besuch bei der ARGE verlief zufriedenstellend. Nach einiger Wartezeit kam ich zu meiner Sachbearbeiterin und gab ihr die Kontaktdaten meines neuen Arbeitgebers. Sie nickte anerkennend, auch sie hielt Wobrecht für einen unglaublichen Glücksgriff. Dann ging ich einkaufen, ein kleines Festessen für Mats und mich. Schwer bepackt machte ich mich auf den Heimweg und räumte alles in die Schränke. Die Stunden vergingen und ich wurde ständig nervöser. Nach dem merkwürdigen Morgen war die Sorge berechtigt und ich fing trotzdem an zu kochen. Vielleicht würde sich ja bald alles aufklären.

Um kurz vor sieben Uhr klingelte es endlich an der Tür, doch es wartete eine andere Überraschung auf mich.

„René, das ist ja ‘ne Überraschung. Was treibt dich her?“

Der Blondschopf kam herein und schüttelte mir wieder nur die Hand. „Karl hält es für eine gute Idee, wenn du dich hiermit befasst.“ Er drückte mir ein dickes Buch und einen Ringordner in die Hand. Informationen über verschiedene DIN Normen, Holzklassifizierungen und dergleichen. Ich stöhnte auf, Theorie lag mir nicht besonders.

„Das packst du schon“, lachte er. „Hier riecht es aber gut.“

„Ja, ich hab gekocht, um mit Mats den Job zu feiern. Aber er ist verschwunden. Er wollte nur was erledigen, aber das war heute Morgen. Und da war er auch noch so eigenartig. Langsam hab ich echt Angst um ihn.“

René sah mich wieder so merkwürdig an, wie schon gestern. „Könnte er in seiner Wohnung sein?“

„Vielleicht, aber ich weiß nicht wo er wohnt.“

Mein Gegenüber zog eine Augenbraue hoch. „Okay, wir können ja mal im Telefonbuch schauen. Wie heißt er denn weiter?“

Jetzt wurde es peinlich. „Ich weiß es nicht…“

„Bitte? Du hast doch gesagt, ihr wärt Freunde!“

„Ja schon, aber wir kennen uns erst seit Freitag.“ Noch peinlicher konnte es nicht werden.

„Du lässt ihn bei dir wohnen und weißt nichts über ihn?“ Irgendwas veränderte sich in René, es schien mir, als ob er auch noch etwas anderes in sich hatte. Ich konnte es nicht einordnen. „Was sagt dir denn, dass er nicht doch minderjährig ist, ein Ausreißer oder Schlimmeres?“

„Jetzt mach mal halblang, wir haben uns lange unterhalten und ich glaube ihm.“

Sein hübsches Gesicht bekam strenge Züge. „Hat er Freunde?“

„Kevin heißt einer, er hat mir von ihm erzählt.“

„Kevin und weiter?“

„Was weiß ich denn? Was soll die Fragerei überhaupt? Du klingst ja wie ein Bulle.“

René hielt die Luft an und sah zu Boden. „Sorry, natürlich nicht, ich will doch nur helfen. Hast du denn gar nichts von ihm?“

Ich durchsuchte den Garderobenschrank und fand dort seinen Schlüssel. „Das war’s.“ Stumm dachte ich nach. „Nein, so ein Quatsch! Warte kurz.“

Ich stürmte ins Wohnzimmer und sah hinter die Couch, da hatten wir doch seine Mappe deponiert. Mit dem Fundstück stolzierte ich zurück in den Flur.

„Da sieh her, seine Unterlagen von der ARGE.“

„Die hat er dir gegeben?“

„Ich sag doch, dass wir uns vertrauen. Ich will ihm helfen wieder auf die Beine zu kommen.“ In der Mappe fand ich schnell die gesuchten Informationen. „Da, Mats Ole Jorgensen, er wird tatsächlich bald 20. Die Adresse ist nicht so weit von hier.“

„Komm, ich fahr dich hin.“ Irgendwas an Renés Art gefiel mir gerade gar nicht.

„Und was dann? Er wird wohl nicht dort sein, ohne den Schlüssel.“

„Aber wir finden möglicherweise was über diesen Kevin heraus, vielleicht weiß der mehr.“

„Sorry, sag was du willst, aber du klingst wie ein Bulle. Ich hatte schon mit einigen zu tun.“

„Tom, das ist Blödsinn, ich denke nur nach und bin nicht so kopflos wie du gerade.“

„Ich bin NICHT kopflos!“ Meine Stimme wurde lauter, aber nicht weil ich sauer war, sondern weil er recht hatte.

„Dann geh du alleine da rein, ich warte im Auto.“ Schon hatte ich Mats Schlüssel geschnappt und wartete draußen.

„Warum alleine?“

„Ich bin vorbestraft. Wenn wir da reingehen, ist das Hausfriedensbruch, wenn nicht sogar Einbruch. Es geht hier um meine Bewährung.“

„Nur wenn er dich anzeigt. Mann, Tom, das ist vielleicht eine Notsituation, da ist der Ermessensspielraum größer.“

„Wenn du kein Bulle bist, dann musst du wohl Anwalt sein.“

„Ich bin kein Anwalt. Ich interessiere mich nur ein wenig dafür.“

Langsam, aber sicher ging er mir ein wenig auf die Nerven. Ich mochte offene Menschen, doch er baute ein Geflecht aus Ausflüchten um sich auf. Ganz anders als noch gestern auf der Heimfahrt.

„Wenn du ihm helfen willst, dann lass ihn uns suchen gehen. Oder hast du eine bessere Idee?“ Er schlug wieder einen versöhnlicheren Tonfall an. „Es tut mir leid, ich habe überreagiert. Das, was du gesagt hast, kommt etwas seltsam rüber.“

„Schon gut, unser Kennenlernen war auch seltsam.“ Sollte ich es ihm sagen?

„Warum seltsam?“ Die Frage klang nicht mehr fordernd, sondern nur noch interessiert.

„Mats hat mich beklaut und ich hab ihn dabei erwischt, okay? Er hat Geldprobleme, weil er Mist gebaut hat. Keine Ahnung, ich mag ihn, er erinnerte mich an mich selbst am Anfang, bevor es tief runter ging. Er muss nicht meinen Weg gehen, das steht er nicht durch.“

„Oh. Das ist…“

„Seltsam, ja. Aber ich habe ihn kennengelernt, wir waren sehr offen. Mats ist ein lieber Kerl. Ich möchte ihm helfen sich zu ändern, einen Job zu finden.“

Wieder veränderte sich Renés Blick, er wurde fast schon so was wie sanft. „Du bist wirklich ein prima Kerl. Na komm, lass uns deinen Freund suchen.“

Kaum fünfzehn Minuten später standen wir beide tatsächlich in Mats Flur. René rappelte vergeblich am Lichtschalter.

„Vergiss es, am Freitag wurde sein Strom abgestellt, deswegen wohnt er ja bei mir.“

„Moment, warte kurz hier.“

René raste die Treppen runter und kam mit einer Taschenlampe zurück. Zwischenzeitlich hatte ich die Fenster geöffnet, in der Wohnung stank es erbärmlich. Gemeinsam sahen wir erst ins Bad, suchten den Flur ab und schließlich den kleinen Schlaf- und Wohnraum. Nichts was uns irgendwie weiterhelfen konnte.

„Hier, ein Computer.“ René zeigte auf einen alten, grauen Kasten, der neben dem Bett auf dem Boden stand. Ohne zu zögern drückte er auf den Schalter und ich lachte los.

„Willst du den Stecker vielleicht in die Taschenlampe stecken? Vielleicht bekommen wir so genug Strom.“

„Shit, du hast Recht.“ Er lachte mit.

„Okay, überzeugt. Du bist kein Bulle, dem wäre das aufgefallen.“

„Ja ja, ist gut. Lass uns verschwinden, Fehlanzeige.“

Der Lichtstrahl huschte über den Boden und streifte kurz das Bett. Unter dem Rahmen blitzte etwas auf. „Hey, leuchte noch mal zum Bett!“

Der helle Punkt fand das Gesuchte und ich zog es hervor. „Scheiße!“

„Er ist in Schwierigkeiten, das Bild hat sicher kein Freund geschossen.“

Es war eindeutig Mats, der gerade jemandem die Brieftasche klaute. Der Datumsaufdruck zeigte den Samstag und ich seufzte.

„Das war kurz bevor er zu mir kam. Er wollte eigentlich bei Kevin bleiben, aber der…“ Ich hielt die Klappe, von der Escort-Geschichte wollte ich nicht auch noch anfangen. „Der Idiot, ich hatte ihn doch vor dem Knast gewarnt, gerade mal einen Tag davor. Die Bewährung kann er knicken, wenn das rauskommt.“

„Falls das rauskommt, meinst du wohl.“ Er steckte das Bild ein. „Ich glaube jemand erpresst ihn jetzt. Das würde doch sein Verhalten erklären?“

René hatte Recht, dass machte Sinn. „Was hast du mit dem Bild vor?“

„Lass mich nur machen, ich sorge dafür, dass es ihm nicht schaden kann. Auch wenn es wahrscheinlich mehrere davon geben wird. Und frag nicht nach, denn sonst bist du Mitwisser bei einer Straftat, okay?“

„Danke, vielen Dank. Ich schulde dir was.“

René legte seine Hand auf meine Schulter. „Das hatten wir gestern schon.“

„Warum tust du das? Warum hilfst du jetzt auch ihm?“

„Weil ich gerne dein Freund sein möchte und weil es dir was bedeutet. Ich vertraue dir und hoffe, dass du dich in Mats nicht täuschst.“

Und ich war wieder an dem Punkt, an dem ich ihn küssen wollte. Doch ich stand einfach auf und umarmte ihn. Seine Arme schlossen sich einen Moment lang fest um mich und auch wenn er es nur als Freund tat, ich fühlte mich wohl dabei. Vielleicht würde ich es verkraften, dass nicht mehr aus uns werden konnte. „Danke.“ Mehr musste ich jetzt nicht mehr sagen.

Auf dem Rückweg zu meiner Wohnung redeten wir nicht und er half mir das gute Essen zu vertilgen, denn trotz all des Kummers waren wir beide hungrig. Nach dem Abwasch verabschiedete er sich und ich ging ins Bett.

Der Mittwoch verlief ohne Neuigkeiten, lediglich meinem Bewährungshelfer teilte ich die guten Nachrichten wegen des Jobs mit. Mats blieb verschwunden und das miese Gefühl im Magen verstärkte sich weiter. Auch die kommende Nacht war unterirdisch schlecht, es fehlte mir, mich an ihn kuscheln zu können. Mehr als gerädert stieg ich dann Donnerstag früh zu René ins Auto.

„Du siehst wirklich mies aus. Hat er sich nicht gemeldet?“

„Nein, gar nichts. Er ist wie vom Erdboden verschluckt.“

„Sei mir nicht böse, aber ich habe gestern ein paar Stunden vor seinem Haus gewartet. Leider hat das auch nichts gebracht.“

„Das hast du? Nein, danke, ich bin nicht böse. Ist lieb von dir.“ Das sich mein Satz ziemlich schwul anhörte, war mir egal. Von mir aus konnte René das ruhig wissen, doch er ging nicht darauf ein.

Die Arbeit lenkte ziemlich gut von meinen Sorgen ab und ich war konzentriert dabei. Ändern würde es für Mats nichts, wenn ich jetzt noch diese Chance verloren hätte. Am späten Nachmittag wechselte ich aus der Halle auf den Vorplatz, in den nächsten Tagen sollte ich mich mit den Dachbalken beschäftigen. Sie mussten gerade geschliffen, imprägniert und getrocknet werden. Wenig hilfreich war, dass ich von hier einen guten Blick auf Renés Haus hatte und, noch viel schlimmer, auf den Basketballplatz, wo er seit einigen Stunden in der sengenden Hitze Körbe warf. Sein nackter Oberkörper glänzte nicht, er strahlte regelrecht in der Sonne. Ich hatte noch nie so etwas Anmutiges und Schönes gesehen. Eine einfache Freundschaft wäre doch schwerer als gedacht.

Am Abend duschte ich schnell, diesmal fiel es mir leichter als noch am Montag und verabschiedete mich von den Kollegen. Den Schlüssel zu meinem Firmenwagen erhielt ich von Karls Frau, Martha, die mich für Sonntag zum Geburtstag von unserem Chef einlud. Traditionell waren alle Mitarbeiter willkommen.

„Tom, kommst du noch rüber?“

René sah beinahe schon bettelnd aus. Ich fühlte mich eigentlich zu schwach, um meine Kumpelfassade aufrecht zu halten. „Können wir das vielleicht verschieben? Ich fühl mich gerade nicht so besonders.“

„Na komm schon, ein Bier. Du siehst aus, als ob du etwas Gesellschaft brauchen könntest.“

„Okay“, seufzte ich. „Aber alkoholfrei.“ Er hatte sich glücklicherweise etwas übergezogen, meine Hormone hatten nun nur noch mit seinem Geruch zu kämpfen. Ich folgte ihm zur Terrasse, auf die Schaukel im Schatten. Das Sitzen entspannte ungemein, mein Körper war diese harte Arbeit noch nicht ganz gewohnt.

„Natürlich, du fährst ja. Cooles Gefühl, oder?“

„Ja, ich fühl mich beinahe wieder wie ein Mensch.“

Wir prosteten uns zu.

„Ich habe heute sämtliche Unfallkliniken und Notaufnahmen angerufen“, eröffnete er das Gespräch. „Mats ist nirgendwo. Ich denke es ist ein gutes Zeichen.“

Mein Herz klopfte vor Dankbarkeit, es tat gut zu wissen, dass René sich da meinetwegen voll reinhängte. Fast schon zuviel, für einen einfachen Freund. Aber vielleicht war er ja auch einfach so.

„Hab ich jetzt wieder was gut bei dir?“

Sein Grinsen ließ bei mir den Knoten platzen und ich lachte. „Mittlerweile reicht dein Guthaben schon ins nächste Leben.“

„Ach Quatsch, ich tu es gern. Du kannst ein wenig Hilfe und Aufmunterung gut brauchen.“

„Das stimmt. Mir fehlt manchmal nur eine Schulter zum Anlehnen. Du weißt schon was ich meine.“ Wieder ein Schritt zuviel, dachte ich.

„Wenn es dich nicht stört, meine zu nehmen, dann ist es für mich auch okay.“

„René, was wird das? Das meinte ich nicht… Ach, vergiss es. Sorry, aber ich muss ins Bett. Wir sehen uns morgen, okay?“

„Schade. Okay, bis morgen. Fahr vorsichtig. Und wenn was ist, dann melde dich. Ich komme vorbei, jederzeit.“

Welches seiner Signale stimmte nun eigentlich? Hätte ich das Angebot mit der Schulter angenommen, dann hätten wir es schnell herausgefunden. Ja, ich wollte mich anlehnen. Ihn streicheln, küssen und seinen Duft tief einatmen. Ich war verliebt und er? Er genoss und schwieg über seine Weibergeschichten. Wenigstens hatte er Anstand und prahlte nicht rum.

„Danke, es geht schon. Schlaf gut.“ Warum hatte ich nur das Gefühl, dass er enttäuscht aussah? Die Antwort lag auf der Hand: mein Wunschdenken.

Mit einer gehörigen Portion Herzschmerz fuhr ich in meine leere Wohnung. Mats hätte sicher einen Weg gefunden, mich ein wenig aufzumuntern, ein kleiner Sonnenstrahl in der Dunkelheit zu sein. Doch so wartete nur ein kaltes Bett in überhitzter Luft auf mich.

***

Am Folgetag kam ich viel zu früh in der Firma an, die Hallen lagen noch geschlossen vor mir. Gegen vier Uhr in der Früh war mein Schlaf schon vorbei und ich hielt es nicht mehr sehr lange in der Wohnung aus.

„Guten Morgen, Thomas, was machst du denn schon hier?“ Karl Wobrecht war aus dem Haus gekommen, noch im Morgenmantel. Offiziell hatte ich noch eine Stunde bis Arbeitsbeginn.

„Mir fiel die Decke auf den Kopf, da hab ich nicht auf die Uhr geachtet. Tut mir leid.“

Er lachte. „Nun, zu früh ist mir fast lieber als zu spät.“ Er schloss die Tür auf. „Aber lass es nicht zur Gewohnheit werden, ich möchte, dass meine Mitarbeiter ihre freie Zeit sinnvoll nutzen. Wir arbeiten schließlich auch, um zu leben und leben nicht nur, um zu arbeiten.“

„Danke, Chef. Aber hier arbeite ich wirklich gerne. Es ist fast schon ein Traum.“

„Du bist ein wahrer Glücksgriff. Ich hab mir gestern Abend dein Werk mal angesehen, nicht schlecht, wirklich. Engagiert und geschickt, so wirst du lange bei uns bleiben. Hast du eigentlich schon richtig gefrühstückt?“

„Danke und nein, nicht direkt.“

„Zieh dich schon mal um und geh dann in den Aufenthaltsraum.“

Karl marschierte zurück ins Haus und ich in die Umkleide. In aller Ruhe räumte ich ein paar Klamotten in meinen Spind und zog meinen Blaumann an. Es war nicht gelogen, hier fühlte ich mich daheim. Einen besseren Chef konnte ich mir, auch wenn er es erst seit Kurzem war, nicht vorstellen.

Im Aufenthaltsraum wartete eine kleine Überraschung auf mich, auf einem der Tische stand ein kleines Tablett mit Brötchen, Kaffee und Orangensaft.

„Lass es dir schmecken“, ertönte eine Stimme hinter mir.

„René? Was machst du denn schon hier?“

Er grinste. „Guten Morgen, Thomas. Ja, genau das haben wir uns auch gefragt. Ich war bei Karl und Martha zum Frühstück, als du auf den Hof gekommen bist. Mein Onkel hat mich gebeten, dir das zu bringen.“

Wieder mit Herzklopfen starrte ich ihn an. Er sah ein wenig aus wie frisch aus dem Bett gefallen. Ein leichter Bartschatten im Gesicht und die Haare total verwuschelt. René trug einen leichten Trainingsanzug, die Jacke war zu einem Drittel geöffnet und die braune Haut leuchtete mir entgegen. So hatte ich ihn bisher nicht gesehen. So sah jemand aus, neben dem man gerne aufwacht. Trotz seiner seltsamen ‚Anfälle’, verliebte ich mich jeden Tag mehr in diese Seite von ihm.

„Vielen Dank“, krächzte ich mit belegter Stimme und räusperte mich. Er war einfach der einzige Wermutstropfen hier.

„Bis später, ich geh dann mal joggen.“

Ein wenig zu schnell entzog er sich meiner Musterung und ging nach draußen. Diesmal konnte es ihm einfach nicht entgangen sein. Das Frühstück schlang ich im Anschluss schnell runter und machte mich an die Arbeit. Langsam kamen immer mehr Kollegen dazu und hektisches Leben breitete sich in der Firma aus. Trotz all dem Stress und dem Zeitdruck lag ständig Gelächter in der Luft, uns allen gefiel es hier.

Erschöpft legte ich den Hobel beiseite, nachdem ich mich den ganzen Nachmittag frustriert an einigen Holzbalken ausgetobt hatte. Die Verspannung in der Schulter schmerzte richtig.

Die Sache mit Mats belastete mich weiterhin sehr und schon am Vormittag rannte René wieder ewig mit dem Basketball über den Platz. Es war mir schleierhaft, wo er bei der Hitze die Energie hernahm, oder wie er es schaffte, seine mehr als 190 Zentimeter so elegant durch die Luft gleiten zu lassen. Doch bald schon genoss ich diesen Anblick nicht mehr heimlich, denn ich war sauer. Enttäuscht traf es vielleicht noch besser.
Am Mittag veränderte sich etwas und schlug eine eindeutige Richtung ein.

Aus der Entfernung beobachtete ich, wie ein Auto auf den Hof fuhr und eine junge Frau mit einem kleinen Mädchen ausstieg. Sofort ging sie auf René zu und umarmte ihn fest. Auch mit dem kleinen Kind spielte er ausgelassen. Das Mädchen verschwand irgendwann zu Martha ins Haus, René ging mit der Frau in sein Reich und blieb ein paar Stunden verschwunden. Damit war klar, er war verheiratet und hatte eine Tochter.

Und auch jetzt starrte ich ihn wütend an, wie er auf einer Liege entspannte. Seine ‚Besucherin’ befand sich mittlerweile ebenfalls im Haus der Tante.

Langsam packte ich meinen Kram zusammen und bereitete mich auf den Feierabend vor, fest entschlossen, daheim noch ein oder zwei Bier zu trinken und dann ins Bett zu fallen. Schnell kramte ich mein Duschzeug aus dem Spind und begab mich in Richtung Gemeinschaftsdusche, als seine warme Stimme mich ansprach.

„Hey, Thomas, kommst du gleich noch rüber? Ich hab zu viel Salat und du siehst hungrig aus.“

Das Lächeln in seinem weichen, schlanken Gesicht drückte sich wie eine Faust in meine Magengrube. Ausgerechnet heute, wo all meine Träumereien ein Ende fanden. Dementsprechend verzog sich mein Gesicht schmerzerfüllt.

„Ist irgendwas?“, fragte er besorgt nach.

„Nein, mir tut nur alles weh, Rücken, Schultern… such dir was aus und du liegst richtig. Ich will einfach nur ins Bett“, antwortete ich und es war nicht mal gelogen.

„Ein Bier zur Entspannung?“ René ließ nicht locker.

„Sorry, aber ich hab noch ein Stückchen zu fahren. Ein anderes Mal vielleicht.“

„Sicher, dass nicht noch was anderes ist? Ich mein, wir haben doch schon ein paar nette Abende gehabt?“

„Mach dir doch einfach einen netten Abend mit deiner Frau und deiner Tochter!“, setzte ich giftiger als beabsichtigt nach.

René sah mich verständnislos an. „Meine… meine was?“ Dann lachte er los.

„Was ist daran so witzig?“ Ich glaubte, er lachte mich aus und wurde sauer.

„Man, Thomas, was ist los mit dir? Das war meine Zwillingsschwester mit meiner Nichte, die beiden sind heute aus Bayern angereist. Onkel Karl hat doch übermorgen Geburtstag. Hast du das schon vergessen?“

Mit einem Mal fühlte ich mich irre dämlich und hatte zudem mehr von meinen Gefühlen preisgegeben, als ich je beabsichtigt hatte.

Er zwinkerte mir lächelnd zu. „Man könnte ja fast meinen, du bist eifersüchtig.“

„Ach, red doch keinen Scheiß, ich fühl mich einfach nicht wohl heute. Okay, ich nehme was vom Salat und ein Wasser, wenn du hast.“

„Klar, kein Thema. Dann bis gleich.“ Er schlug mir etwas übertrieben kumpelhaft auf die Schulter.

„Au verdammt!“ Der Schmerz war nicht gespielt, meine Schultern brannten wie Feuer. Jeder Muskel war verkrampft und das auch beinahe völlig grundlos, wie ich nun wusste.

„Tut mir leid, ich dachte… es wäre eine Ausrede gewesen“, entschuldigte er sich. „Komm mit rüber.“

„Ich geh nur schnell duschen, hab geschwitzt wie ein Tier, geh ruhig vor.“

René überlegte einen Moment. „Ich hab ne bessere Idee. Komm mit und du kannst ein wenig in der Wanne entspannen. Das ist besser als nur duschen.“

Dieser Gedanke war mehr als verlockend, in meiner Wohnung gab es ja keine Wanne.

„Wenn es dir keine Umstände macht?“, hakte ich vorsichtig nach.

„Tut es nicht. Sieh es als Entschuldigung an, weil ich dir das mit den Schmerzen nicht geglaubt habe.“

Kurz darauf folgte ich ihm zu seinem Haus. Wir gingen über die Terrasse ins Haus, vorbei an der gemütlichen Hollywoodschaukel, auf der wir schon die letzten Abende verbracht hatten und wo ich seine angenehme Nähe genießen durfte. Vielleicht sollte ich ihm bald sagen, was mit mir los war, damit er entscheiden konnte, wie er künftig damit umgehen wollte. Natürlich war der Gedanke an eine Frau etwas dämlich, denn sonst hätte er mir am Montag im Auto sicher davon erzählt, ich hatte ihn ja danach gefragt, mehr oder weniger. Und warum sollte ich mein Shirt ausziehen? War es wirklich nur sachliches Interesse? Wie sehr wünschte ich mir, dass mehr dahinter steckte.

René ließ mich im etwas kühleren Wohnzimmer auf der Couch Platz nehmen und brachte mir erstmal eine Flasche mit eiskaltem Wasser. „Bin gleich wieder da.“

Nach ungefähr zehn Minuten Grübelei betrat er auch wieder den Raum und ich schluckte heftig. Seine Haare lagen nass am Kopf an und mehr als eine wirklich knappe Short trug er nicht am Körper.

„Dein Wasser ist bald fertig, ich hab auch schnell geduscht“, rief er mir auf dem Weg in die Küche zu.

Kurz darauf kehrte er mit zwei Glastellern zurück, vollgepackt mit einem Mix aus verschiedenen grünen Salaten, Tomaten und Paprika. Er schmeckte ausgezeichnet und wir aßen ihn schweigend.

„Du bist heute wirklich ruhig“, sprach er mich etwas später an. „Ist nicht doch noch was anderes?“

Ich rollte mit den Augen. „Lass gut sein! Nichts wobei du mir helfen könntest.“ Nun, dass war gelogen.

„Okay“, seufzte René. „Ich guck mal nach dem Wasser.“

Keine fünf Minuten später lag ich in der Wanne, den duftenden Schaum hoch bis zur Nase und entspannte mich. Doch viel besser wurde der Schmerz auch nicht. Langsam wusch ich mich und kletterte nach einer halben Stunde aus dem Wasser. Da René auch nur leicht bekleidet war, verzichtete ich erstmal auf das Wechselshirt und begnügte mich mit einer bequemen Short.

„Und, geht es dir besser?“, fragte er gleich bei meiner Rückkehr ins Wohnzimmer.

„Geht so, etwas, aber richtig bewegen kann ich mich immer noch nicht. Ich such mir nächste Woche vielleicht nen Masseur, falls es nicht besser wird.“

„Also meinetwegen musst du nicht so lange darauf warten, ich bin zwar kein Profi, hab aber schon ein paar Kurse gemacht.“

Ich schluckte hart. René wollte mich anfassen? Ihm das zu erlauben wäre mein Untergang.

„Gerne“, kam es aus meinem Mund und es war das genaue Gegenteil von dem, was ich eigentlich sagen wollte.

„Super“, freute er sich und verschwand in der oberen Etage, nur um kurz darauf mit einer kleinen Flasche und einem großen Handtuch zurückzukommen. „Leg dich einfach auf die Couch.“ René breitete das Handtuch auf seinem wertvollen Polster aus und deutete noch einmal auffordernd darauf.

Langsam kam ich seinem Wunsch nach und spürte dabei seine Blicke auf mir. Mit dem Hinlegen beeilte ich mich jetzt doch, bevor mein Schwanz sich sichtbar erheben konnte.

René drückte vorsichtig auf meinem Rücken herum. „Entspann dich, Tom, kein Grund dich noch mehr zu verkrampfen.“

Er hatte leicht reden. Und ehe ich es realisierte, hatte er sich schon breitbeinig über meine Oberschenkel gehockt und seine Hände schlossen sich um meine Schultern. Die Haut seiner Beine an mir zu spüren machte mich schier wahnsinnig. René hantierte mit der Flasche und verteilte tropfenweise das handwarme Öl auf meinem Rücken, es duftete nach Granatapfel.

„Wenn es zu weh tut, dann sag mir Bescheid!“, forderte er mich auf.

„Okay, mach ich.“

Und was dann folgte, war unbeschreiblich. René bearbeitete jeden Quadratmillimeter vom Nacken, über die Schultern bis zum Rücken mit seinen starken Händen. Unermüdlich walkte er mich durch, jeden Knoten spürte er auf. Gegen meinen Willen stöhnte ich unaufhörlich leise vor mich hin. Der sanfte Schmerz war befreiend und mein Schwanz schien ein Loch in die Couch bohren zu wollen.

„Und du warst doch eifersüchtig“, raunte er mir plötzlich triumphierend ins Ohr. Sein warmer Atem war gefährlich nah und seine Brust berührte leicht meinen Rücken.

Völlig meiner Sinne beraubt kroch ein zustimmendes „mmm-mmm“ aus meiner Kehle.

Mit einem Mal wich die schläfrige Entspannung aus mir und ich wurde hellwach. „Geh von mir runter!“ Erfolglos versuchte ich ihn abzuschütteln, doch sein Körper drückte mich noch einen Moment auf das Sofa.

Dann, etwas zögerlich, kam René meinem Wunsch nach und sah mich irritiert an. Blitzschnell riss ich das Tuch von der Couch und hielt es schützend vor meinen Unterleib.

„Was ist denn los? Ich dachte… du würdest es mögen?“ In seinem Gesicht sah ich echte Bestürzung.

Stumm sortierte ich weiter meine Gedanken.

„Tom, ich hab das nicht böse gemeint, wirklich. Es ist nur…“

„Was?“, unterbrach ich ihn.

Nun wirkte er nervös, geradezu unsicher.

„Okay, also du hast mir beim ersten Mal an der Garage schon ziemlich gut gefallen, nicht nur deine Arbeit an den Gartenmöbeln. Und in letzter Zeit hab ich bemerkt, dass du mich öfter angesehen hast und irgendwas war zwischen uns…. Seit Tagen kämpfe ich schon dagegen an.“ René seufzte. „Das hätte ja noch Zufall sein können, bis heute. Ich dachte wirklich, du bist eifersüchtig und deswegen… Sorry, wenn ich mich getäuscht habe, dann lass uns das einfach vergessen, okay?“

„Du wolltest eben wirklich keinen Spaß auf meine Kosten machen?“

„Bist du irre?“, rief er entrüstet. „Sieht das für dich nach Spaß aus?“

René streckte seine Beine aus, die er bis eben noch angewinkelt an die Brust gezogen hatte. Das Zelt in der Hose log nicht, und der feuchte Fleck weiter oben, wo ich seine Eichel vermutete, erst recht nicht. Der traurige Gesichtsausdruck ließ ihn, gerade wegen des harten Bolzens, besonders verletzlich wirken.

Meine Wut wich einem starken Sehnsuchtsgefühl. Noch verarbeitete ich seine Worte und das Herzklopfen nahm zu. Waren meine Wünsche am Ende nicht vergebens? „Legst du dich bitte mal hin?“, fragte ich leise.

Mit einem Fragezeichen in den Augen kam er meiner Bitte nach und ich legte mich zögerlich mit dem Rücken zu ihm hin. „Dann zeige mir, dass du es ehrlich meinst und halte mich!“, forderte ich ihn mit zittriger Stimme auf.

Die Sofafläche bewegte sich leicht, als René sich mir zugewandt auf die Seite drehte. Sein unterer Arm schob sich sanft unter meinen Kopf, bis er seine Hand um meinen Hals herum auf die Schulter legte. Mit dem anderen Arm zog er mich mit dem Rücken fest an seine Brust. Seine Finger kraulten zaghaft meinen Bauch. Schweigend lagen wir eine Weile still.

„Was haben die mit dir im Knast bloß gemacht, dass du so misstrauisch bist?“, flüsterte er leise.

„Frag nicht. Es war nicht nur der Knast“, antwortete ich ebenso leise. „Sicher, beinahe sechs Jahre sind nicht wenig und man erlebt dort vieles, auf das man gerne verzichten würde, aber es liegt auch an dem, was mich dort rein gebracht hat.“ Für einen Augenblick lächelte ich. „Es hat mich gerettet. Er… hat mich gerettet und viel dafür bezahlt. Und ich dachte lange, dass ich so was Gutes nicht verdient habe.“

„Wer?“

„Das erzähle ich dir irgendwann, hab ich dir ja neulich schon versprochen.“

Renés Arme schlossen sich fester um mich und seine Lippen hauchten ein „Okay“ gegen meinen Nacken.

„Eben gerade, als du über mir warst und ich mich nicht rühren konnte… für einen Moment war das zuviel. Ich hasse es mich wehrlos zu fühlen, ausgeliefert. Besonders wenn es so überraschend kommt.“ Er streichelte mich ruhig weiter. „Niemand hat dort gefragt, ob ich es überhaupt wollte.“

„Darf ich dich küssen, Tom?“

Ich drehte mich auf den Rücken und lächelte ihn an. René zog seinen unteren Arm zurück, bis nur noch die Hand im Nacken lag und er richtete sich etwas auf. Kurz darauf schwebte sein strahlendes Gesicht über mir. Seine andere Hand lag nun an meiner Wange und zog meinen Kopf etwas in seine Richtung.

Mit geschlossenen Augen wartete ich ab und spürte einen hauchzarten Kuss auf meiner Wange. Der Nächste traf meinen Mundwinkel und jagte mir einen Stromstoß durch den Körper. Meine Zunge huschte über die Stelle, an der sich eben noch seine Lippen befanden, ertastete eine Spur seines Geschmacks. Es war so anders als mit Mats.

Weitere Küsse folgten, kleine zarte Berührungen, die mich wahnsinnig anmachten und nach mehr gieren ließen. Als ich es nicht mehr aushielt, griffen meine Hände nach seinem Kopf, zogen ihn dichter zu mir. Meine Zunge bettelte um Einlass und er öffnete die Lippen. Vorsichtig erkundeten wir abwechselnd den Mund des anderen, bis unsere Leidenschaft uns übermannte. Die Küsse wurden intensiver und wilder. Mit den Händen erkundeten wir unsere Körper, bis eine Atempause notwendig wurde.

„Ähm, Tom… bist du eigentlich aktiv oder passiv?“, keuchte René.

Einen Moment lang dachte ich über diese – sehr unromantische – Frage nach, aber irgendwie war das typisch für ihn. „Nach dem Knast hab ich mir eigentlich geschworen, nur noch aktiv zu sein.“

„Okay“, seufzte er. „Bitte sei vorsichtig, ich… hab noch nie.“

Erneut zog ich ihn zu einem Kuss heran und lächelte danach. „Ein anderes Mal. Es gibt noch eine Ausnahme. Wenn es jemand ist, in den ich mich wahnsinnig verliebt habe und dem ich vertraue. Möchtest du mit mir schlafen?“

Den Ernst meiner Frage hatte er verstanden, es war in seinem Gesicht zu lesen. Er musste nun die Entscheidung treffen, ob das mit uns etwas Ernstes sein sollte oder nur ein Abenteuer.

Dann lachte er.

„Was ist so witzig?“, fragte ich ein wenig angesäuert.

„Weil… meinen Arsch bekommt auch nur jemand, mit dem es mir ernst ist“, erklärte er feierlich.

Mehr Worte brauchten wir nicht. René stand kurz auf und streifte sich seine enge Retro vom Leib und befreite auch mich gleich von der letzten Hülle. Er beugte sich für einen Kuss zu mir herunter und legte sich vorsichtig auf mich. Unter vielen zaghaften Küssen streichelte er seitlich über meine Arme und presste seinen Körper fester an meinen.

„Das habe ich mir seit unserem ersten Treffen gewünscht.“ Seine heisere Stimme war schwer vor Verlangen.

Immer wieder nahm er mein Gesicht in seine Hände und küsste mich, um kurz danach seine Wange an meiner zu reiben. Dabei schnurrte er wie ein ausgehungerter Kater.

Die Gefühle waren schlichtweg überwältigend und sein harter Schwanz, dessen feuchte Spitze sich hart in meinen Bauch drückte, weckte mein Verlangen nach mehr.

Renés Lippen gingen auf Wanderschaft, verwöhnten meine Brust und glitten immer tiefer. Mit der Zunge massierte er meinen Schambereich ausgiebig, verteilte Küsse auf meinen Schenkeln, saugte sich fest und ich stöhnte heftig vor mich hin. Eine gefühlte Ewigkeit lang verwöhnte er alles, nur nicht den zuckenden und nach Aufmerksamkeit bettelnden Schwanz.

Kurz bevor ich mich beschweren wollte, leckte er über meinen Sack und knetete sanft mit den Lippen meine empfindlichen Eier. Meine Kehle entließ ein tiefes Brummen.

„Spreiz die Beine ein wenig mehr“, bat mich René mit rauer Stimme.

Mehr als willig kam ich seinem Wunsch nach und er träufelte sich eine Ladung des Öls auf die Finger seiner rechten Hand. Mit der Linken umklammerte er meinen steinharten Schaft, massierte ihn leicht, bevor er meine Eichel endlich mit den Lippen umschloss. Saugend zog er sie tiefer in sich hinein und ließ meine Spitze über den rauen Gaumen reiben.

„Stopp oder ich komme“, rief ich aus.

René grinste, verringerte allerdings sofort den Druck. Seine kreisende Zunge hielt mich weiterhin gekonnt dicht an der Klippe, ohne den winzigen Schritt zu weit zu gehen. Sowas hatte ich bis dahin noch nie erlebt und verfiel diesem Mann noch ein Stück mehr.

Die öligen Finger suchten meinen Ringmuskel und umkreisten ihn zaghaft. Dann glitten sie hinein. In der Sekunde, in der er meine Prostata berührte, ließ er meinen Schwanz frei und ich schrie auf. Mein Körper zitterte.

„Tut dir was weh?“, fragte er besorgt.

„Fuck, nein“, keuchte ich. „Das fühlte sich an wie ein Orgasmus, nur ohne Spritzen. Wag es nicht aufzuhören!“ Das Zittern bekam ich noch immer nicht unter Kontrolle, mein Körper stand unter Strom.

René lachte und robbte zu mir hoch. Eine Hand glitt in meinen Nacken und er drehte meinen Kopf auf die Seite. Seine Lippen saugten sich an meinem Hals fest.

„Fick mich, René, bitte“, hauchte ich heiser in sein Ohr.

Er sah mir verliebt in die Augen und brachte sich in Position. Seine glühende Eichel drängte sich an mein gierig wartendes Loch.

Und dann passierte es, er glitt wie von selbst in mich, mein Körper hieß ihn willkommen. Es tat nicht mal eine Sekunde weh, bis er mich ausgefüllt hatte. Meine Angst, dass die Bilder aus dem Knast hochkommen würden, war unbegründet. Nur sein Gesicht sah ich, die Liebe und das Verlangen in seinen Augen.

„Leg los“, forderte ich ihn auf. „Es fühlt sich schön an.“

René bewegte sich, tief und langsam. Jeder Stoß traf mich an der richtigen Stelle und machte mir weiteres Denken unmöglich. Ich war einfach nur noch Arsch, Schwanz und Lippen, während er mich wild küssend fickte und meine Eichel zwischen unseren harten Bäuchen gerieben wurde. Auch mein Lover verlor jede Selbstkontrolle und trieb sich immer härter in mich.

Dann fing es an, das scharfe Ziehen und Brodeln in meinen Eiern. Mein Unterleib zuckte und der aufgebohrte Ringmuskel zog sich eng um René. Er keuchte atemlos und umklammerte meinen Oberkörper so fest, mir blieb beinahe die Luft weg. Mein Samen pumpte hart heraus und in diesem Moment stieß mein blonder Traummann einen wahnsinnigen Schrei aus, bevor er pumpend auf mir zusammenbrach. Überdeutlich fühlte ich seine Entladung in meinem Innersten.

Einige Minuten bewegten wir uns nicht und ich genoss weiterhin das Gefühl seines erschlaffenden Schwanzes in mir. Plötzlich vibrierte sein Körper, begleitet von einem leisen Glucksen, welches sich zu einem ansteckenden Lachen weiterentwickelte. Wir beide lachten uns die Seele aus dem Leib und ich wusste nicht warum.

Nach einer Weile hatten wir uns wieder beruhigt. „Warum hast du eigentlich gelacht?“, wollte ich dann doch wissen.

„Vor lauter Glück. Ich lache wenn ich glücklich bin.“

Bei diesem Satz war mein Herz endgültig verloren, verzieh ihm sein zuweilen merkwürdiges Verhalten.

„Willst du jetzt vielleicht doch ein Bier? Du musst ja nicht fahren, bleib einfach hier bei mir.“ Seine Augen wurden wieder sehr ernst. „Es wäre seltsam, wenn du jetzt gehen würdest.“

„Ich bleibe wirklich gerne. Aber wenn wir jetzt noch Bier trinken, dann musst du mich morgen früh wecken.“

„Warum denn das?“

„Na warum wohl, ich muss arbeiten. Ich will keine Sonderbehandlung von deinem Onkel, nur weil wir zusammen sind.“

Er grinste mich an. „Also das ehrt dich ja, wirklich, aber ich denke nicht, dass Karl für dich samstags die Werkstatt aufschließt.“

„Na dann… wo bleibt das Bier?“ Trotz aller Mühe gelang es mir nicht, die Verlegenheit zu überspielen.

René hauchte mir noch einen zärtlichen Kuss auf die Lippen. „Kommt sofort.“

Schweigend starrte ich ihm und seinem nackten Knackarsch nach und fühlte mich zum ersten Mal in meinem ganzen Leben wirklich vollkommen und vollständig.

Ein paar Schlucke später lagen wir wieder angekuschelt auf dem Sofa. „Was ist eigentlich mit deinem Onkel… wenn er das hier rausfindet, haben wir dann ein Problem?“

Zärtliche Finger streichelten über mein Gesicht. „Nein. Er dürfte froh sein, dass ich ihm jetzt nicht mehr die Ohren volljammere, wie die letzten Abende.“

„Bitte? Oh Gott.“

René lachte. „Keine Angst, er weiß, dass ich schwul bin und scheint dich zu mögen. Und ich war mir bei dir auch sicher, aber da war was anderes.“

„Du meinst Mats?“

Seine Finger verkrampften sich etwas an meiner Schulter, ich hatte wohl einen wunden Punkt getroffen. Ich musste ihm die Wahrheit sagen, bei passender Gelegenheit.

„Auch, ja. Ich dachte echt, es läuft was bei euch.“

„Soviel zu der passenden Gelegenheit“, murmelte ich.

„Was?“

„René… also ehrlich gesagt, da war was. Ich habe ein paar Mal mit ihm geschlafen. Aber wir sind wirklich nur Freunde.“

Der warme Körper löste sich ruckartig von mir und mein Freund, falls er es noch war, sprang von der Couch.

„Ich glaub’s ja nicht! Nur Freunde und ein paar mal gleich? Wieso hast du das nicht vorher gesagt?“

„Weil es dich bisher eigentlich auch nichts anging! René, da ist wirklich nicht mehr, wir waren beide einsam und es war nur dreimal. Ich wusste ja nicht, dass es dir auch so ging wie mir. Ich dachte wirklich, du wärst hetero, oder zumindest nicht interessiert.“ Meine Augen füllten sich mit Tränen. „Warum muss Ehrlichkeit eigentlich immer bestraft werden? Ich wollte dich wegen Mats nicht belügen. Mit ihm konnte ich es zum ersten Mal nach vielen Jahren wieder genießen.“

„Nur dreimal… Von Freitag bis Sonntag? Und dann nur Freunde? Das klingt ein wenig viel.“

„Nur Samstag und Sonntag, wenn du es genau wissen willst. Das letzte Mal am Sonntag war sogar deine Schuld, irgendwie.“

„Das ist ja wohl lächerlich!“

„Nein.“ Meine Stimme wurde sehr leise. „Du erinnerst dich an meine Umarmung, als du die guten Nachrichten gebracht hast? Dein Geruch hat mich halb um den Verstand gebracht. Und Mats wollte mir dann… helfen.“

„Mir hat danach keiner geholfen.“ Seufzend setzte er sich neben mich. „Und du liebst ihn nicht?“

„Nein. Ich mag ihn sehr gerne. Aber er ist nicht der, bei dem ich Herzklopfen bekomme. Du lässt meine Pumpe aber jedes Mal fast platzen. Heute Morgen… du hast keine Ahnung wie süß du ausgesehen hast. René, ich habe mich Hals über Kopf in dich verliebt. Und das obwohl du manchmal mehr als komisch bist. Oder deshalb? Keine Ahnung.“

Seine Hand suchte wieder vorsichtigen Kontakt mit meiner Haut. „Tut mir leid, ich hab mich… ich bin manchmal etwas eifersüchtig. Und… irgendwann erzähle ich dir auch noch etwas, aber das kann ich jetzt nicht. Und dann hoffe ich auch auf deine Nachsicht.“

Der Satz gefiel mir nicht. „Glaub nicht, dass ich dir irgendeinen Mist verzeihe, nur weil du jetzt ein Auge zudrückst.“

„Halt, so meine ich das nicht. Ich würde dich nicht betrügen, wenn du mit mir zusammen sein willst.“ Seine Stirn sank auf meine Schulter. „Ich steck gerade so tief in der Scheiße, dass kannst du dir nicht vorstellen. Bitte hab Geduld, ich werde es dir irgendwann erklären… dürfen.“

Ein flaues Gefühl blieb zurück, es gab offenbar ein großes Geheimnis, aber ich glaubte nicht, dass er mich hintergehen würde.

„Wenn du noch mal mit Mats schläfst…“

Ich unterbrach ihn. „Werde ich nicht.“

„Tom, lass mich ausreden! Wenn du noch mal mit Mats schläfst, dann sag es mir einfach nur sofort, bitte. Mehr nicht. Versprochen?“

„Und dann?“, fragte ich misstrauisch zurück.

„Nichts ‚und dann’. Es gefällt mir vielleicht nicht, aber ich kann damit umgehen. Bei jedem anderen drehe ich dir persönlich den Hals um.“ Er küsste mich.

„Versprochen. Aber ich glaube nicht, dass es wieder passieren wird. Erstmal müssen wir ihn finden und dann möchte ich versuchen, ihn mit seiner großen Liebe zusammen zu bringen.“

„Ich nehme an, dabei handelt es sich um diesen Kevin?“

„Ja, mein großer Pseudo-Bulle, es ist Kevin.“

René verzog wieder das Gesicht, sagte aber nichts und legte sich einfach nur wieder zu mir. Nach der Flasche Bier gingen wir gemeinsam hoch in sein Schlafzimmer. Es sah herrlich aus. Ein großes Bett stand beinahe schon frei im Raum, ein ganzes Stück von der Wand weg. Der helle Teppich fühlte sich kühl unter den Füßen an und die weiten Vorhänge wehten leicht im Wind, der schwach durch die Türen zum kleinen Balkon blies.

Noch in der Tür hielt ich ihn am Arm fest und schmiegte mich an seinen Rücken. Meine Finger erkundeten die festen Muskeln unter der weichen Haut seiner Brust. Sein Nacken schmeckte nach Sommer. „Kornblumen“, flüsterte ich.

„Hmm?“, brummte er.

„Dein Geruch. Kornblumen und frisch geschnittener Rasen. Würziges Brot, Sonne und…“ Mehr konnte ich nicht sagen, René hatte sich umgedreht und küsste mich zärtlich. Die Finger kraulten wieder meinen Nacken und ich bekam eine wohlige Gänsehaut.

„Wow. Sowas Schönes hat noch keiner zu mir gesagt.“

„Du riechst immer gut, auch neulich. Da hab ich dich angelogen, denn gerochen habe ich doch etwas. Du hast nicht wie ein Schwein gestunken. Eher wie köstlicher Schweinebraten, den man einfach probieren muss.“

„Du bist doof“, lachte er. „Ich kann das nicht so gut beschreiben, aber auch dein Duft benebelt mich, jedes Mal. Ich bin immer geflohen, aus Angst du könntest merken, wie sehr mich das anmacht.“

„Wir waren dann wohl beide doof“, musste ich zustimmen.

„Es ist nicht ganz so einfach… Tom, bring mich zum Schweigen, bitte.“ Er klang fast schon verzweifelt, aber den Gefallen tat ich ihm gerne. Er würde mir schon erzählen was los war, wenn er es konnte. Meine Zunge erforschte seinen Mund und zaghaft streichelte ich über seinen festen Hintern. Das Schaudern zeigte mir, wie sehr es ihm gefiel. Ich ging auf die Knie und küsste die Spitze seiner großen, fleischigen Rute. Meine Lippen massierten sie und ich genoss noch die Reste seines Geschmacks von vorhin. Mit dem Finger glitt ich die Kerbe zwischen den knackigen Backen entlang und hörte ihn lustvoll aufseufzen.

„Schlaf mit mir!“ Sein Wunsch kam mir sehr entgegen.

„Ich werde vorsichtig sein“, versprach ich ihm. Aber ich wollte mir noch etwas Zeit nehmen und mich für die wundervolle Massage bedanken.

René führte mich an der Hand zum Bett und legte sich hinein. In seinen Augen lag eine unausgesprochene Einladung, der ich gerne folgte. Breitbeinig hockte ich mich über seine Oberschenkel und beugte mich weit vor. Mein Mund suchte seine honigsüßen Lippen und küsste sie, bevor ich mich wieder aufrichtete. Mit den Händen strich ich über seine Brust und beobachtete, wie sich die kleinen und harten Nippel weiter zusammenzogen. Seine Haut war warm und glatt unter meinen Händen, seine Muskeln leicht angespannt.

Mein Finger zog eine Spur aus Gänsehaut von der Brust bis hin zum Bauchnabel, folgte den Konturen des stattlichen Sixpacks. Ich verließ meine Position und legte mich seitlich neben ihn, bettete meinen Kopf auf seiner starken Schulter und ließ meine Zunge über sie streifen. Mein Freund hielt die Augen geschlossen und seufzte wohlig, der kleine René und er genossen meine Behandlung, längst streckte sich ersterer wieder hoch in die Luft.

Meine Zunge suchte die nächstgelegene Brustwarze und umkreiste sie langsam. René reckte sich ihr entgegen, es gefiel ihm offensichtlich. Meine Hand unterstützte mich, indem sie durch das kurzgeschnittene Haar weit unter dem Nabel kraulte. Er schnurrte leise.

„Kleiner Genießer“, flüsterte ich leise und er lachte.

„Du weißt aber auch was du tust, am liebsten hätte ich, wenn es niemals enden würde.“

„Es muss nicht enden.“

Ich verschloss seinen Mund und rieb meine Erektion an seiner Hüfte. Unsere Zungen spielten miteinander. „Aber für heute kann ich nicht mehr lange warten. Dein erstes Mal wird dir gefallen“, versprach ich ihm. „Dreh dich um, knie dich hin und beug dich vor.“

Etwas zögerlich kam er meiner Bitte nach und streckte mir bald seinen knackigen Hintern entgegen. Ich verteilte sanfte, feuchte Küsse auf seinen haarlosen Backen, streichelte seinen Steiß und pustete auf die feuchten Stellen. Das rosige Loch starrte mich beinahe an und er stöhnte, als meine Zunge es streifte. „Fuck, was machst du da nur. Hammer!“

Unbeirrt machte ich weiter, umkreiste den leicht zuckenden Muskel und durchstieß ihn. René keuchte und ließ sich tief nach vorne fallen, erleichterte mir den Zugang. Meine Finger lösten die Zunge ab. Er wandte sich unter mir, schwer atmend. Ich befand ihn für bereit.

„Hast du Gel hier, Schatz?“ Dieses letzte Wort ließ ich mir auf der Zunge zergehen. Seine Hand wedelte hektisch in Richtung Nachtschrank. In der einzigen Schublade fand ich das Gesuchte. Zwar lagen dort Kondome, aber ich verzichtete, schließlich hatten wir das beim letzten Mal auch irgendwie vergessen.

Ich bat ihn sich umzudrehen und blickte in seine verklärten Augen. Das Gel war schnell verteilt und ich legte mich zwischen seine Beine. Instinktiv hob er sie an und schloss sie um meine Hüften. Die Zunge hatte den Widerstand gebrochen und ich glitt hinein. René zeigte keine Anzeichen von Schmerzen.

Meinen linken Arm legte ich unter seinen Nacken und stützte mich auf der rechten Seite nach oben. René drückte mir seinen Körper entgegen und wir küssten uns. Mit jedem Stoß wurde er verlangender und vor allem lauter. Er ließ sich völlig in meinen Rhythmus fallen und stöhnte mit steigender Lautstärke, schrie es beinahe heraus. Ich fand es wahnsinnig geil und hatte Mühe, den Höhepunkt zurückzuhalten. Seine unglaubliche Enge erschwerte es mir zusätzlich, also ließ ich es zu. „René, komm für mich“, flüsterte ich in sein Ohr. Er warf mir sein Becken entgegen und ich spürte, dass auch er soweit war.

Zuckend entluden wir uns, seine Kontraktionen entleerten mich völlig. Ein letzter Schrei von ihm und es folgte die atemlose Stille. Erschöpft blieb ich auf ihm liegen, seine Arme matt streichelnd auf meinem Rücken.

„Alles gut bei dir?“, fragte ich nach einer kleinen Weile.

Ein leises Lachen war seine Antwort. Mittlerweile war es draußen dunkel und der Tag forderte seinen Tribut. Die harte Arbeit und die zwei fantastischen Akte mit René ließen mich einschlafen.

***

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