Welcome Kapstadt – Teil 10

Das Rauschen der Wellen war das erste Geräusch, das ich nach dem aufwachen vernahm. Ich öffnete kurz die Augen, sah mich um. Ich lag alleine auf einem Bett, zugedeckt bis über die Ohren und ich fühlte die Kälte an meinen Füßen, die aus dem etwas zu kleinen Bett hinausragten. Ich zog sie an und mummte mich ein. Die einsetzende Morgendämmerung erlaubte mir einen Rundblick.
An der Wand gegenüber stand das zweite Bett in diesem Zimmer und ich konnte Shauns Kontur unter der Decke erkennen. Er lag zur Wand gedreht und schnarchte leise.
Ich fühlte ein nasses Knäuel in meiner Hand und sofort passierte die Nacht Revue.
Nachdem ich Shaun in den Hosenbund gegriffen und seine Schamhaare betastet hatte, packte er meine Hand und sah mich an, mit diesem Blick.
Kein Wort dieser Nacht würde ich je mehr vergessen.

***
» Ich muss dir glaube ich, etwas sagen «.
Ich zog meine Hand zurück. Dabei war mein Geist schon nicht mehr zurechnungsfähig. Mein Herz klopfte und mein Körper stand unter jeder Menge Strom. Mein kleiner Freund war an der Spitze bereits feucht geworden – und ich hatte ja bereits keine Hosen mehr an.
» Ja, was? « keuchte ich, irgendwie frustriert.
» Ich hab.. ich hab mich seit mindestens.. naja, seit einem halben Jahr nicht mehr selbst.. befriedigt. «
Ich ließ von meinem Schnucki ab. » Was? Wieso das denn? «
Er sah verlegen an mir vorbei.
» Ich hab’s nicht mehr machen können, jedes Mal sind die Erinnerungen stärker hochgekommen. Es gibt da ein paar Jungs an der Uni, die sehen ganz toll aus und ich glaube dass sie auch schwul sind. Die sind dann in meinen Phantasien aufgetaucht. Das war schon geil, aber immer wieder blitzte das Gesicht dieses Typen dazwischen. Ich hab’s dann bleiben lassen. Manchmal ist morgens meine Schlafanzughose, die Boxer oder das Bettlaken nass. Da hab ich gedacht okay, hast wenigstens Träume gehabt wo der nicht erschienen ist. «
Eigentlich war es fast zu ungeheuerlich was er da sagte. » Das ist ja.. schlimm. «
Mehr fiel mir dazu nicht ein. Was sollte nun werden? Ich war wie aufgelöst, fuhr ihm durch die Haare. Zeit, dieser blöde Faktor Zeit. Konnte ich ihn aus dieser Lage befreien? Ihm zeigen, dass eine ganz neue Zeit für ihn begonnen hatte?
» Shaun, ich.. möchte dich aus diesen Erinnerungen herausholen. Wir lieben uns, das steht fest. «
Ich legte mich neben ihn und langsam regte ich mich wieder ab. Ich streichelte seinen Bauch, küsste seine Brustwarzen. Ich musste langsam vorgehen, ihn zu erschrecken war mit Sicherheit der größte Fehler.
Wieder tanzten unsere Zungen umeinander. Bis hierhin kam ich immer, kam er immer. Vielleicht sollte alles ganz anders angegangen werden.
Ich stand auf, legte Holz nach und setzte mich wieder vor den Kamin. Mein Schwanz tat mir jetzt fast ein bisschen leid, er war wieder in der Warteschleife und die Tropfen wurden von dem Fell aufgesaugt.
Shaun musste auf mich zugehen, das stand nun fest. Er selbst musste diese Mauer einreißen, ich durfte das nicht tun. Dass es hier passieren würde war nicht sicher, denn Mauern können lang und stark sein. Ich würde ein bisschen an ihr kratzen, aber einreißen – das war Shauns Sache.
Ich spürte seine Hand auf meinem Rücken.
» Es tut mir leid.. «
» Wie oft muss ich wiederholen, dass ich dieses Wort von dir nicht hören möchte? Du kannst nichts dafür. Aber vielleicht solltest du einmal über die Zukunft nachdenken. Über unsere Zukunft. Ich würde so gerne bei dir bleiben.. «
Ich unterbrach mich. Das konnte er als Erpressung auslegen, ich jedenfalls würde es so verstehen.
Ich ließ mich zurückfallen und starrte an die Decke. Was war noch möglich? Verführen? So richtig, ohne dass er es merkte? Der Gedanke reizte und erregte mich. Spielen. Mit seinen Gefühlen spielen. Kinder lernen im Spiel, warum soll das bei einem jungen Mann nicht auch funktionieren? Mein Kopf begann zu glühen, was aber nichts mehr mit Fieber zu tun hatte. Alle Rädchen drehten sich wie wild, suchten nach einer Lösung.
» Zwei Dinge würde ich jetzt gerne tun « sagte ich nach einer Weile.
» Und die wären? «
» Erstens möchte ich duschen, zweitens hab ich langsam Hunger. «
Shaun richtete sich auf.
» Klar, kein Problem, warmes Wasser gibt’s immer und Essen – ich kenn da ein schnuckeliges Lokal. «
Ich lächelte ihn an und versuchte, das schönste Lächeln aufzusetzen das mir je gelang. Er musste spüren dass keine Absichten dahinter standen.
» Schön, in dieser Reihenfolge. Aber mir wär recht wenn du mir den Rücken schrubben würdest – natürlich mit Gegenleistung « sagte ich spontan.
Ich sah ihm in die Augen. Waren es Fragen, waren es Ängste? Ich konnte es nicht deuten. Er musste die Entscheidung treffen.
Jetzt spürte ich zum ersten Mal seit wir uns kennen was er dachte. Er war unsicher. Haderte mit sich und seinen Gefühlen. Ihm war klar dass wir nicht in Shorts unter die Dusche gehen würden. Aber ich hatte nur vom Rücken gesprochen, sonst von nichts.
» Was ist nun? Willst du mit unter die Dusche oder lieber nicht? « Ein bisschen Forderung dürfte nicht schaden. Um so besser konnte er sich wehren wenn es ihm nicht passte.
Shaun stand auf. Dieser Körper – ich würde in den Krieg ziehen dafür.
» Gut, wenn du meinst.. «
Ich sagte nichts darauf, stand auf und ging voraus. Dabei versuchte ich so zwanglos wie möglich zu scheinen, wenngleich sich mein Körper an allen Stellen zusammenzog. Immerhin war ich nackt und Shaun noch in seinen Boxern. Aber nackt herumzulaufen ist für mich nichts ungewöhnliches, zu Hause, wenn ich alleine bin, tue ich das immer. Unter keinen Umständen durfte sich aber mein kleiner Freund selbständig machen, das wäre eine Katastrophe gewesen. Und immerhin können ja auch Männer aufreizend gehen. Ich versuchte es, auch wenn ich mir nicht sicher war wie lächerlich das aussehen würde.
Mein Spielkamerad schwieg, auch als Shaun mir ins Bad folgte. Ich konnte die Spannung deutlich fühlen. Aber es war nicht herauszubekommen ob sie negativ oder positiv war.
Ich ging in die Duschkabine und drehte mich um, so dass Shaun mich von vorne sehen musste. Ich zwang es ihm nicht auf, aber es gab keinen anderen Weg. Nur auffordern hereinzukommen, das würde ich ihn nicht.
Er wurde leicht rot, sah zu Boden. Ich schwieg noch immer, drehte das Wasser auf und ließ es an mir herunterlaufen. Es war fast eine Erlösung.
Shaun stand noch immer im Badezimmer, schielte ab und an zu mir herüber.
Ich drehte mich wieder zur Wand und begann mich pfeifend einzuseifen. Wenn er jetzt nicht nachkam, würde es niemals etwas werden.
Das Wasser war schön warm und nach einigen Minuten legte sich meine Spannung völlig. Shaun wird nicht kommen. Er würde irgendwo ins Haus verschwinden und vielleicht sogar heulen, dann aber war es vorbei. Ein Psychologe, der könnte ihm möglicherweise helfen. Shaun war der liebenswürdigste Mensch, den ich je kennengelernt hatte. Aber so ganz ohne Sex – das konnte irgendwie nicht funktionieren.
Ich wollte gerade den Vorhang zuziehen, als Shaun vor mir stand. Nackt.
Wortlos trat er in die Duschwanne, schloss den Vorhang und drängte sich an mich, um etwas von dem Wasserstrahl abzubekommen.
» Hey, schön dass du mir den Rücken waschen willst. «
Irgendwas musste ich ja sagen.
Shaun stand hinter mir, nahm das Duschgel, gab etwas davon auf seine Hand und dann fühlte ich seine zarten Hände meinen Rücken auf- und abfahren. Gefühlvoller wie er das tat konnte ich es mir nicht vorstellen. Jeder einzelne Nerv in meinem Körper geriet in Wallung.
Shaun begann an meinem Hals, dann die Schulterblätter. Trotz des warmen Wassers spürte ich eine angenehme Gänsehaut.
Die Hände erreichten meine Taille, und dann spürte ich sie auf meinen Pobacken. Soweit ging er also schon. Die Hände gingen wieder zurück, umgreiften mich, seiften meinen Brustkorb ein, meinen Bauch. Und dann drückte Shaun seine Wange an meinen Hals.
» Es ist so schön… «
Und dann kam, was ich so lange erwartet hatte. Mit einer neuen Ladung Duschgels seifte er meine Schamhaare ein, und diesmal konnte ich meinen Spielkameraden nicht bändigen.
Zarte Finger umspielten meinen Hoden, fuhren den Schwanz hoch, umkreisten die Eichel und fuhren zurück, um von neuem zu beginnen.
Ich drehte mich um, unsere Blicken trafen sich.
» Komm, jetzt bist du dran « sagte ich total erregt, denn lange hätte Shaun dieses Spiel nicht mit mir machen können.
Er drehte sich um, wobei ich nur kurz sehen konnte dass sein Schwanz auch steif gewesen war. Ich seifte meinen Schnucki von hinten so ein wie er mich, kam dann irgendwann an den Punkt, wo ich um ihn griff und seinen Hoden zu fassen bekam.
In dem Moment zuckte Shaun plötzlich zusammen, riss den Kopf hoch und stöhnte auf. Mehr bekam ich nicht mit, nur dass mir klar war, er hatte einen Orgasmus. Ich fuhr seinen Schwanz hoch und ich spürte den glitschigen Samen in meiner Hand.
Lange standen wir so da. Mein kleiner Freund war mal wieder nicht auf seine Kosten gekommen, aber mir war etwas anderes viel wichtiger: Shaun hatte es geschafft.
Er drehte sich zu mir, sah mir kurz in die Augen und stieg aus der Dusche. Wahrscheinlich hätte er wieder gesagt, dass es ihm leid tut, aber das hatte ich ihm ja sozusagen verboten. Es war kein Wunder dass er so schnell kam, nach so langer Zeit.
Ich nahm ein Papiertaschentuch und wischte Shauns Sperma ab, das langsam an der Kachelwand herunterlief. Aber diese Aktion konnte nicht ohne Folgen bleiben, mein kleiner Freund wurde dabei wieder steckensteif und wenige Minuten später vermischte sich unser Sperma.
Ich nahm ein zweites Taschentuch und wischte meine Spuren auf..
Nun stand ich im Zimmer, Shaun war verschwunden. Rasch zog ich meine Boxer an und ging nach unten. Da saß er vor dem Kamin, so wie ich es vermutet hatte, und starrte in die Flammen.
Nur ja keinen Vorwurf, kein Wort zu dem, was gerade passiert war.
Ich nahm ihn in den Arm » Und, wie fühlst du dich? « fragte ich nur.
Seine Augen waren wässrig.
» Wie wohl? Ich hab’s versaut, oder? «
Ich wurde zornig und diesmal musste er es sich anhören. Gefühlsduselei ist ja was ganz schönes, aber übertreiben braucht man nicht.
» Was bitte hast du versaut? Die Kacheln an der Wand, ja klar, du hast ja weit genug gespritzt. Kenn keinen der so eine Kanone hat. Also, was meinst du? «
Und dann geschah etwas, womit ich niemals gerechnet hätte.
Er grinste mich an.
» Fandest du das geil? «
» Ja, Schnucki. Und ich möchte dass das so bleibt. Ich fands toll und andere brauchen dafür Stunden, wenn überhaupt. Dich hab ich nur an den Eiern gekitzelt und schon… Und he, es war der Anfang. Wir kriegen das schon hin. «
Er fiel mir um den Hals.
» Das nächste Mal wird’s besser. «
Ich schluckte » Klar wird das besser. «
Irgendwie war Shaun von diesem Moment ab wie ausgewechselt. Er stand später vor dem Spiegel und drehte sich.
» Kann ich das anziehen zum Essen gehen? « fragte er mich. Er hatte die dicke Jacke, die Zipphosen, seine Turnschuhe an und eine Kapuze auf.
» Nein, kannst du nicht « zog ich ihn auf.
Entgeistert sah er mich an.
» Und wieso nicht? «
» Weil du nur hübsch bist wenn du gar nichts anhast. «
Er schnaufte durch.
» Dario, du entwickelst dich zu einer Boyschlampe. Die sind unerträglich. Ich geh nicht nackt in ein Restaurant. «
Wenige Sekunden später hatte ich mich auf ihn geworfen und wir landeten auf einem der Betten.
Ich packte ihn an den Haaren, lutschte seinen Ohrring und leckte seine Lippen.
» Noch ein Mal dieses Wort zu mir, und ich ersäufe dich da draußen im Meer. Höchstpersönlich und ohne Hoffnung auf einen Fehlschlag. «
» Vorher zernage ich deine Vorhaut, beiß dir ein Ei ab und mache einen Knoten in deine Zunge… «
Shaun war ein anderer Mensch geworden. Ich rollte mich von ihm und schüttelte den Kopf. Zum Lachen kam ich gar nicht erst, es war zu amüsant.
» Schön, all das tun wir wenn wir essen waren « sagte ich.
Das kleine Restaurant war nur spärlich besucht, nur wenige Touristen kommen um diese Jahreszeit hierher.
Kerzenlicht, leichte Musik, Blick aufs Meer, auf das der Mond silberne Wellen zauberte und nur ein Leuchtturm auf irgendeiner Insel da draußen schickte sein künstliches Licht blinkend in die Nacht.
Shauns Augen glitzerten wieder im Kerzenlicht, aber dieser Blick war anders, sehr viel anders als ich es kannte.
Und ich spürte plötzlich seinen Fuß an meinem, wie er auf und abfuhr.
Shaun hob das Glas Rotwein.
» Niemals möchte ich, dass es anders wird. «
» Das möchte ich auch nicht. «
Mein Handy klingelte, und ich sah auf dem Display dass es Nadine war.
» Hey Schwester, was gibt’s so spät in der Nacht? «
» Wo seid ihr? «
» Arniston. In einem Restaurant. «
» Aha, dann also geht es euch gut? «
Ich sah meinem Schnucki in die Augen.
» Äh, nein. «
» Was ist denn nun schon wieder? Kann man euch nicht alleine lassen? «
Ich grinste.
» Nein, uns geht es SEHR gut, das ist ein großer Unterschied.. «
Schnaufen am anderen Ende.
» Warte, bis wir uns wieder begegnen. So darfst du mit deiner Schwester nicht umgehen. Aber gut, ich hab tolle Nachrichten für dich. «
» So? «
» Ja. Hab mit Mutti und Vater gesprochen. Sie haben nichts dagegen dass du.. «
In diesem Augenblick schossen mir Tränen ins Gesicht. Ich wusste genau was sie sagen würde und ich wollte oder konnte es nicht fassen. Ich ließ das Handy sinken und versuchte die Fassung nicht zu verlieren. Ich gab Shaun das Telefon.
» Red du, ich kann nicht.. «
Entsetzt starrte er mich an, nahm das Handy.
» Was soll ich? Was ist denn passiert? « fragte er mit großen Augen.
» Reden, irgendwas.. «
» Ja? Hier Shaun. Nein, alles Ok mit ihm, bloß… Was..? Ist ja Klasse. Hab ich doch gewusst. «
Ich nahm eine der Servietten auf dem Tisch und schnäuzte laut und deutlich, aber mein Hals war irgendwie blockiert, ich konnte kaum sprechen.
» Sag, ich ruf zurück « brachte ich grade noch heraus.
Shaun redete noch ein paar Worte, dann legte er auf.
» Mann, Dario, du darfst kommen, musst nur noch mal zurück um alles zu erledigen. «
Jetzt sah ich auch Tränen in seinen Augen. Ungeachtet der anderen Gäste zog ich seinen Kopf über den Tisch und gab ihm einen Kuss,
Dann gab es keine Worte, bis der Ober kam und uns den Fisch mit Reis, Senfsoße und Salat brachte.
» So, jetzt ist es amtlich. Ich bleibe hier, bei dir, in diesem großartigen Land.. « begann ich schließlich während dem Essen ein Gespräch. Zu aufgewühlt war ich vorher.
Das war so unwirklich, so phantastisch. Natürlich würde es nicht einfach werden, aber welche Hürden waren nicht zu nehmen wenn man liebt?
» Und du lässt wirklich alles zurück? « fragte mich mein Schnucki.
» Nein, alles nicht. Meine ganzen Sachen kommen nach. Mutti und Vati kommen mich bestimmt oft besuchen. «
» Und deine Freunde? «
» Ich hab keine Freunde. Jedenfalls keine, die diesem Wort gerecht werden könnten. Kumpels sagt man wohl. Sie sind mir aber nicht wichtig. «
Klar dachte ich an Daggi. Aber sie hat es eh geahnt und irgendwie fühlte ich mich in diesen Minuten wirklich frei.
Nach dem Essen sind wir noch lange am Strand entlang, der Sturm hatte etwas nachgelassen und wir waren ja auch dick eingemummt. Eng umschlungen liefen wir durch den kleinen, um diese Uhrzeit verschlafenen Ort und kaum ein Wort fiel.
Im Haus angekommen war es schon wieder recht kühl, im Kamin glimmte nur noch ein bisschen Glut.
Shaun lief hin und her wie ein aufgescheuchtes Huhn. » Wir müssen feiern, dass du bald Südafrikaner sein wirst «
» Hätten wir im Lokal machen müssen, zum feiern wird es hier nichts geben. «
» Moment, so einfach kannst du das nicht dahersagen. Wir haben ja auch noch ein Auto. «
Mir war völlig unklar was er meinte. » Aber wir haben beide getrunken «
» War sagt, dass wir fahren müssen? «
Shaun ging aus dem Haus zum Wagen, kam dann mit zwei Flaschen Sekt zurück.
» Immerhin gibt’s da ein Weingut, und da darf Proviant dieser Art nicht fehlen. «
Kurz darauf hatte Shaun den Tisch im Wohnzimmer mit zwei Gläsern und einer Kerze gedeckt.
» Wie einfach, und doch so romantisch.. «
» Tja, wir hier wissen schon wie man stilvoll feiert. Du wirst dich an all das schnell gewöhnen. «
Wir stießen an, aber ohne Euphorie. Uns war klar, dass es noch eine Weile dauern würde bis alles in seinen Bahnen lief, aber der Anfang war gemacht.
Plötzlich machte Shaun ein komisches Gesicht und fummelte in seiner Hosentasche.
» Ich hab es nur geahnt, gehofft, gewollt. Aber gewusst habe ich es nicht. Nun… «
Er tat ziemlich geheimnisvoll, als er seine Hand aus der Hosentasche nahm und etwas in seiner Faust hielt.
» Für den Fall der Fälle hab ich schon mal vorgesorgt. «
Er öffnete die Hand und ich ahnte sofort was sich in der kleinen, schmucken Schachtel verbarg. Aber glauben wollte ich es nicht.
» Südafrika ist Gott sei Dank kein erzkonservatives Land mehr, Kapstadt ist die Schwulenhochburg und niemand hat wirklich Einwand, aber heiraten können Schwule hier noch nicht. Was sie uns nicht verbieten können – das ist eine Verlobung. «
Mit diesen Worten öffnete er die kleine Schmuckschachtel und die Ringe, die ich da sah, hauten mich fast um. Silberne Ringe, rundum mit winzigen Diamanten besetzt.
» Die Ringgröße war übrigens kein Problem, du lagst ja lang genug im Koma herum.. « grinste er, » steh bitte auf. «
Er schenkte Sekt nach und ich folgte seinem Wunsch.
» Gib mir deine linke Hand. «
Ich zitterte, als er mir den Ring aufschob. Wie angegossen passte er.
Dann nahm ich den anderen Ring und tat es bei ihm, es war einfach zu unwirklich.
Ich drehte meinen Finger im Licht und betrachtete den Ring.
» Shaun, das ist ein Vermögen.. «
» Ja, woanders vielleicht schon, aber in Südafrika werden Diamanten gefunden, da ist das nicht so…. «
Ich zog seinen Kopf zu mir und küsste ihn.
» Danke, Shaun ich weiß nicht.. «
» Musst du nicht. «
Wir stießen an und ich konnte meinen Blick nicht von den beiden Schmuckstücken nehmen, die uns – so fand ich – unheimlich gut standen.
» Du und ich, verlobt. Das muss ich erst verdauen.. Aber hier, ich hab auch was für dich « sagte ich und gab ihm ein kleines, zerknülltes Papiertaschentuch.
Er starrte es an.
» Du warst schon aus dem Bad, da hab ich … nun ja, du wolltest ja ein neues. «
Ich musste sehr breit grinsen, nahm das andere Taschentuch und hielt es hin.
» Das ist von dir. Und eine Verwechslung ist diesmal nicht möglich, ich hab genau aufgepasst. «
Shaun sprang auf, rannte um den Tisch, riss mich förmlich mit sich und wir landeten vor dem Kamin.
In Sekunden hatte er mir das Shirt vom Leib gezerrt, die Boxer heruntergezogen und nun stand ich nackt vor ihm. Mir war in dem Moment alles egal, Hauptsache er konnte seine Vergangenheit vergessen.
*
Auf einer Seite meines Körpers war es kühl, auf der anderen kuschelig warm. Wir lagen umarmt vor dem Kamin, in dem nur noch eine kleine Glut vor sich hin knisterte.
Was für ein Liebesspiel. Alle, alle Tabus waren gefallen, Shaun war richtig wild geworden. Ich war überrascht zu was er alles fähig war. Und dass er Gleitgel bei sich hatte, das zeugte nur davon, dass er bereit war die Mauer zu zerstören. Der Höhepunkt war die 69, in der wir beide zum selben Zeitpunkt gekommen waren.
Die Mauer war eingerissen, auf ihrer ganzen Länge und Breite.
Nun wurde mir kalt, ich rüttelte Shaun wach, ein neues Feuer nachzulegen erschien mir um 4 Uhr Morgens nicht sinnvoll.
Völlig verschlafen und richtig kraftlos kamen wir schließlich in unser Zimmer, wo sich jeder auf sein Bett unter die Decke verkroch.
Und nun lag ich da, betrachtete im Halbdunkel den Ring, den Shaun mir angezogen hatte. Er würde mein Leben bestimmen. Nein, er musste es.
Am Abend zuvor hatte ich in der Straße einen Lebensmittelladen gesehen. Ich stand leise auf und ging nach unten. Wie schön, Shaun mit einem Frühstück zu wecken.
Als ich zurückkam, schlief Shaun noch immer und ich hatte Zeit, ein richtiges Frühstück zu zaubern, eben mit den Mitteln die einem hier zur Verfügung stehen.
Gerade als ich ihn wecken wollte, ging mein Handy. Nadine.
» Bruderherz? «
» Ja? «
» Und, alles Ok. ? «
Ich hätte ihr am liebsten gesagt dass ich diese Nacht mit Shaun geschlafen hatte und dass es so oder so keinen besseren Freund geben kann.
Sie bemerkte meine Denkpause natürlich sofort.
» Habt ihr eine Nacht zusammen verbracht? «
Mein Gott, diese Schwester.
» Zur allgemeinen Beruhigung – ja, haben wir. «
Seufzen am anderen Ende.
» Na endlich. Wobei man neidisch werden kann. «
» Stopp, du bist verheiratet und Shaun gehört mir. Wir haben uns gestern Abend verlobt. Mit Ringen und Sekt. Nur damit… «
»… ihr habt euch was? « unterbrach sie mich recht laut.
» Verbindung schlecht? « fragte ich frech nach.
» Nein, ich glaub das nicht. Das ist ja.. phantastisch. Wolfgang, « rief sie irgendwie ins Zimmer, » stell dir vor.. !! «
Naja, mit soviel Freude hatte selbst ich nicht gerechnet.
» Gut, das muss gefeiert werden. «
Noch bevor ich einen Einwand gegen ihren Vorschlag einbringen konnte, setzte sie fort.
» Aber warum ich anrufe: Du musst am Donnerstag zurückfliegen. Und wenn alles klappt, wovon man ausgehen kann, bist du in sechs Wochen hier. Für immer. Du kannst sofort die deutsche Schule in Stellenbosch besuchen und alles weitere ist kein Problem. Robert hat sämtliche Fäden gesponnen die es gibt und eigentlich ist alles nur noch eine Formalität. «
» Was sagst du? Es kann nichts mehr passieren? « Ich konnte es nicht fassen.
» Freust du dich etwa nicht? «
» Meine Güte, Nadine, du weißt wie ich mich freue. Aber es kommt etwas schnell und ich bin so gar nicht vorbereitet. «
» Es reicht wenn du dich jetzt vorbereitest. Fahrt wieder zurück, auch wenn es euch schwer fällt. Und grüße mir Shaun. Nein, kannst ihm auch einen Kuss geben. «
» Nee, Schwesterlein, das auf keinen Fall. Ich bin der einzige der meinen Schnucki küssen darf, da geht auch im Auftrag nichts. «
» Schön, du eifersüchtiger Geizhals, dann halt nicht. Kommt bitte, okay? «
» Ja Nadine, wir kommen, so schnell es geht. «
Ich legte auf und betrachtete das Handy wie einen Geist. Es war also soweit. Ich würde wirklich hier leben. Mit Shaun, in die Schule gehen, was hier bestimmt ganz anders war als bei uns. Und dann studieren. Was, war mir in dem Moment noch egal.
Donnerstag, das waren drei Tage. Damit hatte ich nicht gerechnet, aber je eher das passierte, desto besser. Mein Herz klopfte, mir wurde warm. Drei Tage, die wir natürlich nicht hier verbringen konnten. Drei Tage.
Ich sah die Treppen hoch. Da oben lag er, schlief noch friedlich. Hatte keine Ahnung was passiert war. Was passieren würde.
Mein Blick fiel auf den Frühstückstisch. Sollten wir wirklich heute schon fahren müssen? Nein, in vier Stunden waren wir zu Hause, so schnell mussten wir nicht zurück. Eine Nacht noch, eine einzige, bevor wir uns sechs Wochen nicht sehen sollten.
Ich ging langsam nach oben, sehr langsam. Musste mir klar werden was jetzt auf mich zukam. Meine Vergangenheit drohte mich einzuholen. All die Erinnerungen, die Erlebnisse, das, was im Augenblick noch um mich war in Deutschland. Es würde verschwinden. Daggi auch. Sie tat mir ein bisschen leid, aber sie war nicht mein Leben. Das war Shaun.
Ich trat in das Zimmer. Shaun lag da noch immer wie ich den Raum verlassen hatte. Langsam ging ich auf ihn zu, hörte dann dieses leichte schnarchen, das mich nie gestört hat. Und niemals in meinem Leben stören wird.
Ich setzte mich auf die Bettkante. Sein Gesicht im Profil war so schön, so ebenmäßig. Hatte ich diesen Jungen eigentlich verdient? Was wird in Zukunft aus uns? Konnten wir wirklich zusammenleben, jeden Tag, bis ans Ende?
Ja, ich kannte diese Zweifel. Wie oft waren sie schon aufgetaucht. Und immer wieder hatte es Shaun geschafft, sie niederzutrampeln.
Die Sonne schien jetzt in das Zimmer und wie durch Zufall trafen ihre Strahlen auch meinen Ring. Millionen kleiner Regenbogen leuchteten auf, blendeten mich und meine Zweifel. Nein, es gab keine. Ich beugte mich über meinen Schnucki und gab ihm einen Kuss.
Drollig sah er aus mit seinen völlig verstrubbelten Haaren, die in alle Richtungen abstanden, den kleinen Augenschlitzen, die von den langen Wimpern fast verdeckt wurden.
Er drehte sich auf den Rücken, legte seinen Arm unter den Kopf und blinzelte mich an.
» Warum hast du Licht angemacht? « fragte er leise.
» Dieses Licht kommt von draußen. Unser Stern will dich wecken. «
» Unser Stern? «
» Ja. Man nennt ihn auch Sonne. «
» Ach so. Schon so spät? «
» Nein, aber wir sollten die Zeit nicht vertrödeln. Am Donnerstag muss ich nach Deutschland zurück. «
Schlagartig setzte Shaun sich auf.
» Was, wieso? «
» Weil ich dann in sechs Wochen zurückkomme – für immer. «
In seinem Gesicht stand Ratlosigkeit.
» Was… ?«
Plötzlich schien er zu kapieren. Er rieb sich die Augen wie ein kleines Kind und ich wäre am liebsten über ihn hergefallen.
» Wirklich? Wahnsinn. «
Er schlug die Bettdecke zurück und gab den Blick auf seinen unbekleideten Körper frei. Und mein Schnucki zierte eine Morgenlatte, die er wohl in seiner Freude vergessen hatte.
Sofort wollte er die Decke wieder über sich ziehen, aber ich hinderte ihn daran.

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