Zoogeschichten I – Teil 46

Wiedersehen

Dennis

Ich nahm den Rechen und zog alles auf einen Haufen. Die ganze Zeit schon, seit ich im Gehege stand, musste ich an Sebastian denken. Er tat mir so leid. Die Polizei hatte eine Untersuchung eingeleitet und bis zu deren Abschluss würde er nun bei uns zu Hause im Gästezimmer wohnen.

Sebastian war das nicht Recht, doch meine Eltern hatten ihn so lange bearbeitet, bis ihm nichts mehr übrig blieb.

„Hallo Deeeeeeeeeeeeeeeeennis!“, hörte ich jemand rufen.

Ich drehte mich in die Richtung des Rufenden und entdeckte Florian – wild winkend – am Gatter.

„Hallo Florian, bist ja schon wieder im Zoo“, rief ich zurück.

„Ja, ich hab die Mama so lange genervt, bis sie mit mir hier her gekommen ist.“

Seine Mutter stand hinter ihm, zuckte mit den Schultern und lächelte verlegen.

„Wo sind denn die ganzen Bären?“

„Die sind drin, solange ich hier draußen aufräume.“

„Warum denn?“

Ich lehnte den Rechen gegen einen Ast und lief an den Graben, damit ich nicht so laut rufen musste.

„Du, die sind ausgewachsen, die würden mich vielleicht fressen?!“

„Dich fressen die bestimmt nicht, du bist doch so lieb zu ihnen.“

Kindermund… ich musste grinsen.

„Darf ich heute wieder zu den Bären?“

„Florian, die Leute hier haben auch noch etwas zu tun“, ermahnte ihn seine Mutter.

Ich winkte kurz ab und zog mein Handy hervor. Ich tippte die Nummer von Volker ein und ließ durchklingeln.

„Ja.“

„Hallo Volker, hier ist Dennis.“

„Morgen Dennis, was hat dein Herz für ein Begehr?“

War heut etwas bei dem im Kaffee?

„Ähm… ich habe hier so einen kleinen Mann, der sich unheimlich für Bären interessiert, hättet ihr etwas Zeit?“

„Fritz, haben wir Zeit … Führung all inklusive?“, hörte ich Volker rufen.

„Ist das dein Zoopfleger“, fragte er nun mich.

„Ja, genau der“, musste ich lachen.

„Okay, bring ihn rüber.“

„Danke, bis gleich.“

Ich drückte das Gespräch weg und steckte das Handy ein.

„Wenn du noch fünf Minuten wartest, dann darfst du Bären sehen“, rief ich Florian zu.

„Juhu Mama, hast du gehört? … ich darf Bären sehen.“

Er hüpfte wie wild um seine Mutter herum, die mir dankbar zunickte. Ich nahm den Rechen und entsorgte nun auch meine letzten Reste, bevor ich wieder rein ging. Drinnen war Sabine ebenso fertig mit Saubermachen und so verstauten wir gemeinsam unser Werkzeug.

„Florian ist wieder da, ich bring ihn kurz zu Volker rüber“, erzählte ich.

„Gut, ich geh dann schon mal frühstücken. Bis nachher dann.“

Wir verließen beide das Bärenhaus. Ich umrundete es und konnte Florian schon hören, ohne ihn zu sehen.

„Ich geh zu den Bären… ich geh zu den Bären…“

Er war noch an der selben Stelle, wo er eben mit seiner Mutter gestanden hatte.

„So Florian, bereit für die Bären?“, rief ich.

Als er mich bemerkte, kam er angerannt. Mit voller Wucht hüpfte er mich an und ich fing ihn auf. Ich hob ihn hoch und setzte ihn auf meine Schulter.

„So, festhalten. Es geht loooooos!“, rief ich und er klammerte sich an meinen Kopf.

So marschierte ich hinüber zu dem Kleinbärenhaus, Florians Mutter folgte mir.

„Da geht es aber nicht zu den Bären!“, meckerte Florian.

„Doch, da wohnen die kleinen Bären.“

Ich nahm meine Codekarte und öffnete die Tür. Drinnen wurden wir schon erwartet.

„Ah, da kommt ja unser Zoopfleger“, rief Volker.

Der Kleine stellte sich vor Volker hin und stemmte seine kleinen Fäuste in die Seite.

„Mensch, jetzt bist du schon so alt und weißt nicht, dass das Tierpfleger heißt?“

Ich konnte nicht anders als laut loszulachen. Florians Mutter sah zwar etwas beschämt drein, aber konnte sich dann auch nicht halten.

„Tut mir leid“, meinte sie zu Volker, der aber auch grinste.

Er zuckte nur mit den Schultern und wandte sich wieder an Florian.

„So du kleiner Held, dann wollen wir mal.“

Er schnappte sich Florians Hand und zog ihn zum ersten Käfig.

„Ich wollte mich noch mal bei ihnen bedanken, dass sie sich so rührend um Florian kümmern“, meinte die Mutter zu mir.

„Ist doch kein Problem, jederzeit wieder.“

Die Mutter verzog etwas das Gesicht. Hatte ich etwas Falsches gesagt?

Robert

„Erzähl mir mal, was du mit Adrian angestellt hast?“, fragte Renate, als sie meinen Puls prüfte.

„Ich? Wieso? Was soll ich denn getan haben?“

„Der Junge ist wie ausgewechselt, so war er schon Monate nicht mehr.“

Verlegen grinste ich.

„So, nachdem du die Nacht gut überstanden hast, deine Kopfschmerzen besser sind, auch deine Werte so einigermaßen stimmen… darfst du heute Mittag nach Hause.“

Warum erst heute Mittag, jetzt wäre mir lieber gewesen. Renate konnte anscheinend Gedanken lesen.

„He, das heute schaffen wir schon“, meinte sie und wuschelte mir durch den Kopf.

Dennis

„Ich weiß nicht, ob ich mir das so oft leisten kann“, meinte sie leise.

Oha, da hatte ich Etwas angeschnitten.

„Seit mein Mann berufsunfähig ist, leben wir von einer ganz kleinen Rente und was halt so an Zuschüssen drin ist. Seit Florian da ist, musste ich meinen Job auch aufgeben.“

„Entschuldigung wenn ich frage, könnte ihr Mann denn nicht auf den Kleinen aufpassen?“, fragte ich neugierig.

„Mein Mann sitzt im Rollstuhl.“

„Oh… ach so.“

„Fritz, zeigst du diesem Herren mal die Nasenbären?“, fragte Volker und reichte Florian weiter.

Danach kam er zu uns.

„Entschuldigung, wenn ich mich einmische. Ich habe durch Zufall ihre Unterhaltung mitgehört… könnte ich sie fragen, als was sie tätig waren?“, kam es von Volker.

„Leitende Angestellte in einer Personalabteilung… aber dort konnten sie mich nicht als Halbtagskraft beschäftigen, so musste ich die volle Stelle ganz aufgeben und kündigen.“

„Sie suchen aber nach wie vor eine Arbeit?“, fragte Volker.

„Klar, sicher doch.“

Warum interessierte er sich plötzlich so für die Frau?

„Eine Stelle von Morgens um Neun bis mittags um Zwei… von Montag bis Freitag?“

Fragend sah ich Volker an.

„Das hört sich gut an“, meinte die Mutter, „aber, was mache ich mit Florian? Den muss ich um zwölf vom Kindergarten abholen.“

Etwas enttäuscht schaute sie ihn an.

„Das wäre das geringste Problem. Neben dem Zoo haben wir einen Kinderhort, dessen Plätze für Zoobedienstete mit Kleinkindern reserviert sind.“

Ungläubig sah die Frau erst mich, dann Volker an. Volker wandte sich an mich.

„Die Sache mit Gudrun hat Trebnitz etwas zugesetzt. Er bat um Kündigung, sobald wir Jemanden als Ersatz für ihn gefunden hätten.“

„Trebnitz will gehen?“, fragte ich.

„Ja und deshalb sucht mein Bruder Jemand für die Leitung der Personalabteilung“, antwortete Volker.

Dieser Satz war nun an uns beide gerichtet.

„Ihr Bruder?“, fragte die Frau.

„Ja. Mein Name ist Volker Kolping, mein Bruder ist der Direktor des Zoos.“

„Mein Name ist Keller… Heide Keller. Ich weiß jetzt gar nicht, was ich sagen soll.“

„Wie wäre es mit, ‚ich gehe schnell heim und hole meine Unterlagen’?“, meinte Volker.

Ich wurde aus diesem Mann nicht schlau. Einerseits saß ihm der Schalk schwer im Nacken und jetzt spielte er den barmherzigen Samariter.

„Ja… da muss ich Florian holen…“

„Wie lange würden sie denn brauchen? Ich meine, um die Unterlagen zu holen?“

„Circa eine knappe Stunde hin und zurück, soweit wohnen wir nicht vom Zoo entfernt.“

„Okay Frau Keller, ein Vorschlag! Wir kümmern uns so lange um Florian und sie können in Ruhe ihre Arbeitsunterlagen holen.“

„Ich … ich weiß gar nicht, wie ich mich bei ihnen bedanken soll“, meinte Frau Keller und ich sah, wie ihre Augen feucht wurden.

„Ich benachrichtige jetzt meinen Bruder und sie schwirren ab. Und noch etwas: Falls sie den Vertrag unterschreiben… hat Florian freien Zutritt zum Zoo“, erklärte Volker.

„Mama guck mal, der sieht so lustig aus“, hörte ich Florian rufen und wieder kam dieses mir so bekannte Giggeln.

Sebastian

Ich wurde heute vom Dienst freigestellt und blieb zu Hause. Na ja – zu Hause. Ich saß im Zimmer bei den Kahlbergs. Unten ging der Türgong.

„Sebastian kommst du mal bitte herunter?“, hörte ich Dennis’ Mutter rufen.

Die Polizei noch mal? Ich erhob mich aus dem Bett und lief in den Flur und dann die Treppe herunter.

„Wir sind im Wohnzimmer!“, rief Frau Kahlberg.

Wir? Ich ging also ins Wohnzimmer und blieb abrupt stehen.

„Mama… Papa? Ihr hier?“

Robert

Um nicht irre zu werden, packte ich meine wenigen Habseligkeiten ein, die ich von zu Hause mit hatte. Ich hatte den bequemen Jogginganzug gegen eine Jeans und ein Hemd getauscht. Es klopfte und ich fuhr zusammen.

„Ja… herein?“

Die Tür ging auf und Adrians Kopf tauchte auf.

„Ach, du bist es.“

„Öhm… hallo, ich kann auch wieder gehen…“

„Nein Adrian, sorry… ich dachte es…“

„… wären deine Eltern. Nein, es bin nur ich und noch mal Hallo“, sagte Adrian und gab mir einen Kuss. „Sie sind aber da… sind unten bei meiner Mutter.“

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