Einmal nach Husum bitte

„So, Herr Stadelhofer, wenn sie hier nun noch unterschreiben, dann haben wir alles. Ich möchte ihnen jedoch nicht all zu sehr Hoffnung machen. Wenn Sie Glück haben, findet jemand die Brieftasche und gibt sie bei uns ab. Das kommt hier jedoch eher recht selten vor.“

Der Mann, zu dem der Beamte gesprochen hatte, sieht irgendwie recht witzig aus. Scheint wohl ein Touri aus Bayern zu sein. Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass ich mir so etwas je anziehen würde. Ich nutze die Gelegenheit noch einmal und mustere den jungen Mann ganz genau.

Er scheint so etwa 25 Jahre alt zu sein. Er ist groß, schätze mal so fast 1,90 Meter, hat recht breite Schultern und dunkle Haare unter einem hellgrauen Filzhut. Ja genau, so einen witzigen Hut mit einem dunkelgrünen Band hinter dem etwas Ähnliches klemmt wie ein Rasierpinsel. Er trägt eine Jacke in der gleichen Farbe mit ziemlich viel Geschnörkel. Und nun der absolute Hammer: über dunkelgrünen Kniestrümpfen eine Kniebundhose aus braunem Leder mit einiger Stickerei.

Es besteht kein Zweifel. Auch ohne den urigen Dialekt, kann ich diesen Burschen einwandfrei als Tourist aus den südlichen Gefilden identifizieren.

So witzig er auch aussieht, ein bisschen tut er mir auch leid. Doch so ist es hier immer. Ich glaube die Mehrheit der „Kundschaft“ in dieser Polizeistation sind Besucher, die einmal die weltberühmte Reeperbahn erleben wollten.

„Moin moin, Sören! Na, willst Du mal wieder Deine Mutter abholen?“ werde ich aus meinen Gedanken gerissen. Früher bin ich öfter in dieser Situation rot geworden. Heute ist es schon Routine.

„Moin Herr Friedrichs! Ja, schaut so aus, oder?“

Längst ist die Zeit vorbei, wo mir so etwas noch peinlich war.

Herr Friedrichs führt mich den bekannten Gang zu den Ausnüchterungszellen der Davidswache.

Teilnahmslos wankt meine Erziehungsberechtigte neben mir her und spricht irgendwelche Verwünschungen vor sich hin.

Oh, wie ich das hasse.

Dann vielleicht doch lieber in bayerischer Tracht, beklaut und fast mittellos auf dem Heimweg nach München?

Ich habe schon öfter daran gedacht einfach meine Sachen zu packen und abzuhauen.

„Heimweg“, „Zuhause“, alles nur Worte. Worte, die in mir keine rechte Zuordnung finden.

Genau dort angekommen, verfrachte ich die Frau, die einmal meine Mutter war, in ihr Bett.

Im Flur entdecke ich im großen Spiegel meine Gestalt. Groß, schlank, strähnige schulterlange Haare, die mir etwas ungepflegt ins Gesicht fallen. Eigentlich müsste ich dringend mal zum Friseur, doch wovon bezahlen?

Ich gehe ins Bad und versuche vor dem aufgeklappten Spiegelschrank die dunkelbraune Haartracht näher zu betrachten. Also eigentlich müsste das gehen.

Ich fasse allen Mut zusammen und greife zur Schere. Mehr und mehr fallen lange Haarbüschel zu Boden. Am schwierigsten ist es am Hinterkopf, da ich im Spiegel ja alles seitenverkehrt sehe.

Nach einer Weile bekomme ich aber dann doch Form in die ganze Sache.

Frisur möchte ich lieber nicht sagen, aber mit etwas Gel wird es wohl nicht mehr auffallen.

Unter der Dusche spüle ich alles von mir, was mich belastet. Fast alles.

Immer mehr festigt sich der Entschluss. Ich gehe weg von hier.

Ich fühle mich schon besser bei dem Gedanken und trockne meinen Körper ab. Ich glaube ich sehe nun eigentlich wieder ganz gut aus.

In meinem Zimmer suche ich mir frische Wäsche zusammen. Viel finde ich nicht. Die Dame des Hauses kümmert sich schon lange nicht mehr darum und ich bin in den letzten Tagen auch nicht dazu gekommen, die Waschmaschine zu bestücken.

Fertig angekleidet mit einer Jeans, die auch schon bessere Tage erlebt hat und einem ausgeleierten Kapuzenshirt gehe ich zurück ins Bad und versuche mit Gel meiner Haarpracht etwas Form zu verleihen.

Klappt eigentlich besser als ich befürchtet hatte. Ohne Gel sah es noch aus, als hätten sich Schwalben ein Nest gebaut. Jetzt erblicken meine rehbraunen Augen jedoch ein freches Gestrüpp, das wild, aber nun kurz vom Kopf absteht.

Ja, so geht es und sieht ehrlich gesagt, gar nicht mal schlecht aus.

Zurück in meinem Zimmer suche ich nach meinem großen Rucksack. Mit dem war ich noch letztes Jahr zum Plattensee getrampt. Da war ich gerade 16 geworden und hatte meinen Schulabschluss mit einem Kameraden dort gefeiert. Ich habe Matthias seit dem nicht mehr gesehen.

Schade eigentlich. Ich konnte ihn ganz gut leiden. Na ja, eigentlich war ich schon etwas verliebt in ihn, aber das sollte wohl nicht sein.

Er war es, der mir in den letzten Jahren immer den Mut und die Kraft gegeben hatte, wenn ich einmal nicht weiter wusste.

Doch wir haben uns aus den Augen verloren, als er eine Berufsausbildung in Leverkusen antrat. Ich habe zwar seine E-Mail-Adresse, aber keinen Internetzugang.

So lebt er nun dort unten am Rhein und ich hier, immer noch in Hamburg an der Elbe.

Was er wohl gerade so macht?

Ich lege auf meinem Bett nun zurecht, was ich an Habseligkeiten zusammenkramen kann.

Ganz wichtig ist mir mein Laptop. Ich habe ihn von Matthias bekommen. Er ist schon etwas älter und wurde bei ihm zu Hause durch ein Superteil von Aldi zum Schulabschluss ersetzt.

Für mich ist es nicht nur eine schöne Erinnerung an Matthias, nein es ist auch das Einzige, was ich an moderner Technik besitze. Ich gebe jedoch zu, dass ich noch lange nicht alles beherrsche, was man mit so einem Teil alles machen kann.

Ich lege nun auch alles hinzu, was ich an sauberer Wäsche finden kann. Zum Schluss kommt noch der gebrauchte Schlafsack dazu, der im Original mal bei der US-Army gedient hatte.

Mit einem letzten Blick streife ich durch mein winziges Zimmer. Aus der alten Zigarrenkiste im Bücherregal nehme ich die persönlichen Papiere und meine gesamten Ersparnisse. Fast alles stammt noch von meiner Konfirmation vor ein paar Jahren.

Es war das letzte Mal, wo sich die ganze Verwandtschaft noch einmal traf. Wir haben jedoch nie einen hohen Stellenwert in dieser Sippschaft genossen.

Nur mein Patenonkel ließ sich damals nicht lumpen und steckte mir in einem unauffälligen Moment € 500 in die Tasche meines Sakkos.

Meine Mutter hat davon, Gott sei Dank, nie erfahren…

Nach und nach habe ich nun alles in dem Rucksack verstaut.

Draußen weht ein kalter Frühjahrswind. Zum Glück ist es heute trocken, aber ich ziehe mir trotzdem den alten, aber schön warmen Bundeswehrparka über.

Ein letztes Mal ziehe ich leise die Wohnungstür hinter mir zu. Nun gibt es kein Zurück mehr. Den Schlüssel habe ich in der Küche zwischen vielen leeren Flaschen und vollen Aschenbechern zurückgelassen. Einen Moment lang trug ich mich mit dem Gedanken, dort ein wenig mit dem Nudelholz für Ordnung zu sorgen. Ich hatte mit ihm auch schon ausgeholt, es dann aber in das Chaos zurückgelegt.

Nein, Gewalt ist absolut nicht mein Ding.

Ich bin frei. Ja, endlich frei, frei wie ein Vogel, für den es keine Grenzen gibt!

Nur bekommt ein Vogel wohl keine kalten Hände und Ohren.

Die Kapuzen vom Sweater und Parka schützen nun meinen Kopf, aber die Taschen an der Seite des Parkas bieten nur wenig Schutz für die Hände. Langsam bahnen sich meine Boots ihren Weg und die Gurte vom Rucksack drücken auf den Schultern.

Es ist später Nachmittag, als ich in der Wandelhalle vom Hauptbahnhof meinen Rucksack absetze und auf den Boden gekauert eine Weile dem Treiben dort zuschaue.

Ein Gefühl von Hunger beschleicht mich, als ich eine Gruppe von Jugendlichen entdecke, die jeder ein Brötchen mit einer Bratwurst drinnen vertilgen.

Darauf habe ich nun auch Appetit. Ich schnappe mir meinen Rucksack und mache mich auf die Suche. Immer der Nase nach ist der Würstchengrill leicht gefunden.

Der Verkäufer mustert mich eingehend. Ich mache wohl eher weniger den Eindruck eines der übliche Bahnreisenden, die er wohl sonst bedienen darf.

„Na, Junge, hast´ Hunger? Komm her, die hier ist mir durchgebrochen, die kann ich eh nicht mehr verkaufen!“

Wow, der scheint ja echt nett zu sein. Schnell nicke ich und versuche es mit meinem durchtrainierten Dackelblick.

Als Belohnung erhalte ich ein schönes Brötchen, in dem eine paar Bruchstücke einer Grillwurst unter einer Senfschicht eingeklemmt sind.

„Danke, das ist sehr nett von Ihnen!“ sage ich artig meinen Spruch auf.

„Wo willst Du denn heute Nacht pennen? So wie Du ausschaust, hast Du wohl noch nichts, oder?“

Etwas misstrauisch blicke ich ihm in die dunklen Augen. Ich lese allerdings nur ehrliche Gedanken.

„Weiß noch nicht…“ versuche ich nun, zwischen zwei Schluckern, zu erklären.

„Ich wüsste da etwas. Ist natürlich nicht ganz legal, aber für eine Nacht wird es wohl gehen.“

Er grinst mich ein wenig an und ich verstehe was er wohl damit meint.

„Bis vor einem Monat habe ich selbst noch da gehaust, bis ich hier diesen Job bekam. Jetzt habe ich wieder ein festes Dach über dem Kopf“, erklärt er mir weiter.

Er macht auf mich einen wirklich netten Eindruck. Man sieht ihm gar nicht an, dass er bis vor kurzem kein Obdach hatte.

„In zwei Stunden werde ich abgelöst, dann kann ich Dich da hinbringen…“

„Ja, das geht in Ordnung, ich habe eh noch nichts weiter vor!“ antworte ich.

Na toll, besonders intelligent war mein Ausspruch ja nun nicht gerade. Besseres wollte mir aber auf die Schnelle auch nicht einfallen.

Ich verspreche ihm, zur genannten Zeit wieder hier zu sein und streune noch ein wenig über den Bahnhof.

An einem der Ausgänge fallen mir ein paar Jungs auf.

Nein, nicht eine Gruppe.

Sie stehen da jeder für sich separat. So etwa, wie einige Frauen an der Reeperbahn und deren Seitenstraßen.

Kein Zweifel, es sind Stricher.

Leichte Übelkeit macht sich in mir breit.

Gut, einige der Jungs sehen ja ganz niedlich aus, aber allein der Gedanke…

NEIN! Nein, Sören Eggers, so weit wirst Du es niemals kommen lassen, egal was passiert.

Ich werde niemals die Dienste eines solchen Jungen in Anspruch nehmen, oder gar mich selbst verkaufen! Nein, niemals.

Tränen wollen sich ihren Weg über meine Wangen suchen, doch ich wische sie schnell weg. Nur ganz kurz kam da gerade die Erinnerung an meine Frau Mutter.

Nein, lieber würde ich für € 5 am Tag Mülltonnen sauber machen, als so mein Geld zu verdienen.

Aus geringer Entfernung beobachte ich, wie MEIN Würstchenverkäufer seine Arbeit an einen anderen Mann übergibt. Er hat mich auch schon entdeckt, denn er erwidert meinen Blick mit einem Lächeln.

Keine drei Minuten später bahnt er sich seinen Weg durch die vielen Reisenden zu mir.

Freudestrahlend reicht er mir noch ein Brötchen mit einem Griller drin und sagt „Na Du, lass es Dir schmecken! Ich bin übrigens der Ali“.

„Sören“ entgleitet es mir unhöflich mit vollem Mund.

„Bist Du abgehauen?“

Ich muss wohl ganz schön doof geguckt haben, jedenfalls setze er gleich nach.

„Vergiss die Frage. Geht mich ja auch nichts an. Komm, lass uns zur U-Bahn gehen. Wir müssen Richtung Billstedt!“

Mein Vertrauen findet wieder Boden unter den Füßen und ich folge ihm. Jedoch gilt meine Konzentration überwiegend dem Brötchen, welches sich quasi in Luft aufzulösen schien.

„Danke Ali, für das Brötchen und überhaupt…“

„Och, Junge, nicht dafür. Ich kenne es nur zu gut wie es ist, wenn man nicht weiß, wie es weitergeht.

Mir hat auch mal Einer geholfen.

Jetzt wo es bei mir wieder bergauf geht, kann ich mich so am besten revanchieren, in dem ich anderen helfe. Verstehst Du?“

Ja, ich glaube ich verstehe, was er meint.

Wir steigen in die U-Bahn.

„Es sind nur vier Haltestellen. Dann allerdings noch ein paar Minuten zu Fuß…“ vernehme ich von Ali.

Als wir den U-Bahnhof verlassen, steuert Ali in eine Richtung, die wie ein Industriegebiet aussieht. Wir gehen eine viertel Stunde stumm nebeneinander her. Wie gerne würde ich etwas mehr von ihm erfahren. Schließlich ist er doch ganz nett.

Aber ich frage lieber nicht.

Was sollte ich denn antworten, wenn er mir die gleichen Fragen stellt?

Wir kommen an eine Umzäunung, als er anhält. Sie ist sehr hoch und zu allem Überfluss ganz oben auch noch mit Stacheldraht verziert.

Der Zaun umfriedet augenscheinlich einen Schrottplatz für ausgediente Bahnfahrzeuge. Gleich ganz vorn kann ich in der Dunkelheit das Fragment einer alten Dampflokomotive wahrnehmen. Das so etwas früher mal gefahren ist…

Leider kenne ich diese Ungetüme nur aus Fernsehsendungen.

Ali macht sich derweil an einem Kasten zu schaffen, der wohl irgendwelche Verteiler der Telecom beinhaltet. Zwischen diesem und dem Zaun zaubert er etwas hervor, was wie eine Strickleiter aussieht.

Ja, tatsächlich, es ist eine.

Gekonnt schleudert er das eine Ende über den Zaun.

Auf der anderen Straßenseite höre ich irgendwo einen Hund bellen.

„So Sören, nun rüber mit Dir, ich komme dann nach. Aber gib Acht, dass Du nirgends hängen bleibst!“ flüstert Ali.

Der hat gut reden. Eine Strickleiter allein hochzuklettern ist schon ein Kunststück für sich, aber mit einem schweren Rucksack auf dem Rücken…

Mir erscheint die Zeit unendlich, aber ich komme tatsächlich oben an. Doch jetzt wird es richtig kompliziert.

Schon spüre ich ein unangenehmes Stechen in der linken Kniekehle. Ich halt sofort inne und versuche die Hose von den Dornen zu befreien.

Es klappt.

Kaum habe ich mein Bein wieder frei, will ich schon wieder straucheln. Das Übergewicht auf meinem Rücken macht es mir wirklich nicht gerade einfach.

Geschafft!

Nun kommt Ali nach. Wie ein Äffchen klettert er geschickt nach oben, schwingt sich auf meine Seite und hangelt sich in einem Atem beraubendem Tempo wieder nach unten, ganz als wäre es der normale Heimweg, den er täglich geht.

Dabei hat er auch noch eine Schnur mit sich genommen, mit deren Hilfe er nun die Strickleiter auf unsere Seite rüberziehen kann.

Das scheint wohl Routine für ihn zu sein.

Ali rollt die Strickleiter zusammen und versteckt sie unter der alten Dampflok.

„Komm Sören, zur Rezeption geht es hier entlang.“ Grinsend deutet er mitten in die Dunkelheit.

Alles hier riecht nach altem Öl und Teer. Ich habe Mühe ihm über die Gleise und dem Schotter zu folgen.

Nur schemenhaft erkenne ich nun ein paar alte Waggons. Zunächst einige verrostete Güterwagen, aber dann auch schon Waggons, die früher einmal Passagiere durch die Lande transportierten.

„Raucher, oder Nichtraucher?“ vernehme ich Alis Frage.

Meine Gedanken schweifen ab. Der Dunkelheit wegen sind meine Eindrücke beschränkt und ich erinnere mich plötzlich an den Spielfilm „Das fliegende Klassenzimmer“. Wohnte da nicht jemand in einem Eisenbahnwaggon, den man den „Nichtraucher“ nannte?

„Vergiss die Frage, da hinten müsste noch ein alter Schlafwagen stehen. Letztes Mal war der noch ganz gut in Schuss…“

Seine Worte holen mich aus der Phantasiewelt zurück.

„Du meinst einen richtigen Schlafwagen, so mit Bett und so?“ frage ich nur ungläubig.

„Na ja, Sören, zuviel darfst Du natürlich nicht erwarten, aber eine Matratze werden wir wohl noch finden. Geblümte Bettwäsche mit dem Duft eines Weichspülers ist heute jedoch gerade ausgegangen!“

Obwohl der Finsternis, glaube ich ein fieses Grinsen erkennen zu können.

Ali hielt vor einem ausgemusterten Schlafwagen an. Mit gezielten Griffen hangelte er sich an den Führungen neben der Tür nach oben und versucht die Tür zu öffnen, doch sie ist abgeschlossen.

All mein Hochmut versinkt in der mich umgebenden Nacht.

„Die lernen es wohl nie! Als wenn diese Vierkantschlösser ein Hindernis wären…“ lacht Ali leise.

Erste Ansätze für die Rückkehr meines Selbstvertrauens werden überrannt, als Ali einen entsprechenden Schlüssel aus seiner Hosentasche zieht. Dieser schwarzhaarige Junge schafft es immer wieder aufs Neue mich zu verwundern.

Mittlerweile steht er in der geöffneten Tür. „Komm, reich mir Deinen Rucksack hoch, oder willst Du draußen pennen? Und pass auf, wenn Du nachkommst, die unterste Stufe ist durchgerostet!“

Endlich bin ich befreit von der Last auf meinem Rücken.

Ist wohl schon zu lange her, als das meine Schultern solche Gewichte gewohnt waren.

Ich kann mich aber auch nicht daran erinnern, dass der Rucksack im Urlaub je so schwer war.

Umsichtig klettere ich meinen Weg in den Schlafwagen. Meinen Schlafwagen.

„Ali? Ali, wo steckst Du?“ Es ist wirklich nicht einfach in dieser Finsternis, aber ein Stück weiter kann ich ein wenig Licht ausmachen.

„Ich bin hier. Sören? Kannst du das Licht sehen?“

„Ja, bin schon unterwegs…“ es wird immer heller.

Nun bin ich aber platt. Ich blicke in ein Schlafwagenabteil, das noch recht gut erhalten ist.

Es liegt sogar ein Teppich drin. Nein, nicht die Auslegeware der Bahn. Es sieht eher aus als hätte hier ein echter Orientteppich vom Sperrmüll eine neue – oder besser – letzte Heimat gefunden.

Auch die Matratze auf dem Bett hatte wohl den gleichen Ursprung, denn sie war für die Schlafkoje ein wenig zu breit und steht an der Vorderkante etwas hoch.

Darauf liegt noch völlig verwuschelt eine durchlöcherte Wolldecke und eine pinkfarbene Bettflasche.

Ali hat eine Kerze auf dem kleinen Tisch am Fenster platziert, welche ausreichend Licht spendet.

Er schaut mich fragend an. „Na, was meinst Du?“

Ich schaue noch ein wenig umher und lege zufrieden ein Lächeln auf, als schließlich mein Blick wieder am Bett hängen bleibt.

„Hier hat wohl jemand gewohnt, der kalte Füße hatte?“ grinse ich.

„Tja, weißt Du, ich habe hier den ganzen Winter überlebt. Da war die Bettflasche ganz brauchbar. Ich habe sie mir, nicht weit von hier, in einer Kneipe immer mit heißem Wasser füllen lassen. So war es dann doch etwas leichter.

So, nun aber Schluss. Hier kannst du wenigsten schlafen. Bitte mache die Kerze nachher aus, bevor Du Dich hinlegst.

Jetzt muss ich wieder raus. Da brauche ich Deine Hilfe. Schließlich musst Du die Strickleiter ja wieder zurückholen, sonst kannst Du hier nicht mehr raus…“

Glücklich und zufrieden begleite ich Ali wieder zum Zaun und helfe ihm auf seinem Heimweg.

Es ist hell in meinem Abteil. Nur widerwillig schäle ich mich aus meinem warmen Schlafsack. Irgendwo in meiner Nähe vernehme ich Geräusche, kann sie aber nicht richtig zuordnen.

Dann sehe ich sie.

Eine kleine Maus läuft über die Fensterbank.

Ich kann mich an Zeiten erinnern, wo mich solch Ungeziefer angeekelt hat.

Jetzt empfinde ich es eigentlich nicht mehr so.

Ich schau ihr zu, wie sie ein wenig an der Kerze nagt und sich dann zu putzen beginnt.

Als ich mich nach unten beuge um meine Boots zuzubinden verschwindet sie mit ein paar gekonnten Sätzen.

Nachdem ich meine sieben Sachen wieder gut im Rucksack verstaut habe, begebe ich mich wieder auf den Weg zum Zaun. Vorsichtig schaue ich mich um. Da es Wochenende ist, bin ich jedoch immer noch allein auf dem Gelände und auch auf der Straße herrscht friedliche Einsamkeit.

Der Rückzug über den Zaun fiel mir jetzt etwas leichter.

Es ist doch ein Unterschied, ob man die Kletterei bei Nacht, oder bei Tag vollzieht.

Es ist fast Mittag, als ich mich wieder im Hauptbahnhof einfinde.

Ich habe gestern vorm Einschlafen lange überlegt, wie es wohl weitergehen könnte…

Eine richtige Idee kam mir allerdings nicht. Nur eines hatte ich beschlossen.

Ich will weg aus Hamburg.

Früher oder später würde mich hier ja doch die Polizei aufgreifen und dorthin zurückbringen, wo ich herkam, aber nun nicht mehr zu Hause bin.

„Husum, die graue Stadt am Meer“ lese ich im Schaufenster eines Buchladens.

Ja, warum eigentlich nicht?

Da war ich mal vor Jahren auf Klassenfahrt.

Ist doch auch egal, wo ich hinfahre, Hauptsache weg aus Hamburg.

Husum ist ganz nett und ein wenig kenne ich mich da ja vielleicht noch aus.

Beinahe ziellos und doch bewusst führen mich meine Schritte durch diese endlose Wandelhalle.

Ich komme auch an dem Würstchengrill vorbei, aber Ali ist leider nicht da.

Ich gehe zu einem Zeitungsladen, der auch eine Lottoannahme hat.

Ich nehme irgendein Los und einen Schreiber und male ganz groß darauf:

„DANKE Gruß Sören“,

ich falte es einmal zusammen und schreibe auf die Vorderseite

„für Ali“.

Zurück beim Würstchengrill frage ich den Jungen, ob er Ali kennt.

„Klar, der löst mich in drei Stunden hier ab!“

Ich gebe ihm das Los und bitte ihn es Ali zu geben.

Erst schaut er etwas verwundert. Dann scheint er mich von oben bis unten zu scannen. Schließlich lächelt er wieder „geht klar, kannst Dich auf mich verlassen!“.

Ich will gerade wieder verhindern, dass eine Träne meine Wange einnässt, da werde ich mir über die stachelige Haut im Gesicht bewusst.

Ich kenne hier eine Toilette, wo es auch warmes Wasser gibt und Anschlüsse für einen Rasierer. Also losgestiefelt.

Ja, jetzt fühle ich mich schon wieder besser. Zum Schluss noch wieder etwas Gel in die Haare und keiner erkennt diesen Amateurschnitt.

Fest entschlossen trabe ich nun mit meinem Rucksack in den Abschnitt mit den ´zig Fahrkartenschaltern.

Wie es aussieht bin ich nicht der einzige Rucksacktourist.

Zumindest steht vor mir ein Bursche, der mir vorhin schon einmal kurz aufgefallen war.

Er ist blond. Er hat ebenfalls wild gegelte Haare und auch sonst ist er wohl ein recht heller Typ.

Vorhin sind mir jedenfalls auch ein paar lustige Sommersprossen um eine ausgesprochen hübsche Stupsnase aufgefallen.

Jetzt, wo ich ihn nur von hinten bewundern darf, fallen mir seine recht kleinen Ohrmuscheln auf. Ich werde nun fast neidisch.

Schon seit Beginn meiner Schulzeit wurde ich stets gehänselt, wegen meiner leicht abstehenden Ohren. Auch das war ein Grund, warum ich in der Vergangenheit mein Haar lieber etwas länger trug.

Auch sonst erschien mir an diesem Jungen nahezu alles perfekt.

Vom Körperbau her dürfte er in etwa mein Alter haben.

Auch er ist hoch aufgeschossen, hat aber noch recht schmale Schultern, was auf die noch vorhandene Jugend hindeutet.

Das Sweatshirt hat er sich lässig über die Schulter gelegt und trägt darunter nur ein knallrotes T-Shirt. Seine Arme haben eine fast weiße Hautfarbe und wirken recht dünn.

Zusammen mit den wadenlangen Bermudas aus Jeansstoff und den Sneaker, ist er doch recht nett anzuschauen.

Das, was ich von seinen Schenkeln sehen kann, ist eher schlaksig ausgelegt, ganz wie meine auch.

Kaum ist eine viertel Stunde um und auch ich komme auch an die Reihe.

„Einmal nach Husum bitte!“ bete ich lakonisch meinen Satz dahin.

„Einfache Fahrt, oder mit Rückfahrt, erster, oder zweiter Klasse? Haben Sie eine Bahncard?“ werde ich mit Fragen bombardiert.

„Ja, zweiter Klasse, nein“ gebe ich frech und genervt zurück.

„Ja, wie, was nun?“

„Ja, einfache Fahrt in der zweiten Klasse und ich habe keine Bahncard!“

Die ist doch selber Schuld, wenn sie drei Fragen auf einmal loslässt.

Ich bezahle für mein Zugticket und stecke das Wechselgeld schnell wieder in den ledernen Brustbeutel, der mir um den Hals hängt.

Mir fällt auf, dass Blondi mich dabei interessiert beobachtet, wie ich unter meinem hochgezogenen Sweater hantiere.

Hoffentlich ist ihm mein Gürtel nicht aufgefallen. Die Regenbogenfarben sprechen schließlich eine eigene Sprache.

Oh man, jetzt kommt er tatsächlich auf mich zu und lächelt dabei auch noch recht hinterhältig.

„Hallo, habe ich das eben richtig gehört, Du willst auch nach Husum fahren?“

„Wüsste nicht, was Dich das angeht!“ erwidere ich schroff und noch immer von der Verkäuferin aufgebracht.

Blondi reagiert sichtlich erschrocken und seine Mundwinkel versuchen einen Bereich anzusteuern, der schon weit unterhalb des ausgesprochen hübschen Kinns liegen sollte.

Oh man, wie blöd kann ich eigentlich sein? Hätte man mich doch bloß schon als Säugling mit dem Nudelholz erschlagen…

„Äh, entschuldige bitte! Die Tante da am Schalter hat mich nur gerade ziemlich genervt und außerdem ist alles um mich herum nicht gerade Frühling…“

„Ist schon verstanden. Wollte Dich auch nicht stören. Dachte nur halt…“ und will sich schon von mir abwenden.

„Hey, so warte doch. Ja, ich fahre auch nach Husum. Wollen wir gemeinsam fahren?“ setze ich schnell nach, bevor er sich ganz abwenden kann.

Ich glaube die Sonne geht heute zum zweiten Mal auf.

Schneller als ich es erwartet habe, kann ich wieder in dieses wunderschöne Antlitz schauen.

Regenbogenhäute wie Türkis funkeln mir aus verträumten Augen entgegen.

Die Mundwinkel haben wieder ihren vertrauten Platz gefunden und dieser scheint wohl ganz deutlich sichtbar in der Region Lächeln zu liegen.

WOW, einen ganz kurzen Moment wird mir richtig schwindelig. Dieses Lächeln will mich fast um den Verstand bringen.

„Ja, wirklich gerne! Weißt Du, ich bin nicht gern allein. Und im Zug unter lauter fremden Menschen fühle ich mich schnell ziemlich einsam. Ich heiße übrigens Finn!“

Ich greife nach der angebotenen Hand. „Hi Finn, ich heiße Sören, und bitte entschuldige noch einmal, aber ich bin wirklich ein wenig durch den Wind.“

„Schon vergessen!“ strahlt der Junge.

Auf der nach oben offenen Richterskala für Erdbeben hätte man jetzt vermutlich eine 7,0 gemessen. So groß jedenfalls, ist wohl der Stein gewesen, der mir gerade vom Herzen fiel.

Immer mehr werde ich jetzt nervös. Bloß nicht noch so ein Fettnäpfchen, bloß das nicht.

„Weißt du schon, zu welchem Bahnsteig wir müssen?“

„Ja, ich fahre jeden Monat einmal mit diesem Zug, wenn ich meinen Vater besucht habe.

Wir müssen zu Gleis 11. Abfahrt ist um 13:30 Uhr, dann sind wir um halb Vier in Husum.

Es fährt zwar auch schon einer um 12:43 Uhr, der geht aber nach Rendsburg. Dort müssten wir umsteigen, lange warten und sind dann erst zur gleichen Zeit in Husum.“

Immer noch sind seine süßen Mundwinkel weit nach oben gezogen…

„Tja, dann haben wir ja noch mehr als eine Stunde Zeit. Ich könnte ein wenig zu Essen vertragen. Hast Du auch Lust…?“

„Klar, aber lass uns dann lieber die Rucksäcke loswerden. Einverstanden?“

Schließfächer gibt es hier wie Sand am Meer. Also ist es kein Problem die großen Rucksäcke zu verstauen.

„Wonach ist denn Dir? Auf das übliche Fastfood habe ich eigentlich keine Lust. Magst Du chinesisch?“ führe ich nun die Konversation fort.

„Du Sören, ob Du es glaubst, oder nicht, aber mir fällt momentan nichts ein, was ich nicht mag. Ich kann alles essen… und das rund um die Uhr!“

„He, das sieht man Dir aber nicht an, so schlank wie Du bist!“ lobe ich den süßen Blondschopf.

„Ach, lass das lieber. Ich finde ich bin viel zu mager. Wenn ich das T-Shirt hochziehe kannst Du jede Rippe zählen…“

Irgendwie klingt er jetzt ein wenig traurig.

Zielsicher führe ich Finn zu dem Chinaimbiss, mit dem ich schon gestern ein wenig geliebäugelt habe. Nur wollte ich mit meinen geringen Ersparnissen schon ein wenig haushalten.

„Na. was meinst Du Finn? Ist das etwas für zwei Teenager, die richtig Hunger haben?“

Finn studiert die Fotos von Speisen, welche im Schaufenster ausgehängt sind.

„Tja, Sören, ich denke, die Speisefolge, so wie die Bilder hier untereinander hängen würde als Mittagessen erst einmal ausreichen…“

Finn hat nun das Eis in mir gänzlich gebrochen. Ich lache wie schon lange nicht mehr.

Schnell gehen wir rein und bestellen etwas, um unsere inzwischen knurrenden Mägen zu füllen.

Schon nach wenigen Minuten erhält Finn eine Portion gebratenen Tofu (diesem Sojabohnenquark) mit einer bunten Vielfalt an Gemüse und Reis.

Mir stellt man einen Teller mit gebratenen Nudeln hin, der mit Hähnchenfleisch und Sojabohnenkeimlingen bereichert ist.

Als ich beim Essen so um mich schaue, überkommt mich irgendwie das Gefühl, dass unsere Portionen deutlich größer ausgefallen sind, als die der anderen Kunden.

Sehen wir denn wirklich so verhungert aus?

Egal, es schmeckt total lecker. Ich probiere auch mal bei Finn und er ebenso von meinem Teller. Ja wirklich, wir haben gut gewählt. Alles schmeckt fantastisch und wird restlos vertilgt.

Schon lange nicht mehr hat mir ein Essen so viel Spaß gemacht, und wann wurde ich das letzte Mal wirklich richtig satt?

„Komm Sören, wir sollten jetzt lieber wieder unser Gepäck holen…“ holt mich Finn aus den Gedanken.

„Ja, Du hast Recht, lass uns gehen.“

Am Gleis 11 stehen nicht wirklich viele Reisende. Der Blick auf die Anzeigetafel bestätigt aber die richte Zugfahrt.

Umso besser, vielleicht bekommen wir ja sogar ein Abteil ganz für uns allein.

Etwa eine viertel Stunde später fährt der Zug ein. Eigentlich sogar früher als ich erwartet habe.

Finn klärt mich auf, dass der Zug hier immer 10 Minuten steht, bevor es weiter geht.

In aller Ruhe streifen wir von einem Waggon in den nächsten. Tatsächlich finden wir ein leeres Abteil. Auch an der Tür hängt kein Hinweis auf Reservierung.

Klasse. Genau das habe ich mir gewünscht.

Finn kramt noch etwas in seinem Rucksack, hält kurz ein Paar Ohrhörer und einen MP3-Player in den Händen, verstaut seine Musikmaschine aber wieder genauso schnell, wie er sie gefunden hat.

Da setzt sich der Zug auch schon in Bewegung.

Langsam wird mir klar, so wie die einzelnen Stadteile an mir vorbeifliegen, dass ich jetzt wirklich Abschied von meiner Vergangenheit nehme.

„Sag mal Sören, wo kommst Du eigentlich her? Dein Name klingt ziemlich nordisch.“

Finn hatte direkt neben mir Platz genommen und ich musste mich ein wenig zurechtrücken, um ihm ins Gesicht schauen zu können.

„Ja, so ganz genau weiß ich das auch nicht. Aber ein Teil meiner Verwandtschaft lebt in Dänemark. Ich selbst wurde in Hamburg geboren.“

„Und da lebst Du also heute, ja?“

Autsch! Das ist mein Nerv, den ich lieber nicht getroffen fühle…

„Habe ich da was Falsches gefragt?“ wundert sich Finn.

„ne,… ach, lass mal…“

Ein paar Minuten Funkstille vergehen und ich finde zurück.

„Und was ist mit Dir? Den Namen Finn habe ich, glaube ich zumindest, noch nie zuvor gehört. Ist das eine Abkürzung?“

Finn findet sein vertrautes Lachen wieder. „Ne Du, Finn ist ein ganz normaler Name. Da wo ich herkomme heißen viele Jungs so!“ lacht er noch immer.

„Dann kommst Du also nicht aus Husum?“

„Ja und nein. Also, ich lebe zwar seit vier Jahren in Husum, aber ich stamme von Island. Ja, Island, die schönste Insel der Welt!“ Ich blicke nun wieder in diese Augen. Augen, wie sie verträumter nicht aussehen könnten.

„Erzählst du mir mehr davon?

„Gerne! Also, alles begann damit, dass meine Urgroßeltern, wir sind schon seit Generationen Fischer, irgendwann einmal von Deutschland nach Island auswanderten. Dort gab es schon damals bessere Fanggründe. Und so blieben… “

Finn erzählt mir recht ausführlich seine ganze Familiengeschichte und wie es kam, dass er heute nun in Husum lebt. Es ist toll, ihm einfach nur zuzuhören.

Wie ein ausgetrockneter Schwamm sauge ich jede Silbe von ihm in mir auf. Aber nicht nur das. Auch sein Aussehen, jede Bewegung von ihm, einfach alles, ja, sogar seinen Geruch. Alles sauge ich in mich hinein. Ganz so, als würde ich genau wissen, dass ich diese Gelegenheit nie wieder bekomme.

„… und mein Paps lebt nun in Hamburg und arbeitet dort jetzt bei einer Reederei im Kontor. Leider kann ich ihn dort nur einmal im Monat besuchen.“

Ich brauche einige Zeit um alles zu verarbeiten, was mir der Junge da alles von sich erzählt hat.

Ich beginne zu überlegen, ob ich von mir nun auch was erzählen soll, aber Finn steht mit einem Mal auf und sammelt seinen Rucksack, Sweater und Schuhe wieder ein, die er ausgezogen hatte.

„Komm schon, Sören, wir sind gleich da.“

Jetzt wurde ich ganz aus den Gedanken gerissen und finde mich zurück in der Gegenwart.

„Wie, schon in Husum?“

„Ja, was denkst Du denn. Husum ist doch nicht am anderen Ende der Welt.“

Wo nimmt der Junge bloß diese Lebenslust und Heiterkeit her? Ein fröhliches Gesicht steht mir gegenüber und lacht.

Ja, er lacht so intensiv, dass er mich wirklich ansteckt. Ich fühle mich richtig gut in seiner Gesellschaft.

Kaum ist der Zug in den kleinen Bahnhof eingefahren, stehen wir auch schon auf dem Bahnsteig. Es war wirklich eine schöne Fahrt mit Finn.

Die Rucksäcke geschultert gehen wir die Treppe runter und dann zum Bahnhofsvorplatz.

„Du, Sören, sehen wir uns wieder? Ich meine…

Na ja, weißt Du, also …

Ja, also eigentlich habe ich hier gar keine richtigen Freunde und Du bist mir irgendwie sehr sympathisch…“ stottert Finn da vor sich hin.

Ehrlich, ich wäre fast in die Luft gesprungen. Spricht er doch direkt das aus, was auch ich empfinde!

„Klar Finn, mir geht es genauso. Ich mag Dich auch… sehr sogar!“

Kaum waren die Worte raus, sehnte ich mich erneut nach der versäumten Nudelholzaktion.

Mein Gott Sören, was hast Du doch für ein Geschick, in jeder Situation das weit und breit einzig verfügbare Fettnäpfchen zu finden.

Dem scheint aber nicht so. Finn schaut mich lange an. Langsam nur stellt er seinen Rucksack ab. Ebenfalls sehr bedacht begibt er sich die zwei Schritte auf mich zu und ehe ich mich darauf vorbereiten kann, bekommen ich einen Kuss von ihm mitten auf die Stirn.

Das alles auch noch in aller Öffentlichkeit.

Meine Sinne versagen nun total.

Ich empfinde es, als würden Stunden vergehen.

Alles in mir verkrampft sich, um im gleichen Moment einem Glücksgefühl den Weg zu bereiten, welches ich noch nie in meinem Leben zuvor, so empfunden habe.

Alles um mich herum existierte nun nicht mehr. Wirklich alles, alles außer Finn.

Wie von Geisterhand gesteuert greifen meine Hände nach diesem wunderschönen Gesicht.

Er lässt mich gewähren und erhält einen ebensolchen Kuss.

Diesmal jedoch direkt auf die Lippen.

Es war mir egal, wie er reagiert. Einmal wenigstens wollte ich diesen Genuss erleben.

Hatte ich nicht heimlich die ganze Fahrt über, genau davon geträumt?

Erst allmählich spüre ich, wie seine Arme sich um meinen Oberkörper winden und immer fester an ihn herandrücken. Jetzt beginnen sich auch ganz langsam seine Lippen zu öffnen und es entwickelt sich für mich ein Erlebnis, wie eine Begegnung der dritten Art.

Ich spüre ganz deutlich, wie Finn nur sehr zögerlich die Umklammerung wieder löst.

Nur mit reichlich Verspätung nehme auch ich wieder die ganze Umgebung um uns wahr.

Scheinbar hat niemand unseren Ansturm zur Kenntnis genommen, oder falls doch, jedenfalls keine Reaktion gezeigt.

„Finn, ich glaube ich habe mich ein wenig in dich verguckt.“ versuche ich zu erklären, was ich da gerade getan habe.

So richtig weiß ich auch nicht, was ich anderes hätte sagen sollen.

Ist doch schließlich das erste Mal, dass ich mich richtig zu jemandem hingezogen fühle.

Ich meine damit, dass ich zwar schon etwas länger weiß, dass mir Jungs lieber sind als Mädchen. Genauer gesagt, mit Mädchen kann ich nun überhaupt nichts anfangen.

Aber jetzt? Ja, was war das jetzt?

Da steht ein bildhübscher Junge vor mir. Seine Gesichtsfarbe ist ein ganz klein bisschen gerötet.

Sein Blick wirkt aber eher weniger irritiert!

So, wie es aussieht, bin ich mehr verwirrt als er…

„Hey Sören, das war gerade wunderschön. Auch ich habe mich schon in Hamburg in dich verguckt.

Als ich deinen Gürtel gesehen habe, bin ich fast verrückt geworden.

Es stand für mich fest, diesen Fisch, ziehst du an Land, egal wie!“

„So, so, für Dich bin ich also nur ein glibberiger Fisch?“ empöre ich mich gespielt, worauf er mich noch einmal in den Arm nimmt und kräftig drückt.

„Nein, ganz gewiss nicht, meine kleine Krabbe!“

Jetzt war das Maß voll und ich versuche ihn zu kitzeln, was mir auch bestens gelingt.

Nur ungern lassen wir voneinander ab.

„Sag mal Sören, wo wohnst Du hier eigentlich?“ fragte mich Finn, noch immer etwas außer Atem.

Nun bin ich an der Reihe, für eine neue Gesichtsfarbe.

„Ja, weißt Du, es ist so…

Also, so genau weiß ich das noch nicht…

Also gut. Ich bin zu Hause abgehauen. Und nun bin ich auf der Straße!“

Die letzten Worte kommen schon etwas von Tränen erstickt.

„Echt? Ist das wahr? Cool…“

„Na ja, so cool ist das nun auch wieder nicht.

Ich bin auf der Straße, habe kein Dach, kein Bett, und muss sehen, wie ich zu etwas zu Essen komme…“ schniefe ich so dahin.

„Also für Dach, Bett und Essen kann ich Dir vielleicht behilflich sein. All dieses gibt es bei meiner Oma!“ sprudelt Finn glücklich aus sich heraus.

Kaum gesagt, zieht er schon an meinem Ärmel und zwingt mich so zur Bewegung in eine bestimmte Richtung.

„Und was wird Deine Oma dazu sagen?“

„Och, die ist schon sehr alt. Die bekommt das vermutlich gar nicht mit…“ vermutet Finn.

Mir kann es im Moment ja egal sein. Hauptsache ich finde einen trockenen Platz zum Schlafen.

Doch der Gedanke, dass dieser Platz ganz nahe bei Finn sein wird, lässt mich fast überdrehen.

Dieser Junge bringt meinen Verstand total durcheinander. Kein klarer Gedanke kommt mehr ins Großhirn durch.

„Du Sören, magst Du eigentlich Krabben?“

„Wie kommst Du denn jetzt darauf?“ frage ich völlig irritiert.

„Na dann schau mal etwas nach links. Da am Hafen gehen wir gleich lang. Da sind die Fressbuden, wo die Touristen sich voll futtern. Ich denke mal, so ein klitzekleines Krabbenbrötchen findet auch bei uns noch seinen Platz, oder?“

„Was für eine Frage, natürlich mag ich Krabben!“ Und wie Finn schon sagte, ein wenig Platz wird sich in meinem Magen ganz bestimmt schon noch dafür finden.

Bestens gestärkt begeben wir uns nun auf die letzten Meter zur Höhle der Löwin. Genauer gesagt, zur Großmutter von Finn.

Als Finn die Haustür aufschließt, habe ich gar nicht den Eindruck die Wohnung einer alten Oma zu betreten.

Nein, absolut nicht. Alles ist modern und macht einen überaus gepflegten Eindruck.

„Finn, zieh´ die Schuhe aus! Hörst Du?“ nehme ich ganz nebenbei wahr.

„Ja doch Granni, bin schon dabei.“ erwidert Finn nun mit leicht verstelltem Gesichtszug. Dabei deutet er aber auch auf meine Füße, womit mir sofort klar ist, was er meint.

Kein Problem. So sauber wie es hier aussieht, ist das doch wohl das geringste Problem.

Jetzt kommt uns eine Gestalt entgegen, die rein vom Aussehen schon fast jünger erscheint als meine eigene Mutter. Na, ja, kein Kunststück, bei dem Lebenswandel meiner Erzeugerin…

„Na Finni, wie war es bei Paps? Habt ihr ein schönes Wochenende verbracht?

Oh, da ist ja noch jemand. Ist das Dein Freund?“

„Granni! Das ist Sören, wir habe uns zufällig im Zug kennen gelernt“ lügt Finn.

„Ach Finn, warum sagst Du nur nicht die Wahrheit. Denkst Du etwa, ich weiß nicht was in Dir vorgeht?“

Finn wird etwas verlegen. Ja eigentlich nicht nur etwas.

„Woher…, ich meine, seit wann weißt Du es, Granni?“

„Och, Jungchen, das ist schon eine Weile her. Aber es fiel mir halt auf, wenn wir Einkaufen gingen. Ich brauchte bloß Deinen Blicken zu folgen…“

Mir wird die Situation allmählich peinlich. Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie elend sich Finn im Moment fühlt.

„Hey, Finn, siehe es doch mal positiv. Ein Coming Out hast Du Dir nun schon mal gespart!“

„Ja, ich glaube Du hast Recht. Und es wäre das Schwierigste überhaupt geworden!“

„Na, nun ist aber Schluss! Denkt Ihr etwa ich bin schon so verkalkt wie die alte Waschmaschine?“ lacht Granni nun fröhlich vor sich hin.

„Aber, wo ich gerade von ALT spreche. Sag mal, Finni, könntest Du für mich heute Abend zum Theater gehen und den Fundus aufschließen. Ich habe die Kostüme gestern noch umgenäht und die Aufführung ist heute.“

„Klar Granni. Was wird denn heute gespielt?“

„Es ist ‚Opa ward veküppt‘!“ [Anmerkung des Autors: Opa wird verkauft]

„Oh super, das Stück ist total gut, ist das nicht das, was sie auch schon letztes Jahr zu Ostern gespielt haben?“

„Aber ja doch! Und es war ein riesiger Erfolg. Es gab da zwölf Vorhänge!“ wobei ich nun absolut keine Ahnung habe was das sein soll…

Finn erblickt meine Unsicherheit und fragt mich ganz aufgeregt „Sören, was meinst Du? Kommst Du mit? Das ist da voll spannend. Sowohl im Fundus, als auch im Theater hinter der Bühne!“

Wie könnte ich diesem Jungen auch nur eine Bitte abschlagen? Davon einmal ganz abgesehen. Was weiß ich denn schon von Theater?

„Sag, Granni, wann müssen wir denn da sein?“

„Also spätestens um 18:00 Uhr. Die Vorstellung beginnt um Acht!“

„Ja, dann würde ich sagen, gehen wir besser schon jetzt los. Dann kann ich Sören noch etwas im Fundus herumführen.“

„Aber, dass Du mir da ja nichts kaputt machst, hörst Du?“ wendet Granni besorgt ein.

„Klar Granni, Du kennst mich doch…“

„Ja, genau deswegen mache ich mir ja Sorgen!“ fügt sie noch lächelnd hinzu.

So eine Oma hätte ich wohl auch gern.

Finn schnappt sich nun auch meinen Rucksack und läuft schnell die Treppe ins Obergeschoss, um gleich darauf schon wieder neben mir zu stehen um sich die Schuhe anzuziehen.

„Was ist los, hast Du keine Lust, oder was?“

Sein Tatendrang hatte schon wieder etwas Verwirrung in mir ausgelöst.

Doch auch ich schnappe mir meine Boots und ziehe sie wieder an.

Gemütlich ziehen wir durch die alten Gassen von Husum. Weiß der Himmel, warum Theodor Storm, also dieser Dichter damals, diese als eine „graue Stadt“ titulierte?

Kaum 20 Minuten später erreichen wir den Seiteneingang des Stadttheaters.

Ein schon etwas älterer Herr öffnet uns und fragt auch gleich sehr besorgt nach der Oma von Finn. Dieser beruhigt ihn und erzählt, dass sie einfach nur ein wenig müde sei.

Finn nimmt mich am Arm und führt mich nun durch einige nur mäßig beleuchtete Gänge, bis wir an eine Treppe zum Keller kommen. Direkt neben einem überdimensionalen Lastenfahrstuhl führt uns die enge Wendeltreppe nach unten. Finn stoppt vor einer riesigen Stahlschiebetür und macht sich mit dem Schlüsselbund vom Pförtner an der Tür zu schaffen.

Mit lautem Rumpeln schiebt Finn nun die Tür ein Stück zu Seite.

„Warte hier, der Lichtschalter ist ein Stück weiter drinnen.“ fordert Finn mich auf.

Mir schlägt derweil ein seltsamer Geruch entgegen.

Genau kann ich ihn nicht beschreiben.

Es riecht irgendwie ein wenig abgestanden, ja halt eben wie schlecht gelüftet.

Ich hatte eigentlich eher den Geruch von Mottenkugeln erwartet.

Ich vernehme das typische Geräusch von Leuchtstoffröhren aber die Halle, die sich vor mir auftut, erhellt sich nicht wie erwartet im grellen Neonlicht, sondern nur diffus im Licht einiger weniger bunter Leuchtstoffröhren.

Finn kann ich nirgends entdecken.

Es ist schon etwas länger her, dass ich so eine Gänsehaut bekam. Alles, was ich sehe wirkt mit einem mal ein wenig gespenstisch auf mich ein. Ja fast mystisch erlebe ich diese Eindrücke.

Gleich vorne rechts, da wo Finn eben noch hinein ging, hängt eine große Holztafel, an der alle erdenklichen Arten und Formen von Schwertern und Schilden aufgehängt sind.

Direkt im Anschluss folgen Messer, Pistolen und andere Handwaffen.

Ich gehe den Gang etwas weiter und komme in einen Bereich voller Perücken, Kopfbedeckungen und skurrilen Masken jeglicher Art, als Finn mit genau so einer im Gesicht vor mich springt.

Es hat nicht viel gefehlt und ich hätte mich beinahe nass gemacht.

Schon als kleiner Junge konnte ich beim Lesen von Geschichten so tief abtauchen, dass ich mit dem Hauptakteur fast Eins wurde.

Meine Mutter sagte immer ich hätte einfach zuviel Phantasie.

Finn erkennt meinen Anflug von Ohnmacht und nimmt mich rasch in den Arm.

„Hey, Kleiner, das wollt ich nicht. Es sollte doch bloß ein Spaß sein!“ Noch immer besorgt lässt er mich sanft zu Boden gleiten und setzt sich ganz dicht dazu.

„Bist Du jetzt sauer?“ fragt er mich noch immer sehr besorgt.

„Ne, ist schon in Ordnung. Ich habe mich nur wirklich erschrocken, weil ich ein wenig in Gedanken war…“

Finn gewinnt langsam sein Lächeln zurück.

„Na, dann werde ich jetzt mal das Licht richtig anmachen. Schließlich sollst Du ja auch Deinen Spaß haben“ erwidert er und springt schon wieder auf.

Wieder vernehme ich in der Stille des Kellers das obligatorische „Pling“ für die hellen Neonröhren, die nun ihr Licht dem Gewölbe bereitstellen.

Erst jetzt werde ich gewahr, welche Ausmaße dieser Keller hat. Nun verstehe ich auch, warum eine so riesige Schiebetür den Raum verschließt. Ganze Bühnebilder haben an der linken Wand ihren Platz gefunden, um für eine erneute Aufführung bereit zu sein.

Mittelpunkt meiner Aufmerksamkeit erregt jedoch sogleich die vordere Hälfte eines Piratenschiffes.

Ja, das war schon mein Traum, als ich noch wirklich klein war.

Einmal ein richtiger Pirat sein.

Langsam und ehrfurchtsvoll führen mich meine Schritte näher an den Rumpf, von dem zerfetzte Segel und andere Takelage herunter hängen.

„Sag mal, Sören, kann es sein, dass Du ein ganz klein wenig ein romantischer Träumer bist?“ fragt Finn während er mir von hinten seine Arme auf die Schultern legt.

Schon wieder ist er unbemerkt an mich herangekommen. Und schon wieder zucke ich kurz zusammen.

„Erwischt!“ ist alles was mir sofort einfällt.

„Du Finn, warst Du denn niemals in der Phantasie auf der Bounty, oder Kapitän Blaubart. Auf der Schatzinsel, oder hast Du Moby Dick gejagt, oder warst Du sogar Robinson?“

Ein scheinbar unwissendes Gesicht schaut mich an. „Hey, Sören, das sind doch bloß Geschichten…?“

„Nein Finn, für mich nicht! Ich habe sie erlebt. Ja, alle! Für mich sind sie real gewesen. Es war das einzige, in meiner Kindheit, was wirklich real war!“

Wieder suchen sich einige Tränen ihren Weg und ich lasse ihnen diesmal ihren freien Lauf.

Entweder Finn versteht mich jetzt, oder niemals.

„Komm Sören, ich glaube ich kann Dir helfen.“ Finn zog mich mal wieder am Ärmel und ich folge völlig willenlos.

„Schau mal, das sind die Garderoben für das Piratenstück. Die meisten werden wohl viel zu groß sein, aber die Klamotten sind ja eh immer weit geschnitten getragen worden.“

Meine Augen beginnen zu leuchten. Ja, sie leuchten jetzt wie 100 Watt-Kerzen!

„Meinst Du, ich darf eins davon mal anziehen?“

„Klar, warum nicht? Und es wäre lieb von Dir, wenn Du auch ein Kostüm für mich aussuchst! Wäre doch sonst langweilig. Ich muss jetzt nur kurz nach vorne, die Requisiteure kommen wohl in jedem Moment.“

Ich bin nicht mehr Herr meiner selbst. Zu fast jedem Kostüm fällt mir eine Geschichte ein.

Immer tiefer versinke ich zurück in meine ganz eigene Traumwelt. Genau dazu passend finde ich auch tatsächlich die Kleidung, die meiner Vorstellung eines Piraten am meisten entspricht.

Nach und nach entledige ich mich meiner gewohnten Gegenwartsmode und schlüpfe Stück für Stück in die Hüllen dessen, wie in meiner Phantasie wohl einmal ein Pirat ausgesehen haben mag.

Ich mache mich auf die Suche nach einem Spiegel und werde prompt von einem der Requisiteure entdeckt.

„He, das muss ein Irrtum sein, wir spielen doch heute den plattdütschen Dorfschwank!“

„Ist schon gut…“ beruhigt ihn Finn, „das ist eine Anprobe für ein anderes Stück, das auswärts gespielt werden soll!“

Ich habe keine Ahnung wie Finn das macht, aber ich könnte das nicht. Erstens kann ich nicht Lügen und zweitens bin ich nicht so spontan.

Endlich finde ich den Spiegel und stelle fest, dass der weite Federhut absolut gar nicht dazu passt. Nein, hier muss ein Kopftuch her und, verdammt noch mal, eine Augenklappe.

Ein deutliches Rumpeln kündigt mir an, dass Finn die Schiebetür schließt. Umso besser. Kann ich diesem Barbaren doch endlich zeigen, von wem auf dieser Insel Ebbe und Flut befohlen wird!

Ich begebe mich weiter zum Eingang und finde auch noch einen passenden Säbel.

Er sieht recht echt aus und doch ist er aus so einem Latexzeug.

Jetzt ist mir klar, warum die Schauspieler sich nie wirklich verletzen.

„Sören? Hast Du auch was für mich gefunden?“ höre ich Finn rufen.

„Ja, klar! Bist Du schon fertig?“

„Ja“ spricht nun Finn wieder mit normaler Lautstärke, da er mich gefunden hat.

„Also den Hut würde ich nicht nehmen…“

„Stimmt, den habe ich auch schon abgeschrieben. Was hältst Du von einem Kopftuch und Augenbinde?“

„Ja, das könnte eher passen. Und was hast Du für mich auserkoren?“

Wir gehen gemeinsam den Gang runter zu dem Abschnitt, wo ich meine Verkleidung begann.

„Nein, nein bitte nicht das“ protestiert Finn nun heftig, als er das Kostüm einer Piratenbraut vorbereitet auffindet.

„Sören, bitte, das kannst Du mir nicht antun“ klingt es fast bedauerlich aus seinem süßen Mund.

Ich koste den Moment voll aus. Schließlich soll es eine kleine Rache sein. Auch wenn ich so etwas normaler Weise nicht gut drauf habe, aber dieses Mal scheint es mir voll gelungen zu sein.

Finn windet sich wie ein Regenwurm im Salzbett.

Ich konnte es gar nicht genug auskosten, bis ich ihn endlich erlöse und ihm sage, dass es nur ein Scherz war.

„Komm, such Dir selbst etwas aus.“

„Oh ja, ich habe schon etwas gefunden!“ Er stürzt sich auf mich und ich weiß plötzlich nicht mehr was mit mir geschieht.

Finn streckt mich nieder und beginnt mich an allen Körperteile zu liebkosen.

Ich liege flach auf dem Rücken und Finn hat sich auf meine Taille gesetzt. Vorsichtig streift er mir das Piratenhemd über den Kopf und erkundet mit seinen Lippen meine Brust.

Nach und nach finden wir immer neue Stellen, an denen unsere Lippen und Zungen noch nicht waren.

Ich habe mir ja schon so manche Vorstellungen gemacht.

Doch bislang war auch Boysex für mich nur kühnste Phantasie. Wie sollte ich ohne Internet auch Vorstellungen haben, wie es eben wirklich ist.

Eines weiß ich jetzt jedenfalls genau. Es ist ´zigmal, ja sogar tausendfach schöner, als es mir jede Phantasie jemals ausmalen konnte.

Es gibt wohl halt doch einen kleinen Unterschied zwischen Phantasie und Realität…

Ab sofort liebe ich die Realität. Und ich liebe Finn!

Von oben, von der Bühne höre ich jetzt den Applaus.

Wieder und wieder. Immer wieder Applaus…

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