Vollmond
Sebastian
Es war ein langer Nachmittag geworden, denn ich hatte mir nicht vorgestellt, dass Delfine so viel Arbeit verursachen würden. Tim war mittlerweile ebenso ins Delfinarium gekommen. Er hatte sich die ganze Zeit mit Heike über Grünzeug unterhalten.
Brit war bei mir geblieben, zu faszinierend fand sie die Delfine. Ich spritze mit dem Schlauch noch schnell alles sauber, bevor ich nach hinten ging, um mich umzuziehen. Ich hängte alles schön artig zum Trocknen, zog meine Privatsachen an und verschloss den Spint wieder.
Wie Heike gewünscht hatte, machte ich im hinteren Bereich alle Lichter aus und ging wieder nach vorne, wo Brit schon auf mich wartete.
„Ich bin dann fertig“, meinte ich zu Heike.
„Gut, dann bis morgen. Ich mach alles zu.“
Sie verabschiedete sich auch noch von Tim und Brit und so konnten wir gehen. Dennis war nicht mehr da, denn auch Michaels Auto fehlte. So verabschiedeten wir uns von einander und jeder ging seines Weges.
Volker
„Ich habe dir noch etwas mit gebracht“, sagte David und gab mir eine CD, „ich weiß, du stehst nicht so auf neumodische Musik, aber hör dir das Lied einfach mal an, es ist auf Deutsch!“
Er drückte mir noch einen Kuss auf die Stirn und verließ mich. Nun war ich wieder alleine mit meinen Gedanken und Gefühlen, aufgewirbelt von Jürgen und David. Ich sah einen CD-Player auf dem Sideboard.
Ich stand auf, legte die CD ein, die mir David gegeben hatte und drückte auf Play. Danach legte ich mich wieder hin.
ich hab mich nie gefragt, ob es richtig ist,
ob die Welt auch hält, was sie mir verspricht.
Denn mal flieg ich hoch und mal fall ich tief,
bin ein Kind der Geister, die ich rief.
Tage zu verbringen ist ne Leichtigkeit
und 24 Stunden sind ne Menge Zeit,
um jeden Morgen wieder neues Leben zu beginnen
und den Glauben dran durch die Nacht zu bringen…
Ich leb den Tag,
ich öffne die Augen und fang ihn von vorne an.
Einen Tag, ganz in dem Glauben
dass er alles bedeuten kann…
Ich habn paar Mal Pech
und paar Mal Glück;
ich gehe zwei Schritt vor…
und wieder einen zurück.
Manchmal sag ich was Wahres, mal lüge ich,
denn ich nehm’s wies kommt, sonst nimmt es mich.
Ich seh die Dinge kommen und wieder gehen,
doch nicht alles, was ich seh, will ich auch verstehn.
Ab und zu sag ich nein, meine aber ja,
manchmal lieber allein, manchmal für dich da…
Ich leb den Tag,
ich öffne die Augen und fang ihn von vorne an.
Einen Tag, ganz in dem Glauben,
dass er alles bedeuten kann…
Manchen hab ich verschenkt,
Manchen hab ich verdrängt.
Viele Tage ließen mir zu wenig Zeit.
Mancher hat mich geliebt,
ein Andrer hat mich betrübt,
manchmal war ein Tag eine Ewigkeit…
Ich leb den Tag,
ich öffne die Augen und fang ihn von vorne an.
Einen Tag, ganz in dem Glauben,
dass er alles bedeuten kann…
© Laith Al Deen 2005
Ich lag auf dem Bett, hatte meine Beine angezogen und umklammert. Tränen rannen mir über die Wangen und das Lied hallte in meinem Kopf nach. Wie Recht der doch hatte, das war ich, den er da besang. Er traf es so genau.
Betrog ich mich selbst? Ich stand auf, ging ins Bad und duschte. Ich ließ die Tür zum Zimmer offen und ließ das Lied auf ‚endlos wiederholen’ spielen. Das Wasser rann meinen Körper herunter… – ich leb den Tag – ich öffne die Augen – und fang ihn von Vorne an- …
Dennis
Ich lag schon im Bett, als Michael von seinen Tieren zurückkam. War einfach zu müde, um noch da zu sitzen. Michael kam und setzte sich zu mir ans Bett.
„Na, so müde?“
„Ja… ich weiß auch nicht, bin heute völlig kaputt.“
„Soll ich mich zu dir legen?“
Ich grinste und hob die Decke an.
„Moment, ich geh nur noch ins Bad und mach mich fertig. Will später nicht mehr aufstehen müssen.“
So trottete Michael aus dem Schlafzimmer ins Bad. Ich drehte mich auf den Rücken und starrte zur Decke. Ich hatte das Gefühl, Michael beschäftigte Etwas. Sollte ich ihn einfach fragen? Oder warten… bis er von alleine etwas sagte?
Nächste Woche wurde ich achtzehn. Da musste ich wohl oder übel etwas mein Konto plündern. Es stand ja nicht nur die Fete zu Hause an, sondern auch im Zoo sollte ich Etwas machen.
Bis jetzt hatte ich mir ja nicht mal richtige Gedanken gemacht, was ich überhaupt machen wollte. Gut, zu Hause… Mum meinte, wir machen einfach ein paar Bleche Pizza für mich und meine Freunde.
Bleche waren gut, denn außer Brit und Tim war mir aus der Schule niemand erhalten geblieben. Oder sollte ich nicht einfach alles in den Zoo verlegen und dort feiern? Ich musste morgen schauen, ob Volker da war und ihn dann fragen, ob das ginge.
Wenn er überhaupt da wäre, nach Dem was heute passiert war. Er machte jetzt das durch, was ich vor einem guten Jahr erlebt hatte. Ich wusste nicht, ob es in seinem Alter schlimmer war, zu entdecken…, dass man auf Kerle stand.
Doch je länger ich darüber nachdachte, umso mehr kam ich zum Entschluss, er hatte es schwerer, als ich es damals hatte.
„Du bist so in Gedanken“, schreckte mich Michael auf.
„Hä? … ach so, ja, ich musste gerade an Volker denken.“
„Ist eine blöde Sache.“
„Stimmt, mir kam gerade der Gedanke, dass mein Outing leichter war als seins.“
„Wieso?“, fragte Michael und krabbelte zu mir ins Bett.
„Jetzt schau doch mal“, ich lehnte mich auf den Ellebogen auf und sah Michael an, „ er war wer weiß wie lange verheiratet, hat zwei Kinder und plötzlich stellt er fest, er ist geil auf Männer.“
„Aus dem Blickwinkel hab ich das noch gar nicht betrachtet.“
„Das muss doch für Volker wie ein Hammer gewesen sein. Und dann kommt der Arsch von Bruder und outet ihn auch noch.“
„David ist kein Arsch. Er wollte ihm helfen. Ich verstehe seine Beweggründe, nur wusste er eben nicht, dass er bei Volker damit das Gegenteil erreichte.“
Ich rollte mit den Augen.
„Trotzdem, sowas tut man einfach nicht. Wenn ich mir vorstellte, Tim wäre herum gelaufen und hätte erzählt, ich wäre schwul…, ich hätte ihn geköpft.“
„Hat er ja nicht, er hat sich ja nur unglücklich in dich verliebt und dich angebaggert.“
Ich zog eine Schnute.
„Erinnere mich nicht daran.“
„Och ich verstehe ihn, ich hab mich ja auch in dich verliebt und baggere ständig!“, meinte Michael und hatte wieder dieses schalkige Grinsen auf den Lippen.
Seine Hand fuhr in meinen Nacken und er zog mich zu sich herunter.
„Schlaf mit mir!“, flüsterte er mir ins Ohr.
Volker
Ich hatte mich angezogen und mir die CD aus dem Player geangelt. Nachdem ich das Bett wieder zurechtgemacht hatte, schaute ich mich noch einmal um, ob alles richtig war und verließ das Gästezimmer. Ich lief die große Treppe hinunter, wo ich Jürgen und David im Eingangsbereich traf.
„Na, fertig? Können wir?“, fragte ich David, der mich etwas verwundert ansah.
„Guck nicht so! Oder willst du hier bei deinem alten ergrauten Bruder schlafen?“
Jürgen kniff die Augen zusammen, versuchte einen bösen Blick aufzusetzen. Ich begann zu lachen.
„Findet euch damit ab, ich seh von uns dreien halt immer noch am besten aus“, meinte ich und lief lachend zum Wagen.
„Was hast du mit Volker gemacht?“, fragte Jürgen.
„Ich … ähm… hab ihm doch nur eine CD geschenkt…“
„Vielleicht liegt es auch am Vollmond?“, meinte Jürgen und zeigte nach oben.
„Kleiner Bruder, Lust noch etwas durch die Stadt zu ziehen?“, rief ich.
Ich trällerte >ich leb den Tag< vor mich hin und schloss den Geschäftswagen auf. Als ich einstieg, schauten mich zwei verdutzte Gesichter an. Michael Schwer keuchend lag Dennis auf mir. Er war in mir gekommen und was ich verrückt fand, ich kam mit ihm zur selben Zeit, obwohl niemand an mich Hand angelegt hatte. „Ist das jedes Mal so geil?“, keuchte Dennis und küsste mich. Mir fehlte für einen langen Kuss einfach noch der Atem, so drückte ich Dennis etwas weg. „Weiß ich nicht…für mich war es doch auch das erste Mal.“ Dennis lag immer noch auf mir. Sein Teil wurde nicht schlaff und steckte immer noch in mir. Seine Augen glitzerten im Mondlicht, der Vollmond schien irgendwie heute besonders hell. Er sah mich an und ein breites Lächeln zierte seine Lippen. Ich schwebte immer noch auf Wolke sieben. Mein Kleiner und ich waren eins, sind eins, werden immer eins bleiben. „Was denkst du?“, flüsterte Dennis. „Ich bin einfach nur… wie soll ich sagen… wow! Kann das nicht in Worte fassen, was alles in meinem Kopf vorgeht.“ „Mir geht es genauso…“ „Ähm… willst du noch mal… ich meine… dein Kleiner… er hat noch ganz schön Leben in sich“, meinte ich grinsend. Dennis’ Mund legte sich auf meinen und seine Zunge bohrte sich tief in meinen Rachen. Als er absetzte, bewegte er leicht seinen Schwanz in mir, was mich leicht aufstöhnen ließ. „Ich wäre für einen Stellungswechsel“, meinte Dennis. „Ich soll mich auf dich setzten?“ „Nein… ich würde dich auch gern in mir spüren.“ Ich verzog etwas das Gesicht, was Dennis auch in der sachten Beleuchtung des Zimmers, durch das Mondlicht, wohl wahrnahm. „Was?“ „Ich will dir nicht wehtun, Schatz“, sagte ich und streichelte sanft über seine Wange. Er küsste mich kurz. „Wieso solltest du mir wehtun…?“ „Ich will ja nicht… ich … ach… Dennis, du weißt wie groß Meiner ist… ich hab einfach Angst… ich könnte dich damit irgendwie verletzen…“ Tränen stiegen mir in die Augen, das Ganze ging mir jetzt irgendwie nahe. Ich drehte meinen Kopf zur Seite, schaute Richtung Fenster. „He“, meinte Dennis, „ich habe irgendwo gelesen, das männliche Loch ist sehr dehnungsfähig… dann gehen wir das eben langsam an.“ Ich schaute wieder zu Dennis. Sein Lächeln, seine klaren Augen, irgendwie beruhigte mich das. Ich zog ihn herunter und wir küssten uns wieder. Robert Adrian war gegangen, es war schon spät. Ich hatte gespürt, dass er am liebsten bei mir geblieben wäre, aber es ging nun mal nicht anders. Krankenhausregeln und die Nachtschwester – die Vollstreckerin. Verträumt lag ich auf meinem Kissen, schaute zum Fenster hinaus. Der Mond schien mir heute Abend sehr groß. Er stand knapp über der Stadtsilhouette, eine riesige weiße Scheibe. Er konnte heute nur für mich so prall scheinen, denn niemand war so glücklich wie ich.