Alltägliches
Dennis
Wir saßen gemeinsam bei Michaels Mutter am Frühstückstisch. Sie hatte sich ins Zeug gelegt und den kompletten Tisch voll belagert. Sie dachte wohl, drei junge Männer müssten sich ordentlich stärken.
Dabei hatte von uns niemand richtig Hunger. Noch steckte der Vorabend in unseren Gliedern und viel geschlafen hatten wir auch nicht. Sebastian hatte bei uns gelegen. Wir hatten zwar nicht großartig geredet, aber schlafen konnte auch keiner so recht.
„Wie kam eigentlich die ganze Polizei zum Haus deiner Eltern?“, fragte Michael plötzlich.
„Dad meinte, die Nachbarschaft hätte etwas Verdächtiges vor unserem Haus bemerkt und ihn informiert. Er hat daraufhin gleich die Polizei verständigt.“
„Wenn sie doch wussten, dass Jipsi vor dem Haus herumlungerte, warum haben sie ihn nicht gleich festgenommen?“, fragte Sebastian.
„Das kann ich dir auch nicht sagen“, antwortete ich nur.
Michaels Mutter sagte nichts zu der Sache, schüttelte nur ab und zu den Kopf.
„Wird das je aufhören?“, fragte Sebastian und starrte in seine Tasse.
„Ich denke schon“, fing Michael an, „es wird doch sicher etwas davon in der Zeitung stehen und das kann man doch an deine Eltern irgendwie weiterleiten, damit es dort ebenso in der Zeitung erscheint.“
„Stimmt, das wäre sicher kein Problem“, gab ich Michael recht.
„Meint ihr wirklich?“, fragte Sebastian.
Beide nickten wir angestrengt mit dem Kopf.
Volker
Ich ließ David schlafen und fuhr zur Arbeit. So früh war noch keiner der Kollegen da und so konnte ich gemütlich alles herrichten. Bei Jürgen wollte ich später vorbeischauen, das Frühstück meiner Kleinen war mir jetzt wichtiger.
Die Tür ging auf und Sabine kam herein.
„Morgen Volker, auch schon da?“
„Klar, konnte bei der Nacht eh nicht mehr richtig schlafen.“
In Kurzfassung erzählte ich, was heute Nacht passiert war. Sabine konnte das gar nicht richtig fassen. So standen wir da und schnippelten beide unser Gemüse und Obst.
„Und du? Geht es dir wieder besser?“, fragte Sabine plötzlich.
Mir kam wieder der gestrige Mittag in den Sinn.
„Tut mir Leid…, bin bisschen ausgerastet gestern.“
„He… nur verständlich.“
Fand ich nicht, das war jetzt aber auch egal.
„Und wie sieht jetzt deine Zukunft aus?“
„Wie meinst du das?“
„Wird sich etwas ändern?“
„Nein, glaube ich nicht… na ja, es ist… gewöhnungsbedürftig.“
„Es wird ja auch nicht jeder mit dem Holzhammer geweckt.“
Ich wusste, dass sie auf David anspielte, wollte dazu aber nichts sagen.
„So, fertig. Sehen wir uns nach her zu einem Kaffee in der Kantine?“
„Klar, da bin ich dabei!“
So räumte ich meine Sachen zusammen und lief mit der Schüssel voll Frühstück ins Kleinbärenhaus. Fritz hatte alles wieder auf Hochglanz gebracht, alles schön aufgeräumt. Ich atmete tief durch und machte mich daran, das Essen auf die verschiedenen Käfige zu verteilen.
„Morgen Mädels. Und, schon fit?“
Ich stellte die Schale mit Früchten auf den Boden und sah aus dem Augenwinkel eine Bewegung.
„He Emilie, dein Bauch ist ja kleiner geworden! Hast du etwa schon deine Jungen bekommen und ich habe es nicht mitgekriegt?“
Die Kleine kam aus ihrem Holzstamm hervor und lief zur Schale. Vorsichtig und langsam lief ich um die Palme herum zum Baumstamm. Ich kniete mich hin und schaute in die Öffnung des Stumpfes.
Ganz weit hinten sah ich mehrere kleine Nasenbären, wie ein kleiner Wollknäuel.
„Emilie, du warst ja richtig fleißig!“
Sie stand in geringer Entfernung zu mir, hatte den Schwanz hochgestellt und ihr Fell sträubte sich.
„Ich tu den Kleinen schon nichts“, sagte ich und stand wieder auf.
Es klopfte an der Scheibe und ich drehte mich um. Fritz war gekommen. Ich zeigte zur Tür und er nickte. Ein kurzer Blick durch den Käfig und ich befand alles in Ordnung. Dann stieg ich aus der kleinen Glastür.
„Morgen Volker.“
„Morgen Fritz. Emilie hat ihre Jungen bekommen, ich konnte so drei – vier ausmachen.“
„Und wir haben es verpasst. Übrigens Doc Reinhard kommt gleich vorbei, der Brillenbär braucht noch seine Spritze.“
„Wie geht es ihm denn?“
„Etwas besser, er frisst wieder.“
Fritz sah mich an und lächelte. Ich konnte nicht anders und umarmte ihn.
„Danke Fritz“, sagte ich leise.
„Nichts zu danken…, dafür bin ich doch da.“
Ich drückte ihn noch mal kräftig und ließ ihn wieder los.
Michael
Im Savannenhaus war schon reger Betrieb, als ich ankam.
„Morgen Micha“, hörte ich Kevin rufen.
„Morgen“, sagte ich zurück, ohne ihn anzuschauen.
„He, Micha, jetzt bleib doch mal stehen.“
Erst jetzt drehte mich um und sah, wie Kevin auf mich zukam.
„Micha…, es tut mir Leid wegen gestern. Du hast Recht. Ich kenne Dennis nicht besonders gut. Du bist für mich halt wie ein Bruder und ich möchte nicht, dass dir jemand weh tut.“
Ich nickte.
„Vergessen wir es einfach, okay?“, fragte Kevin und drückte mich an sich.
Sebastian
Kahlbergs und Michaels Mutter meinten, ich sollte noch ein paar Tage frei machen, aber ich hatte keine Lust, mich zu verkriechen, wollte wieder zu den Delfinen. Heike war nirgends zu sehen, so ging ich in die Umkleide und stellte meine Sachen ab.
Im Becken schwammen die Delfine munter auf und ab. Ich ließ einen kurzen Pfiff über meine Lippen gleiten und schon reagierten sie. Außer Dana waren alle da und kamen auf mich zugeschwommen.
„Wenn du sie rufst, solltest du immer ein paar Fische im Petto haben“, hörte ich eine Stimme sagen.
Es war Heike, die aus dem Raum mit dem kleinen Becken kam.
„Morgen Heike.“
„Morgen Sebastian…, ich habe dich eigentlich nicht erwartet.“
„Wieso?“
„Volker hat mir eben erzählt, was heute Nacht passiert ist…, geht es dir besser?“
„Diese Tratschtante… klar geht es mir besser… na ja, den Umständen entsprechend, aber zu Hause wollte ich nicht bleiben.“
„Stimmt, mit der Arbeit kann man sich am besten ablenken.“
„Was macht unser Nachwuchs?“, fragte ich.
„Der ist recht munter, willst du ihn sehen?“
„Ja, klar doch.“
„Dann gib den drei Herrschaften hinter dir noch einen Fisch und komm dann nach.“
Ich drehte meinen Kopf und sah die Delfine am Beckenrand schwimmen. Ich griff in den Eimer, den Heike abgestellt hatte und warf jedem einen Fisch zu. Zufrieden schwammen sie ihre Runden weiter.
Danach folgte ich Heike. Als ich den Raum betrat, hielt Heike ihren Finger vor den Mund und mahnte mich, leise zu sein. Langsam lief ich zu Heike und schaute auf das Becken. Ich konnte Dana sehen und etwas später tauchte auch das Junge auf.
„Das ist aber groß“, meinte ich leise.
„Ja, Tümmlerkälber sind so zwischen 65 und 105 cm groß und haben schon ein Geburtsgewicht von ca. 20-25 kg.“
„Schwere Angelegenheit, aber süß ist es trotzdem. Ist das jetzt denn auch schon Fisch?“
„Es wird noch von der Mutter mit Milch versorgt, aber in ein paar Monaten sucht es sich schon alleine sein Futter.“
Ich ging in die Knie und hielt meine Hand ins Wasser. Dana kam vorsichtig an den Beckenrand geschwommen und stupste meine Hand mit ihrer Schnauze.
„Süßes Baby hast du da“, meinte ich grinsend.
„So junger Mann, die Arbeit ruft und da draußen schwimmen drei gelangweilte Delfine.“
Ich schaute zu Heike hoch, die mich angrinste.
Robert
„Echt süßer Kerl, muss ich mir da Sorgen machen?“, fragte Adrian.
Ich schaute ihn bloß an.
„Schon gut, schon gut, ich werde nie wieder fragen.“
„Das will ich dir auch geraten haben.“
„Ach übrigens, deine Eltern wollen nun doch nach Hause fahren.“
„Ja, echt? Besonderer Grund?“
„Irgendetwas ist zu Hause los, haben sie meiner Mutter erzählt. Aber sie wollen sich, bevor sie fahren, noch von dir verabschieden.“
„Das hoffe ich doch sehr.“
„Du … Robert?“
„Ja?“, meinte ich und verlor mich gerade wieder in seinen Augen.
„Du wirst ja sicherlich nicht gleich wieder Arbeiten…, denke an Schonfrist?“
„Auf was willst du hinaus?“
„Also du weißt, ich kann ebenso Auto fahren…, hättest du nicht Lust, deine Eltern zu besuchen…, so als Überraschung meine ich?“
„Zu meinen Eltern fahren? … ich weiß nicht… ich wollte da nicht mehr hin. Aber jetzt, wo sich alles geändert hat, sie ihren guten Willen gezeigt haben… sollte ich ihnen vielleicht etwas entgegen kommen.“ Ich schaute Adrian durchdringend an.
„Willst du das wirklich auf dich nehmen? …, das könnte auch in die Hose gehen.“
„Hallo? Bin ich dein Freund oder nicht?“
Ich nickte.
„Also, dann ist die Sache geritzt. Wenn du entlassen wirst, packen wir deine Sachen und fahren zu deinen Eltern. Keine Widerrede!“
„Ja Papa!“, meinte ich grinsend, wofür ich sogar einen Kuss bekam.
Dennis
Volker fand ich beim Füttern. Ich hatte ein Anliegen, dass ich nur ihn fragen konnte.
„Morgen Volker. Könnte ich dich kurz etwas fragen?“