Die Spatzen, die Vögel der Unkeuschheit, waren wohl auf der Balz, denn ihr Gezwitscher weckte mich. Ich blickte auf den Mann an meiner Seite, Jost lag friedlich schlummernd neben mir, der Lärm störte ihn anscheinend nicht. Der Wecker zeigte 09:38 Uhr, wir hatten also noch genügend Zeit, uns für das sonntägliche Mittagessen im Hause Lensing auf der anderen Seite des Flusses fertigzumachen.
Ich schnappte mir den Bademantel, der auf dem Sessel lag, und eilte die Treppe herunter in Richtung Küche. Zwar würde es kein großes Frühstück geben, aber Kaffee, ein Ei und ein paar Scheiben Toast mussten es dann doch schon sein. Als der Kaffeeknecht schon längst seiner Aufgabe nachkam, deckte ich den Tisch und öffnete die Terrassentür, ich wollte die Lärmquelle suchen und finden. Da aber die Haussperlinge mittlerweile auf der Vorwarnliste der gefährdeten Arten stehen, wollte ich nicht mehr unternehmen, denn ich bin kein Kater Sylvester und der Spatz ist ja auch kein kleiner gelber Vogel.
Als ich in unseren Garten trat, musste ich feststellen, dass ich nicht der erste Hausbewohner war, der schon wach war. Juan war, auf seiner Terrasse, mit Morgengymnastik beschäftigt, außer einer Short und einem zerknitterten Shirt trug er nichts.
„Guten Morgen Herr Vermieter!“ Er grinste mich frech an. „Bespannst du mich etwa?“
Ich lachte zurück. „Wieso sollte ich? Das Objekt meiner Begierde liegt oben und pennt noch.“
„Du guckst aber so …“ Er kam auf mich zu und drückte mir einen leichten Kuss auf die Lippen. „Für eine Sparringsrunde mit dir habe ich jetzt eh keine Zeit, ich muss gleich die Bereitschaft übernehmen. Aber Lust auf einen Spieleabend mit euch hätte ich mal wieder, einfach Bescheid sagen.“
„Werde ich machen!“ Ich knuffte ihn in die Seite. „Aber was sagt denn dein …“
„Carlos?“ Er zuckte mit den Schultern. „Den habe ich vorgestern in den Wind geschossen, ich habe wieder einmal kleine Tütchen mit weißem Pulver gefunden. Nix für mich!“ Er schüttelte sich. „Der Sex mit ihm war zwar gut, aber in seine Drogengeschichten will ich mich nicht hineinziehen lassen, ich will ja nicht meinen Führerschein verlieren; wie soll ich sonst meine Miete zahlen?“
Mitfühlend umarmte ich ihn. „Na ja, Michael wird diese Nachricht freuen, er hofft ja immer noch …“
„Hör mir auf!“ Er verdrehte seine braunen Augen. „Der ist mir dann doch zu passiv!“
Ich zog die Augenbrauen hoch. „Und das aus deinem Munde!“
„Wer hat mich denn davon überzeugt, dass nur Abwechslung das einzig Wahre im Leben ist?“ Er zeigte mir seine Zähne. „Das wart ihr beiden doch wohl! Also beschwere dich jetzt nicht!“
„Ich sag doch gar nichts!“ Unschuldig blickte ich ihn an. „Hast du eigentlich schon gefrühstückt?“
Er rieb sich die Augen. „Noch nicht, bin ja auch gerade erst wach geworden.“
„Das sehe ich! Wenn du Lust hast, kannst du uns in zehn Minuten Gesellschaft leisten, wenn ich meinen Gatten bis dahin wach kriege!“ Meine Hand glitt sanft über seinen wohlgeformten Hintern. „Aber … du solltest die Hose dann richtig rum anziehen, sonst denkt Jost noch wer weiß was!“
„Oups!“ Er wurde leicht rot. „Dann sage ich mal … bis gleich!“
Ich glaube, jetzt sind einige Erklärungen fällig, sowohl zum Ort als auch zu meinem Mieter. Wie man der bisherigen Schilderung unschwer entnehmen konnte, wir leben nicht mehr in Brooklyn. Zwar vermisse ich die Aussicht auf die gleichnamige Brücke, aber die Wohnsituation von Jost und mir verschlechterte sich nach seinem Studienbeginn derart, dass ein Verbleib in meinem Appartement sicher wohl das Aus für unsere Beziehung bedeutet hätte.
Was war geschehen? In Ermangelung eines eigenen Arbeitszimmers nahm er mein Esszimmer dafür in Beschlag. Eigentlich wäre es nicht schlimm gewesen, aber da es unmittelbar in das Wohnzimmer überging, war an Ausspannen für mich nach der Arbeit kaum zu denken. Nachrichten vom Ticker ablesen mag ja für eine gewisse Zeit gehen, aber auf Dauer? Mir fehlte eine Rückzugsmöglichkeit oder ihm ein eigenes Arbeitszimmer oder beides; das war unser ganzes Dilemma.
Während ich den Rest des Frühstücks vorbereite und für den Bewohner des Gartenappartments nachdeckte, fiel mir die Szene kurz vor Thanksgiving wieder ein, die uns eigentlich hierher gebracht hatte. Wie war das damals eigentlich gewesen? Den Aktenkoffer hatte ich gerade abgestellt und meine Jacke an die Garderobe gehangen, als es klingelte. Jost würde erst in einer guten Stunde hier aufschlagen und Besuch erwartete ich eigentlich auch nicht. Gedankenverloren ging ich an die Sprechanlage und erkundete mich, wer der Einlass begehrte.
„Ich bin es.“ Es war Eric, der vor der Tür stand.
„Komm rauf!“ Ich drückte den Knopf und öffnete schon einmal die Wohnungstür. So oft, wie mein Cousin in letzter Zeit bei uns war, würde er den Weg ins Wohnzimmer alleine finden. Ich ging an das Barfach und schwankte, womit ich die staubigen Zahlen des Tages runter spülen sollte. Die Tür fiel ins Schloss und ich rief über die Schulter hinweg. „Auch einen Screwdriver?“
„Hört sich nicht schlecht an, …“ Seine Stimme klang angespannt. „… den kann ich jetzt gebrauchen!“
„Dann bringt bitte aus der Küche den O-Saft mit, steht dem Kühlschrank, den Wodka habe ich hier.“ Ich schüttete das klare Destillat in die Gläser und wartete auf unseren Stammgast, damit er mir die Flasche mit der orangefarbenen Flüssigkeit reichen konnte.
Eric stand an einem der Boden tiefen Fenstern und blickte auf die Brooklyn Bridge, als ich ihm das Glas reichte. „Danke …“ Er blickte mich an. „… nicht nur für den Drink!“
„Wofür denn noch?“ Wir stießen an.
„Na, dass ich hier so oft Asyl bekomme!“ Eine gewisse Melancholie legte sich auf sein Gesicht. „Deine Mutter und Oma sind zwar lieb und nett und fürsorglich bis zum geht nicht mehr, aber …“
„… sie können einem auch unheimlich auf die Nerven gehen, ich weiß!“ Mutterliebe kann manchmal erdrückend sein und das Küchenkabinett bestand nur aus Glucken, die sich in jeder Lebenslage um ihre Küken kümmerten. Seit seinem Einzug in Omas Gästezimmer war an ein Privatleben, geschweige denn sexuelle Aktivitäten, kaum noch zu denken. „Du bist uns immer herzlich willkommen.“
„Und dafür bin ich euch sehr dankbar.“ Er ließ seinen Blick wieder zur ehemals längsten Hängebrücke der Welt schweifen. „Ich liebe einfach diese Aussicht.“
„Du kannst ja hier einziehen!“ Ich grinste ihn an. „Dann könntest du ihn jeden Tag genießen.“
„Wie?“ Er blickte mich fragend an. „Sollen wir eine Kommune aufmachen?“
„Nein, mein Schatz reicht mir vollkommen!“ Ich musste lachen. „Aber die Wohnung ist einfach zu klein geworden, seitdem Jost hier wohnt.“
„Bitte?“ Erstaunt blickte er mich an. „Die hat doch über 800!“
„Genau 825.“ Die Wohnfläche in den USA wird in Quadratfuß angegeben und meine Behausung hatte umgerechnet 76 Quadratmeter. „Aber es fehlt mindestens ein Zimmer.“
„Äh, wie meinst du das denn jetzt?“ Er trank einen Schluck.
„Jost braucht dringend ein eigenes Arbeitszimmer …“ Ich deutete auf den Essbereich, der einem Konferenztisch nach einer Mammutverhandlung alle Ehre gemacht hätte. „Da man hier oben aber schlecht anbauen kann, werden wir uns wohl nach was anderem umsehen müssen.“
„Aber eine solche Aussicht wirst du nie wieder kriegen!“ Da hatte er wohl Recht.
„Das stimmt leider, aber …“ Ich zuckte mit den Schultern. „… ich hab ja schon versucht, eine der Wohnungen nebenan zu kaufen, aber …“
„Aber was?“ Man konnte das Fragezeichen in seinen Augen erkennen.
„Dazu reicht mein Geld nicht!“ Mein Seufzer war deutlich zu hören.
Eric schüttelte den Kopf. „Na! Soviel kann das doch nicht kosten, oder?“
„Ja und nein! Die zwei Appartements auf dieser Etage gehören einer Modelagentur, die vor ein paar Monaten Pleite ging.“ Nur ungern erinnerte ich mich an das Telefonat mit dem Insolvenzverwalter. „Ich hab ja schon mit dem Anwalt gesprochen, der will das Ganze aber nur in einem Paket verkaufen; inklusive einer kompletten Büroetage in der Lexington; von daher … unerschwinglich für mich.“
„Was solltest du auch mit einem Büro in Midtown?“ Seine Augen starrten auf die Brücke. „Was wolltest du denn aus den Appartements machen?“
„Gesetz den Fall, ich würde im Lotto gewinnen, dann …“ Ich liebe diese Art von Gedankenspielchen. „… würde ich erst einmal aus dem gesamten Stockwerk eine Privatetage machen. Den Flur bräuchte man dann ja nicht mehr, ein Gästezimmer mit Bad, ein Arbeitszimmer für meinen Schatz, das man später zu einer Bibliothek umwandeln kann.“ Ich hielt kurz inne. „Vielleicht eine Terrasse einbauen, eine Sauna und ein Spielzimmer … das wäre alles, was wir zum Glück bräuchten.“
Er grinste mich plötzlich an. „Ich hätte da vielleicht eine Idee …“
Neugier lag in meinen Augen. „Was meinst du?“
„Das Gericht hat mir den ersten Teil von Mamas Erbe ja bereits zugesprochen, …“ Tante Nora, seine Mutter, hatte ihr Geld in Häusern angelegt und die gerichtlichen Auseinandersetzungen mit seinem Vater hatten vor einem Monat begonnen. „Der Alte hat wohl für einen seiner Spezies ein Haus nahe der Columbia in der 113ten komplett umbauen lassen, aus 11 Studentenbuden wurde ein richtiges Professorenhaus mit Einliegerwohnung, eigentlich trennt es nur der Morningside Park von den Hörsälen. Wäre das nicht was für euch?“
Ich kriegte große Augen. „Schon, aber … das … das geht auch nicht! Wenn ich die Preise betrachte …“
„Quatsch!“ Er winkte süffisant lachend ab. „Wir können ja tauschen, wie früher beim Monopoly, als wir uns immer gegen Greg verschworen haben.“
„Nett gemeint, aber …“ Ich erinnerte mich mit Grausen an die Häuserpreise in der Times. „… das geht doch nicht! Allein der Wertunterschied …“
„Gordon, nu lass mal gut sein!“ Er zog mich an sich und umarmte mich. „Denn ohne dich wäre ich immer noch der arme Kellner aus Springfield, Massachusetts, und nicht der Erbe von Millionen aus Manhattan. Es wird Zeit, etwas von meinem Glück zurückzugeben.“
Tja, damit war der Wohnungstausch beschlossene Sache, jedenfalls für Eric. Ich war zwar erst nicht ganz so begeistert, denn ich hatte doch leichte Gewissensbisse, ein so gewaltiges Geldgeschenk von ihm anzunehmen, aber als wir uns das Haus ein paar Tage später angesehen hatten und ich Josts und Erics glücklich strahlende Augen sah, stimmte auch ich schlussendlich zu.
Ich hätte zwar nie gedacht, dass ich eines Tages mal meine Zelte in Harlem aufschlagen würde, aber das Haus lag fast an der Morningside Avenue und die bildet nun einmal die Grenze zwischen Harlem und Morningside Heights. Glaubt man einigen Stadtführern, könnte man die Gegend ohne große Probleme noch zur Upper West Side zählen. Zwar liegt deren nördliche Grenze, historisch gesehen, am Ende des Central Parks in Höhe der 110. Straße, aber aufgrund des Bevölkerungswandels in der Gegend wird sie mitunter auch in die 125. Straße verschoben.
Das Haus war phänomenal und wie für uns geschaffen. Der Parlor Floor, so wird die erste Wohnetage oftmals genannt, diente uns zu Wohnzwecken: Wohn- und Esszimmer und offener Küchenbereich mit Ausgang zur Terrasse und zum eigenen Garten. Der zweite Stock beherbergte den Masterbereich, also neben unserem Schlafzimmer ein begehbarer Kleiderschrank und das Masterbad, das so groß war, dass wir sogar eine kleine Sauna einbauen konnten. In der dritten Etage unseres Brownstones, das allerdings in Grautönen verputzt war, lagen Josts Arbeitszimmer, ein Abstell- und ein Hauswirtschaftsraum, aus dem man, mittels Leiter, auf das Flachdach gelangen konnte. Zum Garten hin gelegen befand sich ein geräumiges Gästezimmer mit eigenem Bad.
Im Garden Floor lag ein eigenständiges Appartement, das vermietet werden konnte, darunter gab es nur noch einen besseren Kriechkeller für die Heizung und sonstige Gerätschaften, die ein Haus so zum Überleben brauchte.
Dass ich das Appartement an Juan vermietet habe, war einem unserer Spieleabende zu verdanken. Nach seiner Trennung von Carmen fand er ja erst einmal Unterschlupf bei seiner Mutter, dort aber war an ein eigenständiges Leben, vor allem in sexueller Hinsicht, nicht zu denken. Gut, ich hätte die Wohnung ohne weiteres auch für 200 Dollar mehr an einen Anderen vermieten können, aber bei Juan wusste ich, wen ich mir das ins Haus holte und, vor allem, ich kannte sein Gehalt auf den Cent genau. Zwar verfügt er über einen eigenen Eingang, aber den Garten nutzen wir gemeinsam und, ehe ich an einen homophoben Mieter gerate, war mir diese Lösung dann doch lieber.
Die gemeinsamen Spieleabende, von denen schon die Rede war, waren eine Schöpfung von Jost, aus der Not heraus geboren. Um was es ging, kann man sich wahrscheinlich denken, aber da ich ja schon in Erinnerungen schwelge, kann ich die Geschichte ja auch noch erzählen. Ich hoffe, man verzeiht mir.
Nachdem dem herzergreifenden Abschied von seinen Eltern und seinem Bruder fuhren wir ja über die Firma zu uns und wollten erst einmal etwas Schlaf nachholen. Eine Mütze voll konnten wir auch nehmen, dann klingelte das Telefon. Eric war am anderen Ende der Leitung und teilte uns seine genaue Ankunftszeit für den folgenden Samstag mit, Jost hatte ihn ja zum Essen eingeladen. Wir waren auf alle Fälle wach und kuschelten bei einem Drink nackt, wie wir waren, auf dem Sofa, als plötzlich die Türglocke die Stille des Abends störte.
Jost blickte mich mit fragenden Augen an. „Erwartest du noch Besuch?“
„Nicht dass ich wüsste.“ Ich zuckte mit den Schultern. „Ian kommt erst Morgen zum Essen, also …“
„Dann geh mal nachschauen, wer da unten steht und Einlass begehrt.“ Er stupste mich in die Seite, als ich mich erhob, um in den Flur zu gehen. „Aber wenn es die Zeugen Jehovas sind, die können sich einen Besuch sparen!“
Ich musste grinsen. „Auch wenn der Wachturm hier ganz in meiner Nähe gedruckt wird, besucht haben die mich noch nie!“ Ich drückte den Knopf der Sprechanlage. „Hello?“
„Gordon? It’s me!“ Der busfahrende Latino stand vor der Tür. „Es ist Juan!“
„Oups, den haben wir ja ganz vergessen.“ Jost stand grinsend in der Tür. „Aber lass ihn erst mal rein.“
„Und was sollen wir machen?“ Ich hatte Fragezeichen in meinen Augen.
„Er will reden, also reden wir! Aber wir sollten uns etwas überziehen, denn ansonsten …“ Er lachte leicht diabolisch. „… könnte man meinen, wir hätten mit ihm eine Orgie geplant.“
„Die du ja immer schon haben wolltest.“ Ich grinste, als ich den Türöffner drückte.
„Was du immer hast!“ Er kniff mir in die Seite, als er an mir vorbei ins Schlafzimmer ging. „Auf die roten Jocks verzichten wir aber wohl besser. Wo liegen eigentlich deine Shirts?“
„In der Kommode, wo sie hingehören.“ Ich lachte, während ich nach der Unterkleidung suchte und mir zwei Boxer griff. „Ich habe aber nur einen Bademantel, … also müssen wir in die Jeans steigen.“
„Wieso?“ Was sollte das freche Grinsen auf seinem Gesicht? „Etwas Erotik darf schon sein.“
„Ganz wie du möchtest, du kleines Teppichluder.“ Seinen Schmollmund ignorierte ich geflissentlich, als er an mir vorbeihuschte. Männer! Ich ging mir noch einmal durch die Haare und konnte gerade noch den Bademantel überwerfen, als es an der Tür rappelte. „Moment!“
Der Latino fiel mir förmlich um den Hals. „Endlich!“
„Juan, so stürmisch?“ Ich grinste ihn an. „Zieh dich erst mal aus, äh … leg einfach ab.“
Als er sich aus seiner Jacke pellte, musste er grinsen. „Hast du was vor mit mir? Oder empfängst du jetzt immer im Bademantel?“
„Nein, nach der Tour geschlafen, … na ja, es jedenfalls versucht.“ Was auch der Wahrheit entsprach.
Auf Socken folgte er mir nach. „Waren die Leute so anstrengend?“
„Ging so, war schon mal schlimmer!“ Warum machte ich diese Ausflüchte?
„Ah, wir haben Besuch!“ Jost ging auf den Latino zu und begrüßte ihn auf die europäische Art.
Juan hatte Fragezeichen in den Augen. „Äh, wer ist das denn?“
„Darf ich vorstellen? Jost, das ist Juan Alvarez, ein Freund von mir und Busfahrer von Beruf.“ Ich machte eine Handbewegung in die andere Richtung. „Juan, das ist Jost Jacobsen, mein Freund!“
„Dein was?“ Den Latino fiel die Kinnlade runter.
„Freund, Partner, Geliebter!“ Jost grinste die 182 Zentimeter in der Tür an. „Nenne es, wie du willst.“
„Wie das? Seit wann?“ Er schüttelte sich. „Das … das darf es nicht geben!“
„Nun setz dich erst einmal!“ Ich mag keine langen Gespräche im Stehen. „Was zu trinken?“
Der Latino brabbelte etwas, was ich als Ja deutete. „Schatz, was möchtest du haben?“
„Whiskey!“ Er rieb sich die Nase. „Ich glaube, der Gute könnte jetzt was Starkes gebrauchen.“
„Kommt sofort.“ Wie gut, dass ich, im Gegensatz zum Kühlschrank, immer eine volle Bar habe.
Jost legte seine Hand vertrauensvoll auf Juans Knie. „So und nun mal raus mit der Sprache: Was wolltest du Gordon denn sagen? Mein Gatte hat mir ja so einiges erzählt, was …“
Der Latino blickte mich perplex an, als ich ihm sein Glas reichte. „Du hast was?“
„Ihm von uns erzählt.“ Ich zuckte mit den Schultern. „Ich hab keine Geheimnisse vor ihm.“
„Dann … dann weiß er, dass ich …“ Er suchte wohl nach Worten. „… mit dir … und …“
Ich nickte. „Yepp, ist doch kein Staatsgeheimnis, dass ich für dich die Beine breitgemacht habe.“
„Aber das hat sich ja wohl erledigt!“ Er wirkte konsterniert. „Du hast ja jetzt deinen Spielkameraden.“
Jost lachte. „Wer sagt denn, dass wir immer nur zu zweit spielen?“
„Äh, ihr seid doch ein Paar.“ Die Verwunderung lag nicht nur bei Juan.
„Stimmt, aber zum Skat braucht man drei Mann.“ Mein Schatz grinste. „Denn ewig Schach spielen …“
„… ist auf die Dauer langweilig.“ Ich griente in mich hinein, darauf wollte mein Engel also hinaus.
„Scat?“ Juan blickte irritiert. „Das kann man auch mit zwei Leuten spielen.“
Diesmal schaute Jost verdutzt aus der Wäsche. „Äh?“
„Schatz, das Beispiel war jetzt nicht ganz so gut.“ Ich überlegte kurz. „Du kennst wahrscheinlich 31, Knack oder Schwimmen?“ Er nickte stumm. „Nun, das Kartenspiel kennt man hier unter Blitz, Clinker, Cadillac, Skat oder eben auch Scat. Skat, wie du ihn kennst, ist mehr oder minder immer noch ein Auswandererspiel, obwohl es seit 1898 eine nordamerikanische Skatliga gibt.“
„Aha!“ Er rieb sich wieder die Nase. „Dann nehmen wir halt Bowling als Beispiel, das kann man ja alleine, zu zweit oder in einer Mannschaft spielen. Besser?“
Ich nickte, Juan blickte ihn immer noch irritiert an. „Und was willst du mir jetzt damit sagen?“
Der angehende Student holte tief Luft. „Die Frage ist, ob du mit deiner bisherigen Einstellung zum Thema Sex auch in unser Team passt, … unser Spielgefährte sein kannst. Wie mir Gordon erzählt hat, bist du eher der Macho im Bett, der sich gerne bedienen lässt.“
„Ich liege nicht da wie ein Brett, wenn du das meinst!“ Wieso klang das verlegen?
„Das wäre ja auch noch schöner!“ Er grinste den Busfahrer frech an. „Aber bei uns gibt es keine feste Rollenverteilung, wer unten liegt und wer oben, … und vor allem: Küssen ist Pflicht!“
„Soll das heißen, das wir drei …“ Warum sprach er nicht weiter?
„Spaß im Bett haben können?“ Ein Lächeln umspielte meine Lippen. „Gaynau das wollte Jost damit wohl andeuten, denn mehr ist leider nicht drinnen; ich bin vergeben.“
Juan schaute tief in sein Glas. „Da komme ich, um dir zu sagen, dass ich endgültig der Damenwelt abgeschworen habe und … und … dann erfahre ich, du hast einen Lover.“
Ich ging an das Barfach und kam mit der Flasche zurück. „Tja, sogar mit väterlichem Segen!“
Der Busfahrer schüttelte ungläubig den Kopf. „Wie? Dein Vater ist mit Jost und deiner Lebensweise jetzt einverstanden? Du hast doch immer gesagt, er hätte so seine Probleme damit.“
„Jetzt anscheinend nicht mehr! Schließlich war es die Idee unserer Väter, dass wir uns kennen lernen sollten.“ Jost grinste über beide Backen. „Das jetzt mehr daraus geworden ist? Tja, … damit müssen sie jetzt leben!“
„Bitte was?“ Juan hatte immer noch Fragezeichen in den Augen. „Ihr nehmt mich jetzt auf den Arm, oder?“
Mein Schatz winkte ab. „Nein! Wir sind sogar miteinander verwandt, … wir haben die gleiche Tante.“
„Ihr wollt mich wohl veräppeln!“ Juan hätte ohne Probleme den Apostel Thomas in Oberammergau spielen können. „Dann kanntet ihr euch schon von früher, da ihr ja eine Familie seid.“
„Juan, to be honest, wir kannten uns vor der Tour ehrlich nicht!“ Ich schenkte nach. „Die Schwester von Josts Vater hat den Bruder meines Vaters geheiratet, in Deutschland. Und …“
Die nächste halbe Stunde verbrachten wir mit der Entwirrung der verwandtschaftlichen Fäden und der Geschichte unseres Zusammentreffens. Dann begann Juan von sich aus, seine Geschichte – nicht nur die der letzten drei Wochen – zu erzählen. Er, der Sohn aus streng katholischem Hause, war eigentlich schon immer dem eigenen Geschlecht näher gewesen als der holden Weiblichkeit, wollte sich das aber selbst nie eingestehen. Als er vor vier Jahren dann seine Carmen kennen lernte, hatte er gehofft, die Tochter nicaraguanischer Einwanderer würde ihn endgültig auf den tugendhaften Pfad der heiligen Mutter Kirche zurückbringen. Seine Familie, besonders seine Großmutter, war mehr als begeistert von der Wahl seiner Zukünftigen.
Zu Beginn hatte es ja noch gut geklappt, dann aber wurden die geheimen Begierden wieder größer. Anfangs lebte er sie nur aus, wenn er als Fahrer unterwegs war, in heimatlichen Gefilden war es ihm zu gefährlich: Er hatte Angst, erkannt und enttarnt zu werden, und vor allem, hier im Big Apple hatte er Carmen, bei der er sich seine Männlichkeit beweisen konnte. Allerdings wurden diese Beweise in der letzten Zeit immer bedeutungsloser, denn seine Holde – ganz Frau – übernahm langsam aber sicher das Ruder in der Beziehung.
Wohl auch aus Rücksicht auf ihre eigene Familie wollte sie dem wilden Zusammenleben endlich ein Ende bereiten und arbeitete, still und heimlich, auf den Tag der Tage hin: Sie wollte endlich vor den Altar geschleift werden. Aber diese Rechnung hatte sie dann doch ohne den Busfahrer gemacht, der mit dem Status quo im Allgemeinen eigentlich mehr als zufrieden war. Eine Woche vor unserem Aufbruch nach Chicago, die Tour wird in beiden Richtungen befahren und auf der Rückfahrt hatte ich ja die Laufenbergs kennen gelernt, spielte sie eine griechische Komödie nach. Um ihr Ziel zu erreichen und Juan endlich in die Kirche zu kriegen, trat sie, wie einst Lysistrata, in den Liebesstreik; daher rührte auch wohl sein komisches Benehmen am Wochenende vor Gregs Ausrutscher mit Pat, seiner Beinahe-Cousine.
Es ging auf 10:00 pm zu und leichter Hunger kam auf, nicht nur bei mir. Dank meiner Mutter war der Kühlschrank zwar voll und auch andere Vorräte hatten ihren Weg in meiner Schränke gefunden, aber Lust zu kochen hatte ich nicht. Daher schlug ich vor, im Grimaldis Pizza oder Nudeln zu bestellen.
Jost zeigte mir nur einen Vogel. „Spaghetti haben wir da und eine Soße kriege ich gerade noch hin.“
„Du kannst kochen?“ Juan schaute meinen Schatz fragend an.
„Yepp, ich bin zwar kein Sternekoch wie Tim Mälzer, aber …“ Er lachte den Latino an. „… für den Hausgebrauch reicht es allemal, hab‘s ja auch von meiner Mutter gelernt. Ich bitte, mir in die Küche zu folgen, denn ich stehe nicht gerne alleine am Herd.“
Wir verlagerten uns also und Juan durfte erst einmal Zwiebeln schneiden. Ich wusste ja, dass man Nudeln in Salzwasser mit einem Schuss Öl kocht, aber warum man noch zwei Brühwürfel in das heiße Wasser gibt, entzog sich meiner Kenntnis. Jost meinte, es würde einen besseren Geschmack geben und ich musste zugeben, er hatte Recht. Dazu gab es eine Soße aus Zwiebeln, klein geschnittenen Hotdog Würstchen, Pilzen und Tomatenmark verlängert mit Ketchup.
Als wir beim abendlichen Mahl wieder im Esszimmer saßen und es uns schmecken ließen, sprachen wir über alles Mögliche. Als der Topf mit den Nudeln fast leer war, druckste der ansonsten redselige Latino plötzlich herum. „Wie habt … ihr das vorhin gemeint? Ich meine, … mit dem Spielgefährten?“
Ich ließ mein Besteck sinken und blickte Juan direkt an. „Ganz einfach! Jost möchte gerne mal mit mehreren … spielen. Ich weiß zwar nicht, ob das auch was für mich ist, ich … müsste es einmal ausprobieren, … aber … es ist sein Wunsch und den … den würde ich ihm gerne erfüllen.“
Ob man es mir glaubt oder nicht, aber einen gewollten Dreier hatte ich noch nicht in meinem Leben. Gut, es gab einige Spielereien in der Sauna, wo man mit mehr als einem anderen Mann beschäftigt war, aber aktiv einen Dritten im Bunde hatte ich noch nie gesucht. Es wäre also eine neue Erfahrung für mich, aber es galt, einen vernünftigen Dritten zu finden, der zwar mitspielt, sich aber nicht in die eigentliche Beziehung einmischt.
„Jost und ich, … wir … wir sind beide flexibel und das sollte der Dritte im Bunde auch sein, denn eine klare Rollenverteilung? …“ Ich schüttelte den Kopf. „Mal bin ich der aktive Stecher, mal bin ich der passive Genießer. Wer was macht? … Es wird kein Drehbuch geben, von daher …“
„Es mag zwar möglich sein, dass der dritte Mann er erst mich und dann Gordon beglückt, aber das ist nur eine Variante.“ Jost strich sich durch sein Haar. „Genauso gut kann es aber sein, das er zweimal hinhalten muss oder einmal nimmt und dann gibt oder umgekehrt.“
„Aha! Und sonst?“ Der Latino bekam leicht glänzende Augen. „Gibt es Auswahlkriterien?“
Jost lachte. „Er muss gut küssen können!“
Der Busfahrer wirkte leicht konfus. „Wieso das? Küssen ist … unmännlich.“
„Wer sagt denn so was? Jost schaute leicht geschockt. „Sind Blasen und Rimmen denn männlicher? Wenn du mir den Schwanz lutscht oder mich am Loch leckst, um mich dann ficken zu können, … wieso sollte dann deine Zunge nicht auch meine Lippen berühren?“
„Äh, na ja … stimmt eigentlich auch wieder.“ Juan zuckte unschlüssig mit den Schultern. „Bei Frauen habe ich damit keine Probleme.“
„Anatomisch gibt es auch keinen Unterschied.“ Jost grinste ihn frech an. „Sollen wir dir es zeigen?“
Ich musste grinsen, der sonst so starke Latino wurde verlegen wie ein Schuljunge, er rutschte auf seinem Platz herum. Ich erhob mich und, als ich vor meinem Schatz stand und ihn zu mir hochgezogen hatte, vereinigten sich unsere Lippen. Der Bademantel glitt langsam auf den Boden, als nächstes folgten unsere Shirts und ich versank einfach nur in den smaragdgrünen Augen meines Liebsten.
Erst als Klein-Gordon freigelegt wurde, wurde ich daran erinnert, dass wir noch Besuch hatten, denn Josts Linke streichelte meinen Nacken und die Finger seiner rechten Hand spielten mit meinem Nippel. Da ich es auch nicht war, der meinen Kronjuwelen frische Luft gönnte, konnte es nur einer gewesen sein, der das gemacht hatte. Ich blickte nach unten und sah nur schwarze Haare. Der Busfahrer hantierte gleichzeitig mit beiden Schaltknüppeln.
Jost ließ kurz von mir ab, trat einen Schritt zurück. „Juan, aufstehen! Bevor du unten überhaupt anfängst, musst du dich erst mal oben beweisen.“
„Äh, wieso?“ Er schien nicht besonders erfreut zu sein.
„Wenn du mitspielen willst, dann …“ Jost konnte hart sein. „… nur zu unsren Bedingungen!“
Ich griff unter seine Achsel und zog ihn hoch. Etwas verdattert stand er ja da, aber als mein Schatz den Kopf des Busfahrers in seine Hände nahm und ihn zu sich heranzog, öffnete dieser dann doch die Lippen. Ein Kuss zu dritt ist nur relativ schwer möglich, von daher entschied ich mich, die Zeit nicht ungenutzt zu lassen. Bevor ich auf die Knie ging, entledigte ich mich meiner Shorts. Die Boxer von Jost, die unter seinem Sack eingeklemmt war, kam ebenfalls auf dem Boden zu liegen. Ich konnte mich jetzt also ungestört an der Hose des Busfahrers zu schaffen machen.
Ein leicht herber Geruch schlug mir entgegen, als ich den Bund seiner Jeans geöffnet hatte und sie ihm auf die Knöchel schob. Eigentlich wollte ich ja mein Gesicht in seinem Schritt verbergen, ließ dann aber doch von dem Plan ab; flamingofarbene Tangas sollte man wirklich verbieten! Ich fühlte, das Fleisch unter den Stoff war mehr als hart. Erst massierte ich seinen schweren Beutel; durch die Stoffknappheit war es die logische Konsequenz, dass der größte Teil des dunkelbraunen Behältnisses plötzlich im Freien lag. Ich ließ meine Hände unter das schmale Bündchen gleiten, um es, wie in Zeitlupe, nach unten zu ziehen und so die Kronjuwelen endgültig frei zu legen.
Ich dirigierte meinen Kopf in diese Richtung, hatte schon die Zunge ausgefahren und wollte mir Juans Kuppe schon einverleiben, als ich plötzlich stoppte. Irgendetwas stimmte nicht! Ich schaute mir den Schwanz, der mich schon etliche Male beglückt hatte, noch einmal genauer an und warf dann einen kurzen Blick in das hässliche Stück Kleidung, dass sich da Unterhose nannte. Ich konnte nur noch mit dem Kopf schütteln.
Mühsam erhob ich mich und tippte dem Latino auf die Schulter. Es war mir mehr als egal, dass ich dadurch das mittlerweile intensive Zungenspiel der beiden unterbrechen würde, aber das war mir egal! „Sag mal, wie sie lange hast du nicht mehr geduscht?“
„Äh? Was?“ Er verdrehte nur die Augen. „Gestern in der Frühe!“
„Herr Alvarez!“ Ich blickte ihn scharf an. „Lass mich raten: Ihr habt am Donnerstagabend die Gäste in Washington nur zum Flughafen gebracht und dann, anstatt im Hotel zu nächtigen, habt ihr euch von denen auszahlen lassen, um so das Trinkgeld aufzubessern und habt dann im Bus gepennt!“
„Macht doch jeder!“ Er wirkte irgendwie verlegen. „Ist doch nicht schlimm, oder?“
„Erstens, mein Lieber, ist das Betrug an deinem Arbeitgeber und zweitens …“ Ich schnaubte. „… fällt dadurch die Spielrunde heute aus! Es mag ja Leute geben, die Nillenkäse abgöttisch lieben, aber zu denen zählen Jost und ich leider nicht! Damit kannst du im Park oder in einigen Szeneläden ficken, … aber nicht hier! Wenn du mit uns spielen willst, hast du sauber zu sein: Vorne und Hinten!“
„Was …“ Er blickte mich konsterniert an. „… was heißt das jetzt?“
„Küssen kannst du ja mittlerweile, also kauf dir noch eine Analdusche und wir spielen am Sonntag weiter.“ Ich blickte ihn, immer noch zornig, an. „Und neben dem Duschaufsatz besorg dir gleich noch nen Plug zum üben, denn am Sonntag hat dein Arsch Himmelfahrt, dass kann ich dir versprechen!“
„Äh, … gut, … aber wo krieg ich das Zeug jetzt her?“ Er wirkte verunsichert.
„In jedem Sexshop, denn …“ Jost grinste. „… ich glaube nicht, das Wal-Mart so etwas führt.“
„Ich soll in einen Sexshop?“ Warum wurde er bleich? „Wenn mich jemand erkennt?“
Ich fasste mich an den Kopf. „Du kannst es dir auch über das Internet bestellen, nur … dann könnte es passieren, dass deine Mutter das Paket annimmt.“
Panik lag in seinen Augen. „Ne, dann gehe ich halt … in den Spielzeugladen für Erwachsene!“
Ich schaute auf die Uhr. „Der in der 37.ten West hat bis Mitternacht auf, wenn du dich beeilst …“
„Alles klar, dann bis Sonntagabend!“ Hastig zog er sich die Hose hoch. „Sagen wir um acht?“
„Einverstanden.“ Ich küsste ihn, direkt auf den Mund. „Und Juan, … bitte keine Tangas mehr!“
Ich köpfte gerade mein Frühstücksei, als Juan froh gelaunt über die Terrasse zu uns an den Tisch kam und sich neben Jost setzte. „Guten Morgen, zweiter Vermieter!“
„Wünsche ich dir auch!“ Mein Schatz blickte den Latino an. „Krieg ich keinen Kuss mehr?“
„Wo bleibt nur meine gute Kinderstube?“ Die Lippen der Beiden vereinigten sich kurz, dann sprang der Busfahrer auf und zog sich die Bermudas, die er jetzt trug, samt der darunter befindlichen Boxer auf die Oberschenkel. „Etwas Sahne in deinen Kaffee?“
Jost lachte ihn an. „Du spritzt zwar viel, aber soviel, dass es für einen Milchkaffee reichen würde, …“
„Haha! Mach mich nur fertig!“ Wieso klang er jetzt weinerlich? „Ich trenne mich von Carlos und …“
„… und das war auch notwendig.“ Ich nahm einen Schluck Kaffee. „Juan würde bald gerne mal wieder einen Spieleabend veranstalten!“
„Darum geht es also!“ Ein Lächeln umspielte seine Lippen. „Den kann er gerne haben, aber Alan, ein Kommilitone von mir, würde gerne auch mal …“
Ich zuckte mit den Schultern. „Dann machen wir es mal wieder zu viert! Schatz, gibst du mir bitte mal die Butter?“ Ich hielt kurz inne. „Ist dieser Alan eigentlich in der LIGA?“
Jost schüttelte den Kopf. „Nein, noch nicht! Aber er ist der Neffe von Brewster, von daher …“
„Na dann …“ Ich bestrich meinen Toast. „… dürfte ja alles klar sein!“
Wir hatten gerade die Tür zu unserer Etage aufgeschlossen, als uns meine Großmutter über den Weg lief. Noch während sie Jost knuddelte, blickte sie mich verzweifelt an. „Schatz, hast du ein großes Fass Verstand mitgebracht?“
„Wieso sollte ich?“ Ich schüttelte den Kopf. „Ist etwa Ethan hier?“
„Um Gottes Willen!“ Sie winkte das Heftigste ab. „Der kommt mir nicht mehr ins Haus, aber …“
Ich zog die Augenbrauen hoch und blickte sie fragend an. „Aber was?“
„Diesmal ist es dein Vater, der ihn gebrauchen kann! Richard will sich eine … eine Eisenbahn kaufen.“ Sie atmete schwer aus. „Rede meinem Schwiegersohn das bitte aus, mein Engel!“
„Eisenbahn?“ Ich zuckte mit den Schultern, warum sollte sich mein Alter Herr kein Hobby zulegen? „Was ist denn so schlimm daran? Platz ist doch genug hier in der Hütte!“
„Gordon! Ich rede von keiner Modelleisenbahn, das wäre ja noch in Ordnung!“ Sie schnaufte. „Dein Vater trägt sich tatsächlich mit dem Gedanken, ein Railroadtycoon zu werden?“
„Ein Was?“ Ich fasste mir an den Kopf.
„Dein Vater will Amtrak Konkurrenz machen.“ Hilfe suchend blickte sie mich an. „Er bekam gestern Abend einen Anruf und seitdem sprich er von nichts anderem mehr. Kannst du ihm das ausreden?“
„Granny, ich weiß erstens nicht, um was es geht, und …“ Ich blickte sie an. „… und zweitens, was er mit seinem Plan bezwecken will, von daher …“
„Du bist genau wie dein Großvater!“ Sie schaute grimmig. „Walter hielt sich auch immer raus.“
„Granny Rita, ich muss jetzt meinen Schatz in Schutz nehmen.“ Jost, der von meiner Oma schon vor Monaten adoptiert worden war, blickte sie mitfühlend an. „Es gibt einen journalistischen Grundsatz: Sämtliche Fakten müssen bekannt sein! Aber leider kennen wir nicht alle Tatsachen, von daher …“
„Haltet ihr Männer mal zusammen!“ Warum wirkte sie so böse? „Mein Walter und mein Bruder haben mich damals bei den Reisebüros auch vor vollendete Tatsachen gestellt.“
„Weißt du, um was es eigentlich geht?“ Jost schaute mich fragend an.
Ich zuckte mit den Schultern. „Lass uns mal ins Wohnzimmer, denn hier im Flur erfahren wir es nie.“
Beim Bild im Wohnzimmer fehlten die Damen, die anwesenden Herren, Dad und Eric, standen an der Bar und unterhielten sich. „Hallo Eric! Dad! Kann mir einer mal den Grund des Gewitters erklären?“
Dad grinste uns an und schenkte erst mal zwei Gläser Cognac ein. „Jost, was macht die Uni?“
„Dad!“ Ich erhob meine Stimme. „Nicht ablenken!“
„Junior, ich weiß auch nicht, was die Frauen schon wieder haben.“ Warum druckste er herum?
„Oma meinte irgendetwas von Amtrak …“ Ich nahm dankbar lächelnd das mir angebotene Glas. „Danke … auch für die Erklärung, die gleich folgen wird, denn drei Wochen vor der Hochzeit soll es ja keinen Mord im Hause Lensing geben, oder?“
Eric grinste in sein Glas. „Die Eisenbahn ist eigentlich für Greg.“
„Bitte?“ Mein Schatz hätte fast seinen Drink verschüttet.
Anstatt eines Pfeils hatte Amor ja in Form eines Faustschlages bei Melissa und Greg zugeschlagen. Noch während seines Krankenhausaufenthalts wurde aus den beiden Turteltauben ein Paar, aus dem faustschwingenden Exfreund später ein verurteilter Sträfling. Das Erste, was mein Bruder machte, als er nach überstandenem Kiefernbruch sich wieder einigermaßen verständlich artikulieren konnte, war ein herzergreifender Heiratsantrag, den die holde Angebetete auch annahm. Der Familie wurde das freudige Ereignis an Thanksgiving verkündet. Die Trauung sollte aber bei besserem Wetter, sprich zu Ostern, stattfinden.
Um seinem Sprössling ein gesichertes Einkommen zu ermöglichen, kam Dad auf die Idee, in ein neues Geschäftsfeld zu investieren: Rundreisen mit dem Zug. Hierfür sollte nun der ehemalige American Orient Express die Grundlage bilden. Allerdings war es in der Branche auch kein großes Geheimnis, dass der legendäre Zug in irgendwelchen Hallen vor sich hin rostete, da auch der dritte Eigentümer in einer Dekade, die GandLuxe Railways Journey LLC, vor zwei Jahren Konkurs angemeldet hatte.
Glaubte man diversen Branchengerüchten, so soll sich der Milliardär Philip Anschutz über seine Firma Xanterra des Palastes der Schiene angenommen haben. Anschutz, besser bekannt durch Arenen und Theater, Sportklubs und Kasinos, lebt in Colorado und ist konservativer Republikaner. Dem Mann, der sein letztes Interview 1974 gab, wird viel nachgesagt, unter anderem leichte Homophobie. Xanterra, Käufer des Zugs, betreibt neben Eisenbahnen auch die Hotellerie in etlichen Nationalparks.
Ich blickte meinen Vater an. „Dad, die Idee ist … Bullshit!“
„Richard, hab ich es dir nicht gleich gesagt? Hallo Kinder!“ Mama war um die Ecke gekommen und knuddelte erst einmal Jost, ehe sie sich mir zuwandte. „Ich bin froh, dass du meiner Meinung bist!“
Ich stellte das Glas ab. „Mum, das habe ich nicht gesagt!“
„Wie meinst du das denn jetzt?“ Erstaunt blickte sie mich an. „Du hast doch gesagt, die Idee ist Mist.“
„Mum, ich habe nicht gesagt, dass es nicht funktionieren könnte, …“ Ich atmete tief durch. „… ich halte nur die Idee, Greg mit dem Posten des Eisenbahndirektors zu betrauen, für falsch.“
„Wieso das denn?“ Mein Vater schenkte uns allen nach.
Ich schaute meinen Produzenten an. „Als Luke und Christopher geheiratet haben, hast du ihnen die Leitung der Niederlassungen in Boston und Miami übergeben. Sie sollten sich weiterentwickeln, ihre eigenen Erfahrungen machen, konnten sich im Geschäftlichen aber immer auf dich verlassen.“
„Das stimmt, wir waren immer im Hintergrund, denn …“ Mama war von der schnellen Truppe. „… im Busgeschäft macht deinem Vater keiner so schnell etwas vor.“
Ich nickte. „Es geht zwar auch um Rundreisen, aber diesmal mit Eisenbahnen. Wen soll Greg denn in diesem risikoreichen Geschäft um Rat fragen, falls es zu Problemen kommt? Den Verkehrsminister?“
„Wo ist denn das Risiko?“ Mein Dad zog fragend die Augenbrauen hoch. „Du hast doch gerade zu uns allen gesagt, es kann funktionieren.“
Ich hasse es, mit den eigenen Waffen geschlagen zu werden. „Dad, es ist ein Unterschied, ob es klappen kann oder es klappen könnte. Man müsste erst einmal die Waggons einer genauen Prüfung unterziehen und dann eine vernünftige Kosten-Nutzen-Analyse machen. Allein die Parkgebühren des Zuges dürften bei knapp 30.000 im Monat liegen, vorsichtig geschätzt.“
„Äh?“ Wieso wurde Dad verlegen? „Parkgebühren? Für einen Zug?“
„Dad, wenn die Dinger nicht fahren, müssen sie irgendwo stehen.“ Ich trank einen Schluck. „Da wir aber auf dem Firmengelände weder Gleise haben und dort auch keinen Gleisanschluss legen können, müssen wir ergo Abstellfläche mieten. Eisenbahnfreunde zahlen bis zu 1.500 Dollar pro Waggon und der Orientexpress bestand aus über 30 Wagen. Dazu kommen dann Instandsetzung, Wartung, …“
„Schon gut!“ Er winkte ab. „Und was sollen wir machen? Ich meine, mit Greg …“
„Los Angeles ausbauen!“ Ich grinste, denn Paps mochte Kalifornien nicht besonders.
„Die Idee klingt schon erheblich besser!“ Mama strahlte plötzlich. „Zwar wäre er dann weiter weg als Christopher, aber immer noch direkt in die Firma eingebunden.“
„Und die Idee mit den Rundreisen per Bahn legen wir zu den Akten?“ Dad klang niedergeschlagen.
„Sagen wir es mal so, wenn wir ein Gelände mit Gleisanschluss hätten und der Preis für das fahrende Material stimmt, könnte es bei einem vernünftigen Konzept eventuell klappen, eine schwarze Null zu schreiben.“ Ich blickte meinen Vater an. „Man müsste es einmal durchrechnen.“
„Dann mach das diese Woche noch mit Ian!“ Ein kleines Lächeln legte sich auf seine Lippen, als er zu Eric blickte. „Ach, da wir gerade bei ihm sind: Wo steckt dein Freund eigentlich?“
Unsere Kuppelei war schlussendlich doch von Erfolg gekrönt. Allerdings funkte es nicht beim ersten Mal, als sie beim abendlichen Essen bei uns zusammentrafen. Die beiden brauchten insgesamt drei oder vier Anläufe, ehe das zusammenfand, was zusammengehört.
„Er ist bei Debbie, …“ Eine leichte Trauer lag in seiner Stimme. „… sein Beinahe-Schwiegervater ist gestern beigesetzt worden, … er starb an Krebs.“
„Und was macht die Renovierung?“ Jost schafft es immer wieder, gut das Thema zu wechseln.
Eric hob die Hände. „Hör auf! Die Lampen für das Wohnzimmer sind Freitag geliefert worden, aber ich kriege Höhenangst, wenn ich nur auf eine Leiter steige, … ich muss auf die Handwerker warten!“
„Das können wir gleich machen!“ Jost grinste ihn an. „Ich liebe Spannung!“
„Was kann der Kleine eigentlich nicht?“ Mama wunderte sich wieder einmal über das handwerkliche Geschick meines Liebsten, hatte er bei uns doch das Tapezieren im gesamten Haus übernommen.
„Das weiß ich nicht, aber Maria sagt, das Essen ist fertig.“ Granny kam mit der frohen Botschaft.
Das Gespräch bei Sauerbraten mit Knödeln und Rotkohl drehte sich, wie könnte es auch anders sein, um Dads Pläne mit dem möglichen Kauf der Eisenbahn. Er schien richtig verbohrt in diese Idee zu sein und Mama heute ihren nachgiebigen Tag zu haben, erlaubte sie doch noch vor dem Dessert eine genauere Prüfung der Angelegenheit.
„Dann buche ich gleich für dich und Ian eine Inspektionstour nach Denver, so am Mittwoch oder Donnerstag?“ Mein Vater grinste. „Für einen ersten Eindruck, nur um einen Überblick zu gewinnen, müssten doch 48 Stunden reichen, oder Junior?“
„Wäre das eigentlich kein gutes Thema für deine Seminararbeit im Fach Wirtschaft?“ Mum blickte Jost milde lächelnd an. „So Firmengründung von Anfang an?“ Mein Schatz hatte den Wink mit dem Jägerzaun sehr wohl verstanden und nickte nur. „Wenn du frei kriegst an der Uni, dann …“ Mama setzte ein süffisantes Lächeln auf. „… kannst ja du mitfliegen, dann wäre Gordon auch nicht alleine.“
„Also, dann fliege ich aber auch mit!“ Eric tupfte sich den Mund ab. „Schließlich sollte ja auch ein Kapitalanleger anwesend sein, … nur für den Fall, dass es zu Vorverhandlungen kommt.“ Seit der kompletten Fusion der Reisebüros mit dem Busunternehmen hielt er ja einen beachtlichen Anteil an der gesamten Firma.
„Ach, wenn ich an Denver denke, …“ Granny legte ihre Serviette zur Seite. „… dann fällt mir unser 20.ster Hochzeitstag ein. Walter hatte für uns ein kleines intimes Wochenende arrangiert, ein Art Deco Zimmer im Hotel Oxford, nur für uns, extra Champagner auf dem Zimmer.“
„War das nicht euer erster Erste Klasse Flug.“ Mama grinste über beide Backen.
„Gladys, Schatz!“ Mein Produzent wirkte genervt. „Denk doch auch mal an die Kosten! Wir sollten das Ganze … in Grenzen halten.“
„Richard, Darling!“ Bei dieser Wortwahl wurde es gefährlich. „Bis auf den Besuch bei deiner Schwägerin hat Gordon im letzten Jahr ja keinen Urlaub gemacht, denn du hast ja das Kennenlernen der Beiden eingefädelt und dadurch andere Pläne torpediert. Ehe es in den nächsten Wochen hier wieder turbulent wird, sollten wir unseren Turteltäubchen etwas … Freiraum gönnen. Ich würde sagen, du buchst für die Vier das gesamte Wochenende, Hinflug Freitag, Sonntag dann zurück.“
„Samstags wird doch da nicht gearbeitet.“ Mein alter Herr war doch noch fähig, zu kontern.
Mama grinste ihren Mann an. „Richard, Darling! Wenn der freitags seinen Schrott loswerden will, wird er es auch am Samstag einrichten können. Meinst du nicht auch?“
Dad ruderte zurück. „Ich weiß nicht.“
„Dann fliegen sie halt Donnerstag, verhandeln am Freitag, haben den Samstag für sich, und …“ Die Vorsitzende des Küchenkabinetts, Granny, gluckste. „… kommen ausgeruht am Sonntag zurück.“
„Mum, du hast doch immer wieder die besten Einfälle!“ Die stellvertretende Vorsitzende besagten Gremiums, meine Mutter also, schob ihren Teller von sich. „Richard? Buchst du? Oder soll ich?“
Zu dritt fuhren wir in meinem alten Saturn zu unserer alten Wohnung nach Brooklyn mit Blick auf die gleichnamige Brücke, um dort die Lampen anzubringen. Handwerklich bin ich ja leider mit zwei linken Daumen ausgestattet, aber mich Jost an meiner Seite? Ich brauchte keinen Zimmermann mehr, denn er war meine Axt.
„Sag mal, lässt du immer deine Türen sperrangelweit offen?“ Ich blickte Eric fragend an und deutete auf die Baustellentür, welche die mittlerweile zusammengelegten Wohnungen eigentlich verschließen sollte.
„Eigentlich nicht!“ Er zuckte mit den Schultern. „Als ich gestern ging, war noch der Fliesenleger da, der wollte die Küche noch verfugen. Aber der wird Montag was zu hören kriegen. Lass uns rein!“
Beim Anblick der Deckenbeleuchtung musste auch mein Schatz grinsen: Kristalllüster sind halt nicht jedermanns Geschmack! Mit einem einfachen Schraubenzieher, oder nennt man ein solches Gerät Schraubendreher? Egal! Mit dem Leuchtkörper in der einen und dem Werkzeug in der anderen Hand, bestieg er die Leiter, die im Flur stand, dort sollte ja der Leuchter angebracht werden. Der erste Tritt war kein Problem, der Zweite auch nicht, als er aber die dritte Stufe der Leiter erklomm, zitterte mein Engel einen Augenblick. Als Jost seinen rechten Fuß auf die vierte Stufe setzte, kam er ins Straucheln. Angsterfüllt blickte ich ihn an und sah nur noch, wie er wild mit den Armen ruderte.
Ob er das Gleichgewicht verlor oder etwas anderes passiert war, ich kann es nicht mehr sagen, ich hörte es Scheppern und sah meinen Schatz, begraben unter diesen Monstrum von Beleuchtung. Eric verharrte in der gleichen Schockstarre wie ich, konnte sich jedoch eher aus dieser wieder befreien. Er schmiss dieses Etwas aus Chrom und Glas einfach beiseite und versuchte, meinem Engel aufzuhelfen.
„Jost! Sag etwas!“ Er schrie fast. „Soll ich den Notarzt rufen?“
„Was … was ist passiert?“ Der Mann mit den smaragdgrünen Augen schüttelte sich. „Bin ich etwa … von der Leiter gefallen?“
Ich bedeckte ihn mit Küssen. „Schatz! Du lebst! Gott sei Dank!“
Mein Engel rappelte sich auf. „Es ist nix passiert! Ich muss wohl eine Stufe übersehen haben, denn … ansonsten würde ich ja nicht hier auf dem Rücken legen.“
Immer noch voll Sorge, strich meinen Liebling über die Wange. „Ist doch wirklich nichts passiert?“
„Nein! Es geht mir gut!“ Er versuchte ein Lächeln. „Der Zusammenstoß mit dem Seehund damals in Springfield war erheblich schmerzlicher! Nun lasst mich erst mal auf die Beine kommen, dann sieht die Sache schon wieder komplett anders aus!“ Als er sich aufgerappelt hatte, blickte er uns an. „Sorry Eric, aber … so etwas ist mir noch nicht passiert! Ist die Lampe noch heil?“
Die Deutschen haben Sorgen! Eric lachte. „Das Ding hab ich in die Ecke gepfeffert, …“
„Vielleicht können wir sie noch retten.“ Jost humpelte in die Ecke, wo die Reste lagen.
Ich warf einen Blick auf die Leiter, die dritte und vierte Stufe waren glatt durchgebrochen. „Schatz! Dich trifft keine Schuld, die Leiter war morsch! Das wäre jedem passiert.“
„Äh?“ Er blickte mich fragend an. „Wie meinst du das denn jetzt?“
„So, wie ich es gesagt habe!“ Ich deutete auf das Corpus Delicti. „Schau selber!“
Er war zwar noch unsicher, aber er stand auf beiden Füßen. „Stimmt! Das Holz ist durch!“
„Die Leiter habe ich für die Renovierung erst neu gekauft!“ Eric wirkte leicht verwundert. „Scheint wohl, ich hätte besser eine nur aus Aluminium genommen als eine mit Holzstufen. Bist du wirklich in Ordnung? Soll ich nicht doch besser …“
Mein Gatte winkte lachend ab. „Was ihr Amis immer habt! Eine kalte Kompresse, etwas Ruhe und es passt! Eric, denk mal an meinen Sturz bei Gordons Geburtstagsparty? Hab ich da etwa gejammert?“
„Auf dem Boot hattest du Brewster als Prellbock!“ Ich versuchte ein Grinsen. „Hier hattest du nur den blanken Boden als Aufprallfläche, das ist ein kleiner Unterschied.“
„Mag ja sein!“ Er lachte wieder. „Aber erstens ich bin Sportler und kein Weichei und … außerdem will ich das Wochenende in Denver nicht verpassen!“
„Auch wieder wahr. Aber für heute ist Schluss.“ Eric stellte die Leiter beiseite.
„Und die anderen Lampen?“ Jost und seine handwerklichen Versprechen!
Eric blinzelte ihn an. „Die können warten, denn ich brauche erst einmal eine neue Leiter.“
Als wir die Tür zu unserem Reich aufgeschlossen hatten, ertönte aus dem Wohnzimmer die Stimme meiner Mutter. Ich erschrak, aber es war Gott sei Dank nur der Lautsprecher, der ihre Sopranstimme an unsere Ohren dringen ließ. Sie erkundigte sich nach dem Befinden meines Liebsten. Anscheinend hatte Eric schon Jost kleines Missgeschick den anderen mitgeteilt, den die Aktion Lampenmontage sollte je eigentlich erheblich länger dauern.
Lachend reichte ich meinem Engel den Hörer. „Hier! Ruf an und sage, es ist alles in Ordnung mit dir.“
„Es ist aber deine Mutter!“ Jost verdrehte die Augen. „Kannst du nicht mit ihr sprechen?“
„Schatz, wenn ich das machen würde, dann …“ Ich grinste ihn leicht hämisch grinsend an. „… dann hätten wir gleich das ganze Küchenkabinett hier im Wohnzimmer stehen. Aber wenn du willst …“
„Schon gut! Gib mir das verdammte Teil!“ Er grummelte, wählte dann aber doch.
Während er also telefonierte, ging ich nach oben in unser Badezimmer. Ich warf einen Blick in den Arzneischrank und kam ins Grübeln; brauchte mein Engel nun eine Schmerzsalbe oder doch besser ein Kühlgel? Den Eisbeutel hatte ich gefunden, aber wo war die Wärmflasche? Aber Massagen sollen ja auch gut sein? Fragen über Fragen und nie ist Doktor Bob da, wenn man ihn braucht!
Aber Halt! Was macht man, wenn man Schmerzen hat? Man geht zum Arzt! Da aber keiner im Hause war, musste ich improvisieren. Noch auf dem Weg zum Schlafzimmer entledigte ich mich all meiner Klamotten und griff mir den weißen Bademantel, der auf der Bank vor dem Bett lag. Allerdings schlüpfte ich falsch herum in das Frotteeteil, das nun als eine Art Operationskittel diente. Ein Basecap mit dem Schirm nach hinten vervollständigte das Dschungeldoktorenoutfit.
Eine Tube Gleitgel, ein Fieberthermometer, zwei elastische Binden und einige Salben stopfte ich hinten in die Taschen, ehe ich, fröhlich pfeifend, die Treppe zum Wohnbereich herunterschlenderte. Mein Göttergatte hatte es sich auf dem Sofa gemütlich gemacht und schaute in die Glotze, das Telefon lag auf dem Couchtisch. „AH! Da haben wir ja den Patienten.“ Ich tätschelte ihm die Wange. „Wo haben wir den Aua? Ein Sturz von einer Leiter ist sehr gefährlich, da kann viel passieren.“
Jost begann, herzhaft zu lachen. „Herr … Herr Doktor! Ich … ich bin … vollkommen gesund! Nur mein Freund, der … der hat einen Dachschaden von meinem Sturz.“
„Scheint ja doch schlimmer zu sein, als sich anfänglich dachte.“ Ich massierte mir mein Kinn. „Der Kopf scheint in Mitleidenschaft gezogen worden zu seinen; am besten: Sie machen sich einmal komplett frei, ich muss sie gründlich am ganzen Körper untersuchen.“
Mein Engel knöpfte sich die obersten Knöpfe seines Hemdes auf, um es dann, samt der darunter liegenden Shirts, auf den Boden zu werfen. „Zufrieden?“
Ich ging auf ihn zu, tastete seine Schultern ab und umschloss mit den Fingern meiner rechten Hand sein Handgelenk. Ich blickte auf meine Uhr und tat so, als ob ich seinen Puls messen würde. „Ich spüre ein leichtes Herzrasen.“ Meiner Hand wanderte auf seine Stirn. „Der Patient scheint erhöhte Temperatur zu haben, ich glaube, wir sollten mal Fieber messen.“
„Und wie willst du das machen?“ Breit grinsend blickte er mich an. „Ohne Krankenpfleger?“
„Ja ja, die Gesundheitsreform! Der Präsident laboriert immer noch daran herum.“ Ich schmunzelte in mich hinein. „Wir sind auf die Mithilfe der Patienten angewiesen. Bitte auch untenrum frei machen.“
Jost kriegte große Augen. „Zum Fiebermessern?“
Ich nickte. „Die Funktionalität aller Beine muss ja überprüft werden!“
„Hab ja nur zwei.“ Er öffnete seinen Gürtel. „Oder willst du auch an Klein-Jost Untersuchungen …“
„Natürlich!“ Ich versuchte, wenigstens etwas Ernsthaftigkeit zu bewahren. „Aufgrund des Aufpralls könnte es ja auch … zu einem Hodenbruch gekommen sein. Das wollen wir doch beide nicht, oder?“
Mein Schatz zog sich freiwillig die Hose aus. „Muss ich die Socken auch …“
„Naturalmente!“ Es lag ein Knistern in der Luft, eine gewisse Spannung. Ich liebe Sex, in allen Formen und Varianten, aber Spaß mit Socken an den Füßen? Ein absolutes No Go!
Nun lag er nackt, wie Gott ihn erschaffen, auf der Couch und blickte mich leicht lüstern an. „Bist du nun zufrieden?“
„Schon besser!“ Ich begann ganz professionell, sein linkes Bein Zentimeter für Zentimeter vorsichtig abzutasten. Geschwollen war nichts, Jost grinste leicht, als ich mit seiner Kniescheibe spielte. Die gleiche Prozedur ließ ich auch seiner rechten Extremität zuteilwerden, auch hier gab es die gleiche Reaktion. Ergo wandte ich mich wieder der Körpermitte zu und spreizte etwas seine Oberschenkel. Die Haut, die seine Sahneproduktionsstätten vor äußerlichen Umwelteinflüssen sicherte, war ziemlich zusammengezogen, aber je länger ich mit den beiden Bällen im Inneren spielte, desto schneller entspannte sie sich.
Auch das dritte Bein schien sich langsam wieder mit Leben zu füllen. Während die Finger meiner rechten Hand mit seinen Murmeln spielten, umschloss ich mit meiner Linken sanft seinen Luststab. Die Wiederbelebungsversuche waren von Erfolg gekrönt, das Köpfchen sonderte Lebenszeichen in Form von kleinen Lusttröpfchen ab. „Gott sei Dank, auch hier ist alles in Ordnung. Wenn Sie sich jetzt einmal umdrehen würden …“
Flüssig war die Bewegung zwar nicht, aber das könnte ja auch an der Versteifung des dritten Beines gelegen haben. Als er mir seine Rückseite präsentierte, leckte ich mir über die Lippen; ich liebe seine beiden göttlichen Halbkugeln. Ich griff nach hinten, da waren ja die Taschen, und suchte nach dem Fieberthermometer. Ich zog seine Backen auseinander und blies in die Spalte, sein rasiertes Loch zuckte leicht, als ich es kurz leckte.
„So, jetzt noch …“ Ich drückte das Körperwärmemessgerät in seinen Ausgang. „… Fieber messen.“
Jost zuckte kurz zusammen. „Kannst du das nicht etwas sanfter machen?“
„Sorry, …“ Ich grinste ihn schelmisch an. „… ich bin halt kein schwuler Krankenpfleger.“
„Das habe ich gemerkt!“ War er etwa wütend? „Brutal wie Doktor Mengele.“
„Nun mach mal halblang, …“ Ich begann, seine Apfelbäckchen zu massieren. „… das Teil hat gerade einmal einen Durchmesser von drei Millimetern; normalerweise bist du aufnahmebereiter, wenn …“ Der weiße Plastikteil mit der kleinen Metallspitze fiepte, ich zog es heraus und warf einen Blick auf das Display. „Aha, da haben wir den Grund: 98,4°! Eindeutiges Zeichen für …“
„Was?“ Er versuchte, seinen Kopf in meine Richtung zu drehen. „Entweder spinnt das Teil oder …“
„Immer mit der Ruhe.“ Ich erhob mich und zog den Mantel aus. „Ich habe schon die richtige Medizin für diese Art Krankheit. Sie müssten mir allerdings etwas helfen, die verordnete Kostenreduktion im Gesundheitswesen sieht die aktive Mithilfe des Patienten vor.“ Vor seinem Kopf kniete ich mich nieder. „Wenn sie das OP-Gerät bitte desinfizieren würden, wäre ich ihnen sehr verbunden.“
Jost hob seinen Kopf, sah Klein-Gordon direkt vor sich liegen, und grinste hämisch. „Was für eine Krankheit hab ich denn? Werde ich überleben?“
„Bestimmt! Ist zwar ein akuter Fall von Stangenfieber, aber …“ Das Lachen musste ich mir verkneifen. „Wenn wir sofort eine Notoperation einleiten, dürfte die Heilung sofort einsetzen. Wenn sie also mit dem Reinigen beginnen würden, könnten wir sofort beginnen.“
„Aber gerne doch, denn ich will ja leben!“ Er sog meine Kuppe ein und nuckelte wie ein Baby an ihr.
Während mein Engel minutenlang mit meinem kleinen Bengel beschäftigt war, tastete ich nach dem Bademantel, irgendwo musste die Tube mit dem Gleitgel sein. Erst in der zweiten Tasche fand ich das Gesuchte, denn mit Schmerzsalbe wollte ich ihn wirklich nicht schmieren, ich bin ja kein Sadist. Ich drückte einen ordentlichen Spritzer in seine Spalte und verteilte den Rest in meinen Händen.
„Es kann jetzt noch einmal etwas unangenehm werden, aber …“ Mit zwei Fingerkuppen spielte ich in seiner Öffnung und weitete sie so. „… wir müssen das Instrument gleich auf einen Schlag einführen.“
„Mhm!“ Mehr war nicht zu verstehen, aber er schob seinen göttlichen Hintern noch ein Stück weiter auf meine mittlerweile drei Finger, die in ihm waren. Aus dem menschlichen Sterilisator, der auf Hochtouren arbeitete, entnahm ich das mittlerweile fast überkochende OP-Werkzeug und ging um den Patienten herum.
Ich schmierte mein Skalpell noch einmal mit Gleitmittel ein und hockte mich dann zwischen seine Beine. Sein Becken hatte die Liegefläche zwar schon verlassen, aber der Winkel passte leider noch nicht. Ich griff an seine Hüften und zog ihn höher. Mit einem kurzen Druck setzte ich meine Eichel auf geöffnete Spalte und drückte etwas nach. „Achtung, jetzt kann es noch einmal Wehtun!“
„Herr Doktor, machen sie, was sie wollen, aber …!“ Er stöhnte mehr als er sprach. „… machen sie!“
Was sonst mehrere Minuten dauert, verlief diesmal innerhalb von Sekundenbruchteilen: Die Spritze war ganz im Patienten verschwunden. Jost atmete erst einmal tief durch, auch mir tat die Pause gut, musste ich mich doch erst an die Enge des Operationsfeldes gewöhnen. Als das einigermaßen der Fall war, begann ich mit der eigentlichen Arbeit. Ich zog mein Instrument fast ganz raus, um es dann wieder komplett zu versenken.
Jost riss den Kopf hoch, schnaubte, stöhnte, als ich zum dritten Mal in ihn hineinglitt. Um etwas besseren Halt zu finden, umklammerte ich seine Hüften, denn die nächsten Stöße wurden schneller und noch intensiver als die bisherigen. Mein Atem ging schneller und mein Puls begann zu rasen. Nach gefühlten Ewigkeiten entzog ich mich ihm ganz, drehte ihn auf den Rücken. „Und jetzt kümmere ich mich um die andere Seite der Wunde.“
„Mach … mach … aber … schnell!“ Jost reckte mir seinen Hintern entgegen. „Herr Doktor, ich brauche dringend die Medizin: Gib sie mir!“
Das ließ ich mir natürlich nicht zweimal sagen, ich legte mir seine Beine über meine Schultern, setzte an und startete den zweiten Teil der Behandlung. Ich stützte mich mit der rechten Hand auf der Sofalehne ab, meine Linke lag auf seiner Schulter. Wir hechelten beide, während wir wieder Fahrt aufnahmen. Es dauerte zwar etwas, aber dann hatten wir den gleichen Tag gefunden; meine medizinischen Stöße und seine selbstheilerischen Entladungsreibungen befanden sich nun in einem harmonischen Gleichklang.
Um nicht aus dem Takt zukommen oder gar umzufallen, bugsierte ich ihn und mich etwas näher an den Rand der Sitzfläche. Mein linker Fuß versuchte, auf dem Boden etwas mehr Halt zu finden. Als ich endlich den richtigen Stand gefunden hatte, spürte ich, wie mein linkes Bein anfing, leicht zu zittern. Als diese Vibrationen stärker wurden, wusste ich, gleich würde die Medikamentenabgabe erfolgen. Auch die Bewegung meines Engels wurde unrhythmisch.
Während er seine Salbe auf seiner Brust verteilte, ein Spritzer traf sogar sein Kinn, jagte ich ihm mein Balsam in fünf oder sechs langen und heftigen Injektionen direkt in den mittlerweile offenen Muskel. Ermattet sackte ich auf ihm zusammen und mein Mund suchte seine Lippen. Wir küssten uns so heftig, rollten von einer Seite auf die Andere, am Schluss purzelten wir von der Couch.
Mein Engel kam auf mir zum Liegen. Schelmisch grinste er mich an. „Herr Doktor! Solch eine Medizin brauche ich öfters!“
Ich küsste ihn erneut. „Kannst du kriegen, denn morgen ist die Nachsorge fällig!“
Um ehrlich zu sein, die zweite Medikamentenabgabe erfolgte schon nach dem Abendessen. Danach zog sich Jost in sein Arbeitszimmer zurück, er musste noch eine Seminararbeit zu Ende bringen, und ich telefonierte mit Chester, dem Vorsitzenden der LIGA.
Ich erzählte ihm von den Plänen meines Vaters bezüglich der Eisenbahn und hoffte, dass er mir bei der Expertensuche weiterhelfen könnte. In meinem Bekanntenkreis hatte ich leider keinen Freund des rollenden Materials, aber da Chester zu einer Generation gehörte, in der Züge noch eine hohe Bedeutung hatten, hoffte ich, er könnte mir weiterhelfen. Leider konnte er mir auch keinen Experten nennen, aber, wenn ich mit Amtrak in Verhandlungen treten müsste, sollte ich diese über einen gewissen Patrick O’Donohue einstielen. Patrick wäre Mitglied der LIGA und Mitarbeiter im Stab von Emmett Fremaux, dem Vizepräsidenten für Marketing und Produktmanagement im Aufsichtsrat von Amerikas Pendant zur Deutschen Bundesbahn.
Wir redeten noch einige Zeit über die bevorstehenden Veranstaltungen unserer Vereinigung, dann verabschiedete ich mich brav vom Hohen Vorsitzenden und ging ins Arbeitszimmer zu meinem Schatz, denn dort stand ja auch mein Rechner.
Jost blickte mich leicht irritiert an. „Willst du kontrollieren, ob ich etwa auf Dating-Seiten surfe?“
„Keine Angst!“ Ich schenkte ihm ein Lächeln, als ich meinen Rechner startete. „Ich suche nur nach Experten für Eisenbahnen, selbst Chester kennt niemanden mit einem solchen Hobby. Ich soll dich übrigens ganz herzlich von ihm Grüßen und er hofft, dass er am Mittwoch wieder seine norwegische Fischsuppe bekommt, die du ihm versprochen hast.“
„Keine Angst, die wird er kriegen, wenn …“ Er lachte mich an. „… wenn du mir morgen deinen Wagen leihst, denn ich muss ja noch einkaufen. Wer kommt denn alles?“
„Chester und Jonathan, wir beide, … also vier Personen. Ian und Eric solltest du auch fragen, obwohl … wir verbringen mit ihnen ja schon das kommende Wochenende, von daher …“ Ich grübelte kurz nach. „Du kannst ja auch diesen Alan einladen und Juan, der kocht sowieso nicht gerne alleine.“
„Es bleibt also alles wieder bei mir hängen!“ Er blickte mich konsterniert an.
Ich schüttelte mit dem Kopf. „Wer sagt denn so etwas? Falls etwas übrig bleiben sollte, können wir es einfrieren. Der Kühlschrank ist ja groß genug!“
„Männer!“ Er schüttelte sein weises Haupt. „Ich hatte den Spieleabend mit Allan eigentlich für Dienstag vorgesehen, das würde aber bedeuten, dass wir zwei Tage hintereinander Fischsuppe essen müssten, denn ich habe keine Lust, doppelt in der Küche zu stehen!“
Ich blickte ihn an. „Schatz, ich suche gerade dein Problem! Du weißt doch, Eintöpfe schmecken am besten aufgewärmt! Spieleabend dann halt am Dienstag, gesitteten Herrenabend am Mittwoch.“
„Einverstanden! Aber, Herr Doktor, … ich glaube, ich brauch noch eine … Dosis deiner wundervollen Medizin“ Seine smaragdgrünen Augen lächelten mich an.
„Die sollst du kriegen, aber erst schreibst du keine Arbeit zu Ende und ich suche nach einem Experten für Züge hier in der Stadt.“ Ich kann auch hart sein! „Zuviel Medizin kann auch schädlich sein!“
Die Suche im Internet war leider nicht von Erfolg gekrönt. Allerdings lag es womöglich auch an den Suchbegriffen, die ich verwandt hatte: Trainspotting und New York City. Google lieferte mir alles Mögliche, aber leider nicht das Gesuchte! Jost, der meine Flüche ob der negativen Ergebnisse mit einem süffisanten Lächeln zur Kenntnis nahm, meinte plötzlich, ich solle es doch einmal auf eine der vielen schwulen Datingseiten versuchen, dort müsste es doch auch Gruppen von Eisenbahnfreunden geben, die man zu Rate ziehen könnte.
Ich schaute ihn zwar erst etwas verwundert an, aber, da ich auch keine bessere Idee hatte, loggte ich mich ein, und, siehe da, beim Durchstöbern der Interessengruppen fand ich schwule Enthusiasten für Züge; ein User war sogar online, ein gewisser Dale aus Dallas. Ich tickerte ihn an und die Antwort kam prompt: Wenn ich im Big Apple jemanden suchen würde, der mir weiterhelfen könnte, dann sollte ich mich an einen User namens Lee-Train wenden, er wäre der ideale Ansprechpartner. Ich bedankte mich brav und hinterließ besagtem User, der nicht online war, eine kurze Nachricht. Große Hoffnung, dass er sich melden würde, hatte ich nicht.
Ich blickte auf meinen Schatz, der noch immer dabei war, seine Notizen in den Rechner zu hacken. Er wirkte angestrengt, aber diesen stoischen Gesichtsausdruck war ich schon von ihm gewöhnt. Da ich gerade am Rechner war, rief ich noch mein meine Mails ab und machte das, was jeder normale User macht: die meisten elektronischen Anfragen wanderten ungelesen in den Papierkorb, weniger als ein Zehntel der Botschaften, die mich erreichen, wurden beantwortet.
Eine Nachricht freute mich jedoch besonders, Daniel, der Mann, der so viel uns getan hatte, wollte uns im Mai für 14 Tage besuchen. Zwar war die Anfrage höflich formuliert, wir sollten ihm nur bei der Suche nach einem günstigen Hotel behilflich sein, aber mein Gatte winkte sofort ab. „Der kommt in unser Gästezimmer! Wenn der sich ein Hotel sucht, kündige ich ihm die Freundschaft!“
Ich grinste. „Das dachte ich mir auch.“ Entsprechend formulierte ich die Antwort. Kurz nachdem ich auf Senden gedrückt hatte, gab mein Rechner einen Ton von sich. Etwas irritiert war ich schon, beim Senden von Nachrichten gab es in der Regel kein akustisches Signal. „Was war das denn?“
„Du hast eine Nachricht auf dem Portal.“ Mein Engel gluckste. „Wer dir da wohl schreibt?“
Ich musste grinsen. „Falsche Frage, mein Engel, ich bin mit deinem Account online!“
Die Nachricht war von diesem Lee-Train, der mehr Informationen haben wollte. Ich versuchte, so viele Angaben wie möglich in meine Antwort zu packen, bat ihn aber, das Gespräch am Telefon fortzusetzen. In der Zwischenzeit schaute ich mir das Profil meines virtuellen Gegenübers an, viel konnte ich ihm allerdings nicht entnehmen: 29 Jahre, Asiate, schlank, flexibel, ein Bild von ihm war nicht vorhanden, dafür waren aber sechs Lokomotiven zu sehen.
Ein erneutes Signal ertönte, die Antwort bestand aus einer Nummer. Ich notierte sie, gab meinem Schatz, der noch zwei vollgeschriebene Notizseiten vor sich hatte, einen dicken Kuss auf die Lippen und machte mich auf den Weg ins Wohnzimmer, um dort ungestört mit dem Unbekannten zu telefonieren.
Die Stimme war mehr als angenehm. Lee Ang Sung, so der vollständiger Name des bisher bilderlosen Mannes, schien der ideale Berater für das Projekt zu sein. Nach der Schule hat er in einer Schreinerei gearbeitet, sich dann ein paar Monate als Schweißer verdingt, um dann, mit 26, schlussendlich bei Amtrak als Schlafwagenschaffner anzufangen, endlich konnte er sein Hobby und seinen Beruf kombinieren.
„Da habe ich ja Glück, dass du heute frei hast.“ Ich lachte in den Hörer. „Ich denke mal, du arbeitest normalerweise im Schichtdienst.“
Er druckste herum. „Naja, im Moment … arbeite ich … leider … nicht!“
„Darf man nach dem Grund fragen?“ Meine Neugier war geweckt worden.
„Naja, ich hab Mist gebaut.“ Lee atmete tief durch. „Der Zugchef hat mich … erwischt, wie ich mich mit einem Gast … vergnügt habe. Wirklich zu dumm, aber …“
Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. „Naja, mit Gästen soll man ja auch nicht das Wort Begehren buchstabieren, aber … ich hab meinen Schatz auch auf einer Tour kennengelernt.“
„Und? War dein Chef begeistert?“ Er schien zu grinsen.
„Der hat die Sache sogar eingefädelt.“ Ich lachte. „Aber die ganze Geschichte erzähl ich dir gerne mal beim Essen. Wann hast du denn Zeit, bei uns vorbeizuschauen?“
„Zeit habe ich leider mehr als genug.“ Er stöhnte. „Wie sieht es denn bei euch aus?“
„Lass mich kurz überlegen, … am Dienstag kommen ein paar Freunde vorbei, der Mittwoch ist auch schon ausgebucht …“ Ich atmete kurz durch. „ … und am Donnerstag fliegen wir ja nach Denver, um uns den Zug anzusehen.“
„Du meinst wohl, die Reste, die noch da sind. Laut Gerüchten hat Xantera nur 25 Waggons gekauft.“ Er war anscheinend doch besser informiert als ich. „Fünf Wagen sind wohl anderweitig …“
„Das wusste ich noch nicht, …“ Wissenslücken sollte man eingestehen. „Wie gesagt, die Besichtigung soll Freitagvormittag erfolgen, wir würden dir dann sofort die Bilder mailen und bräuchten eine erste Einschätzung noch bis Nachmittag, denn da ist ein Treffen mit dem Management angesetzt.“
„Das dürfte klappen!“ Er gluckste. „Zum großen Ausgehen fehlt mir im Moment eh das Geld.“
„Das Gutachten zahle ich dir selbstverständlich!“ Ich gebe gerne Papas Geld aus. „Aber wir sollten uns vorher noch kennenlernen. Allerdings wegen der Wochenendreise … ich kann dir nur morgen Abend anbieten, den Rest der Woche … sind wir bereits besetzt.“
„Morgen … kann ich euch gerade noch einbauen.“ Er lachte. „Eigentlich war Montag mein Saunatag, wenn ich in der Stadt war, aber den Fitnessklub hab ich erst einmal wegen der Kosten auf Eis gelegt.“
„Dann pack die Badelatschen ein.“ Ich grinste innerlich. „Sauna haben wir hier auch,… von daher.“
„Echt?“ Er klang verwundert. „Dann aber bitte was Leichtes zum Abendessen; Salat vielleicht?“
„Wird erledigt!“ Wir tauschten noch Adressen aus und verabschiedeten uns dann.
Mein Engel war zwar erst gar nicht erbaut, fügte sich dann aber doch in sein Schicksal, einen weiteren Tag in der Küche stehen zu müssen.
Ian war von der Idee, ein neues Geschäftsfeld zu beackern, zwar erst nicht begeistert, aber er machte am Ende dann doch das, was sein Brötchengeber von ihm verlangte. Allerdings war es mehr als schwierig, an ehemalige Finanzunterlagen zu kommen. In den USA wird zwar viel veröffentlicht, aber wenn eine Firma pleite macht, wird in der Regel auch der Internetauftritt geschlossen und etwaige Finanzberichte somit dem Zugriff Dritter entzogen. Nur als Gläubiger kommt man dann eventuell noch in den Genuss, die Bilanzen einzusehen, aber Geschäftsbeziehungen hatte Lensing Travel bis dato zu keinem der bisherigen Eigentümer der Züge.
Der Abend begann für mich in der Küche. Mein Gatte schwingt zwar gerne und, wie die Waage auch anzeigt, auch gut den Kochlöffel, aber fast alle niederen Arbeiten muss ich erledigen, sprich Gemüse putzen, Dosen öffnen, Brot schneiden und den Tisch decken, auch für den Geschirrspüler bin ich verantwortlich. Er heimst aber immer die Lorbeeren ein, wie ungerecht doch diese Welt ist!
Es sollte einen frischen Salat geben, der später mit gebratenen Putenbruststreifen serviert werden sollte. Ich putzte also Blattsalat, schnitt Radieschen und Ananas klein, hackte Haselnüsse, rieb Käse und steckte das Baguette in den Ofen. Der Maestro der lukullischen Genüsse weilte noch in seinem Büro und werkelte am Rechner. Wie gesagt, die niederen Arbeiten überlässt er gerne mir.
Ich schnalzte mit der Zunge, als er die Treppe nur in Trainingssachen runterkam. „Netter Anblick!“
Er grinste in meine Richtung. „Wann kommt eigentlich unser Besuch?“
„Ausgemacht war acht, Lee …“ Ich blickte auf die Uhr. „… hat also noch eine Viertelstunde.“
„Willst du dich nicht vorher noch umziehen?“ Er lachte verschmitzt. „Dann geht es gleich schneller.“
„Schatz!“ Ich schüttelte nur mit dem Kopf. „Das ist eher ein geschäftliches Treffen und kein Date!“
„Mit dem wir aber gleich in die Sauna gehen werden!“ Er fuhr sich durch seine Haare. „Ist das hier eigentlich so üblich, dass man seine Geschäftspartner nackt sieht?“
Ich grummelte. „Eigentlich nicht, aber … wer hatte denn die Idee mit dem Gayforum?“
„Zugegeben, das war ich, … aber ich hab ihn nicht in die Sauna eingeladen.“ Er kniff mir ein Auge zu.
„Asche über mein Haupt! Ich mach mich dann mal fertig.“ Ich deutete auf die Schüsseln, die vor mir standen. „Du kommst derweil ja auch ohne mich klar, oder?“
Er stöhnte. „Dann mach dich mal saunatauglich. Ich mach das hier schon.“
„Soll ich die Sauna schon anstellen?“ Etwas Gut Wetter schadet ja nie!
„Lass mal! Wir sollten erst einmal den Gesprächsverlauf mit diesem Lee abwarten.“ Was sollte das Grinsen auf seinen Lippen? „Es soll ja nicht so aussehen, als ob du ihn schon nach fünf Minuten nackt vor deiner Flinte haben möchtest, oder?“
Diesmal stöhnte ich. „Schatz, auch wenn ich mich wiederhole: das wird eher ein Arbeitsessen, … die Sauna ist … ist nur ein kleines Beiwerk.“
„Wenn du das sagst!“ Was sollte dieser Augenaufschlag. „Aber wir sollten einheitlich auftreten, also mach dich ab nach oben, mein Großer!“
„Zu Befehl, Sir!“ Ich salutierte lachend und eilte ins Ankleidezimmer.
Als ich die Treppe wieder herunterkam, hörte ich eine fremde Stimme aus der Küche. Unser Gast war also schon eingetroffen. Jost stellte uns vor und widmete sich dann wieder seiner Pfanne, in der die Putenstücke schon vor sich brutzelten und ihre Farbe in ein leichtes Braun änderten.
Bis auf die typische Augenform war an unserem Gast nicht viel Asiatisches zu entdecken. Gut, seine Haut war zwar etwas dunkler als die von Jost, aber mein süßer Engel weigert sich ja auch beharrlich, wenigstens ab und an auf die Sonnenbank zu gehen. Er mag halt seinen blassen Teint, erinnert ihn an das alte Rom und die das damalige Schönheitsideal der dekadenten Oberschicht. Ich konnte nur hoffen, dass die Saison in Fire Island bald wieder anfängt: Dort würde sich das Blässeproblem dann von selber lösen.
Ich führte Lee ins Esszimmer und bot ihm einen Whiskey als Aperitif an. Er lachte und zeigte mir dabei zwei Reihen strahlend weißer Zähne. „Alkohol vor der Sauna?“
Ich grinste. „Erst wird geredet, dann gegessen und dann erst zum Schwitzen.“
„Wenn das so ist, dann …“ Er grinste mich an. „… dann gerne.“
„Wasser oder Eis?“ Ich blinzelte ihn an.
„Ohne! Ich bin doch kein Panscher!“ Er lachte, stand aber noch einmal auf und ging zu seiner Tasche, die an der Treppe stand.
Als er wieder saß, reichte ich ihm sein Glas. „Hier.“
„Danke! Und das ist für dich.“ Er schob mir einen dicken Stapel Papiere zu. „Alle Informationen zum Orient Express, die im Netz zu finden sind.“
„Danke.“ Ich fing kurz an, in den Papieren zu blättern, als Jost mit dem Salat kam.
Er stellte die Schüssel auf den Tisch, versorgte uns alle mit Weißwein und legte auf. „So, jetzt wird gegessen, die Arbeit können wir auf gleich verschieben.“
„Wie du möchtest, mein Engel.“ Er hauchte ihm einen Luftkuss zu und schob die Unterlagen beiseite.
Während des Essen wurde das Gespräch persönlicher, wir erzählen von unserem Kennenlernen und Lee von dem Ereignis, das zu seiner Entlassung geführt hat: Man sollte beim Sex halt darauf achten, dass die Türen wirklich geschlossen sind und nicht plötzlich aufspringen. Ich gebe es zu: ich hätte die Szene gerne gesehen, die beiden mussten nicht gerade leise dabei gewesen sein.
Jost spielte mit seiner Gabel. „Sag mal, wie kommst du eigentlich zu deinem Hobby? Eisenbahnen sind doch eher … was für die ältere Generation, oder?“
Lee stellte sein Glas ab. „Stimmt, aber … damals zu Hause in Los Angeles? Ich … ich wohnte mit meiner Familie in Missing Junction am Rande von China Town, … in der Nähe der Eisenbahnlinie zur Union Station, dem Hauptbahnhof von LA. Als Chinese, wenn auch in der fünften Generation, darfst du alles sein, aber nicht schwul.“ Er schluckte. „Als ich dann festgestellt habe, dass die Uhren bei mir etwas anders ticken, da … da habe ich immer aus meinem Zimmer auf die Gleise geschaut und mich in einen der Züge hineingewünscht, ich … ich wollte nur noch weg, ganz weit weg.“
Ich schwieg und dankte Gott für meine Eltern, die nicht so verbohrt waren. „Das ist …“
„Schlimm?“ Er lachte abgehackt. „Das war es auch, aber … du verlierst dich später lieber in deine Traumwelt, als das du den ganzen chinesischen Hokuspokus über dich ergehen lässt. Nicht nur für Mormonen und radikale Christen sind wir krank und abartig.“
„Sag bloß, es gibt auch chinesische Umerziehungslager.“ Mir kam die Geschichte von Eric in den Sinn. „Mein Cousin war in so einem Camp im Staat Washington.“
Er nickte. „Zwar keine Anstalten im herkömmlichen Sinne, eher so eine Art Meditationszentren und wenn du dann immer noch anders fühlst, dann ruft deine Familie nach Doktor Wong und bestellt für dich seine Wundermedizin: Du wirst matschig im Hirn und deine Eier stellen die Produktion ein.“
Jost erschrak. „Und das von der eigenen Familie!“
„Ich hatte noch Glück im Unglück, denn …“ Lee trank einen Schluck. „… meine Mutter schickte mich am Morgen nach meiner Schulentlassung aus der Highschool nur zu einem Onkel nach Dallas. Als sie mein Hemd für den Ball bügeln wollte, hatte sie eindeutige Literatur bei mir entdeckt. Ich sollte mich doch besser an Holz auslassen, um meine negativen Energien endlich in richtige Wege zu leiten.“ Er starrte auf den Teller vor sich. „Das ging auch ein paar Jahre gut, bis ich wegen öffentlicher Unzucht verhaftet worden bin. Man hat mich beim Sex mit Dale Fitzroy im Park erwischt, wie er mich fickte. Mein Onkel holte mich noch in der gleichen Nacht aus dem Knast und sagte, er würde die Familie informieren müssen, es wäre seine Pflicht! … Morgens bin ich dann abgehauen.“
Wir schwiegen uns an, mein Engel fand als erster seine Sprache wieder. „Und dann bist du nach New York gekommen?“
„Auf Umwegen! Ich hab dann ein paar Monate bei einem Neffen meines Vaters in Chicago in einer Schweißerei gejobbt, bis meine Vergangenheit mich wieder einholte.“ Er sprach ziemlich leise. „Ich kriegte eine Vorladung, ich sollte gegen Dale aussagen, mit dem ich in Dallas …“
Jost entdeckte wohl seine journalistische Ader wieder. „Du bist dann endgültig weg von der Familie?“
„Genau, warum sollte ich Dale denn für den gemeinsamen Spaß nachträglich bestrafen?“ Er blickte meinen Engel fragend an. „Der Sex war zwischen uns war mehr als einvernehmlich! Deshalb ging ich nach New York, wo ich keinerlei Verwandten habe. … Aber Leute, können wir das Thema wechseln?“
„Machen wir!“ Meine Hand suchte seinen Unterarm. „Was hältst du eigentlich von unseren Plänen?“
Der Chinese hielt kurz inne. „Ihr geht ein großes Wagnis ein, ich finde es zwar gut, aber mir ist immer noch nicht ganz genau klar, was ihr mit den Waggons eigentlich machen wollt.“
„Naja, Lensing ist ein Unternehmen hauptsächlich für Rundreisen.“ Ich räusperte mich. „Mein Vater möchte sich wohl unabhängiger von Hotels und deren Angeboten machen. Anstatt in einem Hotel wird dann halt in einem Schlafwagen übernachtet.“
„Die Idee ist gut, aber …“ Unser Gast rieb sich die Nase. „… einen Punkt habt ihr übersehen, und mit dem steht und fällt die ganze Sache.“
Meine Neugier war mehr als geweckt. „Was haben wir nicht berücksichtigt?“
„Die Bahnsteiglänge!“ Er lächelte mich mit seinen rehbraunen Augen an.
Ich schüttelte meinen Kopf. „Äh, was hat denn die Länge des Bahnsteig damit zu tun?“
„Fast alles! Auf den Kanada-Rundreisen bestand der gesamte Orientexpress aus 17 Wagen und zwei Lokomotiven.“ Er grinste mich frech an. „Aber die meisten Bahnhöfen hier in den Staaten kriegen erhebliche Probleme, wenn sie mehr als zwölf Einheiten aufnehmen müssen.“
„Äh, das heißt?“ Ich war ratlos, wandte mich aber für einen Moment an meinen Engel. „Schatz, stellst du bitte die Sauna an. Wenn ich schon schwitze, dann soll das wenigstens einen offensichtlichen Grund haben. Bist du mal so nett?“
„Wird gemacht.“ Er grinste mich frech an, als er ein Stockwerk nach oben verschwand.
Lee versuchte derweil, mich in die Geheimnisse der Zugzusammenstellung einzuweihen. Ich muss gestehen, es war ein Buch mit sieben Siegeln für mich. Aber irgendwann leuchtete es auch mir ein; Bei der Nutzung als Hotelzug brauchen wir genauso viele Schlafwagen wie sonstige Waggons. Deren Anzahl würde mit der Entfernung der zwischen den Etappen liegenden Zielen steigen, denn man könne ja die Gäste nicht in ihren Abteilen einsperren; das leuchtete auch mir ein.
„Man könnte den Zug aber auch unter der Woche als Restaurantzug einsetzen. Vier Stunden Rundreise Richtung Norden oder über Long Island mit drei Speise- und drei Gesellschaftswagen.“ Lee grinste. „Machen die in Kalifornien auch, allerdings geht es bei denen zu einer Weinprobe.“
Jost, der uns die ganze Zeit alleine gelassen hatte, kam im Bademantel wieder. „Leute, wir können!“
Wir gingen nach oben ins Bad, Lee hatte seine Tasche ergriffen. „Wo kann ich mich umziehen?“
Mein Engel öffnete die Tür. „Hier, denn eine eigene Umkleide haben wir leider nicht.“
Ich warf meinem Schatz, der mittlerweile nackt an der Dusche wartete, zwei Handtücher zu. Ich zog mich ebenfalls aus und folgte ihm. Unser Gast hatte noch seine Jeans an, als das Wasser bereits auf unsere Körper prasselte. Wir duschten kurz ab und rubbelten uns dann trocken. Als die Tür geöffnet wurde, hatte Lee seine Hände vor seine Scham gelegt und hüpfte von einem Bein auf das andere, ihm schien es etwas unangenehm zu sein.
Ich wies ihm den Weg in die Emaille und erwartete ihn nach seiner Waschung mit einem Handtuch vor der Tür. Er schaute uns, die wir beide mit dem Frotteeteil über der Schulter vor ihm standen, leicht panisch an. „Äh, ihr geht so in die Sauna?“
„Sorry, wir hätten dich vorwarnen müssen.“ Jost grinste. „Ich bin ganz Europäer und Gordon zu drei Viertel, von daher sind wir etwas freizügiger. Ich hoffe, das stört dich nicht?“
„Nein.“ Sein Gesichtsausdruck ließ allerdings anderes vermuten.
Wir betraten die Sauna, das Thermometer zeigte 185° Fahrenheit, also rund 85° Celsius, angenehm für den ersten Gang. Jost drehte die Sanduhr um. „Machen wir zwei oder drei Gänge?“
Wir entschieden uns für drei Durchgänge und schwitzten erst einmal vor uns hin. Zwar saßen wir alle auf unseren Handtüchern, aber Lee hatte das Seinige zusätzlich um die Hüften gelegt, man konnte also nicht viel sehen. Er wippte die ganze Zeit aber von einer Backe auf die andere. Irgendetwas war komisch.
Nach fünf oder sechs Minuten, der Schweißfilm überzog mittlerweile die gesamte Haut, griff Jost zur Tube Honig, die wir immer in der Sauna stehen haben, und begann langsam, sich Arme, Brust und Beine einzureiben. Er reichte mir das verdünnte Bienenprodukt und ich tat es ihm nach. Unser Gast kriegte große Augen. „Äh, was macht ihr denn da?“
„Eine Honigkur, ist gut für die Haut, reinigt die Poren.“ Ich lachte ihn an und warf ihm die Tube zu. „Probier es einfach mal.“
Vorsichtig verteilte er die braune, aufgrund der Wärme fast flüssige Masse, auf der Haut. Begeistert schien er nicht zu sein. „Und das soll gut sein?“
„Yepp, bei regelmäßiger Anwendung wird deine Haut geschmeidig wie ein Babypopo.“ Jost blickte mich an, als er aufstand. „Schatz, bist du mal so nett und reibst mir den Rücken ein?“
Ich nahm den Honigbehälter, den Lee mir reichte und cremte den Rücken meines Liebsten ein, die Backen schloss ich die Salbung mit ein. Allerdings hatte ich noch etwas viel der süßen Flüssigkeit an meinen Händen, ich blickte auch unseren Gast. „Soll ich dir auch den Rücken …“
„Schaden kann es ja nicht.“ Er erhob sich, ließ aber das Handtuch auf der Bank liegen.
Ehe er mir den Rücken zuwandte, konnte ich einen Blick auf die asiatische Männlichkeit werfen. Die meisten Körperhaare schien Lee dort zu haben, ein richtiger Urwald. Ich drückte eine Portion Honig auf seinen Nacken und ließ meine Hände über den Rücken des Eisenbahnfreundes gleiten. Anders als bei meinem Gatten stoppte ich aber kurz unterhalb der Gürtellinie, nur als ich fertig war, gab ich ihm einen leichten Klaps auf sein Hinterteil.
Er setzte sich wieder und Jost massierte nun mich, starrte dabei aber immer auf Lee, der seine Scham wieder mit dem Tuch bedeckt hatte und erneut wie ein kleines Kind hin und her wippte. „Lee, ich hätte da mal eine komische Frage.“
Fast erschrocken blickte er uns an. „Welche denn?“
„Als Gordon dich eincremte, hatte ich … deinen Hintern ….“ Mein Student stockte etwas. „… vor den Augen. Hast du eine Wunde da unten? Oder weshalb trägst du so etwas wie … ein Tampon?“
„Äh, … nein …“Die Gesichtsfarbe unseres Gastes änderte sich schlagartig. „… das … ach Mist!“
Ich war leicht perplex, denn mir war nichts aufgefallen. „Dann hast du also Mist im Arsch?“
„Nein, das sind …“ Der Asiate wirkte verlegen. „… Ben-Wa-Bälle.“
„Der Faden, der aus deinem Hintern ragt, sieht aus wie ein Tamponfaden, von daher …“ Jost gluckste. „… dachte ich eher an eine medizinische Binde als an ein Spielzeug.“
Der Eisenbahnfreund atmete tief durch. „Das ist ein Sexspielzeug, fast so wie ein Plug, nur halt …“
„Etwas anders?“ Jost grinste ihn an. „Einen Plug kenne ich, aber diese Bälle?“
„Die kommen eigentlich aus Japan, man nennt sie auch Geisha-Kugeln.“ Langsam normalisierte sich der Rötungsgrad seines Gesichtes. „Bei einem Stöpsel im Hintern ist der Eingang nun einmal offen und das kann bei längerem Tragen zu leichten Problemen führen. Die Kugeln stimulieren auf die gleiche Weise, nur der Eingang ist, bis auf den kleinen Faden, zu.“
„Das heißt, du trägst sie öfters?“ Der Journalist war wieder da.
Verlegen nickte er. „Ist halt ein geiles Gefühl. Eigentlich wollte ich sie vor dem Besuch bei euch ja noch rausnehmen, aber ich musste ja die Metro kriegen und habe es einfach vergessen. Und da eine Umkleide fehlte …“ Er zuckte mit den Schultern. „Aber ich wäre euch dankbar, wenn wir den Gang abbrechen könnten, mir wird es langsam unangenehm.“
„Darüber zu reden?“ Jost grinste. „Wir sind doch alle schwul, von daher …“
„Nein, das ist es nicht.“ Er verzog leicht sein Gesicht. „Die Dinger sind aus Metall und langsam wird es mir zu warm in meinem Darm.“
„Dann lass uns mal raus.“ Ich öffnete die Tür und der Rest der Saunabesatzung folgte mir. „Willst du erst einmal alleine in die Dusche?“
„Eure Dusche reicht doch für drei!“ Lee schaute mich erstaunt an, ehe er lachend auf seinen Hintern zeigte. „Ach, das meinst du! Naja, ich bin zwar beim Gebrauch von Sexspielzeug erwischt worden … oder habe mich erwischen lassen, aber wie sagte Jost gerade: Wir sind doch alle schwul!“
„Na, dann wollen wir mal!“ Mein Schatz öffnete die gläserne Tür und wir folgten.
Es musste zwar nicht wegen Überfüllung geschlossen werden, aber eine gewisse erotische Enge herrschte dann doch in der Duschtasse. Wir duschten uns erst kalt ab, um dann das warme Wasser aufzudrehen. Danach folgte wieder ein kalter Schwall. Lee fummelte an seinem Hintern herum und versuchte wohl, an der Schnur zu ziehen, um so die Kugeln wieder in die Freiheit zu entlassen.
„Mist!“ Er verzog krampfhaft sein Gesicht. „Jetzt wird es wirklich peinlich!“
„Was? Kriegst du die Dinger nicht wieder raus?“ Jost grinste ihn an.
Der Asiate nickte. „Leider! Wahrscheinlich bin ich durch die Hitze zu trocken geworden.“
„Warte mal, ich schau mir die Sache mal an.“ Ich ging auf die Knie und betrachtete mir sein ansehnliches Hinterteil. Im Gegensatz zur Vorderseite regierte hier, wie auch am restlichen Körper, die Haarlosigkeit, aber außer dem Band aus seinem Loch konnte ich nicht viel entdecken. „Schatz, gib mir bitte mal das Duschgel und Lee?“
Er beugte sich in meine Richtung. „Ja?“
„Streck mir bitte mal deinen Hintern entgegen.“ Als er meinem Wunsch entsprach, musste ich ein Stück nach hinten und prallte leicht mit dem Hinterkopf an die Glasverkleidung der Dusche. „Sorry, aber ich glaube, wir müssen die Operation Ballrettung draußen beenden.“
Wir verließen die Dusche, rubbelten uns trocken und Jost verschwand im Schlafzimmer, um kurze Zeit später mit dem Gleitgelspender zurückzukommen. Er setzte sich halb auf den breitgefliesten Wannenrand, grinste Lee frech an und gab mir das Teil. „Ich glaube, das ist besser als Duschgel.“
Die Röte drang wieder in Lees Gesicht. „Wo soll ich hin?“
„Du musst erst locker werden, wenn ich jetzt gleich …“ Zum zweiten Mal innerhalb von 24 Stunden spielte ich den Dschungeldoktor. „Stütz dich an der Wanne ab oder besser noch auf Jost.“
Der Eisenbahner stellte sich knapp einen halben Meter vor meinen Engel und beugte sich nach vorn. Ich drückte mir etwas der glibberigen Masse auf die Finger und schmierte damit seinen Ausgang ein. Meinen linken Mittelfinger führte ich in die Schlaufe ein und zog etwas daran, um Spannung auf die Schnur zu bringen, während ich mit Zeige- und Mittelfinger der anderen Hand in ihn hineinglitt und nach den Bällen tastete.
Ich spürte nur viel warmes Metall an meinen Fingerkuppen. „Wie breit ist die Kugel denn eigentlich?“
„Der unterste Ball hat einen Durchmesser knapp zwei Inch, die …“ Er wirkte immer noch verlegen. „… die anderen sind dann kleiner.“
„Aha!“ Ich erhöhte den Zug, aber, anstatt der Kugel aus seinem Hintern, drang nur ein kurzer Schmerzenslaut aus Lees Mund. Ich schüttelte den Kopf. „Das wird so nichts! Du bist einfach noch zu eng, werde mal etwas Locker und stell dein rechtes Bein auf die Wanne, vielleicht klappt es dann.“
Jost, der nun den asiatischen Lustspender direkt vor Augen hatte, schien zu grinsen. „Dann werde ich dem Doktor mal assistieren und den Patienten von vorne lockern.“
Ich grinste, konnte ich mir doch denken, was er jetzt machte, auch bei mir regte sich was. Ich schaute durch die Beine des Eisenbahners und sah, wie eine Hand von Lee mit dem Sahnespender meines Liebsten spielte. Ich konnte nur hoffen, dass er sich noch genügend abstützen konnte, wenn ich gleich mit der eigentlichen Operation beginnen würde.
Die Lockerungsübungen erfolgten, nach einer erneuten Schmierung, diesmal mit drei Fingern, den Zug erhöhte ich. Nach ein paar Augenblicken machte es dann zum ersten Mal Plopp und mir sprang eines der metallenen Kugelgebilde entgegen. Ein wohliges Stöhnen drang an mein Ohr. Der Ausgang war nun geöffnet und blieb es auch. Bei den restlichen drei Kugeln brauchte ich nicht mehr so viel Dehnungsarbeit zu leisten. Als ich die kleinste Kugel sah, musste ich mehr als staunen, wie aufnahmefähig der Lustkanal eines Mannes doch ist.
Das Spiel der zwei Personen vor mir wurde nicht unterbrochen. Das asiatische Tor stand immer noch weit offen, es würde auch wohl noch einige Zeit dauern, bis es sich wieder schließen würde. Ich erhob mich langsam und konnte dabei meinen Blick nicht von Lees Hintern wenden. Hinter ihm stehend konnte ich nicht anders und ließ Klein-Gordon durch die Spalte gleiten, verhaarte kurz an der Öffnung und stieß dann zu. Ohne irgendwelches Hindernis drang ich ganz in ihn ein, unsere Eier stießen zusammen.
Eine wohlige Wärme umfing mein bestes Stück. „Man, du bist ja so was von offen.“
„Dazu dienen die Dinger ja!“ Lee stöhnte. „Aber ein echter Schwanz ist viel besser! Mach weiter!“
Ich fuhr heraus, um sofort wieder umzukehren. Langsam kam ich in Fahrt. Plötzlich kitzelte eine Hand meine Murmeln. Etwas irritiert stoppte ich abrupt in der Bewegung und spürte, wie ein Finger sich an meinem Schaft entlang in Richtung der asiatischen Pforte aufmachte. Es konnte eigentlich nur mein Gatte sein, denn Lee, wie ich sehen konnte, stützte sich ja bei ihm und an der Wand ab.
Ein ziemlich geiles Gefühl durchflutete meinen Körper: Seine Fingerkuppe an meinem besten Stück zu spüren und gleichzeitig in einer Lustgrotte zu stecken; einfach nur phänomenal! Ich dachte, eine weitere Steigerung ist nicht möglich, aber ich sollte mich irren. Ich nahm meine Bewegungen wieder auf und mittlerweile steckte Jost wohl mit zwei Fingergliedern in Lee.
„Leute! Was macht ihr mit mir?“ Der Eisenbahnfreund stöhnte. „Das ist … einfach … nu … geil. Ich … ich will … mehr!“
Mein Kopf rotierte: Wie konnte man ihm mehr geben? Ich hatte ja schon viele Pornos gesehen, aber das einzige Sandwich, an das ich mich erinnern konnte, fand in einem Schlafzimmer ab. Wenn man jetzt die Örtlichkeiten wechseln würde, wäre das sicherlich der Stimmung abträglich, denn man müsste ja fast wieder von vorne beginnen.
Ich schaute mich um, eine Liege oder einen Stuhl hatten wir leider nicht im Bad, aber … die Ablage der Wanne, auf der mein Engel mit seinem halben Hinterteil saß. Das war die Lösung! Ich zog mich aus Lee zurück und wandte mich an meinen Studenten. „Jost, rück mal ganz auf Fliesen!“
Der ehemalige Schaffner schien über die Unterbrechung gar nicht erfreut. „Was soll das werden?“
„Lee, du steigst jetzt mit einem Bein in die Wanne, das andere auf den Boden und dann senk deinen hübschen Hintern.“ Ich grinste, während ich seine Hüfte in die richtige Richtung führte. Jost machte es sich auf der Ablage bequem, sein Schwert stand senkrecht von ihm ab und wartete auf das asiatische Futteral.
Als die Verbindung der beiden hergestellt war, wusste auch Lee, was zu tun war. Der Ritt der Beiden begann langsam, ja fast bedächtig. Ich lugte über die Schulter unseres Gastes, mein Engel hatte die Augen geschlossen, er schien mehr als zufrieden zu sein. Aber auch Lees Gesichtsausdruck strahlte ein erhebliches Maß an Zufriedenheit aus. Ich ließ die Beiden erst einmal machen, griff mir aus dem Regal ein frisches Handtuch und nahm dann meinen Platz vor Josts Beinen wieder ein.
In der Position, in der die Zwei sich befanden, war an ein aktives Eingreifen meinerseits in das Geschehen nicht zu denken. Den Badeschal breitete ich aus und legte ihn an die Kante, mein Gatte sollte ja keine Blessuren von dem Ritt holen. Ich fasste unter die Knie meines Engels und zog sie langsam in meine Richtung. Als er mit seinem süßen Hintern den Rand des Frottees erreicht hatte, hob er, wie von selbst, sein Becken und, mit einem Ruck, landete er auf der eher provisorischen Polsterung, die ich vorbereitet hatte.
Ein paar Korrekturen waren zwar noch notwendig, aber, nachdem diese erledigt waren, konnte auch ich mich an dem Spaß beteiligen. Mein Mittelfinger drang ohne Schwierigkeiten in das bereits gut gefüllte Loch unseres Gastes ein, auch der nachfolgende Zeigefinger bereitete anscheinend keine Probleme. Als ich meine Finger aus ihm herauszog, stoppte der Ritt abrupt. Ich nahm meine Position ein und drückte meine Spitze in den Eisenbahnfreund. Die ersten vier oder fünf Zentimeter waren kein Problem, aber dann begann die Enge.
Lee stöhnte laut auf, aber eher vor Lust als vor Schmerz. Ich trieb meinen Hammer vorwärts. Ich fühlte alles. Der Luststab meines Liebsten bildete meinen Leitstrahl. Die beiden Anderen bewegten sich kaum, meine Vorstöße reizten wohl beide Beteiligte. Es war einfach nur göttlich, ich spürte die Enge von Lee, ich spürte das Pulsieren von Jost, ich spürte meine eigene Geilheit.
Zentimeter um Zentimeter bahnte ich mir meinen Weg in die Tiefe der Grotte, es war einfach nur göttlich. Unser aller Atem ging schneller, je näher meinem Ziel kam. Am Ende kollidierten meine Murmeln mit denen meines Gatten. Ich weiß auch nicht, was ich sagen soll, aber am Ende spürten wir alle zur gleichen Zeit eine erhebliche Erleichterung.
Als wir alle wieder eine regelmäßige Atmung unser eigen nannten, schüttelte sich der Belag des Sandwiches. „Leute! Das war göttlich! Aber bitte, wir machen nur noch einen Saunagang, denn einen gleichen Pausenfüller? … Sorry, den … vertrage ich nicht.“
Der folgende Saunagang verlief gesittet; Lee verzichtete jedoch auf die Bedeckung seiner Scham. Es wurde noch ein lustiger Abend. Wir verabredeten uns für die nächste Woche, er würde uns dann, aufgrund des Zugmaterials, einen genauen Bericht liefern.
Mit den Informationen unseres neuen Freundes, des Insiders des Eisenbahnwesens, fütterte ich am nächsten Tag meinen Lieblingsbuchhalter. Ian sog die Informationen auf wie ein Schwamm, aber er meinte nur, ich wäre der Fachmann für Touristik, ich solle doch ein brauchbares Konzept entwickeln.
Tja, nun stand ich wieder in der Küche und schälte Kartoffeln. Jost hatte ja zum Spieleabend den Neffen von Brewster und Juan eingeladen. Auch wenn ich diese niedrigen Arbeiten hasse, aber sie bildeten doch einen guten Ausgleich zur Arbeit mit den Zahlen, mit denen ich tagtäglich umgehen musste.
Mein Engel kam die Treppe herunter, er hatte eine Schürze umgebunden. Liebevoll blickte er mich an. „Schatz, heute lassen wir es aber ruhiger angehen!“
Die Küchenuhr zeigte 7:08pm, als Jost den Deckel auf den Topf legte. „So, wir sind erst einmal fertig.“
Ich schaute etwas verdutzt. „Jetzt schon? … Das ging aber schnell.“
„Na ja, es ist ein Eintopf.“ Er grinste mich an. „Der köchelt jetzt erst vor sich hin und dann, wenn die Kartoffeln richtig gar sind, kommt der Schmand noch rein. Danach kann ich erst richtig abschmecken, vorher bringt das nicht viel.“
„Wenn der Meisterkoch das sagt, dann …“ Ich küsste ihn auf die Nase. „… ist das wohl so.“
In diesem Moment klopfte es an die Terrassentür, Juan stand in Fahreroutfit vor der Glasscheibe. Mein Schatz öffnete, nach dem obligatorischen Kuss, grinste er den Latino an. „Da scheint aber einer Hunger zu haben! Essen gibt es erst in einer Stunde.“
„Kommst du jetzt erst vom Dienst?“ Ich ging auf ihn zu und wir spielten ebenfalls mit den Zungen.
„Wenn du so weitermachst, …“ Er stieß mich leicht zurück. „Der Spieleabend wird leider ohne mich stattfinden müssen, ich muss in einer Stunde in La Guardia sein.“
„Wieso das?“ Ich rieb mir fragend die Augen.
„Der dicke Peter … er hatte heute Nachmittag auf der großen USA-Kanada-Tour einen Herzinfarkt und liegt jetzt in Ottawa im Krankenhaus.“ Er stöhnte. „Cindy hat um sechs die Zentrale verständigt, aber der Bereitschaftsfahrer hat noch keine internationale Zulassung, also … muss ich ran.“
Peter kannte ich noch gut aus meinen Tagen als Reiseleiter, er hatte schon damals Probleme, mehr als zwei Finger zwischen Lenkrad und Bauch zu bekommen. „Dann grüß mir mal Cindy und, falls du Peter siehst, wünsch ihm gute Besserung.“
„Werde ich machen.“ Wir küssten uns nur kurz zum Abschied, denn vor der Tür hupte es bereits.
Es blieb nur Brewsters Neffe als Gast zum Essen übrig. Ein Abend zu Viert wäre sicherlich einfacher, aber wenn dieser Alan, den ich bisher nur von der kurzen Beschreibung meines Liebsten her kannte, die Wesenszüge seines Onkels geerbt hätte, würde es bestimmt ein sehr lustiger Abend werden. Brewster war übrigens der erste Mann, den Jost und ich als Paar kennen gelernt haben.
Die Bekanntschaft des ehemaligen Angehörigen des Diplomatischen Korps der Vereinigten Staaten hatten wir einer Schnapsidee von Eric zu verdanken: Mein lieber Cousin brauchte Frischluft. Er wollte wohl der Enge und Hektik des Big Apples entfliehen, denn New York ist etwas größer als Springfield und auch etwas geschäftiger. Wir fuhren daher am Wochenende vor meinem Geburtstag nach Fire Island, um ihm diesen Gefallen zu tun.
Allerdings hatten Jost und ich auch einen kleinen Hintergedanken bei dieser Tour. Ian und Eric hatten sich ja schon vorher bei uns gesehen, abgeneigt schienen sie beide nicht zu sein, aber der zündende Funke war noch nicht übergesprungen. Wir wollten daher einen zweiten Versuch wagen. Als Chester von dem Plan erfuhr, gab er mit einem breiten Grinsen die Schlüssel zu seinem Ferienhaus mit den vier Schlafzimmern am Rande von Fire Island Pines; wir sollten hinterher nur wieder aufräumen.
Die Unterstützung des Vorsitzenden war auch nötig, denn Autos sind auf dem Großteil der Insel nicht erlaubt: Man fährt entweder Fahrrad oder geht zu Fuß. Will man mit dem eigenen PKW zu seinem Anwesen fahren, braucht man, auch außerhalb der Saison, eine Sondergenehmigung, die in der Regel nur Dauerbewohnern und Lieferanten ausgestellt wird. Aus mir unerfindlichen Gründen war Chester im Besitz einer solchen Approbation, sein Haus ist auch eins der wenigen Anwesen auf der Insel, die über eine eigene Garage verfügen.
Am späten Freitagnachmittag bezogen wir unser Wochenenddomizil und taten das, was Amerikaner gerne machen, wir grillten auf der Terrasse. In unsere illustre Runde mit Fleisch, Musik, Bier und Salat platzte urplötzlich Brewster Dugglebee, allerdings mit gezogener Waffe, befürchtete er doch, Diebe oder Vandalen würden im Nachbarhaus ihr Unwesen treiben. Nicht nur mir ging die Muffe, auch mein Schatz wurde bleich wie die Wand.
Aber, nach einem Telefonat mit Simmons, der die Rechtmäßigkeit unseres Aufenthaltes bestätigte, steckte er die Pistole wieder weg und nahm das ihm angebotene Bier gerne an; das Erschrecken war wohl auf beiden Seiten groß und musste runtergespült werden. Er blickte uns entschuldigend an. „Sorry noch mal wegen gerade, ich wollte euch nicht erschrecken. … Aber … so außerhalb der Saison … habe ich nicht mit Besuch gerechnet. Es ist sonst eher ruhig hier, kaum Menschen. … Was machen vier junge Leute wie ihr eigentlich hier um diese Jahreszeit?“
„Tja, der Ausflug war eigentlich Erics Idee.“ Ich deutete auf meinen Cousin. „Das Landei hat in den letzten Jahren in Springfield gelebt und ist nun wieder in die große Stadt gezogen. Daneben sitzt Ian, ein guter Freund und Arbeitskollege von mir, und das ist Jost, mein Freund, gerade aus Deutschland zum Studium hierher gezogen. Ich bin übrigens Gordon.“
Nach dem allgemeinen Händeschütteln gab es die Langfassung der Geschichte. Jost blickte den Brillenträger interessiert an. „Und was machst du denn eigentlich hier?“
Der Weißhaarige mit dem Bürstenhaarschnitt blickte zu Boden. „Ich wollte alleine sein, … konnte es in der Stadt einfach nicht mehr aushalten, zu viele Erinnerungen …“
„Was sind das denn für Gedanken? Guter oder weniger guter Natur?“ Jost war mal wieder neugierig.
Der drahtige Mann wirkte niedergeschlagen „Marvins Todestag jährt sich zum zweiten Mal.“
Wir schauten uns schweigend an, mein Engel durchbrach die Stille. „Woran ist er …“
„Er ist erschossen worden!“ Tiefe Trauer lag in seiner Stimme. „Marv war Steuerberater, darüber haben wir uns auch vor über 30 Jahren kennen gelernt, als ich das erste Mal bei der UNO war und er mir erfolgreich bei meinen Finanzen geholfen hat. Ich musste zum ersten Mal keinen einzigen Cent nachzahlen. Wusstet ihr, dass man sogar einen Umzug absetzen kann?“
Ian lachte zaghaft. „Sofern der Ortswechsel beruflich bedingt ist, kann man sogar den Makler und das Hotel für die Wohnungssuche steuermindernd geltend machen. Allerdings geht das nur in einem gewissen Rahmen, der von der einzunehmenden Stellung abhängt.“
„Du kennst dich aus. Bist du auch … Steuerberater?“ Der Bewohner des Nachbarhauses stutze.
Der ehemalige Footballer schüttelte lachend den Kopf. „Nein, alle Steuertricks kenne ich auch nicht, aber als Buchhalter sollte man wenigstens einen groben Überblick haben.“
„Stimmt, den sollte man haben und …“ Brewster trank einen Schluck. „… Marvin hatte ihn. Eigentlich hatte er sich mit 65 schon längst aus dem aktiven Geschäft zurückgezogen und arbeitete nur noch für ein paar gute Freunde und zwei Stiftungen. Als ich dann vor drei Jahren mit 63 auch in Rente ging, wollten wir unser Leben genießen; Reisen, das Land entdecken. … Wir hatten uns für eine Woche ein Wohnmobil gemietet, wollten mal testen, ob das was für uns ist. Aber nach fünf Tagen Dauerregen auch engstem Raum? Die Stimmung war … mehr als gereizt.“ Er schüttelte sich. „Wie haben dann nach dem Lunch in Annapolis beschlossen, als der Wetterbericht auch keine wesentliche Besserung versprach, die Tour abzubrechen und wieder nach Hause zu fahren. Ich bin dann durchgefahren und, als wir in Riverdale ausgeladen hatten, meinte Marv, er wolle den Wagen gleich noch dem Verleiher zurückzugeben, vielleicht würde uns etwas gutgeschrieben werden.“ Brewster setzte die Flasche an und leerte sie. „Ich hab zwar gesagt, wir sollten das besser am nächsten Morgen machen, aber er ließ sich nicht abbringen. Er wollte das Wohnmobil voll tanken und dann nach Yonkers. Er würde anrufen, ob ich ihn abholen sollte.“ Eric reichte ihm ein neues Bier. „Danke! Marvin hatte gerade bezahlt, als … ein drogensüchtiger Junkie die Tankstelle überfiel. Der Typ hat dreimal in die Decke geschossen, aber eine Kugel prallte ab und hat ihn tödlich getroffen. Hätte ich mich doch durchgesetzt!“
Nach einer Minute war es Jost wieder, der die Stille durchbrach. „Brewster, du kannst nichts dafür, es … es war ein tragisches Ereignis, aber dich trifft keine Schuld. Dein Marvin wollte sein eigenes Ding durchziehen, du konntest wirklich nichts dafür!“
„Was weißt du denn schon?“ Zorn lag in seiner Stimme. „Du bist jung, da … ist immer alles einfach!“
Mein Engel ging auf ihn zu und legte seine Hand auf die Schulter des Brillenträgers. „Das sagst du, aber … mein erster Freund starb bei der Recherche für eine Story. Den Tipp dafür … hatte ich ihm gegeben. Was meinst du, was ich mir für Vorwürfe gemacht habe.“
„Und wie bist du darüber hinweggekommen?“ Er klang schon etwas versöhnlicher.
„Na ja, erst einmal hab ich es verdrängt, ließ niemanden mehr an mich heran. Als dann auch noch Jurek bei einem Badeunfall starb, dachte ich, ich wäre verflucht … und wollte … nicht mehr leben. Am Ende … hat der Typ da …“ Er deutete auf mich. „… mich gerettet.“
Eric meldete sich vom Grill. „Leute, ich unterbreche ja nur ungern eure Unterhaltung, aber … wenn ihr keine Briketts haben wollt, dann sollten wir jetzt langsam zu Tisch.“
Brewster wollte uns verlassen, aber Jost überredete ihn zum Bleiben. Während des Essens erzählte er uns von den Stationen seiner diplomatischen Karriere, er war viel rumgekommen: Australien, Indien, Irland, die UNO, Neuseeland, Island, Südafrika. Durchschnittlich alle vier bis fünf Jahre stand ein Umzug an. Als man ihm, mit 58, noch nach Nicaragua schicken wollte, hatte er dankend abgelehnt und blieb lieber als Ausbilder in heimischen Gefilden; er wollte halt näher bei seinem Liebsten sein.
„Was macht ihr eigentlich morgen?“ Er blickte fragend in die Runde. „Schon irgendwelche Pläne?“
Eric schüttelte den Kopf. „Groß geplant ist nichts, vielleicht einen Spaziergang. Wieso fragst du?“
„Ich wollte mit dem Boot raus. Wir könnten etwas fischen!“ Er grinste.
„Ich kann nicht angeln.“ Ian wirkte nervös. „Außerdem werde ich leicht seekrank.“
Ich musste lachen. „Ich dachte, dir wird nur im Flugzeug schlecht?“
„Haha, musst du mich daran erinnern?“ Warum wurde er rot?
Erics Neugier war anscheinend geweckt. „An was?“
Ich erzählte vom Flug nach Milwaukee und dem Händchenhalten. Alles grinste, aber Eric nahm Ian in den Arm. „Also, wenn es dir Morgen auch wieder schlecht gehen sollte, ich werde gerne Gordons Job übernehmen, wenn ich darf.“
Der Fang war zu Anfang nicht groß, erst als Ian die Fische mit den Resten des Frühstücks gefüttert hatte, bissen sie besser. Als uns Brewster nach dem Anlegen in der Marina zum Fischessen einlud, wandelte sich seine Gesichtsfarbe erneut, aber es gab dann doch Lachs im Blätterteigmantel mit Blattspinat, Reis und einer Weisweinsoße. Lachse hatten wir nicht gefangen, es waren eher kleinere Barsche und ein paar Flundern, aber ich bin kein ausgewiesener Angler.
Der Abend verlief locker und anregend. Der ehemalige Diplomat blies kein Trübsal mehr, ich lud ihn zu meiner Geburtstagstour ein, die ich am folgenden Samstag geplant hatte. Als er hörte, dass wir uns an einem Pier treffen würden, grinste er und versprach, für Ian Tabletten gegen Seekrankheit mitzubringen. Wir hatten wieder einmal Spaß auf seine Kosten.
Wohl Dank der guten Erste-Hilfe bei unserem Buchhalter benötigten wir in dieser Nacht nur zwei der vier Schlafzimmer. Sollten die beiden endlich zueinander gefunden haben?
Der Abend mit Brewsters Neffen verlief zunächst zäh wie Kaugummi. Der 20 Jahre alte Alan, der eher wortkarg und scheu wirkte, hatte, bis auf seine Kinn-Partie und der Tatsache, dass er auch auf das eigene Geschlecht stand, nichts mit seinem wortgewandten und geistreichen Onkel gemein. Man merkte, der angehende Jurist war bisher kaum aus dem heimatlichen Montana herausgekommen. Die Olsons, eine Familie von Ärzten und Apothekern, siedelten dort seit 1893 und waren äußerst bodenständig, wenn man das so sagen kann, kaum ein Familienmitglied lebte außerhalb von Lake County. Brewster war der Bruder seiner Mutter.
Erst als er den Flathead Lake erwähnte, konnte ich den Bezirk ungefähr einordnen: Der größte Süßwassersee im Westen der Vereinigten Staaten liegt im Nordwesten des 41.sten Bundesstaates etwas unterhalb von Kanada und gilt als das sauberste Gewässer seiner Größe, obwohl dort ein Seeungeheuer angeblich sein Unwesen treiben soll, aber, wie bei Nessie im Loch Ness, es wurde zwar oftmals gesichtet, aber noch nie fototechnisch dokumentiert.
„Und du willst also mit uns … mal spielen?“ Das ewige Herumgerede wurde mir zu dumm.
Er zuckte mit den Schultern. „Muss ich ja wohl, wenn ich auch in die LIGA will.“
„Wer sagt denn so etwas?“ Ich stutze. „Etwa Jost?“
„Nein, ich hab ihn in der Mensa wiedererkannt und angesprochen.“ Der dunkelblonde Student mit dem Pagenkopf wirkte verschüchtert. „Ich habe euch vor zwei Wochen beobachtet, als ich bei Onkel Brewster auf Fire Island war und ihr im Nebenhaus gefeiert habt. Ich hatte vom Zuschauen allein schon einen Steifen!“
Ich wurde verlegen, man hatte uns also beobachtet, aber das kann bei Freiluftaktivitäten passieren. Der Brillenträger hatte also seinen Spring Break im schwulen Naherholungsgebiet von New York City verbracht, keine schlechte Idee. Wir ja eigentlich auch, denn wir hatten die Tage genutzt, um uns mit Eric und Ian nach etwas Eigenem dort umzuschauen und hatten Chesters Domizil als Ausgangspunkt unserer Exkursionen genutzt. Dass man den Whirlpool einsehen konnte, wusste ich nicht, ich würde den hohen Vorsitzenden morgen darauf ansprechen.
Ich blickte den angehenden Juristen direkt an. „Na ja, wir hatten unseren Spaß, aber wie kommst du darauf, dass du Sex mit uns haben musst, wenn du in die LIGA möchtest?“
Der Brillenträger bekam eine sehr gesunde Gesichtsfarbe. „Onkel Brew sagte, dass sein Nachbar, dieser Chester, der Vorsitzende der LIGA ist und es in seinem Haus öfters zu solchen …“
„… Intimitäten kommt?“ Ich grinste Alan an, der nur stumm nickte. „Tja, dann muss ich dich doch wohl aufklären, wie das mit der ‚League of fruity Gents‘ und dem Sex ist.“ Wieso putzte er seine saubere Brille? „Zunächst einmal, die LIGA ist keine schwule Verbindung im eigentlichen Sinne mit irgendwelchen sexistischen oder brutalen Aufnahmeprüfungen, die der Neuling erfüllen muss, um aufgenommen zu werden. Wir … wir sind vielmehr ein Zusammenschluss von Männern, die an der Columbia studieren oder dort studiert haben und die sich im lockeren Rahmen treffen, um sich auszutauschen, zu helfen …“ Ich trank einen Schluck Wein. „Zwar sind wir alle schwul, aber … wenn zwei Mitglieder miteinander Zärtlichkeiten austauschen, dann ist das einzig und alleine deren private Angelegenheit und keine Sache der LIGA.“
Er fuhr sich durchs Haar. „Dann muss ich also nicht mit euch … in die Kiste?“
„Als du sagtest, du wolltest in die LIGA, dachte ich …“ Jost grinste. „… du kennst die Regeln. Du musst nicht mit uns … spielen, wenn du das nicht willst. Es ist deine eigene Entscheidung.“
Unserem Gast schien ein ganzes Gebirge vom Herzen zu fallen. „Dann ist ja gut, denn … ich hab noch nicht so viele Erfahrungen und … einen Dreier hatte ich auch noch nicht. Ich wüsste gar nicht, was ich dabei machen sollte.“
„Gruppe kann geil sein!“ Mein Schatz schnalzte frivol mit seiner Zunge. „Aber so lange machen wir das auch noch nicht und … es kommt immer darauf an, wer mitspielt.“
„Aber …“ Wieso wurde der Brillenträger wieder verlegen? „… wieso macht ihr das denn eigentlich? Ihr seid doch ein Paar und das sollte doch eigentlich reichen, oder?“
Ich kratzte mich am Kopf, suchte nach einer passenden Antwort. „Stimmt, mein Mann und ich, … wir sind ein sehr glückliches Paar. Und wenn wir ab und an mal zu dritt oder zu viert spielen, dann …“
„… dann ist das eine Variante unseres Sexlebens. Ich hatte mal den Wunsch, so etwas einmal zu erleben, und mein Engel …“ Jost warf mir einen Luftkuss zu. „… hat ihn mir erfüllt. Es hat uns beiden dann gefallen und seitdem machen wir es halt. Das Wichtigste dabei ist aber deine Einstellung.“
„Wie meinst du das denn jetzt?“ Alan hatte Fragezeichen in den Augen.
„Nun, du musst Liebe und Sex trennen können. Jeder Mensch hat Fantasien und geheime Wünsche. Aber, … was Jost und mich von vielen anderen Paaren unterscheidet: Wir reden offen und ehrlich darüber.“ Ich blickte dem Mann aus den Rocky Mountains in die Augen. „Nehmen wir doch mal die Aktion im Pool, die du … äh … beobachtet hast. Wir waren mit Eric, meinem Cousin, und seinem Freund Ian den ganzen Tag auf Besichtigungstour, wir wollen uns da selbst ein Haus kaufen.“
Jost grinste. „Na ja, wir entspannen uns also im blubbernden Wasser und dann sagt mein Schatz, nachdem er sich gerade noch über die Immobilienpreise aufgeregt hatte, die Szene, wie wir vier im Pool sitzen, würde ihn an einen Porno erinnern. Tja, und dann haben wir einfach alle miteinander … Wir hatten Lust und die Idee war ja auch nicht schlecht.“
„Echt?“ Der Pagenkopf blickte in erstaunt an. „Und es stört dich nicht, wenn … ein anderer Mann mit deinem Freund rummacht oder sich vergnügt?“
„Wieso sollte es?“ Mein Engel zuckte mit den Schultern. „Es ist mir sogar lieber, er macht es in meiner Gegenwart, als wenn ich nicht dabei wäre. Du vergisst, ich bin Europäer, wir ticken da etwas anders als ihr Amis.“
„Aber … das hat doch dann nichts mehr mit Liebe zu tun.“ Er wirkte konsterniert. „Ich könnte, wenn ich einen Partner hätte, ihn nie mit einem Dritten teilen!“
Ich grinste. „Du teilst ihn ja nicht! Nehmen wir mal an, deinem Freund spukt folgender Gedanke im Kopf herum und lässt ihn nicht mehr los: Er geht nachts durch einen Park, wird überfallen, gefesselt und vergewaltigt. Dann kommst du als der stolze Ritter vorbei und rettest ihn.“
Ein leichtes Grinsen huschte über sein Gesicht. „Und was soll mir das jetzt sagen?“
„Erstens ist es ein Beweis seines Vertrauens, wenn er dir diese Geschichte erzählt, dich an seinen Wünschen teilhaben lässt.“ Ich trank einen Schluck. „Zweitens könntest du ihm diesen Wunsch nicht alleine erfüllen, denn du kannst dich ja schlecht teilen. Wie willst du denn gegen den Bösen vor den Augen des Gefesselten kämpfen?“
„Auch wenn es eine sexuelle Fantasie deines Freundes ist, aber die Unterstützung bei der Umsetzung ist dann ein Liebesbeweis. Noch jemand Wein?“ Jost blickte fragend in die Runde.
„Ihr meint, der offene Umgang mit Sex ist gut für eine Beziehung?“ Alan zog die Augenbrauen hoch.
Ich stöhnte. „Offenheit und Ehrlichkeit ist die Basis einer jeden Verbindung. Und wenn die Grundlage stimmt, dann kann man auch zwischen Liebe und Sex unterscheiden.“
Der Pagenkopf grübelte. „Aber was mache ich denn, wenn er nicht mitmachen will? Wenn er sich weigert, mir meinen Wunsch zu erfüllen?“
„Dann gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder du gibst dein Begehren auf oder du trennst dich von dem Knaben.“ Jost brachte es auf den Punkt. „Beides hat allerdings auch seine Nachteile, entweder bist du danach wieder Single oder nicht mehr derselbe. Als Paar kannst du zwar nicht mehr so leben wie als Alleinstehender, denn es ist immer jemand da, auf den man Rücksicht nehmen muss, aber wenn du, nur um der Beziehung willen, ganz auf deine Wünsche und Befindlichkeiten verzichtest, dann gibst du dich quasi Stück für Stück selber auf und die eigentliche Beziehung ist nur noch eine einzige Farce.“
„Kannst du mir das auch einfacher erklären?“ Alan schaute meinen Schatz an. „Du vergisst, ich bin ein einfacher Junge vom Lande, der …“
„… der Jura an der Columbia studiert.“ Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. „Wenn aus zwei eigenständigen Menschen ein Paar wird, gehen sie zwar eine enge Bindung ein, aber es bleiben zwei Individuen und die haben ihre eigenen Bedürfnisse.“
Jost rieb sich die Nase. „Magst du Pastrami?“
„Wie kommst du denn jetzt darauf? Ja!“ Unser Gast wirkte mehr als verunsichert.
„Gut: Nehmen wir an, dein künftiger Freund mag sie nicht, kann sie nicht ausstehen. Es ist normal, wenn ihr zusammen esst, dass du dann diesen Brotbelag verzichtest, denn … ihr seid ja ein Paar. Schlimm ist es auch nicht, es gibt ja noch genügend andere Sachen, mit denen man ein Brot belegen kann.“ Der Mann mit den smaragdgrünen Augen lächelte. „Wenn du aber alleine in der Uni bist, wirst du dir ein Pastramisandwich gönnen, einfach nur, um mal wieder den Geschmack zu spüren.“
„Wahrscheinlich.“ Alan stutzte. „Aber was hat das mit einer Beziehung zu tun?“
„Viel, du könntest sagen: ‚Mein Freund mag keine Pastrami, also esse ich auch keine!‘ Wenn du das aber machst, dann gibst du einen Teil von dir auf. Es mag dir zwar im ersten Moment nicht wichtig erscheinen, aber wenn diese Kleinigkeiten sich häufen, dann bist du nicht mehr der Typ, der du zu Anfang der Beziehung warst.“ Jost lachte ihn an. „Und du könntest auch Gewissensbisse kriegen, weil du heimlich deinem Bedürfnis nachgehst, deinen Liebsten quasi betrügst.“
„Ich muss wohl noch viel lernen. Ich dachte, ich komme vorbei, mache die Beine breit und gut ist.“ Alan seufzte. „Aber stattdessen verpasst ihr mir eine Seelenmassage, an der ich noch lange zu knabbern habe. Kann ich noch etwas Brot haben?“
Der Abend wurde dann doch noch gemütlich, allerdings blieb es beim Brot, auf die Spiele wurde verzichtet. Alan war einfach noch nicht bereit, das milde Klima der Flatheadsenke gegen die raue Wirklichkeit des Big Apple einzutauschen. Er würde sicher noch ein paar Monate brauchen.
Unsere Gäste am Mittwoch kamen fast gleichzeitig an. Mein Engel ließ es sich nicht nehmen, in der Küche zu stehen und im Topf zu rühren, um so beschäftigt auszusehen. Nötig war es eigentlich nicht, die Suppe würde auch von alleine heiß werden, aber etwas Show musste dabei sein. Ich konnte nur grinsen, denn Jonathan nahm sein Angebot, sich an der Abschmeckaktion, die ebenfalls überflüssig war, zu beteiligen, an.
Mit dem Rest ging ich auf unsere Terrasse, dort wurde der Aperitif serviert. Der Champagner stand im Sektkühler auf dem Tisch, die Gläser auf dem Tablett daneben. Wir setzten uns, unterhielten uns über Belanglosigkeiten, bis der Vorsitzende der LIGA, der neben mir saß, mich plötzlich am Arm packte. „Was macht eigentlich eure Häusersuche? Schon eine passende Behausung gefunden?“
Ich stöhnte. „Hör mir auf! Entweder zu groß oder zu klein oder zu weit vom Schuss.“
„Oder zu renovierungsbedürftig!“ Eric lachte diabolisch. „Die Bruchbude am Midway Walk haben uns gleich drei Makler gezeigt und alle zu unterschiedlichen Preisen.“
„Die vom alten Tapper McNeal?“ Chester gluckste. „Da müsstest du erst einmal den Kammerjäger durchschicken, ehe das Abrisskommando kommt.“
„Was soll abgerissen werden?“ Ian gesellte sich mit einer zweiten Flasche Champagner zu uns.
Eric lachte. „Das Haus, das uns dreimal gezeigt wurde, mein Engel! Gib mal die Flasche.“
Jonathan kam aus der Küche. „Der Koch und ich hätten gerne auch was zu trinken.“
Eric öffnete gekonnt den Schaumwein, füllte zwei Gläser und drückte sie dem Stellvertreter des Dekans in die Hand. „Mit den besten Grüßen von der Terrasse an die Küche.“
„Werden ausgerichtet werden.“ Jonathan grinste den Vorsitzenden der LIGA schelmisch an. „Chester, hast du den Dreien schon von deiner Idee erzählt? Jost ist jedenfalls ganz begeistert!“
Was ging hier vor? „Und welche Idee soll das sein?“
„Nun, wisst ihr, … das Haus mit seinen vier Schlafzimmern und der Einliegerwohnung für Simmons ist einfach zu groß für John und mich geworden, soviel Gäste haben wir in der Regel auch nicht mehr …“ Der grauhaarige Mann nahm seine Brille ab. „Ich habe ja damals das Nachbargrundstück gleich mitgekauft, ich wollte ja nicht beobachtet werden.“
„Wirst du aber!“ Ich grinste den Vorsitzenden an. „Von deinem einzigen Nachbarn Brewster.“
Er schaute mich ungläubig an. „Du machst Scherze, mein Lieber.“
Ich schüttelte den Kopf. „Alan, der Neffe von Brewster, war gestern hier … zum Essen. Er hat uns beobachtet, wie … wie wir uns … im Whirlpool … amüsiert haben.“
„Er hat was?“ Ian wirkte geschockt.
„Er muss dann auf der Dachterrasse gestanden haben.“ Chester grübelte, „Denn nur von dort könnte man den Poolbereich beobachten, aber … das dürfte sich in einem Monat erledigt haben, wenn die Bäume wieder voll ausgeschlagen sind.“
„Dann bin ich ja beruhigt, denn mit Spannern habe ich es nicht so.“ Der ehemalige Footballer schien immer noch aufgebracht. „Aber den Knaben werde ich mir noch einmal zur Brust nehmen, so etwas macht man nicht, jedenfalls nicht mit seinen Nachbarn.“
„Lass mal! Alan ist eigentlich ganz in Ordnung, …“ Warum verteidigte ich ihn? „… er ist nur ziemlich … unsicher. Aber was erwartest du von einem 20 Jahre alten Jungen aus den Bergen, der bisher kaum aus Montana herausgekommen ist und vor einem Jahr entdeckt hat, dass er auf Männer steht? Aber Chester, wir kommen vom Thema ab. Was wolltest du uns sagen?“
Der Vorsitzende blickte in die Runde. „Nun, John und ich, … wir wollen uns auf dem unbebauten Teil eine Art Gästehaus errichten, nur für uns.“
Ian stutzte. „Hast du nicht gerade gesagt, das Haus ist dir zu groß geworden? Warum willst du dann noch ein zweites Domizil bauen?“
„Du verstehst das jetzt falsch. Die Einliegerwohnung für Simmons wollen wir behalten und auch den Pool und die Sauna benutzen, aber wir … wollen eher unter uns bleiben.“ Der Vorsitzende räusperte sich verlegen. „Wenn du so willst, wir wollen ein Altenteil errichten, aber auf die Annehmlichkeiten des ganzen Hauses auch nicht verzichten.“
„Und was hat das mit uns zu tun?“ Eric wurde neugierig.
„Ich wollte euch fragen, ob ihr das Haupthaus übernehmen wollt.“ Nun war es raus. „Es wäre für alle Beteiligten die beste Lösung, denn ihr sucht ja ein Domizil und ihr kennt das Haus schon.“
Ich musste schlucken, Eric staunte auch nicht schlecht. Ian brachte uns auf den Boden der Realität zurück. „Und an welche Summe dachtest du?“
Der grauhaarige Erbe von Millionen lachte. „Nun, ihr zahlt ab sofort die Grundbesitzabgaben.“
Ich stutzte. „Das soll alles sein?“
„Gordon, meine älteste Schwester ist vor zwei Monaten gestorben und ihre Kinder streiten sich um ihr Erbe.“ Er schüttelte sich. „Da ich mein Geld nicht mitnehmen kann, warum soll ich es meinen raffgierigen Verwandten in den Hals werfen? Da mache ich doch lieber meine Freunde glücklich.“
„Aber trotzdem …“ Eric schien noch nicht ganz überzeugt zu sein.
„Jungs, ich habe noch lange nicht vor, den Löffel abzugeben. Aber je mehr ich jetzt verteile, desto weniger gibt es, um was sich meine liebe Familie streiten kann!“ Sein Grinsen war unnachahmlich.
Beim Abendessen war natürlich das Haus auf Fire Island Hauptthema, allerdings kamen wir auch auf unsere bevorstehende Reise nach Denver zu sprechen. Das Chester als Kind gerne mit Eisenbahnen gespielt hatte, wusste ich auch noch nicht.
„Aber ich glaube nicht, dass wir Erfolg haben werden.“ Ich griff nach dem selbst gemachten Eierlikör, eine von Josts Spezialitäten, um den Obstsalat, den es zum Dessert gab, geschmacklich zu verfeinern.
„Wieso bist du so pessimistisch, lieber Gordon?“ Jonathan schien auch ein Eisenbahnfreund zu sein.
Ich atmete tief durch. „Wir wissen noch nicht, wie die Waggons nun genau aussehen und was darin noch alles zu machen ist, aber uns fehlt einfach das passende Gelände mit Bahnanschluss.“
„Habt ihr einmal beim Finanzamt nachgefragt?“ Was sollte Chesters Einwand?
Ian schüttelte den Kopf. „Wieso? Meinst du, die geben uns ein Darlehen?“
„Nein, das nicht!“ Chester grinste wieder. „Aber wenn Firmen Steuerschulden haben, kann die Stadt auch das Gelände beschlagnahmen und der Bürgermeister kann immer Geld gebrauchen, auch wenn er jetzt kein Republikaner mehr ist, dieser Knilch!“
Bürgermeister Michael Blomberg, ursprünglich Demokrat, wechselte 2001 zu den Republikanern, um nicht an den Vorwahlen teilnehmen zu müssen. Nach erfolgter Wiederwahl verließ er 2007 die Partei wieder. Bei der Wahl 2009 ließ er sich als Parteiloser aber gerne von den Elefanten unterstützen, die keinen eigenen Kandidaten aufstellten.
„Dann werde ich morgen vor dem Flug mal das Rathaus anrufen.“ Ich grinste. „Mal schauen, ob ich etwas erreichen kann.“
Als unsere Gäste uns verlassen hatten und die Spülmaschine schon ihren Dienst verrichtete, blickte ich meinem Engel tief in die Augen. „Musst du morgen Vormittag eigentlich noch zur Uni?“
Er schüttelte seinen Kopf. „Nein, ich habe komplett frei. Warum fragst du?“
„Nun, …“ Ich küsste ihn auf die Nase. „… entweder packen wir jetzt noch unsere Koffer und gehen dann ins Bett, oder …“
„… oder was?“ Er grinste und ließ seine Hände über meinen Rücken fahren,
„Oder du packst morgen früh für uns beide und ich gebe dir jetzt noch eine Ampulle Medizin gegen mögliche Reisekrankheiten.“ Unsere Lippen trafen sich erneut.
Er griff meine Hand und zog mich in Richtung Treppe. „Dann kommen sie mal Herr Doktor! Ich will im Flugzeug doch nicht zusammenbrechen, denn … ich heiße nicht Ian!“
„Wie machen wir das gleich eigentlich mit der Fahrerei?“ Jost schenkte mir Kaffee nach.
Ich legte meinen Toast beiseite. „Wenn ich Ian gestern richtig verstanden habe, will er mit seinem Koffer direkt in die Firma kommen. Wir werden dann wohl so gegen zwölf erst Eric und danach dich abholen, dann geht es ab nach Newark zum Flughafen. Meinen Wagen lasse ich in der Firma, wir müssen Sonntag ja auch irgendwie zurück.“
„Meinst du, das kommt zeitlich hin?“ Er schaute mich fragend an. „Wir müssen ja entweder durch den Lincoln oder den Holland Tunnel.“
Ich grübelte, während ich mir den Rest meiner Scheibe Toast zwischen die Zähne steckte. „Du hast recht: Es könnte etwas knapp werden. Es wäre einfacher, du würdest Eric anrufen und ihn bitten, zu uns zukommen. Wenn wir nicht am Godwill Park bei meinen Eltern vorbei müssen, sparen wir uns mindestens eine halbe Stunde, wir könnten dann direkt über den FDR zu uns.“
„Dann werde ich gleich mal mit ihm telefonieren. Ich glaube, er …“ Mein Engel grinste frech. „… wird froh sein, wenn er früher als geplant den Astoria Boulevard verlassen kann.“
Ich schüttelte lachend den Kopf. „Lass das ja nicht deine Schwiegermutter hören!“
„Wenn du mich nicht verrätst, wird sie es nie erfahren!“ Grinsend nippte er an seinen Orangensaft.
Neben den normalen Arbeiten, es war kurz vor Monatsende und 187 Gehaltsschecks waren wieder einmal fällig, konzentrierte ich mich ganz auf das Eisenbahnprojekt meines Vaters. Ich gebe es zu, Irgendwie hatte mich das Thema gepackt. Es mag vielleicht daran gelegen haben, das ich als Kind nicht mit Zügen gespielt habe und ich jetzt einiges nachholen wollte; das Kind im Manne halt.
Das Telefonat mit dem Finanzamt, ich hatte Chesters Rat befolgt, brachte mich auf den Boden der Tatsachen zurück. Zwar konnte man mir einige Grundstücke anbieten, aber es gab nur ein Gelände mit Bahnanschluss. Das Areal in Haberman an der 57th Avenue hatte zwar mit viereinhalb Hektar die richtige Größe, war aber mehr oder minder quadratisch. Von Lee hatte ich ja erfahren, dass man für einen solchen Reisezug mindestens acht Waggons benötigt, ich bräuchte also wenigstens 300 Meter an gerader Gleislänge.
Mein Gesprächspartner, ein gewisser Dave Populansky, schien auch ein Eisenbahnenthusiast zu sein, denn, als er erfuhr, dass ich für den ehemaligen American Orient Express das Gelände benötige, meinte er, es gebe jetzt eventuell eine Lösung, ich solle mich doch einmal mit der Denkmalschutzbehörde ins Benehmen setzen. Das Gelände des Brooklyn Army Terminal, von dem aus Elvis Presley sich 1958 nach Deutschland zu seinem Militärdienst einschiffte, würde über die notwendige Gleislänge verfügen. Die Strecke wäre auch in Betrieb, da die New York New Jersey Rail auf dem südlichen Teil des Geländes eine Eisenbahnfähre für Frachtzüge betreiben würde, die ansonsten erst 230 Kilometer weiter landeinwärts den Hudson überqueren könnten.
Der Sachbearbeiter für die historischen Stätten, den ich danach kontaktierte, konnte mir allerdings nicht sagen, ob auch die Gleisanlagen in sein Aufgabengebiet fallen. Er würde sich nur um die alten Speicher und deren zivile Nachnutzung kümmern, er wolle sich aber erkundigen, an wen ich meine Anfrage zu richten hätte. Beamte sind in den USA genauso nervig und bürgernah wie in anderen Ländern.
Ich formulierte einen Brief an den Bürgermeister; wozu zahlt man Steuern? Es ist manchmal sogar besser, wenn ein Anliegen von „Oben“ an die entsprechende Stelle durchgereicht wird, als das man selbst Kontakt aufnimmt. Mit dem fertigen Schreiben suchte ich meinen alten Herren auf, denn ich brauchte seine Unterschrift. Wenn ich mich recht erinnere, hatte er dem ehrenwerten Bürgermeister eine großzügige Spende für seine Kampagne zur Wiederwahl zukommen lassen.
Der Herr der Busse unterschrieb mit Freuden. „Ich sehe, dass Projekt nimmt ja langsam Formen an.“
„Stimmt, aber es ist noch einiges zu tun.“ Ich blickte ihn an. „Aber das ist nicht das größte Problem, dass mich im Moment beschäftigt.“
„Sondern?“ In seinen Blick lag eine gewisse Neugier.
„Wie viel willst du dir diese Idee eigentlich kosten lassen?“ Wieso fühlte ich mich plötzlich unwohl? „Ich brauche einen ungefähren Finanzrahmen, in dem ich mich bewegen kann.“
„Wieso?“ Er kam mir so vor wie der kleine Junge, der unbedingt ein neues Spielzeug haben wollte. „Bei Rhumpsley und seinen Reisebüros ging es ja auch ohne große Probleme!“
„Das war eine andre Situation! Mit Reisebüros kennen wir uns aus.“ Ich stöhnte leise. „Es gibt zwei wirtschaftliche Grundprinzipien: einmal aus den vorhandenen Mitteln das Maximale heraus zu holen und zweitens, ein vorgegebenes Ziel mit dem geringsten Aufwand zu erreichen. Da wir weder über den Zug noch die notwendige Infrastruktur verfügen, scheidet der erste Weg schon einmal aus!“
„Dann nehmen wir halt die zweite Alternative!“ Trotz sprach aus seiner Stimme.
„Das können wir gerne machen, aber … dazu brauche ich ein paar Vorgaben.“ War das so schwer zu verstehen? „Geht es dir nur um den Zug oder willst du mit dem Teil auch Geld verdienen? Wenn wir den ins Programm aufnehmen, dann brauchen wir die Wagen in fahrbereitem Zustand, das Gelände und auch neues Personal. Wie viel Geld steht mir für die Grundausstattung zu Verfügung?“
„Zehn bis Zwölf, aber …“ Er atmete tief durch. „… aber nicht mehr als 15 Millionen!“
„Das ist doch mal ein Wort!“ Ich lachte meinen Produzenten an und verabschiedete mich von ihm.
„Klopf Klopf!“ Ian stand plötzlich in meiner Tür. „Bist du fertig?“
Ich schaute ihn verdattert an. „Bin ich! Lass mich nur diese Mail zu Ende schreiben, dann können wir sofort aufbrechen und unsere Liebsten einsammeln. Die Fahrt wird ja lang genug werden!“
Der künftige Chefbuchhalter lachte. „Wieso? Dein Mann trinkt mit meinem Gatten gerade Kaffee bei euch zu Hause. Wir brauchen also nur einen Zwischenstopp!“
„Wenn das so ist, dann …“ Ich lachte ihn an. „… kann ich mir ja noch etwas Zeit lassen. Da fällt mir noch etwas anderes ein: Hast du deine Tabletten genommen?“
Der ehemaligen Footballer nickte. „Habe ich! Es besteht also kein Grund zur Aufregung.“
Der Bereitschaftsfahrer wunderte sich zwar, dass er den Van nehmen sollte, aber große Fragen stellte er nicht. Wir fuhren in die erweiterte Upper Westside und luden die anderen Teilnehmer der Reise in den Wagen. Ich staunte nicht schlecht, als ich Eric und Jost samt Gepäck auf dem Bürgersteig stehen sah: Mein Engel hatte gepackt, als wollten wir auf eine dreiwöchige Weltreise gehen. Wieso braucht man für zwei Personen und drei Übernachtungen zwei große Koffer?
Die Fahrt verlief ziemlich zügig: Staus waren nicht zu verzeichnen. Der Fahrer wünschte uns nun doch einen guten Flug, als er uns um viertel nach Eins am Terminal C von Newark absetzte. Der Check-In verlief, dank unserer Buchungsklasse, auch ziemlich reibungslos; man bat uns, um die Wartezeit zu überbrücken, in die Presidents Club-Lounge. Wir dankten, machten aber einen kleinen Umweg: Jost und ich wollten noch ein Rauchopfer darbringen. Allerdings war der Ausflug in die asphaltierte Natur, wie ich später feststellen musste, unnötig gewesen: Die Lounge verfügte über einen Raucherraum.
Wir orderten Kaffee und Ian und ich plünderten das aufgebaute Snack-Buffet, denn im Gegensatz zu unseren Liebsten hatten wir ja auf die Mittagspause verzichtet. Zwar knurrte mein Magen nicht, aber dieses leichte Hungergefühl in meinem Magen musste einfach beseitigt werden. Ich bin zwar kein großer Freund von Kressesandwiches, aber in der Not …
So gestärkt betraten wir die Boeing 737 und genossen die Annehmlichkeiten der Ersten Klasse. Ich musste schmunzeln, als ich auf Ian und Eric sah, die eine Reihe vor uns saßen. Aufgrund des größeren Sitzabstandes konnte man das Händchenhalten der Beiden während des Starts deutlich erkennen. Manchmal hat Economy auch seine Vorteile, jedenfalls wenn es um Beruhigungspraktiken geht.
Der Flug verlief ruhig und angenehm, das einzig störende Element war die Kellnerin der Lüfte, die anscheinend ihre Tage hatte. Kurz nach dem Start verteilte sie die obligatorischen Erdnüsse und erfüllte die ersten Getränkewünsche. Die nächste Unterbrechung erfolgte, als sie sich nach unseren Wünschen für den Hauptgang erkundigte: Rinderfilet, Shrimps oder Nudelvariationen.
Das, was ich an Flugzeugmahlzeiten nicht mag, ist, dass alle Gänge auf einmal serviert werden. Auch in der First wurde, jedenfalls bei diesem Flug, keine Ausnahme gemacht. Gut, es gab richtiges Besteck und der Wein wurde auch in echten Gläsern serviert, aber Lachsvariation, Salat, und Hauptgang gab es auf einem Tablett. Da ich mein Essen aber gerne heiß esse, begann ich mit dem durchgebratenen Steak und endete mit den gebeizten Scheiben des Wanderfisches.
Nach dem opulenten Mahl tauschten Ian und Jost die Plätze, wir wollten die restliche Zeit im Flieger zum Arbeiten nutzen, der Abend sollte ja unseren Liebsten gehören. Ich hatte mich gerade in die Versicherungsbedingungen für Personenzüge eingelesen, als der Buchhalter sanft an meinem Arm rüttelte und mich wieder in die Realität brachte.
„Sag mal, was ist eigentlich für Samstag geplant?“ Er grinste. „Irgendwas Besonderes?“
Ich schüttelte den Kopf. „Ich hatte erst an Six Flags gedacht, aber der Vergnügungspark macht erst Anfang Mai auf. Von daher … sind wir offen für Vorschläge. Hast du einen?“
„Leider nicht.“ Er zuckte mit den Schultern. „Lassen wir uns mal überraschen, was kommen wird.“
Was als Erstes kam, war der Denver International Airport, der flächenmäßig größte Flughafen der USA, doppelt so groß wie Manhattan. Die Eröffnung, eigentlich für 1993 geplant, musste um fast anderthalb Jahre verschoben werden: Das ultrahochmoderne Gepäckbeförderungssystem versagte total; es verteilte die Koffer überall hin, nur nicht an ihren Bestimmungsort. In Anspielung auf die nahe gelegenen Rocky Mountains wurde das Dach des Terminals mit 34 symbolischen Bergspitzen aus lichtdurchlässigem Segeltuch versehen, die sich im Wind bewegen.
Als Zweites kam ein uniformierter Fahrer, der uns am Ausgang erwartete. Ich hatte das Schild mit unserem Namen erst gar nicht gesehen, denn der Kerl entsprach genau der Vorstellung eines wilden Cowboys, die ein Stadtbewohner normalerweise hat: groß, breitschultrig, muskelgestählt, ein Bild von einem Mann. Eric konnte nur grinsen, als er mich mit offenem Mund erwischte.
Als Drittes kam das Oxford in der 17ten Straße unweit des Bahnhofes in Lower Downtown. Das 1891 erbaute 80 Zimmer-Hotel steht seit 1979 unter Denkmalschutz, betrachtet man allerdings die Inneneinrichtung, sind seit der Eröffnung maximal die Wände neu getüncht worden; fast alles versprüht noch den Charme der Gründerjahre. Die für uns gebuchten Zimmer bedeuteten jedoch einen Stilbruch im Vergleich mit der Lobby, sie waren im Stil des Art déco eingerichtet.
Mein Schatz grinste schelmisch. „Wie nutzen wir jetzt die Stunde, bis wir Ian und Eric treffen?“
Ich lachte. „Du packst aus und ich geh unter die Dusche. Ich will aus dem Anzug raus und in etwas Bequemeres steigen. Es reicht, wenn wir morgen wieder in Anzug und Krawatte rumlaufen müssen.“
„Ich etwa auch?“ Jost kriegte große Augen. „Ich bin doch nur Fotograf und stiller Beobachter.“
„Wir sind eine Delegation und es ist ein Firmentermin, also ist eher formale Kleidung angesagt. Sakko und Krawatte müssen sein!“ Ich schubste ihn auf das Bett und verschwand im Bad.
Kurze Zeit später kam er nackt zu mir in die Dusche und nicht nur unsere Münder vereinigten sich. Wir hatten Mühe, rechtzeitig um Sieben in der Lobby zu sein. Wie sich herausstellte, hatte mein lieber Cousin, der ja für die Eignerseite an der Tour teilnahm, auch nur Freizeitkleidung eingepackt. Nun war guter Rat teuer, aber wozu gibt es einen Portier? Der Mann in Livree nannte uns nicht nur ein Geschäft, das jetzt noch offen war, sondern rief uns gleich auch noch das passende Taxi dazu.
Der K&G Fashion Superstore in Glendale hatte zwei Vorteile, man bekam alles was man brauchte, vom Anzug bis hin zu Manschettenknöpfen, und er hatte bis 21:00 Uhr geöffnet. Zwar brauchen Männer in der Regel erheblich weniger Zeit für ihren Kleidereinkauf, aber wenn vier verzauberte Wesen im Kaufrausch sind, kann das auch dauern.
Jost und Eric suchten bei den Angeboten, bei einem Designer namens Sean John, auch bekannt als Puff Daddy, gab es einen Sonderverkauf. Ian und ich standen dumm rum und warteten auf die Kaufentscheidung unserer besseren Hälften. Diese hatten uns aber andere Rollen zugedacht, als die stillen Beobachter zu spielen. Sie drückten uns ebenfalls zwei Anzüge in die Hand.
Ian schaute seinen Liebsten verwundert an, als dieser ihm einen taubengrauen Zweiteiler an die Brust drückte. „Was soll ich damit? Mein Anzug hängt im Schrank!“
„Mein lieber Cousin hier …“ Eric grinste und deutete auf mich. „… meinte, wir wären so etwas wie eine Delegation. Und was zeichnet eine Abordnung aus? Ein einheitliches Auftreten!“ Ich hasse es, wenn ich mit eigenen Waffen geschlagen werde!
„Wenn ihr meint!“ Etwas mehr Widerstand hätte ich von dem ehemaligen Footballer doch erwartet.
Als ich einen Blick auf das Etikett mit der Materialzusammensetzung warf, schüttelte ich nur den Kopf. „Sorry, aber wenn wir damit nach Hause kommen, kriegen wir Ärger! 85% Polyester und 15% Viskose? Einmal setzen und man sieht aus, als hätte man darinnen geschlafen.“
Mittlerweile hatte sich auch eine Verkäuferin zu uns bemüht. Als sie unsere Wünsche vernahm, leuchteten die Dollarzeichen in ihren Augen auf. Sie riet auch zu einer anderen Zusammensetzung des Stoffes und empfahl uns reine Wolle. Zwar war es auch etwas teurer, aber ich konnte mich dann doch am Ende mit dem anthrazitfarbenen Dreireiher durchsetzen.
Dafür wurde ich bei der Farbe des Hemdes, der Krawatte und des Einstecktuches überstimmt. Wie kann man nur einen Faible für Fliedertöne haben? Eric setzte dem ganzen aber dann doch noch die Krone auf: Er kam mit den passenden Socken zur Kasse, ich hätte fast schreien können. Wenigstens die Wahl der Unterwäsche konnte frei und nach persönlichen Wünschen gestaltet werden.
Mit etlichen Tüten bewaffnet, fuhren wir um kurz vor Neun wieder vor dem Hotel vor. Während unsere Liebsten die Hemden der Wäscherei übergaben und den Rest der Shoppingtour auf die Zimmer verteilten, genehmigten Ian und ich, nach dem anstrengendem Einkauf, uns erst einmal ein großes Bier im Cruise Room, der Hotelbar. Zwar ist sie für ihren hausgemachten Martini bekannt, aber ich bin kein Freund von Wermut und Ian trank sowieso lieber Bier, dass wusste ich noch von unserem Aufenthalt in Milwaukee.
Als Eric und Jost wieder zu uns stießen, besprachen wir noch kurz das weitere Programm, aber mehr als ein kleines Nachtmahl und ein Drink vor dem Einschlafen stand nicht mehr auf der Agenda. Das morgige Programm würde anstrengend genug werden, der Abgesandte von Xanterra wollte uns um 09:00am abholen. Bedenkt man den Zeitunterschied zwischen Denver und New York, war unsere erste Nacht sowieso zwei Stunden kürzer.
Dem Typ von Xanterra, der sich als William Royal vorstellte, fiel fast die Kinnlade runter, als er uns Vier im gleichen Outfit an der Rezeption des Oxfords abholte. Aber auch Jost konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Gut, der Knabe war zwar nicht ganz schlank, aber bekam man deshalb gleich einen Lachanfall?
„Ich fass‘ es nicht!“ Mein Schatz gluckste. „Der sieht ja aus wie Dirk Bach!“
Ich stutze. „Wer ist das denn?“
„Ein schwuler Komiker aus Deutschland.“ Seine Stimme war zu einem Flüstern geworden. „Engagiert sich sehr für die Szene und tourt oft durch den Dschungel.“
Während der Fahrt kam ich mir vor wie auf einer Werbeveranstaltung für Rheumadecken; Bill, wie wir ihn nennen sollten, pries in höchsten Tönen und schillernsten Farben das rege Bemühen von American Railway Explorer für den Erhalt des Zuges. Allerdings hatten wir die Informationen, die er uns lieferte, schon längst im Netz gelesen.
Als wir, nach knapp einer Stunde Fahrt, in Fort Lupton ankamen, bat uns der gewichtige Mann der Tochterfirma von Xanterra noch, wir mögen doch bitte auf Aufnahmen verzichten: Die Umgestaltung des Zuges wäre ja eine streng geheime Operation.
„Bill, …“ Ich blickte den dicklichen Mann kopfschüttelnd an. „… daran werden wir uns leider nicht halten können. Unser Experte sitzt mit gebrochenem Bein in New York fest. Wenn wir den Zustand der Wagen für ihn nicht dokumentieren können, können wir die Sache gleich vergessen.”
„Aber sie sind doch zu viert?“ Warum stotterte er? „Ich dachte, einer von ihnen wäre der Experte.“
Ich grinste den mittelalten Mann an. „Leider falsch gedacht! Ian kümmert sich um die Zahlen, der Mann neben ihm ist Eric Clarkston, er gehört zu den Anteilseignern von Lensing Travel. Rechts neben mir sitzt Jost Jacobsen, mein persönlicher Assistent und Fotograf, und ich bin so etwas wie der Leiter des Projektes. Wenn Bilder also nicht erlaubt sind …“
Dem Mann brach der Schweiß aus, obwohl es relativ kühl im Wagen war. „Wenn das so ist, dann …“
„Es ist so!“ Eric sprang, im wahrsten Sinne des Wortes, auf den Zug auf. „Entweder oder!“
„Aber bitte nicht mehr Bilder als unbedingt nötig.“ Der Gute tupfte sich die Stirn ab.
„Kein Problem!“ Jost deutete auf seine Fototasche. „Ich hab eh nur meinen kleinsten Speicher in der Kamera.“ Waren das nicht 16 Gigabyte?
Das Gelände der ehemaligen Colorado Railcar LLC war riesig. Zwar arbeitete niemand mehr dort, die Fabrikation des rollenden Materials wurde 2008 eingestellt, als die Firma von US Railcars aufgekauft wurde, aber die Hallen waren groß genug, den gesamten Fuhrpark des Luxuszuges zu beherbergen. Als unser Führer sich um die Einlassformalitäten kümmerte – es schien sich wirklich um ein großes Staatsgeheimnis zu handeln – raunte ich meinen Leuten zu, sie sollten gleich alle ausschwärmen und die Augen offenhalten, ich würde mich um diesen Dirk Bach kümmern.
Bills großspuriges Gerede vom effektiven Fortschritt der Maßnahme strafte sich beim Betreten der Halle selber Lügen. Die Inaugenscheinnahme der Reisegefährte war ziemlich ernüchternd: Nur drei der Wagen waren komplett renoviert und glänzten in neuer Pracht. Das neue Farbschema in Grün Beige Grün sah zwar nicht schlecht aus, aber das alte Muster in Blau Beige Blau hatte mir irgendwie doch besser gefallen, es strahlte erheblich mehr Würde und Glanz aus. Allerdings waren diese Farben noch bei mehr als der Hälfte des Fuhrparks zu erkennen.
Bei diesen Waggons stellte sich, bei einem Blick ins Innere, auch heraus, dass sie, unangetastet und noch im ursprünglichen Zustand, still und leise vor sich hin staubten. Vier Wagen waren bis auf die Stahlkonstruktion abgeschliffen und ganz ausgeschlachtet worden. Man sah das blanke Gerippe, ab und an stand noch eine Trennwand, mehr nicht. An den restlichen vier Bestandteilen des Luxuszuges wurde tatsächlich doch gearbeitet: Die Entkernungsarbeiten waren in vollem Gange.
„Bill, vielleicht können sie mir helfen?“ Ich blickte den Mann im braunen Anzug an. „Wenn ich richtig gezählt habe, dann … fehlt ein Wagen; ich zähle hier nur 24.“
Das Dirk Bach Double zuckte kurz zusammen. „Tja, der Schlafwagen Bar Harbour ist in der Lackiererei in Hudson. Der geht in den nächsten Wochen in den Innenausbau. Wollen sie den etwa auch sehen?“
„Wäre nett, denn ich kaufe nicht gerne die Katze im Sack.“ Ich lachte ihn an.
„Dann … muss ich etwas umdisponieren.“ Er räusperte sich. „Ich müsste mal kurz telefonieren.“
Als er sich ein paar Schritte von mir entfernt hatte, kam Jost grinsend auf mich zu. „Ich habe schon mehr als 200 Bilder. Soll ich noch mehr machen?“
„Wir fahren gleich noch in die Lackierwerkstatt, um uns den letzten Wagen anzusehen.“ Ich grübelte kurz. „Aber du kannst die bisherigen Aufnahmen während der Fahrt auf meinen Laptop überspielen, dann kann ich sie später Lee mailen.“
Mein Engel schaute mich verschmitzt an. „Wird gemacht, Genosse Projektleiter!“
Die Fahrt von Fort Lupton nach Hudson dauerte etwas über eine Viertelstunde, Zeit genug also, um die Bilder auf meinen mobilen PC zu übertragen. Der letzte Wagen war zwar gut lackiert, aber im Inneren noch komplett leer. Während der Besichtigung bat ich William Royal alias Dirk Bach, mir doch bitte den Weg zur Bedürfnisbefriedigungsanstalt zu zeigen, meine Blase würde drücken.
Im gekachelten Raum angekommen, rief ich Lee an und forderte ihn auf, seinen Rechner zu starten, ich würde ihm gleich eine große Datenmenge überspielen. Er hätte dann knapp anderthalb Stunden Zeit, eine erste Einschätzung über die noch notwendigen Arbeiten zu erstellen. Allerdings wäre der letzte Schlafwagen Bar Harbour nicht bei den Bildern, der würde in der Lackiererei gerade trocknen.
Der firmeneigene Surfstick leistete während der Rückfahrt nach Denver Schwerstarbeit, aber wozu gibt es Fernwartungsprogramme, die man auch zu Zwecken der Datenübertragung benutzen kann?
Mit einer dreiviertel Stunde Verspätung erreichten wir den Ort des Mittagsessens, zu dem Xanterra uns geladen hatte. Das Rock Bottom Restaurant mit angeschlossener Hausbrauerei war wirklich bemerkenswert: Das Essen schmeckte hervorragend und mit der Hausmarke des Gerstensaftes hätte ich mich noch länger aufhalten können. Während des Nachtisches klingelte mein Mobilknochen. Ich erhob mich und bat die Anwesenden um Entschuldigung, es wäre ein dienstliches Telefonat.
„Lee hier.“ Seine Stimme klang aufgeregt.
„Dann gib mir mal bitte deinen Statusbericht.“ Ich war auch neugierig. „Was hältst du davon?“
Er atmete tief durch. „Also … außer etwas neuer Farbe haben die nicht viel gemacht, soweit ich das bis jetzt erkennen kann. Das Ganze kommt mir eher wie ein großer Bluff vor!“
„Wie meinst du das?“ Ich hatte Fragezeichen in den Augen.
„Gordon, die haben den Zug vor über einem Jahr gekauft!“ Er atmete tief durch. „Wenn bis heute nur drei Wagen fertig sind, dann ist das bei dem Kapital, was hinter Xanterra steht, mehr als merkwürdig. Hätten Eisenbahnfreunde das gemacht, würde ich sagen, es passt, aber … mit Anschutz im Rücken?“
„So etwas dachte ich mir auch schon.“ Ich biss mir auf die Lippe.
„Genau. Glaubt man den Berichten aus dem Netz, wollten die einen Satz zwischen 1.000 und 1.500 Dollar pro Tag und pro Person haben, also mehr als das Dreifache des normalen Preises.“ Die Stimme des arbeitslosen Chinesen überschlug sich fast. „Dafür reicht keine einfache Renovierung, es muss ein kompletter Neubau erfolgen, deshalb wohl auch das Ausschlachten. Aber ehrlich gesagt, sehr große Unterschiede bei den fertigen Wagen zum ursprünglichen Original kann ich nicht erkennen.“
Es machte Sinn, was er sagte. „Was meinst du zum Wert?“
„In diesem Zustand?“ Lee dachte nach. „Maximal eine Million, denn der Zug ist wie eine Sammlung, nur komplett ist er wirklich wertvoll. Ein Drittel des Fuhrparks ist nicht einsatzfähig und bei den alten Waggons ist mindestens eine Grundüberholung fällig. Aussagen zur möglichen Investitionssumme kann ich leider nicht machen, dazu fehlt mir einfach die Zeit. Rechne mal mit fünf Millionen.“
„Doch so viel? Egal! … Erst einmal herzlichen Dank für deine Einschätzung.“ Ich atmete durch. „Den Rest können wir dann am Sonntag besprechen, wenn du Zeit und Lust hast.“
„Beides werde ich mir nehmen!“ Mit einem Kuss verabschiedete sich unser Experte.
Nach dem Essen ging es dann zur American Railway Explorer Incorporated nach Greenwood Village in einen ziemlich modernen Bürokomplex, in dem auch – welch Wunder – die Verwaltung von Xanterra ihren Sitz hatte. In der fünften Etage wurden wir direkt in einen Konferenzraum geführt; auf der Seite der Gastgeber gesellten sich ein junger Mann mit Notizblock und Kugelschreiber und eine Frau mittleren Alters in grauem Kostüm, wohl die Abteilungsleiterin, zu Dirk Bach.
Die Dame, die sich als Claudia Roovingham vorstellte, kam sofort zur Sache. „Lensing Travel ist doch bisher nur für Reisebüros, Busse und Rundreisen bekannt. Was wollen sie mit dem Zug machen?“
Ich blickte sie an. „Ein neues Geschäftsfeld erschließen: Rundreisen mit Zügen. Man spart sich die Hotels und auch das ewige Aus- und Einpacken der Gäste entfällt. Daneben schweben uns eventuell Vergnügungsfahrten und Dinnerausflüge vor. So eine Art Weinexpress, nur in Neu England.“
„Aha!“ Ihr Blick war wohl durch unser uniformiertes Auftreten noch etwas irritiert. „Dann haben sie also Interesse, den Zug zu kaufen? Wir trennen uns ja nur ungern von diesem Projekt.“
„Interesse besteht, es … ist alles eine Frage des Preises!“ Ich grinste sie an.
„Wem sagen sie das?“ Sie versuchte ein Lächeln, aber es misslang. „Was bieten sie uns für den Zug?“
Was war das denn? Normalerweise eröffnet der Verkäufer die Verhandlungen mit einem ersten, meist überteuerten, Angebot, wenn kein Preisschild auf der Ware prangt. „Was verlangen sie denn?“
Damit hatte sie wohl nicht gerechnet. „Äh, wir dachten eigentlich an 500.000 pro Waggon, der Zug hat ja eine lange Geschichte und … die muss berücksichtigt werden.“
„Ja, eine Geschichte voller Pleiten, Pech und Pannen … und einigen Konkursen.“ Auch ich hatte meine Hausaufgaben gemacht. „Aber verraten sie mir mal, wie sie … auf diese utopische Summe kommen?“
„Wir haben bisher knapp 40 Millionen in das Projekt investiert. Wenn wir es jetzt auf Eis legen, …“ Wieso glaubte ich ihr nicht? „… wollen wir unsere Verluste nach Möglichkeit minimieren.“
„Ich sollte sie für den Oscar in kreativer Buchhaltung vorschlagen.“ Ich strich mir durchs Haar. „Wenn sie diese Summe tatsächlich in ihr Projekt investiert hätten, dann sehen die Wagen jetzt anders aus.“
„Ich muss doch bitten!“ Sie wirkte erzürnt. „Wie … wie … kommen sie auf diese … Unterstellungen?“
„Vor knapp drei Jahren meldete der vorletzte Eigentümer, die Grandluxe Rail Journey, Konkurs an. Der Zug stand dann fast anderthalb Jahre auf einem Abstellgleis in Nappa Valley und rostete vor sich hin.“ Ich blickte sie direkt an. „Dann kommen sie an und kaufen die Reste. Ich nehme deshalb einfach mal an, der Verwalter war mehr als froh, wenigstens die Standgebühren und sein Honorar kassieren zu können. Sie überführen den Zug nach Fort Lupton, um ihn dort zur Superluxusklasse umzubauen. Diese Ankündigung geht groß durch die Presse und alle Eisenbahnfreunde sind froh und glücklich.“ Ich blickte auf Dirk Bach, der in seinem Sessel wohl am liebsten versunken wäre. „Wenn ich mich recht an ihre Anzeigen erinnere, sollte der Zug bereits diesen Sommer ja wieder auf der Schiene sein. Aber bei ihrem bisherigen … Renovierungstempo … hätte das noch sieben Jahre gedauert und das bei der angeblichen Wichtigkeit des Projektes? Wollen sie mir das wirklich erzählen?“
Die Dame in Businessoutfit fühlte sich offensichtlich unwohl. „Äh, … es gab zwar einige Probleme …“
„… die man mit einem Budget dieser Höhe sicher hätte lösen können. Lensing will Rundreisen auf der Schiene durchführen, nicht mehr.“ Ein süffisantes Lächeln umspielte meine Lippen. „Ausgemustertes Material von Amtrak kostet knapp 20.000 pro Einheit, macht bei 25 Wagen also eine halbe Million. Der Umbau, etwas Komfort muss ja sein, ist meine Sache, aber … es muss nicht immer Kaviar sein!“
„Rechnen kann ich auch!“ Warum plötzlich so schnippisch?
Ich räusperte mich kurz. „Ich biete ihnen jetzt für ihre 25 Wagen, die größtenteils nur noch aus ihrem Stahlgerippe bestehen und alle seit Jahren nicht mehr gewartet wurden, das Doppelte.“
„Das … das kann nicht ihr Ernst sein!“ Die Dame in der weißen Bluse wirkte geschockt.
„Doch, denn ich pflege bei Zahlen nur äußerst selten zu scherzen. Sie wollen ihren Zug loswerden, ich will Einen kaufen, aber … ob das ihr Zug sein wird?“ Ich zuckte mit den Schultern. „Der Imageschaden für sie und ihre Firma ist jetzt schon gewaltig und er wird nur noch größer werden, wenn der Zustand des Zuges öffentlich bekannt wird.“
„Sie wollen uns drohen?“ Entgeistert starrte sie mich an.
Abwährend hob ich die Hände. „Gott bewahre! Lensing Travel pflegt seine Geschäfte immer offen und ehrlich abzuwickeln. Dazu gehört allerdings auch die Antwort auf die Frage, warum der Deal zwischen uns geplatzt ist, … zumal unser Kaufwunsch der Eisenbahnerszene bekannt sein dürfte.“
„Aber … es war doch Stillschweigen vereinbart worden!“ Fassungslosigkeit machte sich bei ihr breit. „Mister Royal hat sie doch entsprechend instruiert, oder?“
„Wir sollten nur nicht so viele Bilder für unseren Experten machen, mehr hat uns Bill nicht gesagt. Eine Verschwiegenheitsvereinbarung hat er uns nicht vorgelegt, von daher …“ Ich erhob mich und bedeutete meinen Mitstreitern, gleiches zu tun. „Unser maximales Angebot kennen sie, sie können es sich gern überlegen. Wir sind noch bis Sonntag im Oxford zu erreichen, die Adresse haben sie ja.“ Ich reichte der Verhandlungsführerin die Hand, die sie automatisch ergriff. „Wenn sie uns bitte jetzt den Wagen rufen würden, wären wir ihnen sehr verbunden. Wir warten draußen. Guten Tag!“
Als wir vor der Tür standen, schaute mein Cousin mich fragend an. „Sag mal, was war das denn gerade? Führst du so etwa wichtige Verhandlungen für die Firma?“
Nickend steckte ich mir eine Zigarette an. „Ja, hast du denn keinen Blick in die Büros geworfen, als uns die Empfangsdame in den Konferenzraum geführt hat? Sie waren leer, kein Mann zu sehen!“
Eric zuckte mit den Schultern. „Nicht wirklich, …aber was hat das mit der Gesprächsführung zu tun?“
„Viel!“ Ich blies den Rauch aus. „Um kurz vor drei sind nur noch die Tussi vom Empfang und diese Roovingham mit ihrer Entourage anwesend? Wenn dieses Projekt für Xanterra wirklich noch wichtig wäre, würde dort auch gearbeitet werden, zumindest bis fünf.“
„Stimmt!“ Ian pflichtete mir bei. „Auch mit Gleitzeit kann man das Fehlen schlecht erklären.“
Ich lachte in die Runde. „Außerdem … würde ein Großunternehmen wie Xanterra – unter normalen Umständen – sich den Termin für ein Verkaufsgespräch von einem kleinen Mittelständler wie Lensing so einfach diktieren lassen? Doch wohl eher nicht, oder? Und … wenn die sich dann auch noch auf ein Meeting an einem Freitagnachmittag einlassen, dann wollen sie den Zug unbedingt los werden. Ich wette mit euch, wir werden bald von ihnen hören.“
„Und was machen wir nun mit dem angebrochenem Tag?“ Jost grinste.
„Tja, wenn die jetzt über deinem Angebot schwitzen, …“ Eric rieb sich die Nase. „… dann sollten wir das auch. Das Midtowne Spa hier soll ziemlich gut sein.“
Im Hotel angekommen wechselten wir die Kleidung, legere Jeans waren angesagt. Es war eigentlich eine Schnapsidee, die Eric vor knapp einer Stunde geäußert hatte: Welcher Mann in den Zwanzigern geht nachmittags schon in die Sauna, wenn er keinen Notstand irgendwelcher Art hat? Aber egal, wir fuhren, frisch gestylt, nach unten und warteten in der Lobby auf Eric und Ian.
Der Buchhalter blickte auf die Tasche, die Jost in Händen hielt. „Was schleppst du denn da mit?“
„Unsere Badelatschen!“ Mein Gatte grinste. „Handtücher wird es dort ja wohl geben, aber ich habe keine Lust, mir Fußpilz oder sonst etwas zu holen.“
„Gute Idee! Schatz, würdest du bitte …“ Eric hatte sich von Jost wohl dessen Hundeblick abgekupfert, denn der Zweimetermann dackelte brav ab. „Wir warten dann an der Bar auf dich.“
Vier Portionen Gerstenkaltschale standen vor uns auf dem Tresen, als sich jemand hinter mir dezent räusperte. „Sind sie Mister Lensing?“
Ich drehte mich um und sah einen verpickelten Pagen vor mir. „Der bin ich! Was gibt es?“
„Wir haben ein Fax für sie erhalten.“ Er reichte mir einen Briefumschlag. „Der Rezeptionist meinte, er hätte sie an die Bar gehen sehen.“
Ich wunderte mich, denn der Mann, der jetzt hinter der Rezeption stand, war ein anderer als der, bei dem wir gestern eingescheckt hatten. Das war also der kleine Unterschied zwischen einem guten und einem sehr guten Hotel. Ich griff in meine Tasche und bedankte mich mit einem Schein bei dem kleinen Angestellten, der wirklich mal etwas gegen seine Akne tun sollte.
Das Schreiben überflog ich nur und hatte dabei nicht nur einen inneren Reichsparteitag. „Bingo!“
„Doch nicht etwa von Xanterra?“ Eric stellte sein Glas ab.
Ich nickte. „Doch! Die American Railway Explorer könnte sich unter gewissen Umständen vorstellen, auf unser Angebot einzugehen. Sie schlagen daher ein Treffen in ihrer Zentrale morgen um Zehn vor, mit anschließendem Imbiss.“
Das Fax machte die Runde und auch Ian, der mittlerweile wieder zu uns gestoßen war, staunte nicht schlecht. „Hast du schon zugesagt?“ Er blickte mich an und ich schüttelte den Kopf. „Gut, dann frage gleich mal an der Rezeption nach, ob wir kurzfristig einen Konferenzraum kriegen können. Der Lunch dürfte ja in dem Schuppen kein Problem werden.“
„Wieso sollten wir hier tagen und extra Geld ausgeben?“ Ich stutzte. „Welchen Sinn soll das haben?“
Ian funkelte mich an. „Taktik! Sie schlagen ein Treffen vor, wir stimmen zu. Aber wir sollten dann diejenigen sein, die Zeit und Ort des Duells bestimmen und nicht die Gegenseite! So nehmen wir ihnen den Heimvorteil, wenn sie auf einem fremden Platz spielen müssen.“
„Das ist nicht ganz von der Hand zu weisen, aber …“ Jost trank einen Schluck. „… aber wir sollten den Bogen auch nicht überspannen. Sie verzichten schon auf über 90% ihrer ursprünglichen Forderungen, von daher … man sollte niemanden treten, der bereits schon am Boden liegt.“
Das Kapital ergriff das Wort. „Ian Darling, unter normalen Umständen würde ich dir Recht geben, aber in diesem Fall … muss ich Jost zustimmen. Gordons Verhandlungsführung war eh schon … mehr als ein Vabanquespiel. Sollen wir das Glück ein zweites Mal herausfordern? Jetzt haben wir Xanterra wieder da, wo wir sie haben wollten, nämlich am Verhandlungstisch.“
„Mag ja sein, aber…“ Der Buchhalter grummelte. „… warum sollen wir nicht alle Vorteile ausnutzen?“
Eric verschraubte die Augen. „Psychologie! Falls die Verhandlungen scheitern, ist das zwar Pech, kann aber passieren. Möchtest du deinem Chef erklären, dass er sein geliebtes Spielzeug nicht bekommt, nur weil du denen den Heimvorteil nicht gönnen wolltest und es deshalb zu keinem Treffen kam?“
„An diesen Aspekt habe ich gar nicht gedacht.“ Ian stöhnte. „Und was machen wir jetzt?“
„Ich sage jetzt dieser Roovingham erst einmal zu und dann feiern wir.“ Ich grinste.
Jost blickte in die Runde. „Aber muss das unbedingt in einer schwulen Sauna sein? Der hoteleigene Spa hat zwar nur ein Dampfbad, aber das dürfte wesentlich mehr Stil haben als …“
„Das dürfte stimmen, außerdem …“ Mein Cousin grinste schelmisch. „… müssen wir noch einkaufen. Wenn die vier Musketiere morgen wieder gemeinsam in die Schlacht ziehen, dann brauchen wir noch neue Hemden. Wir haben ja Stil und wollen nicht müffeln.“
Ich stöhnte. „Vorschlag zu Güte: Ihr geht jetzt einkaufen, aber bitte nichts in Flieder oder Rosa! Ian und ich schreiben die Zusage und wir treffen uns dann alle, so schnell wie möglich, im Spa wieder.“
„Viel los ist hier aber nicht.“ Ian blickte mich von seinem Laufband aus an.
Ich zuckte mit den Schultern. „Schau mal auf die Uhr, die machen in anderthalb Stunden dicht. Außerdem sind die Preise hier nicht gerade günstig: 65 Dollar im Monat nur für die Mitgliedschaft.“
„Ich wollte Eric mit einem Wohlfühlprogramm überraschen, aber 328 Dollar für eine Massage, etwas Körperpeeling und ein bisschen Nagelpflege?“ Er schüttelte den Kopf. „Da müsste der Masseur schon so aussehen wie Brad Pitt und nackt zu Werke gehen, dann vielleicht.“
Ich grinste. „Du würdest ihn doch eh nur auf die Liege legen und dann …“
Eine der Trainerinnen kam auf uns zu. „Entschuldigung, aber ihre … Begleiter … sind jetzt da.“
„Dann schicken sie die beiden doch zu uns.“ Ian versuchte ein Grinsen.
„Das ist leider nicht möglich. Die Herren …“ Sie wirkte pikiert. „… haben kein Sportoutfit bei sich, sie wollten nur in unsere Dampfoase. Aber bitte denken sie daran, wir schließen um acht.“
„Dann lass uns den Duschtempel aufsuchen, wir wollen unsere …“ Ich gluckste. „… Begleitung ja nicht unnötig warten lassen. Komm mit, du Zahlendreher!“
Der Duschbereich bestand aus acht Einzelkabinen, alle mit undurchsichtiger Glastür. Die Prüderie hier in den Bergen war weit aus größer und ausgeprägter als in heimischen Gefilden. Zwar duschten wir dann doch Paarweise, aber an mehr als gemeinsames Einseifen war dort nicht zu denken.
Wären wir im New York, in Europa oder in einem verzauberten Etablissement, wir wären nackt in den Schwitzkasten gegangen, aber wir wollten das Schamgefühl anderer Besucher ja nicht über Gebühr strapazieren. So schlugen wir die Handtücher um die Hüften und zeigten uns, züchtig bedeckt, der Öffentlichkeit und betraten die Dampfsauna. Sorry, ich meinte natürlich die Dampfoase.
Sie war hell, groß und einladend, auf dem Boden eine Art schwarzer Marmor, allerdings etwas stumpf, die Badelatschen glitten nicht. Um den Dampf im Inneren zu halten, gab es eine Art Vorhalle, die zweite Tür führte in einen relativ großen, leicht oval anmutenden Raum, rechts und links marmorne Sitzreihen, in der Mitte sprudelte ein Brunnen. Die Spots in der Decke tauchten die gesamte Räumlichkeit in ein helles Licht. Wären wir in das schwule Pendant gegangen, wäre sicherlich Tastarbeit angesagt gewesen, hier aber konnte man sich sicher und frei bewegen.
Nachdem sich meine Augen an den Nebel gewöhnt hatten, erkannte ich zwei Herren mittleren Alters und drei ebensolche Damen, die in Gruppen beieinander saßen und sich leise unterhielten. Auf der Kopfseite des weiß gekachelten Raumes entdeckte ich einen Durchgang, ich deutete darauf und man folgte mir. Wir kamen in einen Duschbereich, allerdings nur auf der linken Seite. Der rechte Teil führte uns in eine Art orientalischer Grotte, die beiden gegenüberliegenden Bänke boten Platz für je maximal zwei erwachsene Personen, an der Stirnseite war eine Art Wasserkaskade zu erkennen. Hier war es auch deutlich heißer als im ersten Raum und nicht mehr ganz so hell. Wir setzten uns auf die Handtücher und gewöhnten uns an feuchte Wärme, die unsere Körper zum Schwitzen brachte.
„Hier lässt es sich doch aushalten.“ Jost durchbrach die Stille. „Schön warm und heimelig!“
Eric, der neben mir saß, lachte. „Naja, aber … bei unserem nächsten Trip sollten wir uns dann doch ein etwas moderneres Hotel aussuchen. Ich hätte gerne ein Swimmingpool und …“
„Du hättest ja etwas sagen können, als Oma den Vorschlag mit dem Oxford machte.“ Ich kniff ihn in den Oberschenkel. „Aber von dir kam ja kein Wort!“
Er griff mir direkt ins Gemächte und walkte meinen Beutel sanft durch. „Bin ich der Reiseprofi in der Familie? Außerdem bin ich ein guter Enkel und widerspreche meiner Großmutter nicht!“
„Was macht ihr denn da? Befummelt ihr euch etwa?“ Grummelte Ian etwa?
Mein Cousin lachte. „Bleibt doch in der Familie. Du kannst ja mit deinem Nachbarn spielen.“
„Eric, du kommst sofort zu mir; ich muss dich wohl mal wieder übers Knie legen!“ Sein Ton war hart.
Meine Hand glitt höher. „Du musst nur sein Teil nur zwischen deine Kniee klemmen, dann klappt es!“
Eric knuffte mir in die Seite. „Du hast ja auch einen Harten, also stell dich nicht so an!“
„Boss, tue mir bitte einen Gefallen und versohl meinem Schatz den Hintern, der hat es anscheinend dringend nötig.“ Die Ironie in Ians Stimme war deutlich heraus zu hören. „Jost! Was machst du da?“
„Was die können, können wir auch!“ Mein Engel gluckste. „Sagtest du versohlen oder versilbern?“
Eric hatte sich erhoben und auf meinen Schoß gesetzt. „Ich habe versilbern gehört. Du auch?“
„Schatz?“ Ich traute meinen Augen nicht; Jost saß nicht mehr da, wo ich ihn zuletzt gesehen hatte.
„Ich kann gerade nicht.“ Mein Engel stöhnte. „So, jetzt geht’s! … Ja! … Ian, bitte … langsam! Ah!“
„Gordon, beeil dich! Die sind schon weiter als wir!“ Klein-Gordon wurde von seiner Hand durch die Spalte geführt, fand die weichste Stelle und schlüpfte dann, wie von selbst, hinein. „Gleichstand!“
Was war das denn? Eine schwule Orgie im altehrwürdigen Oxford? Nebenan saßen Leute, jederzeit hätte jemand reinkommen können. Ich dachte, ich bin im falschen Film. Mein Cousin und mein Liebster fingen an, uns langsam zu reiten. Ob wir mitmachen wollten oder nicht; wir wurden erst gar nicht gefragt! Die immer schneller werdende Aktion der beiden Einkäufer glich einer Vergewaltigung.
Kann man einen Aktiven vergewaltigen? Würde eine solche Aktion nicht die Lust zerstören? Müsste Klein-Gordon nicht zusammenbrechen? Irgendeine Folge von CSI New York behandelte einmal einen solchen Fall, aber an den genauen Inhalt konnte ich mich nicht erinnern. Dabei gibt es im Big Apple gar keine Crime Scene Investigation; die entsprechende Abteilung des NYPD heißt Crime Scene Unit.
Oder lag es gerade an dem Reiz, möglicherweise entdeckt zu werden, dass mein stolzes Anhängsel weiterhin seinen Dienst verrichtete und sogar Spaß dabei empfand? Mein Herz begann schneller zu schlagen, meine Hände umkrallten Erics Hüften. Langsam begann ich, ihm entgegen zu stoßen. Ich war wie im Rausch, die Geilheit besiegte den Verstand.
Meine Augen wanderten durch den Raum. Die beiden Reiter hatten ihre Hände um den Hals des jeweils Anderen geschlungen, es sah so aus, als ob sie sich küssen würden, aber ich konnte mich auch irren. Vom unserem Buchhalter konnte ich nicht viel erkennen, aber auch er atmete jetzt deutlich schneller und geräuschintensiver als noch vor zwei Minuten. Ich griff mir beherzt Erics Szepter, seine fünf Inch sollten nicht nur steif und nutzlos in der Gegend rumstehen.
Plötzlich, inmitten in einer Stoßbewegung, erhoben sich, wie von Geisterhand gesteuert, unsere zwei Cowboys aus ihren Sätteln. Was hatten sie vor? Ich war noch ganz benommen, konnte nichts richtig realisieren. Mein lieber Cousin hatte mich bis kurz vor den Punkt der Ekstase gebracht. Das Einzige, das ich durch den wabernden Dampfnebel wahrnahm, war, wie die beiden sich um 180° drehten, um sich dann wieder zu setzen. Der Ritt begann erneut, nur diesmal war die anfangs Geschwindigkeit weitaus höher.
Was sollte ich machen? Ich war Gefangener meiner eigenen Lust, der Lustkanal meines Liebsten hatte Klein-Gordon inhaftiert; eine Flucht war für beide Beteiligten unmöglich. Meine Linke versuchte, unsere Hub- -und Schubbewegungen irgendwie zu synchronisieren, während die Finger meiner rechten Hand an Jost Vulkan geologische Forschungsarbeiten durchführten. Ich wollte seine Eruption hervorrufen, sie miterleben und seine weiße Lava spüren.
„Ich … ich … ich … komme!“ War das Jost? War das Eric? War das Ian? Oder war es am Ende sogar ich selber, dessen Stimme durch das Keuchen zu hören war? Ich kann es nicht mehr sagen, ich pumpte und pumpte mein weißes Gold in den dunklen Schacht meines Liebsten. Ermattet sackte ich zusammen, das heiße Mosaik der Wand brannte an meinen Rücken. Ich hörte die Engel singen.
Nach einer gefühlten Ewigkeit, mein Puls und meine Atemgeschwindigkeit hatten sich einigermaßen wieder normalisiert, begann mein Verstand, seine Arbeit langsam wieder aufzunehmen. Aber noch ehe ich einen vernünftigen Gedanken hätte klar formulieren können, spürte ich, wie mein Gatte aufstand, sich zu mir umdrehte, um mir sanft über mein Gesicht zu streicheln.
„Das war … unheimlich geil!“ Hörte ich da ein Lachen? „Aber jetzt sollten wir zusehen, dass wir uns kalt duschen, um einigermaßen heil und unbehelligt diesen Raum zu verlassen.“
Frisch gewaschen und gekämmt, jegliche Spuren körperliche Aktivitäten beseitigt, traten wir eine halbe Stunde später auf dem Bürgersteig vor dem Hotel. Der Buchhalter blickte in die Runde. „Ich könnte jetzt einen Happen vertragen.“
„Nicht nur du!“ Jost grinste. „Eric lädt uns in Mary’s ein; er zahlt das Essen!“
Ich stutzte. „Wo ist dieser Laden und warum zahlt er?“
„In der 17ten Avenue und … er hat die Wette verloren!“ Der angehende Journalist lachte.
Der Buchhalter wusste anscheinend auch nichts mit der Aussage anzufangen. „Was hat Eric?“
„Leute, wir sollten nur die Hemden kaufen, dafür brauchten wir keine Ewigkeiten, denn es gibt einen Laden gleich hier um die Ecke.“ Mein Schatz grinste uns an. „Als wir wiederkamen, sahen wir, wie ihr gerade in den Spa gegangen seid. Da kamen wir auf die Idee mit der Wette.“
„Welche Wette und um was habt ihr gespielt?“ Ich war mehr als irritiert.
Mein wertes Familienmitglied atmete tief durch. „Dein Gatte meinte, wir sollten uns frisch im Schritt machen und euch dann im Dampfbad verführen. Ich dachte, ihr würdet nicht mitmachen, aber … es kam anders! … Ich hätte euch echt für anständiger gehalten! Es ging darum, wer das Dinner zahlt.“
„Schatz!“ Ian nahm seinen Liebsten in den Arm. „Du vergisst immer wieder, wie europäisch Gordon ist und das man Josts Hintern nur sehr schwer widerstehen kann. Selber Schuld!“
Eric stöhnte. „Anstatt mich zu bedauern, streust du nur zusätzliches Salz in meine arg lädierten Wunden. Komm du mir gleich ins Bett, du Schuft!“
Mary’s Bar & Grill war der schwulste Hamburgerladen in den Rockys. Es wurde ein unheimlich lustiger Abend, auch wenn wir uns meistens auf Erics Kosten amüsierten, aber es hätte ja auch anders kommen können. Standhaftigkeit ist halt die Tugend der Könige, ich aber bin durch und durch Demokrat und in Deutschland ist die Monarchie schon vor fast 100 Jahren abgeschafft worden.
Das Treffen in Greenwood Village begann mit einer viertelstündigen Verspätung. Allerdings war das nicht unsere Schuld, wir standen, Schlag Zehn, in unseren dunkelgrauen Anzügen, diesmal mit gelben Hemden und Krawatten, samt Dirk Bach vor dem Eingang des Gebäudes und harrten der Dinge, die da kommen sollten. Die gestresste Abteilungsleiterin hatte schlicht vergessen, den Sicherheitsdienst über das Meeting zu informieren und kam selber nicht ins Gebäude.
Der Termin dauerte dann doch länger, als wir eigentlich geplant hatten; er zog sich bis in die späten Nachmittagsstunden hin. Der Kaufpreis des rollenden Materials spielte dabei jedoch keine Hauptrolle mehr, es waren vielmehr die Nebensächlichkeiten, die uns das Leben unnötig schwer machten.
Schlussendlich einigten wir uns darauf, dass die Kosten für die Überführung des Schlafwagens Bar Harbour von der Lackiererei ins Depot nach Fort Lupton die American Railway Explorer Incorporated tragen würde. Der Mietvertrag über die Halle, in der der Zug jetzt stand, sollte durch Xanterra ordentlich gekündigt werden. Man würde sie uns aber, ab sofort und zu den gleichen Konditionen versteht sich, als Stellplatz untervermieten. Die Kosten hierfür würde Lensing tragen, egal wie lange wir ihn effektiv nutzen würden. Aber das war mir egal, denn wir hatten ja auch noch keinen eigenen Lagerort, aber für die Suche nach Selbigem dadurch erst einmal Zeit gewonnen.
Um drei Minuten vor Fünf setzte ich – ganz Gentleman – nach Claudia Roovingham, die – sehr zu meinem Erstaunen – im gleichen Outfit wie gestern auftrat, meine Unterschrift unter den von Ian und Dirk Bach formulierten und in den Computer geschriebenen und ausgedruckten Vorvertrag. Jost dokumentierte das Ganze mittels Digitalkamera. Die endgültige Version sollte durch unsere Anwälte innerhalb einer Woche erfolgen, etwaig anfallende Prüfungskosten würden von den Parteien selber getragen werden müssen.
Die Sektkorken knallten um Fünf. Wir alle stießen auf ein– für beide Seiten – sehr gutes Geschäft an.
Beim anschließenden Small Talk bat mich die Abteilungsleiterin, doch die Einladung für den Abend in die firmeneigene Lounge im Pepsi Center, Denver würde gegen Phoenix spielen, anzunehmen. Einige Herren der Verwaltung würden uns gerne kennen lernen wollen. Nach einer kurzen Rückfrage mit meine Mitreisenden sagte ich zu, bat mir jedoch aus, man möge uns erst, zwecks Kleidungswechsels, in das Hotel gefahren.
Die Dame in der weißen Bluse blickte mich fragend an. „Wieso wollen sie sich umziehen?“
„Auch wenn die Rangers seit 94 nicht mehr den Stanley Cup gewonnen haben, aber Hockey kann man nicht in Schlips und Kragen genießen!“ Ich lachte sie an. „Wir New Yorker sind da etwas anders.“
Das Spiel war, auch wenn Denver, die Heimmannschaft, am Ende mit zwei zu sechs gegen die Jungs aus Arizona mehr oder minder unterging, gut. Die Szenen auf dem Eis gefielen mir, aber ebenso mochte ich den Imbiss, der gereicht wurde. Besonders jedoch gefiel mir das Gespräch mit dem älteren Herren, der neben mir saß. Bei der Vorstellung hatte ich seinen Namen nicht richtig verstanden, aber wir waren eindeutig auf der gleichen Wellenlänge. Am Ende gab er mir seine Karte; ich sollte ihn, wenn ich einen neuen Job haben wollte, einfach anrufen, gute Leute und starke Verhandlungsführer könnte er immer gebrauchen. Es war Philip Frederick Anschutz persönlich, mit dem ich da die ganze Zeit geplaudert hatte.