Fire Island – Teil 3 – Grand Canyon

Zufrieden legte ich den Hörer auf die Gabel. Ich musste William Keeler Recht geben, Sarah Mariner war wirklich eine Frau der Tat und nicht der hohlen Worte. Sie hatte mir mitgeteilt, dass die Neueinmessung des künftigen Bahnbetriebsgeländes am Vormittag abgeschlossen

worden war, die katastermäßige Umschreibung wäre jetzt nur noch eine reine Formsache. Laut amtlichen Unterlagen sollten über das Gelände, das wir kaufen wollten, zwei Stichstraßen laufen, die aber bei der Ortsbesichtigung nicht zu erkennen waren. Diese öffentlichen Flächen mussten dem Grundstück erst zugeschrieben werden, bevor die Stadt das Areal in Gänze zu Geld machen konnte. Es würde aber bei Freitag bleiben, sie hätte schon alles mit der MTA in die Wege geleitet.

Für unseren Gleisanschluss musste zwar immer noch eine Lagerhalle den Schienen weichen, aber die MTA verzichtete auf den zuerst geforderten Neubau auf der anderen Straßenseite. Stattdessen sollte der Wert des Lagers durch einen Gutachter ermittelt und dieser Betrag als Kompensationszahlung überwiesen werden. Ich war sofort einverstanden, denn viel Geld war für die Instandhaltung von Gebäuden des öffentlichen Personennahverkehrs in den letzten Jahren nicht ausgegeben worden und der Schuppen war weit vor dem Vietnamkrieg gebaut worden.
Ich wollte mir gerade einen Kaffee holen, als das Telefon erneut klingelte. „Lensing.“
„Hier auch!“ Mein Gatte war am Rohr.
Ich freute mich zwar, seine Stimme zu hören, aber es war doch ungewöhnlich, dass er mich in der Firma anrief. „Engelchen! Was verschafft mir die Ehre? Hast du Sehnsucht nach mir?“
„Das auch!“ Er schien zu grinsen. „Wenn du gleich nach Hause kommst, kannst du was vom Chinesen mitbringen? Ich habe keine Lust zu kochen.“
Ich stutzte, es war Mittwoch. „Wir sind doch heute Abend bei Chester, du brauchst daher nicht selbst am Herd zu stehen und den Kochlöffel zu schwingen.“
„Leider nicht! Der hohe Vorsitzende hat gerade angerufen und abgesagt.“ Leichte Enttäuschung lag in der Stimme meines Gatten. „Jonathan fühlt sich nicht wohl und wollte zum Arzt.“
„Bei den Temperaturen auch kein Wunder! Hier gehen etliche Leute auch am Stock, der Umschwung ist wieder einmal ziemlich extrem.“ Das Thermometer zeigte zum ersten Mal in diesem Jahr über 30° Celsius. „Hast du besondere Wünsche? Ich meine, was das Essen anbelangt?“
„Eine Frühlingsrolle und die gebratenen Nudeln mit Hühnerfleisch. Die Ente war das letzte Mal nicht so besonders.“ Sein Appetit litt augenscheinlich nicht unter der Hitze.
Ich gluckste. „Alles klar! Ich beeile mich dann, sagen wir, in zwei Stunden bin ich daheim?“
„Mach zweieinhalb daraus, ich muss gleich noch einmal in die Bibliothek, meine bestellten Bücher waren heute Vormittag nicht da. Aber die Literatur brauche ich für mein Referat, das bis nächste Woche fertig sein muss.“ Er küsste mich durch Telefon.
„Hab dich lieb!“ Auch ich schmatzte in den Hörer. „Bis gleich dann, mein Süßer!“
Es wurden dann doch drei Stunden, ehe ich die heimische Haustür aufschließen konnte. Wir hatten die Pläne aus der Planungsabteilung der MTA bekommen und Lee und ich vergaßen beim Studium derselben schlicht und einfach die Zeit. Dad wollte so schnell wie möglich eine Kostenschätzung, wir würden etliche Überstunden machen müssen, um das bis nächste Woche zu erledigen. Ich würde mich wohl am Wochenende für einige Stunden an den Rechner verabschieden müssen, während die anderen den Strand und andere Annehmlichkeiten genießen würden.
Als wir das chinesische Mahl genossen, rief Eric an. Er schien ziemlich fertig zu sein, weder Jost noch ich konnten mit seinem anfänglichen Gestammel viel anfangen. Es dauerte etwas, aber dann lüftete sich das Dunkel: Ian lag im Krankenhaus, ein Stromschlag hatte ihn zu Boden geworfen.
Die Handwerker hätten das Gästezimmer endlich fertig gestellt und die beiden wollten sich an die Inneneinrichtung machen. Mein Cousin hatte Designerlampen erstanden, aber bei Erics Höhenangst war der ehemalige Footballer lieber auf die Leiter gestiegen, um den Leuchtkörper an der Decke zu befestigen. Unser Buchhalter würde es überleben, aber durch den Stromschlag wäre sein Herz etwas außer Takt geraten; die Ärzte wollten ihn, zur Sicherheit, die nächsten Tage beobachten. Ab Montag würde er aber wieder ins Büro kommen.
Das waren ja tolle Nachrichten, aber mit Herzangelegenheiten ist nicht zu spaßen. Ich versuchte, den angehenden Studenten, der ehemalige Kellner wollte sich im Herbst wieder einschreiben und nun endlich sein Chemiestudium beenden, zu beruhigen, aber so richtig wollte mir das nicht gelingen.
Jost blickte mich fassungslos an. „Sollen wir die Pines für das Wochenende nicht besser absagen?“
„Wieso sollten wir? Ob ich nun hier im Büro über den Plänen sitze oder dort auf der Terrasse, ist Jacke wie Hose. Außerdem …“ Ich war etwas verwundert. „… steht der Termin schon lange fest.“
„Jonathan geht es nicht gut und Ian liegt mit Herzrhythmusstörungen im Krankenhaus. Ich glaube nicht, dass Chester und Eric am Freitag fahren wollen.“ Er stocherte mit den Stäbchen in den Nudeln.
„Schatz, bis Freitag fließt noch viel Wasser den Hudson runter, …“ Ich versuchte, ein Lächeln auf meine Lippen zu legen. „… außerdem haben wir den Termin mit dem Architekten, wir müssen also sowieso hin. Der Typ kann sich ja schlecht selber ins Haus lassen.“
„Stimmt, aber …“ Er blickte mich über den Rand der Pappschachtel an.
„Nichts aber! Wir werden schon den Großteil des Sommers auf einer Baustelle verbringen müssen, können wir jetzt noch einmal die Ruhe genießen, ganz ohne Baulärm.“ Ich trank einen Schluck.
Mein Engel grübelte. „Dann sollen wir also alleine in das große Haus fahren?“
„Ich habe keine Angst, mit dir …“ Ich grinste ihn frech an. „… ein intimes Wochenende zu verbringen. Nur du und ich und das Plätschern der Wellen, eine leichte Brise vom Meer …“
„Du alter Romantiker! Aber wir zwei so alleine in dem großen Haus? Wir könnten doch auch Lee und Steven einladen, die beiden würden sich sicherlich freuen. Du spielst doch lieber zusammen mit Lee mit der Eisenbahn als alleine, oder?“ Seine Laune hatte sich eindeutig gebessert.
„Du scheinst ja echt einen Narren an dem Lehrer gefressen zu haben. Lee und ich sollen also am Wochenende arbeiten und du lädst dir einen heißen Feger zur Privatunterhaltung ein.“ Ich kniff ihm ein Auge zu. „Wenn ich dich nicht besser kennen würde, würde ich mir Sorgen machen.“
Mein Schatz verdrehte die Augen. „Steven kann mir bei meinem Referat helfen, es geht ja um die interkulturelle Semantik und bei den ganzen Sprachen, die er spricht? Außerdem … hast du nicht die Blicke gesehen, die er und Lee miteinander ausgetauscht haben? Wenn sie nicht schon nackt in der Sauna gesessen hätten, man hätte meinen können, sie hätten sich gegenseitig ausgezogen.“
„Engelchen! Ich sage nicht, dass keine Spannung in der Luft lag.“ Ich lachte meinen Gatten an. „Gib es doch einfach zu, du willst doch nur wieder einmal Kuppler spielen. Aber was machen wir mit Juan? Der ist schließlich auch noch da und du vergisst, wie … äh … eng die beiden in der zweiten Pause auf dem Sofa nebeneinander oder besser aufeinander saßen?“
Ein leichtes Grummeln lag in der Stimme meines Engels. „Gut, die beiden sind miteinander in den Clinch gegangen und Juan ist mit ihm über die Couch gerobbt, aber … was blieb ihnen denn auch anderes übrig? Du stecktest in Lee und der in mir. Hätte Steven sich noch auf mich gesetzt, du … wärst dann mit Sicherheit zusammengebrochen.“
„Du bist so fürsorglich zu mir! Ich weiß, warum ich dich liebe!“ Ich hatte Mühe, ernst zu bleiben.
Der angehende Journalist lachte. „So bin ich doch immer! Aber wie gut, dass Juan arbeiten muss und somit ausfällt. Wenn er mitfahren würde, hätten wir ein kleines Platzproblem.“
„Wieso das denn? Vorhin waren wir zwei noch alleine im Haus und jetzt muss es wegen Überfüllung plötzlich geschlossen werden?“ Ich war mehr als erstaunt ob dieser Besuchermassen.
„Schatz! Das Haus hat vier Schlafzimmern, der Masterbedroom gehört im Moment ja noch Chester, ein Doppelbett für Eric und Ian, eins für uns, es bleibt also nur ein freies Gästezimmer.“ Die Logik war einleuchtend. „Wo sollten wir Juan also unterbringen? Auf der Couch oder auf einer Liege am Pool?“
„Schon gut! Ich gebe mich geschlagen, du hast Recht.“ Ich erhob mich.
Jost blickte mich fragend an. „Was machst du jetzt?“
„Ich werde jetzt telefonieren! Damit du die beiden am Wochenende verkuppeln kannst, müssen sie ja erst einmal eingeladen werden.“ Ich streichelte ihm über die Wange und suchte das Telefon.
Lee nahm sofort mit Begeisterung an, Steven schien sich auch zu freuen, aber sein zweiter Satz galt bereits den Fahrtkosten. Er, der autolose Mann aus der Provinz, war ja auf die Mitfahrzentrale oder die Bahn angewiesen. Es kostete mich einiges an Überzeugungskraft, aber es gelang mir dann doch, ihn zum Kommen zu bewegen. Mein Engel würde sich etwas mit der Fahrproblematik einfallen lassen müssen, wenn sein Plan aufgehen sollte. Aber das war ja, Gott sei Dank, nicht mein Problem.
Ian lag im Brooklyn Hospital Center an der DeKalb Avenue, dem ältesten Krankenhaus des Stadtteils. Ich musste erst warten, als ich ihn am nächsten Nachmittag besuchte, ich geriet mitten in die Visite. Man darf sich nicht wundern, dass der Tross von Ärzten so spät kam, der Gesundungstempel dient als Lehrkrankenhaus und die angehenden Halbgötter in Weiß waren, wie ich später erfuhr, in zwei Schichten eingeteilt: Ich platzte in die Spätvisite.
Ich hatte mich zuerst erschrocken, als ich die ganzen Geräte sah, die um sein Bett gruppiert waren, aber die meisten wurden nicht mehr gebraucht, wie der Geliebte meines Cousins mir mitteilte. Die angehenden Mediziner hatten die Langzeitbeobachtung eingestellt und machten sich jetzt wohl an die Auswertung der gesammelten Daten. Putzmunter sah der ehemalige Footballer zwar nicht aus, aber, nach eigenen Angaben, ging es ihm wieder besser.
„Was machst du eigentlich für Sachen?“ Ich versuchte, ein freundliches Gesicht zu machen. „Hat man dir nicht gesagt, dass man den Strom abstellt, bevor man Lampen aufhängt?“
„Haha, du Scherzkeks! Das habe ich ja auch gemacht.“ Er gab schon wieder Widerworte.
Ich stutzte. „Und wie kam es dann zum Stromschlag?“
„Frag mich bitte etwas Leichteres!“ Er ballte die Faust. „Ich war am Sicherungskasten, habe den Schalter umgelegt und bin dann erst auf die Leiter. Danach lag ich auch schon wieder auf dem Boden und wach wurde ich hier. Die einzige Erklärung, die ich habe, ist die, dass der Elektriker die Sicherung falsch beschriftet hat.“
„Ich würde ihm die Krankenhauskosten von der Rechnung abziehen.“ Ich grinste.
Ian blickte mich belustigt an. „Gute Idee, aber offiziell hat er sein Werk ja noch nicht beendet, von daher ist das Prozessrisiko ziemlich hoch. Eric konnte es mal wieder nicht abwarten, er will wohl so schnell wie möglich in seine eigenen vier Wände.“
Ich musste grinsen, aber diese zeitliche Verzögerung hatte sich mein lieber Cousin eindeutig selber zuzuschreiben. Die Sache mit dem Tausch, Haus gegen Apartment, dauerte nur eine Woche, dann war alles in trockenen Tüchern. Das Haus war frisch renoviert, stand leer, war zum Einzug bereit. Zwar war es etwas anstrengend, während des allgemeinen Weihnachtsstresses noch einen Umzug zu organisieren, aber wozu gibt es Firmen, die auf solche Angelegenheiten spezialisiert sind? Zwei Wochen vor unserem Abflug nach Deutschland konnten wir die erste Nacht in unserem neuen Schlafzimmer in der 113.ten Straße verbringen.
Dass es bei Eric länger dauern würde, war von Anfang an klar: Er musste ja erstmal Eigentümer der zwei anderen Apartments werden, ehe er den Umbau der gesamten Etage in Angriff nehmen konnte. Durch einen kleinen Trick, Anwälte können durchaus auch mal nützlich, gelang es ihm schließlich. Sein Rechtsbeistand drohte dem Insolvenzverwalter, der die Modelagentur im Auftrag des Gerichts abwickelte, mit Klage zum Nachteil der Gläubiger. Der Gute musste daher das von ihm gepackte Immobilienpaket wieder aufschnüren und Wohnungen und Büros einzeln veräußern, Ende Februar konnten die Unterschriften erst unter den Kaufvertrag gesetzt werden.
Anstatt sich aber vorher schon Gedanken über das künftige Aussehen seiner Wohnung zu machen, beauftragte der ehemalige Kellner erst nach Erhalt der Schlüssel eine Architektin mit der Erstellung der Pläne und notwendigen Unterlagen. Die Dame arbeitete hierbei zwar schnell und effektiv, aber Wunder konnte sie nicht vollbringen. Auch schien sie bei der Durchführung der Arbeiten leichte Koordinierungsschwierigkeiten zu haben: Es bringt nicht viel, den Maler zu beauftragen, die Wände zu tapezieren, wenn der Maurer die entsprechende Raumbegrenzung noch nicht gezogen hat.
Das andere Problem waren Erics spezielle Wünsche die Einrichtung betreffend. Zwar sind Küchen aus Deutschland in den USA der Renner, aber diese haben nun einmal eine gewisse Lieferzeit. Auch muss man etwas Zeit in die Suche investieren, will man ein Designerbad von Hoesch zu Discountpreisen von Home Depot. Gardinen kann man zwar auch bei Wal-Mart kaufen, aber ob die dann auch zum im Altdeutschen-Verband verlegten Ahornparkett passen, wage ich einmal zu bezweifeln.
„Er will ja Einweihung und Geburtstag zusammen feiern, bis Juli hat er also Zeit.“ Ich grinste ihn an.
Der Buchhalter lachte zurück. „Fragt sich nur, welches Jahr er meinte. Die Tante, die er engagiert hat, scheint mit der Bauausführung mehr als überfordert zu sein. Der Fliesenleger war schon dreimal da, kann aber nicht mit seiner Arbeit beginnen, da die Rohre noch nicht verlegt sind, denn der Klempner, den sie angeheuert hat, lässt sich einfach nicht blicken. Ich kann nur hoffen, dass Chester bessere Leute an der Hand hat, wenn er sich seinen Alterssitz baut.“
„Das denke ich mal, denn wie ich Mr. Miles kenne, überlässt er nichts dem Zufall.“ Ich blickte ihn an. „Den Architekten werde ich ja morgen kennen lernen, wir sind um sieben vor dem Haus verabredet.“
„Ich würde ja liebend gerne mitfahren, aber die Ärzte lassen mich leider nicht. Wenn ich Glück habe, kann ich Samstag das Krankenhaus wieder verlassen.“ Er wirkte missmutig.
Ich legte Mitgefühl in meine Stimme. „Ich will mal hoffen, dass du am Montag wieder brav an deinem Schreibtisch sitzt, denn ich habe keine Lust, jetzt auch noch in der Buchhaltung einzuspringen. Es reicht mir vollkommen, wenn ich mich um Dads dämlichen Zug kümmern muss.“
„Was ist denn so schwer daran? Es sind doch nur ein paar Eisenbahnwagen und ein paar Schienen, die verlegt werden müssen. Außerdem … hast du dir ja Lee als Experten geholt, der wird dir schon unter die Arme greifen.“ Für sein breites Grinsen hätte ich ihn schlagen können.
„Kann es sein, dass du neidisch auf meinen Assistenten bist? Weil ich einen habe und du nicht?“ Ich funkelte ihn an. „Kommt jedenfalls so rüber.“
Er winkte ab. „Wieso sollte ich? Buchhaltung ist für Teamarbeit eh nicht so gut geeignet, denn wenn zwei Mann gemeinsam über den Zahlen sitzen, ist das Chaos schon vorher vorprogrammiert.“
„Aber wieso treten Buchprüfer dann meistens als Duo auf?“ Ich blickte ihn fragend an.
„Um ihre Ergebnisse später gegenseitig zu überprüfen oder den Fehler im ursprünglichen Zahlenwerk zu finden, da sind vier Augen nämlich besser als zwei.“ Ian grinste. „Du machst es ja genauso und überprüfst alles, was Lee macht, selbst die Bestellung von Informationsmaterial zeigt er dir.“
Meine Verwunderung war groß. „Das hat nichts mit dem Vieraugenprinzip zu tun. Lee hat bis jetzt nicht in der Verwaltung gearbeitet, er … muss sich erst an die Arbeitsweise gewöhnen.“
„Wäre es da nicht besser gewesen, einen richtigen Experten anzustellen?“ Ian rieb sich die Nase.
„Er ist der richtige Mann! Nur weil seine Briefe bis jetzt noch etwas holperig sind, …“ Wieso reagierte ich verletzt? „… heißt das noch lange nicht, dass er seine Sache nicht gut macht. Er ist handwerklich sehr begabt, kennt sich mit Metall und Holz aus, hat in Zügen gearbeitet und Ahnung von der ganzen Eisenbahnmaterie wie kein anderer in der Firma. Man kann halt nicht alles haben, jedenfalls nicht zu dem Kurs, zu dem ich ihn eingekauft habe. Schon mal was von Kosten-Nutzen-Analyse gehört?“
Der Zahlenverdreher lachte. „Ok, der Punkt geht an dich. Ich kenn ihn ja noch nicht persönlich. Er ist mir bis jetzt ja nur ein paar Mal in der Firma über den Weg gelaufen, aber … er scheint nett zu sein.“
„Ist er auch! Und, er murrt nicht, wenn er auch am Wochenende arbeiten muss. Wir werden wohl etliche Stunden über den Entwürfen hocken. Die MTA hat die Vorschläge fertig, die wir bis nächste Woche noch durchgehen müssen.“ Die Wahrscheinlichkeit, dass wir das im Adamskostüm machen würden, war ziemlich hoch.
„Wie? Er fährt mit?“ Ian kriegte große Augen.
Ich nickte. „Jost und ich wären ansonsten ja alleine. Von daher machen wir ein Arbeitswochenende auf Fire Island. Lee und ich spielen Eisenbahn und Steven hilft Jost bei einem Referat über Semantik.“
„Wie? Ihr wärt alleine? Was ist mit Chester und Jonathan?“ Der ehemalige Footballer blickte mich fragend an. „Wir wollten doch zusammen das Wochenende verbringen.“
Ich neigte meinen Kopf zur Seite und blickte auf den Bademantelträger. „Das weißt du ja noch gar nicht: Jonathan hatte gestern im Büro einen kleinen Schwächeanfall, vermutlich die Hitze. Ich habe vorhin noch mit Chester telefoniert, der Arzt hat dem Dekan absolute Ruhe verordnet.“
„Mir ging es gestern auch nicht so toll. Wann wollt ihr denn los?“ Neugier lag in seiner Stimme.
Meine Nase juckte. „Irgendwann am Nachmittag, mittags geht es erst einmal in die Madison Avenue zur Zentrale der MTA. Dort werden der Kaufvertrag mit der Stadt und das Kooperationsabkommen mit der LIRR und Metro North unterschrieben, Fototermin und kleiner Imbiss inbegriffen.“ Ich nieste.
„Gesundheit!“ Ian lachte. „Ist also großer Bahnhof angesagt.“
Ich schnäuzte mich. „Ganz großer Bahnhof sogar! Bürgermeister Bloomberg höchstselbst hat sich angekündigt, Jay Walder, der Chef der MTA, Helena Williams, die Präsidentin der LIRR und ein Howard Permut von der Metro North.“
„Die ganze Hautevolee kommt also. Das kann ja dauern.“ Ian lachte. „Hoffentlich kommt ihr noch rechtzeitig zur Fähre, wir haben ja noch Vorsaison.“
„Keine Angst! Nach der Unterzeichnung gehe ich zu Chester und leihe mir seinen Wagen. Mit seiner Sondergenehmigung sind wir unabhängig von irgendwelchen Abfahrtszeiten und außerdem müssen die Lebensmittel dann auch nicht ins Handgepäck.“ Ich grinste ihn frech an.
Zusammen mit unserem chinesischen Eisenbahnfreund ging ich die knappe Meile von der Madison Avenue zu Chester per pedes. Allerdings war der Hausherr der Beekman Plaza 17 nicht anwesend, Simmons, Fahrer, Butler und Kammerdiener in einer Person, öffnete die Tür. Er war zwar über unser Kommen informiert, aber er schien nicht gerade glücklich darüber zu sein, dass sein Arbeitgeber mir seinen S600 leihweise zur Verfügung stellte.
Der hohe Vorsitzende weilte am Krankenbett von Jonathan, dem es immer noch nicht besser ging. Was genau dem stellvertretenden Dekan fehlte, konnte oder wollte Simmons uns nicht berichten. Ich würde wohl im Laufe des Wochenendes mit meinem Quasi-Opa telefonieren müssen. Die Übergabe des Wagens dauerte keine zehn Minuten, die meiste Zeit beanspruchte dabei die Einstellung des Fahrersitzes auf meine Größe und die Kurzeinweisung ins Navigationssystem, die war bei dem großen Daimler eben nicht so einfach wie bei meinem kleinen Saturn Astra.
Wir parkten vor unserem Haus und luden Gepäck und Vorräte in den Kofferraum. Lee hatte sein Reisetasche schon am Vorabend zu uns gebracht, direkt nach Vertragsunterzeichnung wollten wir ja losfahren. Allerdings fehlte Steven. Der Lehrer hatte sich telefonisch gemeldet und uns über die Verspätung der Bahn informiert. Es wurde dann doch 4:00pm, ehe wir starten konnten.
Der Verkehr wurde angenehmer, als wir auf den Belt Parkway in Richtung Freeport einbogen. Kurz hinter Massapequa fiel meinem Gatten ein, dass er vergessen hatte, Brot einzukaufen. Was war dann alles in den sieben Tüten Lebensmitteln, die wir im Kofferraum verstaut hatten? Wir mussten uns auf alle Fälle eine Bäckerei suchen, denn ich hatte keine Lust, mich am Wochenende mit dem Fahrrad auf dem Weg zu machen, um gebackene Cerealienprodukte käuflich zu erwerben. Der schwule Strand von New York zeichnet sich nicht gerade als Einkaufsparadies aus, die Läden hier haben eher Tante-Emma-Charakter. Die Temperaturen waren zwar schon wärmer, aber die Saison hatte offiziell noch nicht begonnen.
Um kurz nach sechs hatten wir unser Ziel endlich erreicht, ich stellte den Wagen in die Garage. Das Ausladen war schneller erledigt als das Einladen, wir hatten ja jetzt auch zwei Hände mehr dafür. Die Verteilung der Schlafplätze war kein Problem, unsere Gäste hatten augenscheinlich nichts dagegen, sich ein Zimmer zu teilen. Mit einem relativ warmen Bier, auch amerikanische Kühlschränke brauchen gewisse Zeit, um Getränke zu kühlen, stießen wir auf die kommenden Tage an.
Ich drückte meinem Liebsten einen Kuss auf die Lippen. „Schatz, kannst du bitte bei Brewster kurz vorbeischauen, ob er oder Alan da ist?“
„Aber sicher doch!“ Mein Engel lachte. „Ich habe auch keine Lust, entweder bespannt zu werden oder noch einmal in den Lauf einer Pistole blicken zu müssen. Bin in ein paar Minuten wieder da.“
Unsere Gäste schauten mich fragend an. „Keine Angst, Brewster ist unser einziger Nachbar. Als wir das erste Mal außerhalb der Saison hier waren, spielte er quasi Bürgerwehr und platzte in unsere Grillfete. Er stand mit einer Knarre plötzlich auf der Terrasse, da er meinte, wir wären Einbrecher.“
Lee grinste. „Ich dachte, hier wird nur aus anderen Kanonen geschossen.“
„Normalerweise schon, besonders im Sommer und in den Dünen zu allen Tages- und Nachtzeiten, da stolpert man manchmal sogar über die Paare, wenn man nicht richtig aufpasst.“ Ich lachte.
Steven rieb sich das Kinn. „Und euer Nachbar spannt?“
„Brewster? Nein, ganz und gar nicht. Sein Neffe Alan hat uns mal beim Sex beobachtet.“ Die Geschichte des Mannes aus den Bergen war schnell erzählt. „Aber da die Bäume im Hof mittlerweile ausgeschlagen sind, brauchen wir uns keine großen Gedanken zu machen.“
Während wir die Flaschentemperatur erneut prüften, klingelte es an der Haustür. Da Jost schon wieder mit uns am Tisch saß, konnte das nur der Architekt sein, der sich angekündigt hatte. Ich erhob mich, schlenderte zu der gläsernen Pforte und ließ die davor stehende Person herein. Ich bat den Mann, der sich als die George Stabler vorstellte, mir auf die Terrasse zu folgen.
Einen Bauingenieur hatte ich mir irgendwie anders vorgestellt, einzig die Brille, die seine graugrünen Augen einrahmten, passte in meiner Vorstellung. Er war eher breitschultrig und dürfte mehr als 200 Pfund auf die Waage bringen, aber richtig dick war er auch wieder nicht. Seine kurz geschnittenen grauen Haare, die früher wohl einmal braun gewesen sein dürften, Farbreste schimmerten durch, deuteten eine gewisse Agilität an. Er wirkte auf mich, nach der allgemeinen Vorstellungsrunde, wie ein gemütlicher Bär, wenn man das so sagen kann.
Das angebotene Bier lehnte er dankend ab, er wäre mit dem Rad unterwegs und würde daher ein Wasser bevorzugen. Aber auch hiervon trank er nicht mehr als ein halbes Glas, dann drängte er, wohl auch aufgrund des Lichtes, zu einer Geländebesichtigung. Während wir über das Areal schlenderten, machte er ein Bild nach dem anderen. Die Kamera hatte er in der rechten Hand, in seiner Linken hielt der ein Diktiergerät. Die Tour durch das Dickicht dauerte fast eine Viertelstunde.
Wir standen am Strand und schauten in Richtung Haus. „Darf ich sie gleich zum Essen einladen?“
„Das ist nett gemeint, aber es gibt zwei Dinge, die dagegen sprechen.“ Er schob sich die Brille wieder hoch. „Um Elf kommt Mary Poppins in Originalbesetzung, die Wiederholung will ich mir unbedingt ansehen, ich liebe nämlich alte Musicals.“
„Und der zweite Grund?“ Ich blickte ihn fragend an.
Der Brillenträger zuckte zusammen. „Um das aber zu schaffen, muss ich mich beeilen, ich habe ja noch knapp neun Meilen zum Parkplatz vor mir. Auch wenn ich aussehe wie ein kräftiger Sportler, ich habe leichte Probleme mit meiner Gesundheit. Wenn wir uns jetzt das Haus ansehen könnten, …“
„Ich weiß, ihr Musical ruft!“ Ich grinste ihn an und wir setzten die Fototour im Inneren fort.
Auch hier wurden beide Aufnahmegeräte mehr als gequält. Die Fragen, die er hatte, beantwortete ich, so gut ich konnte. Aber bei den Wünschen, die den Alterssitz betrafen, musste ich passen: Seine besonderen Vorstellungen hatte mir Chester diesbezüglich noch nicht mitgeteilt, ich wusste lediglich, dass die Einliegerwohnung von Simmons erhalten bleiben sollte.
Dieses Vorgehen kam mir zwar etwas unkonventionell vor, aber was soll man über die Arbeitsweise von Künstler schon groß sagen? Man kann sie nur hinnehmen und das Ergebnis entweder bestaunen oder verdammen. Auch seine Frage, was ich mir für das Haus wünschen würde, ließ mich stutzen. Erst als er eine Bibliothek als Beispiel nannte, wusste ich, auf was er hinaus wollte. Aber das Haus hatte alles, was es brauchte: Es war ja ein Wochenenddomizil und keine Dauerbehausung. Das Einzige, was mir einfiel, waren eine Sauna und eventuell ein kleiner Fitnessraum, ein Studio.
Eine Stunde, nachdem er gekommen war, verließ er uns wieder. Ich begleitete ihn zur Haustür und verabschiedete mich. Er wollte sich aber, bevor er sich an das Zeichenbrett setzen würde, noch mit Eric und auch mit Chester ins Benehmen setzen, um auch deren Vorstellungen in seinen Entwurf der Neugestaltung aufzunehmen.
Als ich zurückkam, war der Tisch schon gedeckt. „Habt ihr den Grill schon angeworfen?“
„Haben wir!“ Jost lachte mich an. „Was sagt Sir Norman Forster?“
Ich schüttelte kurz den Kopf. „Wer? Wenn du den Architekten meinst, so ganz schlau bin ich aus ihm nicht geworden. Er wollte von mir wissen, welchen neuen Raum wir noch brauchen würden.“
„Und? Was hast du gesagt? Einen Hobbyraum für die neue Modelleisenbahn?“ Mein Gatte griente. „Oder doch lieber einen Hundezwinger?“ Warum wechselte Steven seine Gesichtsfarbe?
Fast hätte ich mich an dem Stück Brot, das ich im Mund hatte, verschluckt. „Gassigehen kann man in den Dünen, da brauchen wir keinen Käfig. Ich dachte eher an Sauna und Fitness.“
Lee grinste. „So ein Käfig kann manchmal nützlich sein.“
„Habt ihr etwa allen erzählt, dass ihr mich wie einen kleinen Hund an der Leine durch euren Garten geführt …“ Der Lehrer wurde rot, wirkte verärgert. „… und mich anschließend windelweich gefickt habt? Von der anderen Sache rede ich erst gar nicht!“
„Steven, von uns hat niemand ein Wort erfahren. Gordon und ich reden nämlich nicht darüber, was wir mit anderen machen. Dafür hast du jetzt ganz alleine gesorgt.“ Jost griente das Sprachgenie an.
Die Gesichtsfarbe des Zweimetermannes wechselte erneut, diesmal wurde er bleich. „Scheiße!“
„Welche andere Sache denn?“ Unser chinesischer Freund wurde nun erst richtig neugierig.
„Da ich mich sowieso gerade zum totalen Hansel gemacht habe, …“ Der Mann aus Delaware atmete tief durch. „… kann ich das ja auch perfekt machen! Die beiden haben mich … angepisst und … ich … ich habe es genossen. So, nun ist es raus!“
„Und? Was ist jetzt so schlimm daran?“ Der Eisenbahnbeauftragte griff nach der Hand des Lehrers.
Der Wuschelkopf hatte Fragenzeichen in den Augen. „Das fragst du noch?“
„Dass Jost und Gordon auf gelbe Spiele stehen, wusste ich bis gerade auch noch nicht! Das hätten Sie mir auch früher verraten können, denn ab und an … aber egal.“ Lee trank einen Schluck. „Wie kam es denn zu diesem Spiel? Es ist ja nicht das, was man normalerweise so macht?“
„Es ging um unausgesprochene Sehnsüchte und Wünsche, also, was man mal auf sexuellem Gebiet erleben möchte.“ Der Lehrer wirkte verschüchtert, aber auch irgendwie erleichtert.
Jost hob die Hand. „Wobei man sagen muss, dass der Ausgangspunkt ein vollkommen anderer war.“
„Und wo lag der?“ War jetzt Lee der angehende Reporter?
Ich rieb mir grinsend das Kinn. „Wir sprachen über Paare und die notwendige Kommunikation, dass man immer an einer Beziehung arbeiten muss. Es bringt weder einem selber etwas noch treibt es die Beziehung voran, wenn man seine Wünsche nicht äußert und damit hinter dem Berg hält.“
„Also so wie Jost und du? Aber …“ Der chinesische Eisenbahner grinste frech. „… du vergisst das Eine: Ihr führt keine amerikanische Beziehung, ihr redet miteinander und nicht mit dem Psychiater!“
Jost zuckte mit den Achseln. „Das stimmt, aber ich verstehe sowieso nicht, warum man hier eher mit einem Fremden redet und dafür auch noch sehr viel Geld bezahlt, als mit dem Liebsten die Probleme offen und ehrlich zu besprechen?“
„Offenheit ist halt keine amerikanische Tugend. Leider!“ Die 185 Zentimeter des Asiaten erhoben sich, steuerten den Grill an und begannen, das Bratgut zu wenden. „Aber Steven, du kannst dich doch eigentlich freuen, die beiden haben dir deinen Wunsch erfüllt und es hört sich so an, als ob du dabei deinen Spaß gehabt hast.“
„Stimmt, ich habe es sehr genossen! Sowohl das Anleinen an sich als die Wasserspiele danach. Aber das ist ja gerade mein Problem.“ Er füllte sich reichlich Salat auf den Teller.
Lee hob die Grillzange. „Das verstehe ich jetzt nicht so ganz! Wo sind jetzt deine Schwierigkeiten?“
„Es ist jetzt keine Fantasie mehr, mein Wunsch ist Realität geworden.“ Steven nahm die Brille ab und rieb sich seine Augen. „Dadurch, dass es mir gefallen hat, will jetzt einfach mehr!“
„Du hast etwas Neues ausprobiert und Gefallen daran gefunden. Dass du deine Erfahrungen nun intensivieren möchtest, ist nur normal!“ Der Eisenbahner fuhr mit seinem Wendungswerk fort.
„Steven, was meinst du, wie ich mich nach meinem ersten Dreier gefühlt habe? Ich war einfach nur hin und weg und wollte auch mehr, und das sofort! Aber du darfst nicht vergessen, es war nur eine Fantasie, die in Erfüllung ging, nicht mehr.“ Jost blickte den Lehrer an.
Erstaunen lag im Gesicht des Lehrers. „Wie meinst du das denn jetzt?“
„Auch wenn dir das Grünzeug auf den Teller schmeckt, du wirst auf das Fleisch zum Grillen nicht verzichten wollen. Du kannst zwar jetzt öfter Salat essen, aber deshalb musste noch lange nicht zum Vegetarier mutieren.“ Ich lachte ihn an. „Es hat mir unheimlich viel Spaß gemacht, dich in unserem Garten herumzuführen und ich kann mir durchaus auch vorstellen, gleich mit dir an der Leine eine Runde am Strand zu drehen, aber mehr? Bitte tue mir das nicht an! Ich mag den Steven, den ich kenne, ich mag seinen Schwanz, seinen Arsch, seine glatte Brust, seinen ganzen Körper, sein ganzes Wesen. Wenn du aber ganz auf Hund machst? Sorry, ich glaube nicht, dass ich dann für dich noch einmal die Beine breitmachen kann, denn Sex mit Tieren? Ein Ding der Unmöglichkeit!“
Der Eisenbahner am Grill grinste frech. „Sagen wir einmal, dein Gatte hätte den gleichen Wunsch. Wo würdest du dann die Grenze ziehen? Was würdest du mitmachen und was ablehnen?“
„Wieso muss gerade ich jetzt als Beispiel dienen?“ Mein Engel grummelte leicht.
Lee lachte. „Weil das Statement gerade von Gordon kam und außer euch kein Paar anwesend ist.“
„Mein Schatz also in Stevens Rolle? Lass mich überlegen.“ Ich trank einen Schluck. „Die ganze Aktion, die wir in unserem Garten veranstaltet haben, damit habe ich keine Probleme, denn das habe ich ja schon gemacht. Wo ich aber Schwierigkeiten kriegen könnte, wäre, wenn er das Spiel übertrieben würde, wenn … wenn er dabei eine Maske tragen und sich einen Plug mit einer Rute daran in den Arsch schieben würde.“
„So etwas gibt es?“ Unglauben lag in der Stimme des Lehrers.
Ich zuckte mit den Schultern. „Ich habe so etwas mal mit einem Pferdeschweif gesehen. Warum soll es so etwas nicht auch für Hunde geben? Ich will meinen Liebsten noch als den Menschen erkennen, der er tatsächlich auch ist. Es mag zwar sein, dass er in dem Moment in der Rolle ganz aufgeht, aber für mich bleibt er der Mann, den ich liebe. Wenn er aber sein Äußeres seinem vermeintlich Inneren angleicht, dann spiele ich nicht mehr mit, denn dann ist für mich die Grenze von einer sexuellen Fantasie hin zu einer krankhaften Manie überschritten.“
Lee kam auf mich zu und küsste mich. „Du nimmst mir die Worte aus dem Mund!“
„Solange du es als Spiel erkennen kannst, ist es für dich völlig in Ordnung?“ Der Lehrer setzte sich seine Brille wieder auf. „Aber wenn er gerne eine Maske dabei tragen würde? Wenn die für ihn zum Spiel dazugehört? Was würdest du dann machen?“
Mein Engel legte das Brot, das er in der Hand hielt, beiseite „Er würde mir wohl zu einem anderen Spielpartner raten, aber … das kann ich ihm nicht verdenken. Hätte mein Schatz eine Sklavenfantasie, könnte ich ihn anketten oder ans Andreaskreuz binden, ich kann ihn mit dem Ledergürtel traktieren, ihn mit Wachs bearbeiten, in einen Käfig sperren, all das ist möglich und machbar. Aber ich muss ihm kein Brandzeichen auf seinen Hintern brennen, um die Rolle zu verdeutlichen.“
„Das meintest du also gerade!“ Der Lehrer rieb sich die Nase. „Solange es Fantasie bleibt, ist es in Ordnung, wird es aber mehr, kommt es zu Problemen?“
Jost zog die Augenbrauen hoch. „Du verdrehst den Sinn meiner Worte! Es gibt nicht nur Schwarz und Weiß! Wäre Gordon rein devot veranlagt, würde in der Rolle des Sklaven aufgehen, dann wäre er stolz auf das Brandzeichen, das ihn als Sklave und mich als seinen Master ausweist und ich wäre stolz, dass er es trägt. Aber dann hätten wir die Grenze der Fantasie schon längst überschritten.“
„Aber was würdest du machen, wenn er seine Fantasien ausbauen möchte?“ Steven blieb hartnäckig.
Mein Engel blinzelte ihn an. „Dann würde ich mit ihm gemeinsam die neuen Grenzen erkunden, denn ich weiß genau, am Ende des Spiels ist er wieder ganz der alte Gordon, den ich schätze und liebe.“
„Aber ich verstehe immer noch nicht, was nun genau gegen eine Maske bei dem Spiel sprechen soll?“ Der Mann aus Wilmington presste die Lippen aufeinander.
„Die äußeren Umstände!“ Lee verteilte die Hühnerbrüste, die auf dem Grill lagen. „Wenn du auf einen Maskenball gehst, dann ist das normal, dann gehört dazu, dass jeder eine Augenbinde trägt. Du aber möchtest die Maskerade auf ein eher privates Moment übertragen.“
Ich atmete hörbar ein. „Steven, du bist schon lange am Ziel, während wir anderen gerade den Start gerade erst verlassen haben. Wenn das Seelenheil meines Gatten vom Tragen der Maske abhängen würde, dann würde ich, weil ich ihn liebe, dass mitmachen. Aber er würde genau wissen, dass ich es nur ihm zuliebe mache und nicht aus eigenem Antrieb heraus, weil es mir Spaß macht. Aber bisher reden wir noch von Fantasien und nicht von Lebenseinstellungen.“
„Wo ist denn da der Unterschied?“ Der Lehrer wirkte bockig.
Jost lachte. „Mal wäre ich gerne der Sklave meines Mannes, dann gibt es Zeiten, wo ich gerne die Peitsche in der Hand hätte. Es sind sexuelle Wünsche und keine Realitäten.“
Man sah, dass im Gehirn des Lehrers ununterbrochen arbeitete. Nach zwei Happen der ehemaligen Legehenne blickte er auf und grinste in die Runde. „Und was sind eure Fantasien?“

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„Ich möchte mal im Flieger …“ Unser chinesischer Freund grinste.
Ein Lächeln legte sich auf mein Gesicht. „Du musst nur aufpassen, dass die Maschine relativ leer ist und ihr durch keine Turbulenzen fliegt; das könnte leicht unangenehm werden.“
„Hast du das etwa schon gemacht?“ Lee schaute mich fragend an. „Mit Jost?“
Ich schüttelte den Kopf. „Nein, mein Schatz war es nicht, der mir auf dem einem Quadratmeter Gesellschaft geleistet hat. Es war vor seiner Zeit, auf dem Rückflug von Milwaukee, eigentlich wollten Ian und ich uns vergnügen, aber unser Buchhalter zog es dann vor, lieber rückwärts zu frühstücken.“
„Und mit wem hast du denn?“ Auch der Lehrer war anscheinend neugierig.
Mein Grinsen wurde breiter. „Mit dem Flugbegleiter, war allerdings nur eine Sache von Minuten.“
„Wegen der Turbulenzen!“ Der Herr der Züge lachte. „Ist schon klar!“
„Und Jost? Von was träumst du?“ Der Wuschelkopf blickte meinen Gatten an.
Mein Schatz zuckte zusammen. „Ich möchte mal eine Geschichte nachspielen, die ich im Netz gelesen habe. Ist von einem deutschen Autor, der auch eine eigene Webseite hat.“
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„Und welche ist das?“ Die Frage kam von unserem chinesischen Freund.
„Es sind die Rastplatzgeschichten von einem gewissen DariusvB, geht in den SM-Bereich …“ Mein Gatte lächelte verklärt. „… und der Hauptdarsteller heißt auch Jost.“
Innerlich machte ich mir eine Notiz, die Story kannte ich nämlich noch nicht. „Aha, mein Engel hat also verbotene Gedanken, aber wir können uns ja gleich mal deine Wünsche näher betrachten, das Haus verfügt ja über Internet. Da ist mein Wunsch ja relativ harmlos!“
„Was schwebt dir denn vor?“ Lee trank einen Schluck.
Ich zeigte meine Zähne. „Ich möchte mir in einem Cabrio einen blasen lassen!“
„Wie langweilig! Ich dachte, jetzt kommt was Ausgefallenes.“ Der Eisenbahner setzte sein Glas ab.
Mein Engel grinste mich frech an. „Vorsichtig! Wie ich Gordon kenne, kommt da noch ein Nachsatz.“
„Stimmt!“ Mein Gatte wusste nur zu gut, wie ich ticke. „Ich möchte auf der Golden Gate in den Sonnenuntergang fahren, Mozarts ‚Kleine Nachtmusik‘ hören und dabei soll Jost mir einen nuckeln.“
„Ist es nicht gefährlich, sich beim Fahren einen abkauen zu lassen?“ Lee schien vorsichtig zu sein.
Ich zuckte mit den Schultern. „Wer sagt denn, dass ich am Steuer sitzen werde?“
Das weitere Essen verlief harmonisch und in ziemlich lockerer Atmosphäre. Nach dem karibischen Huhn gab es noch einmal das gleiche Fleisch, diesmal allerdings auf Szechuanart. Erst danach kamen Burger und Würstchen auf den auf den Grill und dann auf Teller. Ich war mehr als pappsatt, als wir gegen zehn das Mahl beendeten.
Der Tisch wurde abgeräumt, der Geschirrspüler beladen, das Fleisch für den nächsten Tag eingelegt. Nach Abschluss dieser hausfraulichen Aktivitäten gönnten wir uns, noch im Küchenbereich stehend, eine Gerstenkaltschale und beratschlagen, was wir mit dem Rest des Abends machen sollten. Lees Vorschlag, sich jetzt noch über die Pläne zu setzen, wurde einhellig verworfen. Auch die Idee, am Strand entlang einen Spaziergang nach Cherry Grove zu machen, stieß auf wenig Gegenliebe; die Brise, die vom Atlantik herüber wehte, war in der letzten halben Stunde leicht aufgefrischt.
„Wie wäre es, wenn wir etwas spielen würden?“ Lee blickte fragend in die Runde.
Steven zuckte mit den Schultern. „Von mir aus gerne, solange es nichts mit ‚Flaschendrehen‘ oder ‚Wahrheit oder Pflicht’ zu tun hat. Aus dem Alter sind wir ja wohl raus, oder?“
„Dann bitte auch Texas Hold’em auf die Negativliste.“ Seit wann spielte mein Gatte Poker?
Ich ging ins Wohnzimmer, öffnete einen der Schränke. „Für vier Leute kann ich anbieten: Karten, Monopoly, Clue, Trivial Persuit, Dominosteine, Homogenius und eine alte Spielesammlung.“
„Was ist dieses Homogenius?“ Jost blickte mich fragend an. „Clue dürfte doch Cluedo sein?“
„Stimmt! Homogenius ist die schwule Antwort auf Trivial Persuit.“ Ich blinzelte ihn an.
Lee kam auf mich zu. „Welche Version denn von TP?“
„Die sechziger Jahre!“ Ich lachte. „Also weit vor unserer Zeit.“
Der Eisenbahner zog einen Flunsch. „Bringt also nichts! Was ist denn in der Spielesammlung?“
„Schaue er selber nach!“ Ich reichte ihm die Kiste.
Lee schien fündig geworden zu sein. „Wie wäre es mit einer Runde Ludo?“
„Keine schlechte Idee!“ Ich schaute auf meinen Gemahl, der große Fragezeichen in den Augen hatte. „Die hiesige Form von ‚Mensch ärgere dich nicht‘, mein Engel.“
Mit einem neuen Bier und der Spielesammlung verzogen wir uns wieder auf die Terrasse. Zwei Windlichter sorgten für eine ausreichende Beleuchtung des Pappkartons. ‚Ludo‘ konnte starten. Der einzige Unterschied zu dem Spiel aus Deutschland liegt in der Gestaltung des Spielfeldes.
In einigen Nachschlagewerken wird jedoch das Spiel ‚Sorry!‘ als US-Variante des 1907 in München erfundenen Spiels genannt, eine Verwechslung, die wohl auf dem Namen beruht. Beide haben einen gemeinsamen indischen Ursprung, beides sind Brettspiele und in beiden muss man seine Figuren nach ‚Hause‘ bringen, aber einmal ist es der Würfel, in der anderen Form sind es die Karten, die Anzahl der zu rückenden Felder bestimmen. Auch die anderen Regeln unterscheiden sich erheblich.
Es schien, als hätte der Mann aus Delaware das Glück gepachtet. Während wir anderen mit einer oder maximal zwei Figuren auf dem Spielfeld herumkrebsten, hatte er schon zwei Puppen sicher in seinem Haus untergebracht. Das Grinsen des Lehrers wurde immer breiter, als er mich zum x-ten Male des Feldes verwies: Es war zum Mäusemelken!
„Hättet ihr für jeden Rauswurf auch noch ein Kleidungsstück ablegen müssen, ihr würdet ihr jetzt alle schon längst nackt vor mir sitzen.“ Seine Mundwinkel gingen nach oben.
„Das hättest du wohl gerne!“ Lee leerte grinsend seine Flasche. „Aber … so schlimm finde ich diese Änderung nun auch wieder nicht.“
„Wir können ja die Regeln insgesamt erweitern! Wir führen das Rückwärtsschmeißen ein, um mehr Möglichkeiten zu haben.“ Mein Gatte lächelte verschmitzt.
Steven stutzte. „Was ist das denn?“
„Schau doch mal aufs Spielbrett. Würfel ich in der nächsten Runde eine Vier, kann ich die Figur von Lee schlagen, da sie vor mir steht.“ Jost deutete auf die Konstellation. „Kriege ich aber eine Zwei, fliegt die gelbe Puppe von Gordon raus, obwohl sie hinter mir steht.“
Das Sprachgenie gluckste. „Einverstanden!“
„Was ist mit euch?“ Jost blickte erst den Eisenbahner und dann mich an.
Ich zuckte mit den Schultern. „Von mir aus.“
„Alles klar! Dann ab jetzt mit verschärften Regeln.“ Der Chinese leckte sich die Lippen. „Aber was machen wir, wenn jemand nackt ist und dann geschmissen wird?“
Mein Engel schien nachzudenken. „Dann kriegt er eine Aufgabe, die er zu erledigen hat.“
„Damit kann ich leben!“ Ich lachte in die Runde.
Der Lehrer grinste. „Ihr schneidet euch ja ins eigene Fleisch, ich bin einverstanden.“
„Na, dann freut euch schon mal auf leichte Sklavendienste.“ Der Eisenbahner grinste diabolisch.
Lee musste zwar als Erster sein T-Shirt ausziehen, aber dank der neuen Entfernungsmöglichkeiten war Steven es, der am meisten unter der Regeländerung zu leiden hat. Nach sechs Würfelrunden saß er nur noch in seiner Boxer am Tisch. Seinem Gesichtsausdruck war zu entnehmen, dass er vorhin doch nicht so stark hätte auftragen sollen. Aber, wie heißt es doch so schön? Wer die Götter herausfordert, der bekommt von ihnen, was er verdient.
Als Lee ihm dann mit einer Fünf den Todesstoß versetzte, war das Gegröle groß. Der Lehrer erhob sich zu seiner vollen Größe von fast zwei Metern und entledigte sich unter Pfiffen des Stücks Stoffes, das sich um seine Hüften spannte. Einsatzbereitschaft zeigte das ansehnliche Anhängsel des Mannes aus Wilmington zwar nicht, aber es bot doch einen netten Anblick.
Als er sich setzte, fuhr er sich durch die Haare. „Ich hoffe, ihr seid jetzt alle zufrieden!“
„Worauf du einen lassen kannst!“ Unser chinesischer Freund giggelte immer noch.
In den nächsten drei Runden hatte das Sprachgenie Glück, seine auf dem Brett verbliebene Figur blieb unangetastet. Mittlerweile saß ich auch nur noch in meiner Retro, der Eisenbahner schien mich wohl auf dem Kieker zu haben, am Tisch, Jost hatte immerhin noch seine Hose an. Nur Lee war, bis auf das Shirt, bisher um weiteres Entkleiden herumgekommen.
Ich war am Zug und würfelte eine Sechs, meine letzte Figur zog auf das Startfeld. Eine erneute Sechs folgte, den Start freimachen musste ich ja nicht mehr, also zog ich mit der Puppe, die kurz vor dem Haus stand, ab in die Sicherheit. Als Nächstes kam eine Zwei. Ich schnaufte durch, konnte ich doch so ganz nach oben ziehen. Für den Fall der Fälle durfte ich nun dreimal den Würfel kreisen lassen.
„Du hättest Steven schlagen können und schmeißen ist Pflicht!“ Jost zeigte auf das Brett, nahm die entsprechende Figur und stellte sie in mein Starthäuschen. Scheiß Rückwärtsregel!
Der Lehrer lachte mich an. „Danke dir, aber ich hab ja eh nichts mehr an.“
„Für das Nicht-Schmeißen müssen wir uns auch noch was einfallen lassen!“ Lee grinste breit.
Jost würfelte. „Sorry, Schatz, aber freimachen musst du nicht mehr … jedenfalls nicht das Feld.“
„Danke vielmals, mein Engel!“ Ich stand grummelnd auf und zog ebenfalls blank.
Steven schien amüsiert. „Jetzt bin ich wenigstens nicht mehr der Einzige, der hier nackt sitzt.“
Während der nächsten beiden Runden wurden der Lehrer und ich verschont, dafür traf es Jost gleich dreimal. Seine Jeans und seine Socken, eine Fußbekleidung zählte als ein Kleidungsstück, wanderten auf den mittlerweile relativ groß gewordenen Wäschestapel. Dann traf es den Mann aus Delaware, mein Gatte kickte, zwei Felder vor dem rettenden Haus, seine Figur vom Feld. Dem Brillenträger schien das nicht viel auszumachen, er saß ja schon im Adamskostüm am Tisch.
Es entspann sich zwischen Lee und Jost eine Diskussion, wie die Aufgaben nun genau ausgestaltet werden sollten. Das ist halt ein Problem, wenn man sich nicht vorher über die Regeln einigt. Ich blickte auf den Lehrer, der mir gegenübersaß, er rekelte sich auf seinem Sessel, rutschte ein Stück nach vorne. Plötzlich spürte ich, wie ein Fuß meinen linken Unterschenkel berührte und langsam in Richtung Knie wanderte. Ich grinste den Brillenträger an und verlagerte selbst meine Sitzposition, rückte näher an den Rand des Polsters, das auf dem Korbsessel lag. Seine Fußnägel strichen nun an der Innenkante meines Oberschenkels entlang, ich veränderte noch einmal meine Haltung, um ihn den Weg zum Ziel so einfach wie möglich zu machen.
Als er mit seinen Zehen meinen Beutel sanft traktierte, durchzuckte mich ein wohliger Schauer, mein Atem wurde etwas lauter. Die Debatte zwischen meinem Engel und dem Eisenbahner ging indessen unvermittelt weiter, entwickelte sich fast zum Disput. Der Lehrer und ich störten uns nicht daran, im Gegenteil, wir waren amüsiert und blickten ab und an zu den beiden Gesprächsteilnehmern. Erst als ich meinen rechten Fuß einsetzte, um mich zu revanchieren, und Steven daraufhin seinem Korbsessel näher an mich heranrückte, wurde unser Treiben entdeckt.
„Was macht ihr denn da?“ Mein Gatte klang zwar nicht erfreut, grinste aber trotzdem.
Der Wuschelkopf schüttelte sein lockiges Haupt. „Nichts! Über die Aufgaben habt ihr euch doch noch nicht geeinigt, oder? Nach den alten Regeln sollte ich ja etwas ablegen, da ich aber nichts mehr am Körper habe, was ich ablegen kann, habe ich halt meine Hemmungen abgelegt.“
„Und an den Haken meines Mannes gehängt.“ Jost griff mir an meinen Ständer. „Und das mit Erfolg!“
„Das schreit ja nach einer Bestrafung!“ Lee wirkte amüsiert ernst.
Das Sprachgenie fuhr sich durch die Haare. „Wie meinst du das denn jetzt?“
„Na, wir überlegen, wie wir das Spiel retten können, und ihr …“ Der Eisenbahner hob warnend den Finger. „… ihr benehmt euch wie … wie die wilden Tiere. Man sollte euch an die Kette legen, mit kaltem Wasser abspritzen und dann in einen Zwinger sperren.“
„Womit wir wieder am Ausgangspunkt des heutigen Abends wären!“ Jost trank einen Schluck.
Ich staunte nicht schlecht. „Stimmt! Aber da waren wir noch angezogen.“
„Aber so ist es gemütlicher!“ Steven gluckste und fasste sich an seinen Beutel. „Und? Zu welchem Ergebnis seid ihr gekommen? Ich meine, mit den Aufgaben.“
Mein Gatte druckste herum. „Es steigt noch kein weißer Rauch auf!“
„Weißer Rauch?“ Der Lehrer wirkte irritiert. „Braucht ihr eine Tüte zum Denken?“
Jost lachte. „Nein, ich meinte die Papstwahl. Ich brauche keine verbotenen Substanzen, um benebelt zu sein; mein Mann reicht mir völlig.“
War das ein Kompliment? „Wir sollten das Konklave verlagern, mir wird langsam kalt.“
„Kann es sein, dass mein Boss ein Warmduscher ist?“ Lee kicherte.
Ich zog die Augenbrauen hoch. „Haha! Wir können gerne Plätze und Bekleidung tauschen.“
„Leute! Wir wäre es, wenn wir in den Whirlpool wechseln?“ Stevens Idee war gar nicht mal schlecht. „Mir ist auch etwas kühl … und Bier kann man auch da trinken.“
„Dann hole ich mal eine neue Runde.“ Mein Engel erhob sich.
Ich stand ebenfalls auf und wandte mich in Richtung Terrassentür. „Und ich werde eins wegbringen.“
„Wohin willst du?“ Der Eisenbahner schaute mich fragend an.
Der Mann aus Wilmington tippte sich an die Stirn. „Wohin will er wohl? Aufs Klo natürlich, du Honk!“
„Aber wenn wir in den Jacuzzi wollen, dann muss Gordon an der Dusche vorbei.“ Er deutete auf die freistehende Waschvorrichtung zwischen Whirl- und Swimmingpool. „Er könnte genauso gut dort …“
„Wieso sollte er in die Duschtasse pinkeln?“ Steven begann, die Spielfiguren einzusammeln.
„Nicht in die Duschtasse!“ Der Eisenbahner schnappte sich die Windlichter und brachte sie zum Whirlpool. „Sondern auf jemanden, der dort sitzt und sich darüber freuen würde.“
„Und wer soll das sein?“ Der Lehrer stand wohl auf der Leitung.
Der Eisenbahner pellte sich aus den restlichen Klamotten und hockte sich in die Emaille. „Ich! Du bist nicht der Einzige in der Runde, der sich gerne berieseln lässt, … du Honk! Chef, kommst du?“
Grinsend folgte ich seiner Bitte. „Wenn du es unbedingt willst.“
Ich baute mich vor ihm auf und wollte Klein-Gordon schon greifen, aber der Mann mit den schwarzen Haaren übernahm die Regie. Er führte mein Anhängsel mit nur zwei Fingern, allerdings konnte ich seinen Atem auf der empfindlichen Haut da unten spüren. Wenn er jetzt über die Kuppe lecken würde, wäre es wohl vorbei: Das Problem bei Spielen der gelben Art ist es, den Anfang zu finden. Wenn es einmal läuft, dann läuft es, aber die ersten Tropfen sind für mich immer die schwersten. Warum das so ist oder ob das nur bei mir ist, weiß ich auch nicht, es ist einfach so.
Während ich mit dem Öffnen der Schleusentore beschäftigt war, die Augen geschlossen und den Kopf in den Nacken gelegt hatte, gesellte sich wohl der Mann aus Delaware zu uns, kniete sich schräg vor den Eisenbahner. Als ich die Augen wieder geöffnet hatte, sah ich, wie der Lehrer den Rinnsal, der an dem Eisenbahner herab lief, ableckte und mit der Zunge langsam nach oben fuhr. Die beiden küssten sich schließlich und ließen sich dabei von mir weiter berieseln.
„Leute! Da lässt man euch mal fünf Minuten alleine und was macht ihr?“ Jost hielt einen Stapel Handtücher in den Händen. „Spielt verbotene Spiele … und das ohne mich.“
„Du kannst ja gerne zu uns kommen und da weiter machen, wo dein Mann aufgehört hat. Bei Gordon tröpfelt es nur noch.“ Lee grinste frech meinen Gatten an.
Mein Gatte schüttelte den Kopf. „Geht leider nicht! Ich war gerade.“
Wir genossen das kühle Bier, die Wärme des Wassers und die blubbernden Blasen, die unsere Körper umspielten. Ich blickte auf unserem chinesischen Gast, der neben mir saß. „Warum hast du nicht gesagt, dass du auch auf Sektspiele stehst?“
„Damit geht man ja nicht hausieren.“ Der Eisenbahner wirkte unangenehm berührt.
Jost drehte sich zu ihm um. „Es sagt ja keiner, dass du mit einem Schild um den Hals herumrennen musst oder das entsprechende Hanky tragen sollst. Aber ein Wort hättest du uns ja gönnen können.“
„Den Spieß können wir aber auch umdrehen!“ Der Eisenbahner strich sich durch das nasse Haar. „Ihr wart zu zweit, ich nur alleine. Warum habt ihr denn nichts gesagt?“
Mein Engel hob beschwichtigend die Arme. „Stimmt auch wieder, aber … für uns ist es eine Spielart von vielen, die man einbauen kann, um Spaß zu haben. Gut, einige Voraussetzungen sind zu erfüllen, aber ansonsten spricht nichts dagegen, sich auch auf diese Weise zu vergnügen.“
„Man sollte es nicht in dem Bett machen, in die man hinterher auch noch schlafen möchte.“ Lee grinste und tauchte ganz unter. „Aber ich stimme dir zu, viel geredet wird darüber nicht, obwohl die meisten nicht abgeneigt sind, das dann später auch in die Tat umzusetzen.“
„Wie kommst du denn jetzt darauf?“ Verwunderung zeigte sich auf Stevens Gesicht.
Der Eisenbahner zuckte mit den Schultern. „Weil das so ist! Jedenfalls nach meinen Erfahrungen.“
„Die wie aussehen?“ Nun wurde ich auch neugierig.
„Du lernst einen Typen kennen, egal ob das jetzt im Chat passiert oder am Tresen in einer Bar, ihr unterhaltet euch, findet euch sympathisch, redet über eure Vorlieben und Abneigungen, was geht und was nicht geht, aber … Wasserspiele bleiben während des Gesprächs in der Regel außen vor. Ich weiß zwar nicht warum, aber es ist so. Dann landest du schließlich mit dem Typen in der Kiste, ihr habt Spaß miteinander.“ Der Chinese trank einen Schluck. „Ihr seid fertig, der Typ steht auf, fragt, wo das Klo ist. Du sagst es ihm und schiebst die Frage gleich hinterher, ob du ihm dabei zu sehen könntest, wie er … das würde dir Spaß machen, … einen besonderen Kick geben. Was meinst du, wie viele Leute diese Frage negativ beantworten?“
Jost zeigte seine Zähne. „Wohl wenige! Du hast ihn ja eh schon nackt und in Aktion gesehen, also kommt es darauf auch nicht mehr an. Aber was machst du, wenn er diese Frage nicht stellt?“
„Den Spieß umdrehen! Dann macht es mich halt an, dabei beobachtet zu werden.“ Er erhob sich und stellte die Flasche auf den Boden neben dem Pool ab. „Das Ergebnis ist das gleiche!“
Der Lehrer winkte ab. „Das mag ja für euch Städter gelten, aber auf dem Land sieht das anders aus!“
„Wie kommst du denn darauf? Bis vor knapp einem Jahr hast du noch in Boston gewohnt, die Stadt würde ich nicht gerade als Provinznest bezeichnen.“ Mein Schatz wirkte irritiert. „Seit wann kommt es auf den Wohnort an, ob du eine Sache magst oder nicht?“
„Aber in einem hat er recht: In der Stadt hast du einfach viel mehr Möglichkeiten, sich und seine Fantasien tatsächlich auch auszuleben. Wie viele Fetisch-Läden gibt es im Big Apple und wie viele auf dem platten Land? Da ist schon ein großer Unterschied.“ Ich leerte meine Flasche.
Lee schüttelte mit dem Kopf. „Das sehe ich aber vollkommen anders! Als Crossdresser kannst du in New York die U-Bahn nehmen, auf dem Land geht das zwar etwas schlechter, aber das heißt noch lange nicht, dass es dort keine Männer in Frauenkleider gibt. Es klappt auch da, wenn man es will!“
„Außerdem stellt sich die Frage, ob man unbedingt einen Laden braucht, um seinen Fetisch auch ausleben zu können.“ Jost leerte seine Flasche. „Ich möchte nicht wissen, wie viel Andreaskreuze in privaten Kellern stehen oder wie viele Hacken in irgendwelchen Schlafzimmerdecken eingelassen sind, um bei Bedarf einen Sling daran zu befestigen.“
Diese Argumente sprachen eindeutig für ihren Standpunkt, aber Stevens Position war auch nicht so ganz verkehrt. „Also meiner Ansicht nach hat der Wohnort doch einen Einfluss auf die Möglichkeiten, seine Wünsche auszuleben.“
Jost stieg aus dem Wasser. „Ich habe nie das Gegenteil behauptet! Der Ort und die daraus resultierenden Möglichkeiten stehen in einem Abhängigkeitsverhältnis voneinander, aber deine lokale Position hat nichts mit den globalen Wünschen zu tun. Das sind zwei getrennte Paar Schuhe.“
Ich blickte verwirrt meinen Gatten an. „Wie meinst du das?“
„Nehmen wir an, dein Traumprinz ist blond, blauäugig und unbehaart. Der Mann deiner Träume bleibt blond, blauäugig und unbehaart, egal ob du nun in der schwulen Diaspora in Schortens oder im Big Apple bist. Du magst es, wenn man an deinen Zehen nuckelt, egal ob am Strand von Gran Canaria oder in der schwulen Diaspora von Schortens. Du liebst es, wenn man auf deine Brust pieselt, egal ob nun am Strand von Fire Island oder in der schwulen Diaspora von Schortens.“ Er war mittlerweile trocken. „Deine Wünsche haben nicht das Geringste mit dem Ort zu tun, an dem du gerade bist.“
Der Eisenbahner schaute etwas fragend. „Wo liegt dieses Schortens?“
„Schortens ist eine Kleinstadt in Niedersachsen, einem deutschen Bundesland. Du hast dort ziemlich viel Landschaft und ansonsten … nur Natur pur, fast so wie auf Martha‘s Vineyard.“ Mein Engel lachte und schlüpfte in seine Schuhe. „Ich besorge uns noch einmal eine Runde.“
Lee blickte mich an. „Ich glaube, er hat Recht. Wünsche sind ortsunabhängig, nur mit der Umsetzung kann es zu Problemen kommen, falls sie zu speziell sind.“
„Das sage ich doch die ganze Zeit!“ Steven wirkte genervt. „In der Stadt ist es erheblich einfacher, einen entsprechenden Partner zu finden, der sie befriedigt.“
Jost verteilte die Flaschen. „Das ist Quatsch! Jedenfalls in 90% der Fälle.“
„Wie kommst du denn jetzt auf den Trichter?“ Der Brillenträger funkelte ihn an.
Mein Engel stieg wieder zu uns ins Wasser. „Es kommt immer auf die Sehnsüchte an, die du hast und die befriedigt werden sollen. Aber wichtiger ist die innere Einstellung, die du zu dir selber und damit auch zu deinen Wünschen hast.“ Wir stießen an. „Nehmen wir an, bei dem Wunsch handelt es sich um das, was ihr gerade in der Dusche gemacht habt. In der Stadt gehst du in einen entsprechenden Laden, lässt dich berieseln und gehst dann wieder.“ Mein Engel grinste. „Du hast das bekommen, was du haben wolltest, und das schnell und auch noch anonym. Du musstest deine Wünsche niemandem vorher offenbaren. Es war, wie der Einkauf in einem Supermarkt: Rein in den Laden, Ware in den Wagen, ran an die Kasse, zahlen und gehen.“
Ich grinste breit. „Und in der Provinz kaufst du eher in einem Tante-Emma-Laden ein. Die Bedienung könnte fragen, wenn es etwas Ausgefallenes ist, wofür du die Sachen haben möchtest.“
„Gaynau! In der Stadt hast du, aufgrund der Vielzahl der Konsumenten, eher eine graue Masse, kaum ein Verkäufer kennt seine Kunden persönlich. Auf dem Dorf jedoch kennt der Mann hinter der Theke in der Regel denjenigen, der da vor ihm sitzt.“ Mein Schatz trank einen Schluck.
Lee starrte auf seine Flasche. „Aber wie kommst du auf die 90 %? Das leuchtet mir noch nicht ein.“
„Bleiben wir einmal bei der Duschszene von eben.“ Jost tauchte kurz unter. „Wie ich Gordon kenne, wird seinen Schlauch sicherlich nicht ohne irgendein Signal von euch ausgerollt haben.“
Steven nickte. „Stimmt! Lee hatte ihn aufgefordert … und ich habe mich dann dazu gesellt.“
„Er hat also seinen Wunsch geäußert!“ Was sollte das Grinsen meines Engels? „Während meiner Bundeswehrzeit war ich bei den Gebirgsjägern, stationiert in Bischofswiesen, einem kleinen Kaff mit knapp 7.500 Einwohnern kurz vor der österreichischen Grenze. Szene? Fehlanzeige! Thomas, einer meiner Kameraden dort, war ebenfalls schwul, … aber ziemlich schräg drauf. Er trug gerne Netzstrümpfe und Strapse unter seiner Tarnhose. Normalerweise stehe ich nicht auf Damenwäsche, finde sie eher abturnend als geil, aber immer nur Handbetrieb? Du konntest abends nicht mal eben nach München oder Salzburg fahren, wenn du etwas erleben oder jemanden kennen lernen wolltest, von daher hast du seine roten Strumpfbänder in Kauf genommen, wenn du mal ficken wolltest. Aber er hat dann auch nichts gesagt, wenn du einmal etwas Ausgefallenes von ihm haben wolltest.“
Der Lehrer schüttelte energisch seinen Kopf. „Das ist der ganz was anderes! Du beschreibst nicht das alltägliche Leben in der Provinz, du berichtest aus einem Notstandsgebiet.“
„Was wolltest du denn Außergewöhnliches haben?“ Lee schon wieder!
Mein Schatz räusperte sich. „Mal beim Sex gefesselt zu werden und einige Sachen mit Lebensmitteln, aber das gehört jetzt nicht hierhin. Steven, es war keine Zwangsgemeinschaft wie auf einem Schiff oder in einem Knast, du konntest jederzeit die Kaserne verlassen und in die Welt hinaus. Bis Salzburg brauchtest du eine halbe Stunde, bis München waren es knapp 100 Meilen. Aber als Wehrpflichtiger hattest du nicht viel Geld, nur deinen knappen Wehrsold. Außerdem … als einfacher Soldat galt für dich der Zapfenstreich, du musstest irgendwann wieder in der Kaserne sein. Von daher war Thomas die beste Alternative.“
„Warum in die Ferne schweifen und dafür auch noch Geld ausgeben?“ Der Chinese lachte.
Ein Grinsen legte sich auf die Lippen meines Engels. „Stimmt. Was ich aber damit sagen will, ist, dass du auch auf dem Lande Spaß haben kannst und deine Wünsche auch dort in Erfüllung gehen können. Der einzige Unterschied zur Stadt ist, du musst zu deinen Wünschen stehen und sie äußern, denn nur, wer spricht, dem kann geholfen werden!“
„Also ist es in der Stadt dann doch einfacher!“ Der Brillenträger lächelte triumphierend.
Das Gesicht meines Mannes sprach Bände. „Nur dann, wenn du auch genau weißt, was du haben möchtest. Wenn du nur etwas experimentieren möchtest, brauche ich zu dem anderen Teil des Forschungsteams eine gewisse Vertrauensbasis. Ich wage es zu bezweifeln, dass du die in der Stadt ohne weiteres bekommen wirst.“
„Moment! Du hast dich von diesem Thomas nur deshalb fesseln lassen, weil du ihn schon kanntest und ihr schon vorher …“ Man sah, wie es unter den krausen Haaren arbeitete.
Jost nickte. „Wäre ich als junger Frischling in München in eine Bar gegangen und hätte dort zu einem x-beliebigen Typen gesagt: ‚Leg mir die Handschellen an, wenn du mich gleich fickst!‘, ich weiß nicht, ob ich heute neben euch sitzen würde. Dort wäre es zwar sicherlich einfacher gewesen, jemanden für solche Spiele zu finden, aber ob das dann auch sicherer gewesen wäre, wage ich zu bezweifeln.“
Der Lehrer legte seine Stirn in Falten. „Also hat das Leben in der Provinz auch Vorteile?“
„Zumindest was die Sicherheit angelangt! In der Stadt geht es eher anonym zu, auf dem Lande kennt man sich dann doch schon etwas besser.“ Der angehende Journalist rieb sich die Nase. „Du glaubst nicht, welche dunklen Seiten auch das Landleben haben kann. Du musst sie nur ansprechen!“
Der Eisenbahner, der neben mir saß, trank einen Schluck. „Was für welche denn?“
„Meinst du Peitschen, Gummi- und Fußfetischisten, Wasserspiele und Gruppensex sind ein Vorrecht der Stadtbewohner? Zwar treten Transvestiten nicht so geballt auf, aber, wie sagtest du doch so schön? Männer in Frauenkleidung gibt es auch auf dem Land.“ Jost grinste frech. „Die meisten Fetische sind nicht an Orte gebunden. Gut, auf Sex in der U-Bahn wirst du auf dem Land wohl verzichten müssen, aber man kann ja immerhin noch den Bus nehmen.“
„Dafür gibt es in der Stadt weniger Pferdeställe; so etwas soll es ja auch geben.“ Lee gluckste und ließ seine Hand unter die Wasseroberfläche gleiten.
Ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen. „Wie auch immer, du musst deine Wünsche äußern und formulieren. Wenn du damit hinter dem Berg hältst, kann dir keiner helfen, egal wo du wohnst.“
„Das hatten wir ja schon einmal besprochen, dass man an einer Beziehung immer arbeiten und viel reden muss, wen man will, dass sie erfolgreich abläuft.“ Steven schien einsichtig.
„Aber was ist denn eigentlich deine Fantasie?“ Lee blickte zwar den Lehrer an, aber seine Hand lag auf meinem Oberschenkel und kannte nur eine Richtung, nämlich hin zu meiner Körpermitte. „Unsere haben wir ja schon alle gesagt, aber deine kennen wir ja noch nicht.“
„Die mit dem Gassigehen war schon der größte Wunsch, den ich hatte. Und sonst?“ Das Sprachgenie wirkte leicht gehemmt. „Es gibt zwar noch einige Dinge, die ich gerne mal erleben möchte, … aber dafür sind wir entweder zu wenig Leute oder es fehlen die notwendigen Hilfsmittel. Und Lee, ehe du fragst, …“ Er blickte auf den grinsenden Eisenbahner. „… ich möchte einmal von einer ganzen Footballmannschaft durchgezogen werden und würde auch gerne mal in einem Porno mitspielen.“
Der Chinese gluckste, hatten seine Finger doch endlich ihr Ziel erreicht. „Gleich in einem richtigen Porno? Reicht für den Anfang nicht ein Auftritt in ‚Baitbus‘ oder ‚Out in Public‘?“
Der Lehrer winkte ab, „Was soll ich in diesen Fake-Produktionen?“
„Was ist das denn? Die Sendungen kenne ich nicht!“ Diesmal war Jost der Neugierige.
Der Mann aus Delaware grinste ihn an. „Bei ‚Out in Public‘ haben zwei Typen zusammen Sex in der Öffentlichkeit, mal auf einem Parkplatz, mal in einem Laden oder auf einem Klo. Läuft aber immer gleich ab: Die Zwei treffen erst den Kameramann, quatschen belangloses Zeug, dann suchen sie sich einen passenden Ort aus. Da wird erst geblasen, dann gefickt und dann rennen sie weg!“
„Aber einige Folgen sind echt lustig. Ich habe den Trailer zu ‚A Ride in Russia‘ gesehen, da treiben sie es in einem Bus.“ Der Eisenbahnbeauftragte von Lensing lächelte süffisant, als seine Finger die Spitze meines Eisbergs umschlungen und sie leicht drückte.
„Aha!“ Mein Engel grinste. „Und dieser Bus? Was ist damit?“
„Eine Hetenverarschung! Männer von der Straße werden in einen Kleinbus gelockt, um dort von einer barbusigen Dame einen geblasen zu kriegen. Die verbindet ihnen die Augen und das Nuckeln beginnt, allerdings ist es ein Typ, der die angebliche Hete bläst!“ Lee schien wohl mit allen Wassern gewaschen, denn er begann, meinen Stab zu kneten. „Das wird natürlich entdeckt, der Kerl regt sich auf und wird dann bestochen, den Knaben zu ficken. Die meisten gehen drauf ein, aber gezahlt wird nie! Die reine Verarsche!“
„Da würde ich auch einen Porno vorziehen!“ Mein Schatz drückte Steven einen Kuss auf die Lippen.
Ich überlegte kurz. „Welcher Art soll denn der Dokumentarfilm sein? Hart oder Soft?“
„Ich bin doch nur der Darsteller! Regie führen andere.“ Der Lehrer lachte schelmisch.
„Schatz, ehe du auf dumme Ideen kommst!“ Jost erhob seine Stimme. „Unser Camcorder liegt zu Hause im Büro und mit der Digitalknipse, die in unserer Tasche ist, kann man nur Minutenvideos aufnehmen. Es lohnt sich also überhaupt nicht, sich irgendwelche Gedanken zu machen!“
„Dann nehmen wir halt meinen Apparat, aber wir müssten erst einige Sachen überspielen, … für einen ganzen Film reicht der Speicher nicht mehr. Aber wir könnten jetzt noch ein paar Einstellungen proben.“ Lee grinste über beide Backen, seine Hand hatte mittlerweile meinen Stab verlassen und sich des Beutels angenommen. Der rechte Zeigefinger spielte an und in meiner Spalte.
Ich rutschte ein Stück nach vorne und warf ihm einen bösen Blick zu, denn mittlerweile hatte seine Fingerkuppe meinen Eingang passiert. „Wie willst du ohne ein Drehbuch Szenen einüben?“
„Haben Pornos denn überhaupt ein Skript?“ Steven fiel mir nun auch in den Rücken.
„Das nicht, aber wenigstens sollte der grobe Handlungsbogen vorgegeben sein.“ Mein Engel blies nun auch ins gleiche Horn, das konnte ja noch heiter werden! „Ich stelle mir das so vor: Lee wird von Gordon gefoltert und Steven kommt als Retter in der Not! Was haltet ihr davon?“
Ich schüttelte mein weises Haupt. „Das ist ganz großer Mist! Wenn ich einen Chinesen misshandeln würde, wäre der Film rassistisch und in einem solchen Streifen spiele ich nicht mit! Außerdem fehlt uns das Wichtigste der gesamten Idee: der Folterkeller!“
„Schon gut, Peitschen und Handschellen haben wir ja auch nicht mit, also streichen wir diese Idee. Wie wäre es denn damit? Chinesischer Diplomat nimmt Tramper mit, sie machen im Fond rum, der Chauffeur wichst sich einen, fährt rechts ran und es kommt zu einem Dreier!“ Mein Engel grinste.
Ich tippte auf meine Stirn und legte dann meinen linken Arm um den chinesischen Eisenbahner. „Ebenso hirnrissig! Wie willst du Chester die Wichsflecken auf dem Leder erklären und der Mercedes hat leider keine Trennscheibe. Meinst du, ein Diplomat fährt ohne Sichtschutz?“
Jost grummelte. „Du bist unheimlich konstruktiv! Dann mach du doch einen besseren Vorschlag.“
„Wir einigen uns jetzt über erweiterten Regeln, spielen dann eine Partie Ludo und lassen die Kamera, die wir zwar haben, die aber noch nicht einsetzbar ist, einfach mitlaufen und schauen dann, wie sich die ganze Sache so entwickelt.“ Ich trank einen Schluck und grinste meinen Engel an.
Lee sprang auf, zog mich zu sich hoch und küsste mich. „Boss, die Idee ist spitze!“
„Daraus könnte man wirklich was machen!“ Der Lehrer umarmte mich von hinten, seine Hände wanderten automatisch zu dem Fahnenmast, den ich vor mir hertrug. Dass er einhändig mit dem Hissen begann, erwähne ich ausnahmsweise nicht.
Jost kniete sich frech grinsend vor uns hin. „Gewisses Potenzial ist vorhanden!“
„Leute? Was machen wir hier?“ War ich im falschen Film?
Steven tätschelte meinen Hintern und ließ seinen Fingern freien Lauf. „Wir drehen einen Porno ohne Kamera und Drehbuch. Jetzt halt die Klappe und küss mich lieber!“
„Du wolltest doch der Hauptdarsteller sein?“ Wo war ich nur hingeraten?
Der Mann aus der Provinz grinste frech. „Bin ich auch! Aber mit meinem Speer bin ich ja der geborene Stecher, der alle eure Muffen versilbert und euch aus dem Pool vögelt!“
„Hoffentlich übernimmst du dich nicht!“ Lee giggelte. „Wir können dich auch schnell wieder an die Leine legen und mit dir in den Dünen üben, wie man richtig das Beinchen hebt!“
„Das wagt ihr nicht!“ Der Wuschelkopf bekam große Augen.
Mein Engel leckte an dem Zeigestock des Lehrers. „Abwarten, Steven! Abwarten!“

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Wach wurde ich, als Josts Hand mit einiger Wucht auf meinem Brustkorb zu liegen kam. Mein Gatte hatte sich im Schlaf wohl umgedreht. Ich schaute kurz zur Seite und wollte schon wieder in die Kissen sinken, als es an der Tür klopfte. Eine Antwort muss ich irgendwie doch gegeben haben, denn Steven stand plötzlich, mit zwei Kaffeetassen in der Hand, im Rahmen und grinste mich frech an.
Lächelnd kam er auf mich zu und drückte mir einen Kuss auf die Lippen und eine der beiden Kassen in die Hand. „Ich wünsche einen wunderschönen guten Morgen, auch wenn es schon fast elf ist.“
„Ah! Riecht schon mal gut!“ Ich nippte kurz und verzog mein Gesicht. „Es fehlt Zucker!“
„Sorry! Dann nimm die.“ Er reichte mir das andere Porzellangefäß.
Ich trank einen Schluck, mein Gesicht strahlte. „Schon erheblich besser!“
Der Lehrer umrundete das Bett, stellte den dampfenden Türkentrank auf den Nachttisch, setzte sich auf den Rand und versuchte, meinen Gatten zu wecken. „Jost! Aufstehen!“
Mittlerweile war ich einigermaßen ansprechbar, ich blickte den Zweimetermann an und schüttelte nur mit dem Kopf. „Das bringt nichts! Entweder du kommst mit dem Waschlappen wieder oder du kraulst ihm seine Eier, davon wird er meistens wach.“
„Oder soll ich da weitermachen, wo ich gestern Abend aufgehört habe?“ Der Brillenträger grinste.
Ich hätte mich fast am Kaffee verschluckt. „Wenn sein Loch nicht ausgeleiert ist, dann … probier einfach mal dein Glück. Aber ich glaube, er braucht da erst mal eine gehörige Portion Zitrone.“
Verwundert blickte der Mann aus Delaware mich an. „Wie meinst du das denn jetzt?“
„Soll doch zusammenziehen!“ Ich musste hämisch grinsen, mein Göttergatte hatte sich in den frühen Morgenstunden des heutigen Tages als ziemlich großer Nimmersatt erwiesen.
Was war passiert? Wir begannen gestern Abend mit den Dreharbeiten ohne Kamera für den eigenen Dokumentarfilm. Nach einer ziemlich heftigen Knutscherei in der Mitte dirigierten unsere Gäste uns an den Rand des Whirlpools und begannen mit einer Leck- und Rimmorgie par excellence. Während sie sich mit unseren Hinterteilen beschäftigten, knabberten meine Lippen an denen meines Gatten.
Das Sprachgenie hatte wohl enormen Druck auf den Eiern; er flutete, kurz nach dem Anstich, bereits meinen Lustkanal. Auf meine Kosten kam ich jedenfalls nicht! Jost schien mit dem Eisenbahner den besseren Fang gemacht zu haben, er wand sich vor Lust. Die beiden waren immer noch miteinander beschäftigt, als der Lehrer schon seinen zweiten Abgang hatte. Als er auf dem Rand des Bassins saß und mir seinen immer noch steifen Prügel entgegenhielt, wollte ich ihn eigentlich nur sauber lecken und hatte noch keine zwei Minuten an ihm genuckelt, als er mir seine Sahne diesmal direkt in den Magen schoss; zwei zu null für Delaware! Anstalten, zu schrumpfen, machte das Anhängsel nicht. Was hatte er genommen?
Ein ziemlich lautes Stöhnen war zu hören, Lee lag zuckend auf dem Rücken meines Gatten. Als er wieder bei Atem war, kappte er die Verbindung, und ich sah, wie ein weißes Rinnsal aus Josts geöffneter Pforte rann. Was machte mein Engel? Anstatt zu verschnaufen, ging er auf den Steven zu, setzte sich in einem Zug auf den Zeigestock des Lehrers und begann selbigen zu reiten.
Lee und ich standen eng umschlungen daneben und spielten an unseren Schaltknüppeln, als Jost, mit dem Rücken zu uns, nach weiterer Füllung verlangte. Was hatte er genommen? Grinsend assistierte mir mein Assistent und stieß mich in Richtung des Reiters. Irgendwie schaffte ich es, in das bereits gefüllte Loch meines Liebsten ebenfalls einzudringen. Es war ein unbeschreiblich geiles Gefühl: An der Unterseite meines Speeres spürte ich eine weitere Lanze, die Oberkante wurde Jost Futteral umschlossen. Als Lee dann auch noch versuchte, in mich einzudringen, war ich im siebten Himmel der Geilheit angelangt.
„Ob das hilft?“ Das Sprachgenie schüttelte den Kopf. „Ich wage, das zu bezweifeln.“
Der chinesische Eisenbahner stürmte nackt ins Zimmer. „Morgen Leute! Frühstück ist fertig!“
Ich wunderte mich etwas über Lees freizügigen Aufzug, warf dann aber einem Blick auf den Lehrer: Außer seinem Adamskostüm hatte er auch nichts an. Das konnte ja ein heiterer Tagesbeginn werden. Ich schwang mich aus dem Bett, zog das Laken weg, gab meinem Engel einen Klaps auf den nun freigelegten Allerwertesten und hoffte, ihn so endgültig in das Reich der Lebenden zu überführen. Er brummelte etwas verschlafen, wach war er schon einmal. Als Steven ihm dann noch die Bälle lang zog, sprang Jost auf und stürmte als Erster aus dem Zimmer zur ersten Nahrungsaufnahme des Tages.
Das Frühstück verlief in ziemlich gelöster, offenherziger und lustiger Atmosphäre. Wir scherzten, wir lachten, wie amüsierten uns, wir hatten einfach Spaß! Knapp eine Stunde später machten wir uns dann doch schrittfrisch, wir waren schließlich nicht nur zum Vergnügen hier: Jost wollte ja mit Steven an seinem Referat arbeiten und Lee und ich hatten auch noch genug zu tun.
Zwar verzichteten wir alle auf einen straßentauglichen Aufzug, aber Shorts und Shirts mussten dann doch schon sein. Die Semantikabteilung verzog sich ins Wohnzimmer, während mein Assistent und ich es uns auf der Terrasse gemütlich machten. Den Ort habe ich extra gewählt, denn dort konnte ich wenigstens ein Rauchopfer nach dem anderen den Göttern darbringen. Wir wollten erst einmal die Pläne der Konstruktionsabteilung der MTA durchgehen.
Ich blickte den Eisenbahner an. „Jetzt verrate mir mal, wieso du Plan C bevorzugst?“
Lee grinste mich an. „Weil er einfach der Beste ist!“
„Warum?“ Ich konnte keine Vorteile entdecken und schüttelte den Kopf. „Wäre es nicht besser, das Zugdepot wie in Variante A an der Straße zu bauen? Da ist die Geländelänge tiefer und man könnte mehr Wagen pro Gleis unterbringen als auf der anderen Seite am Wasser.“
„Chef! Die Gleisführung entspricht erstens nicht der üblichen Fahrtrichtung und wir haben erheblich weniger Platz für die Wagenreparatur und die technische Instandhaltung.“ Mein Assistent lächelte.
Ich steckte mir eine Zigarette an. „Aber die Halle in Lösung C hat zwölf Gleise, pro Gleis vier Wagen? Macht 48 mögliche Stellplätze und wir haben nur 25 Waggons. Meiner Ansicht nach können wir das auf mindestens ein Drittel verzichten.“
„Wir werden den Platz noch brauchen, denn uns fehlt noch rollendes Gerät. Du hast zwar 25 Wagen gekauft, aber damit kann man im Moment maximal zwei Züge zusammenstellen.“ Lee grinste.
„Wie jetzt? Nach deinen Worten brauchen wir doch nur acht Wagen für einen Zug! Das macht dann nach Adam Riese drei Züge und einen Ersatzwagen!“ Etwas rechnen kann ich ja auch noch!
Mein chinesischer Freund grinste. „Vier Schlaf-, einen Speise-, zwei Aufenthalts- und einen Wagen für die Crew; macht acht Einheiten pro Zug. Das Problem ist aber: Wir haben nur zwei Speisewagen!“
„Wie kriegen wir die Kuh vom Eis?“ Ich hätte mir das Angebot doch besser ansehen müssen!
„Wir brauchen noch mindestens 10 Wagen, wenn nicht sogar mehr. Um drei normale Züge für zahlende Gäste laufen lassen zu können, brauchen wir sowieso noch zwei weitere Speisewagen, einen als Ersatz für mögliche Ausfälle.“ Lee strich sie sich durch sein Haar. „Wenn wir dann auch noch die Dinnerfahrten auf Long Island anbieten, brauchen wir sowieso noch mindestens vier Wagen, wo man essen kann und zwei für den normalen Aufenthalt.“
Ich stöhnte und griff mir die Wagenliste von Xanterra. „Dann lass uns jetzt erst einmal einen Katalog aufstellen, was wir an rollendem Material noch brauchen.“
Lee war zwar schneller als ich, aber zumindest hatten wir die gleiche Anzahl an Wagen ausgerechnet, die wir zu unserem bestehenden Fuhrpark noch dazu kaufen mussten; es waren 14. Innerlich überschlug ich kurz die bisherige Kalkulation, ich würde wahrscheinlich mit dem bestehenden Budget nicht auskommen. Dad müsste für sein Spielzeug noch ein paar Millionen drauflegen. Langsam kamen mir Zweifel, ob die Kosten jemals wieder eingefahren werden könnten.
Der Chinese lachte. „Die Frage ist jetzt, ob wir die alten und neuen Wagen selber ausbauen oder sie ausbauen lassen. Wenn wir eine Firma damit beauftragen, geht das wahrscheinlich schneller, dürfte aber auch teurer werden und wir haben kaum einen Einfluss darauf, wie gebaut wird, von kurzfristigen Änderungen ganz zu schweigen. Ich würde sagen, wir machen das besser selber, aber dann brauchen wir die Möglichkeiten, die im Plan C vorgesehen sind.“
„Ich würde das Ganze aber gerne so kostengünstig wie möglich ablaufen lassen!“ Ich atmete tief durch. „Brauchen wir denn unbedingt eine eigene Instandhaltungsabteilung?“
„Unbedingt? Nein! Aber … in ganz Neuengland gibt es keinen Fachbetrieb für die Restauration von Wagenmaterial. Wir könnten aber eine eigene Firma dafür aufmachen.“ Er kratzte sich am Kinn. „Wir bräuchten für die Instandsetzung für den Anfang fünf oder sechs vernünftige Handwerker und jemanden, der eine Rangierlok fahren kann.“
„Dazu kommt dann das fahrende Personal, also Köche, Stewards, Zimmermädchen und den ganzen Mist, den man für eine Reise braucht.“ Ich suchte nach meinen Zigaretten.
Lee nickte mit dem Kopf. „Ja! Du kannst zwar versuchen, bei den Dinnerfahrten den ganzen Zug an ein Lokal zu verchartern, dann müssten die sich um das Personal kümmern. Du stellst nur die Küche und die Möglichkeit, Essen zu servieren. Was die dann daraus machen, ist nicht deine Angelegenheit!“
„Aber bei den normalen Zügen brauche ich Köche, oder?“ Ich blickte den Experten fragend an.
Lee nickte. „Genau, du brauchst vier Leute in der Kombüse, um drei Mahlzeiten am Tag zu servieren. Pro Schlafwagen einen Steward, die können später auch das Essen servieren, aber du brauchst einen Kellner für die Lounge und einen Nachtschaffner. Für einen normalen Zug musst du daher mit zehn Mann Personal kalkulieren, um ein Mindestmaß an Komfort zu garantieren, besser wären 14 Leute.“
Ich machte mir innerlich eine Notiz, in der nächsten Woche die gesamte Personalplanung erneut einer Überarbeitung zu unterziehen. Wir arbeiteten noch zwei Stunden, dann konnte ich nicht mehr. Es halfen weder weiterer Kaffee noch Zigaretten, mein Gehirn brauchte dringend eine kurze Pause der Erholung. Meinem chinesischen Gegenüber schien es ähnlich zu gehen, auch er verdrehte die Augen. Ich blickte ihn an. „Was hältst du von einem Spaziergang?“
„Gute Idee! Sollen wir uns dafür umziehen?“ Er schaute mich mit seinen dunklen Augen an.
Ich schüttelte den Kopf. „Turnschuhe reichen vollkommen! Wir drehen ja nur eine Runde am Strand und kommen dann wieder. Räumst du bitte die Sachen zusammen und ich sage dann den anderen Bescheid, dass wir erst einmal weg sind.“
„Alles klar!“ Er nickte und begann, die Papiere einzusammeln.
Ich ging in den ersten Stock in unser Schlafzimmer und zog mir feste Schuhe an. Am Strand würde ich sie zwar nicht unbedingt brauchen, aber wenn wir durch das kleine Waldstück wieder zurückkehren würden, wäre ich mit Sicherheit dankbar, etwas anderes als Badelatschen zu tragen. Als einziges Gepäck nahm ich Portemonnaie, Zigaretten und ein Feuerzeug mit.
Als ich meinem Gatten von unseren Plänen erzählte, nickte dieser nur. „Wir brauchen noch knapp eine Stunde, dann sind wir auch fertig. Ich schiebe gleich den Käsekuchen in den Ofen, wir können uns um 4:00 Uhr zum Kaffee treffen. Und nun stör uns nicht länger, wir wollen weiter arbeiten.“
Lee und ich gegen am Strand entlang in Richtung Cherry Grove. Die Viertelstunde, die wir bis zu den ersten Häusern des Nachbardorfes benötigen, merkte man gar nicht. Wir sprachen, wie konnte es auch anders sein, wieder über das Eisenbahnprojekt. Ich deutete auf einen der Wege, die in den Ortskern führten, und meinte zu meinem chinesischen Begleiter, wir sollten doch versuchen, eine Zeitung vom heutigen Tage zu organisieren.
Cherry Grove, der Nachbarort von Fire Island Pines, ist zwar genauso schwul, allerdings längst nicht so exklusiv und vornehm wie der ursprüngliche Hot Spot der Schwulen von New York. Hier residiert eher das neue Geld; Leute, die sich und ihre finanziellen Möglichkeiten gerne zur Schau stellen. Die meisten Häuser, die wir uns im letzten Jahr angeschaut hatten, lagen in diesem Nest. Das schnelle Geld ist auch oft schnell wieder weg.
Am Doctors Path gab es einen kleinen Laden, der die Tagespresse aus der Großstadt in seinem Angebot hatte. Mit einem Exemplar der Times unter dem Arm machten wir uns auf den Rückweg, allerdings kamen wir nicht sehr weit. An der Ecke zum Bayview Walk liegt das berühmt berüchtigte ‚Cherry’s on the Bay‘, eine Mischung aus Diskothek, Restaurant, Bar, Varieté und Szenetreffpunkt der (Neu-) Reichen und Schönen. Vor dem Haus stand ein Pick-up, einige Leute waren damit beschäftigt, die Ladefläche von irgendwelchen Kisten und Kästen zu befreien.
Wir waren gerade in Höhe des Eingangs, als mir jemand auf die Schulter tippte. „Gordon, altes Haus! Lange nicht mehr gesehen! Was machst du denn hier schon?“
Ich drehte mich um und vor mir stand David Salinari, der Besitzer besagten Etablissements. Große Lust auf Smalltalk, der unweigerlich folgen würde, hatte ich eigentlich nicht, aber seinen Gruß musste ich zumindest erwidern. Sein Laden war das einzige Restaurant weit und breit, das am Wochenende auch noch nach Mitternacht warme Speisen bereithielt.
Ich blickte den Mittvierziger an. „David, du alter Schlawiner! Danke der Nachfrage, mir geht es sehr gut, auch wenn wir an diesem Wochenende arbeiten müssen. Macht ihr heute schon auf?“
„Du musst arbeiten? Willst du mich jetzt auf den Arm nehmen?“ Er grinste mich frech an.
Herr, schenke mir Gelassenheit! „Mein Gatte arbeitet mit einem Freund an einem Referat für die Uni und Lee und ich werkeln am neuen Eisenbahnangebot von Lensing Travel. Wir konnten keine Zahlen mehr sehen und wollten uns etwas Seeluft um die Nase wehen lassen.“
„Aha!“ Der Mann mit dem Oberlippenbart schmunzelte. „Wir öffnen heute zum ersten Mal in der Saison, quasi die Generalprobe, alle Getränke zum halben Preis. Wenn ihr Lust habt, könnt ihr gerne kommen, eine kleine Show ist auch geplant. Der erste Sekt geht selbstverständlich aufs Haus.“
Ich grinste zurück. „Danke für die Einladung, mal schauen, die ob ich die andere Hälfte des Quartetts überzeugen kann, heute Abend das Haus noch zu verlassen. Zum Essen brauchst du aber nicht mit uns zu rechnen, mein Jost hat wieder einmal für eine ganze Kompanie eingekauft.“
„Chester hat ja so von seiner Fischsuppe geschwärmt. Wartet mal kurz.“ Er eilte ins Gebäude.
Lee kratzte sich am Kopf. „Was ist das denn für ein Typ? Der ist ja …“
„… zum Kotzen, ich weiß!“ Ich zwinkerte Lee zu.
Der Inhaber kam wieder, reichte mir einen Umschlag und vier Gutscheine. „Einmal für heute Abend und im Kuvert sind eure acht VIP-Ausweise für die gesamte Saison. Gibst du sie an Chester und Eric weiter? Ihr gehört ja jetzt zu den Großgrundbesitzern.“
„Werde ich machen. Dann sage ich mal Danke und eventuell bis später! Mein Göttergatte wartet mit dem Kaffee auf uns und man soll seinen Liebsten ja nicht zu lange allein lassen.“ Ich küsste ihn auf die Wange, Lee reichte ihm die Hand und wir machten uns auf den Weg.
Sobald wir außer Hörweite waren, reichte mir mein chinesischer Assistent eine Dose Bier. „Prost!“
„Cheerio! Wie bist du auf die Idee gekommen, Bier zu kaufen?“ Ich blinzelte ihm zu.
Er zuckte mit den Schultern. „Nur so! Als du die Zeitung gekauft hast, hab ich für Marschverpflegung gesorgt: Ich habe tierischen Durst und wollte nicht bis zum Kaffee warten.“
Wir tranken einen Schluck, ich wischte mir den Mund ab. „Das war gerade David Salinari, der Besitzer des momentan angesagtesten Lokals der Gegend. Aber ein Arsch vor dem Herrn!“
„Das habe ich gemerkt!“ Mein chinesischer Freund lächelte. „Aber wieso ist der so freundlich zu dir und gib dir VIP-Ausweise? Muss man das verstehen?“
Ich lachte. „David hat ein ganz großes Problem! Er besitzt zwar den besten Laden, aber um weiterhin so erfolgreich sein zu können, muss er dringend erweitern. Dazu braucht er aber dringend das Nachbargrundstück und das gehört – leider Gottes – nun einmal Chester, der aber partout nicht verkaufen will; jedenfalls nicht an ihn!“
Mister Sung lachte lautstark. „Deshalb die kleine Aufmerksamkeit?“
„Du sagst es!“ Ich prostete ihm erneut zu.
Er trank einen Schluck und blickte mich dann fragend an. „Aber wieso besticht er dann dich und deinen Cousin? Wäre eine Charmeoffensive bei Chester nicht angebrachter?“
„Normalerweise schon, aber anscheinend haben ihm irgendwelche Zuträger berichtet, dass Chester Eric und mir die Grundstücke in Pines übertragen hat. Von daher …“ Ich zuckte mit den Schultern.
„… lassen wir ihn einfach in dem Glauben, ihr würdet auch Einfluss auf den Besitz in Cherry Grove haben. Skoll, mein Lieber!“ Das Bier war eindeutig zu warm.
Wir flachsten noch eine Weile herum, tranken den Rest aus den Dosen. Mitten in dem Waldstück zwischen den beiden Orten plagte mich ein menschliches Bedürfnis, das warme Bier auf den gesamten Kaffee des heutigen Tages war einfach zu viel, meine Blase hatte die maximale Füllmenge um ein Vielfaches überschritten. „Lee! Ich brauche jetzt mal dringend einen Baum!“
Mein asiatischer Freund zog mich in die Natur. „Dann komm!“
Wir gingen in Richtung Atlantik, kurz vor dem Strand hielt ich an, stellte mich an einen Baum, fummelte an meiner Shorts und holte Klein-Gordon heraus. „Den Stamm nehme ich jetzt!“
„Moment!“ In Windeseile hatte mein Begleiter sich seiner Kleidung entledigt und lehnte sich an das Holz. „So! Jetzt kannst du loslegen!“
Ich stutzte. „Ich soll dich hier und jetzt?“
„Na klar! Ich will deinen Sekt auf meinen Körper spüren, denn …“ Er grinste mich frech an. „… bis wir das Haus erreichen, bin ich wieder trocken und springe dann in den Pool. „
„Ganz wie du möchtest!“ Ich baute mich vor ihm auf und versuchte, zu zielen. Wie bereits schon erwähnt, bis zum ersten Tropfen dauert es bei mir immer etwas. Ich hatte gerade die erste Schleuse geöffnet, Tropfen drangen aus meinem Schlitz, als ich in der Nähe einen Lichtblitz wahrnahm. Zuerst war ich irritiert, aber es konnte nur die Spiegelung eines Fernglases sein; wir wurden beobachtet.
Eine erneute Reflexion erfolgte, ich wusste nicht mehr genau, was ich machen sollte. Ich tippte meinem Assistenten auf die Schulter. „Ich glaube, wir werden observiert. Der Typ da hinten scheint uns unter die Lupe zu nehmen!“
Lee suchte das Gelände ab, entdeckte wohl auch den Störenfried. „Was soll es! Scheint ein Spanner zu sein, denn wenn es ein Cop wäre, wäre er schon längst eingeschritten, ich zeige mich ja schließlich nackt in der Öffentlichkeit. Nun gib mir endlich deinen Sekt!“
Ich tat das, was er von mir wünschte und konzentrierte mich. Endlich lief es, wobei Laufen der falsche Begriff war, es schoss nur so aus mir heraus. Ich saute mein Gegenüber, das sich lasziv an den Baumstamm lehnte, komplett ein. Als die Quelle versiegt war, beugte sich mein chinesischer Freund nach vorne, verleibte sich mein bestes Stück ein und machte mich sauber.
Lee begann, meinen Beutel zu kneten und ließ seine Finger durch meine Spalte gleiten, der dritte Mann war in dem Moment vollkommen ausgeschaltet. Erst als der Asiate versuchte, seinen Zeigefinger durch mein Loch zu zwängen, blickte ich auf und entdeckte den ungebetenen Besucher keine 20 Yards von uns entfernt, ebenfalls an einen Baum gelehnt. Der Typ hatte sein bestes Stück ebenfalls aus der Hose geholt und war dabei, sich selber Freude zu bereiten. Viele erkennen konnte ich zwar nicht, ich sah nur aus den Augenwinkeln eine schlanke Gestalt mit etwas wenig Haaren auf der Schädeldecke, Halbglatze wäre zu viel gesagt. Rasiert schien er nicht zu sein, dunkle Stellen um seinen Schaft zeichneten sich ab.
Ich tippte Lee auf die Schulter. „Wir haben immer noch Besuch, der Typ schüttelt sich jetzt einen von der Palme. Wir sollten Eintrittskarten verkaufen.“
Lee blickte sich um und zeigte ihm den Stinkefinger. „Ich hoffe, dir hat die Show gefallen, denn mehr gibt es nicht zu sehen.“
Ich zog meinen Assistenten zu mir hoch, unsere Lippen vereinigten sich. Meine Hände wanderten an seinem Körper entlang, er war mehr als feucht. „Ich glaube, wir sollten so langsam …“
„Das wollte ich gerade auch sagen! Ich zieh mir nur noch die Shorts über und dann können wir los.“ Als seine Scham wieder bedeckt war, winkte er dem ungebetenen Gast, der immer noch unten ohne dastand und sich anstrengte, noch einmal zu. „Viel Spaß noch und einen guten Abschuss!“
Als wir kurze Zeit später durch das Tor auf das Grundstück kamen, sah ich einen dritten Mann an der Kaffeetafel sitzen, die mein Gatte und Steven auf der Terrasse aufgebaut hatten. Aber außer einem Rücken konnte ich nicht viel erkennen. Wer war der Knabe, der da Kaffee trank?
Ich winkte meinem Engel zu. „Hallo Schatz! Wir sind wieder da.“
„Wurde aber auch Zeit! Wo habt ihr gesteckt?“ Wütend schien er nicht zu sein.
Mittlerweile hatte ich den Tisch erreicht und erkannte den Fremden: Es war unser Nachbar, es war Brewster. Die Begrüßung war herzlich, wir hatten uns ja Monate nicht mehr gesehen. „Junger Mann! Wie ist die Lage?“
„Danke der Nachfrage, ich kann nicht klagen. Ich habe heute das Boot aus dem Winterschlaf geholt und wollte hier mal kurz nach dem Rechten sehen, da hat mich dein Gatte zum Kaffee eingeladen.“ Brewster grinste. „Und Käsekuchen konnte ich noch nie widerstehen!“
Das gemeinsame Kaffeetrinken war von Lachen und Heiterkeit geprägt. Der ehemalige Diplomat hatte den Großteil des Winters in Australien zugebracht und den Kontinent auf einer zweimonatigen Rundreise erkundet. Die Bonmots über die Lebens- und besonders die Fahrweise der Bevölkerung von Down Under waren köstlich. Ich hätte ein Diktiergerät mitlaufen lassen sollen.
Er zeigte uns einen kleinen Edelstein, den er, zwar unter fachmännischer Anleitung, selber aus der Erde geholt hat. „Der Typ von der Opalmiene hat mich dann zum Essen eingeladen, zu einem Aussie Meat Pie. Schmeckte erst ganz gut, diese Fleischpastete, aber als er mir sagte, dass er Schlange genommen hatte, wurde mir dann doch anders.“
„Fleisch gibt es gleich auch, allerdings keine Schlange; nur Schwein, Rind und Huhn und garantiert nicht durch den Wolf gedreht!“ Jost lachte unseren Nachbarn an.
Brewster winkte ab. „Sorry, aber ich muss gleich noch mit dem Boot in die Werft. Zum Essen kann ich leider nicht bleiben, auch wenn ich es gerne würde. Wir können uns aber nächste Woche …“
„Dann Treffen wir uns halt nächstes Wochenende wieder hier.“ Ich blickte den drahtigen Rentner grinsend an. „Vielleicht sind dann auch Eric und Jonathan wieder fit.“
„Was ist denn mit denen?“ Neugier lag in seiner Stimme.
Wir brachten ihn auf den neusten Stand, leichte Besorgnis spiegelte sich in seinem Gesicht wieder, aber der Optimismus siegte schlussendlich. Als wir nach über anderthalb Stunden die Kaffeetafel aufhoben, um den Tisch abzuräumen und das Abendessen vorzubereiten, verabschiedete sich der Bewohner des Nebenhauses. Steven, mit dem er teilweise auf Französisch und Spanisch gesprochen hatte, begleitete ihn noch zum Hafen.
Jost schloss die Klappe des Geschirrspülers und blinzelte mich an. „Was habt ihr eigentlich so lange in Cherry Woods gemacht? Habt ihr noch ein Bier getrunken? Ich hatte früher mit euch gerechnet.“
„David lief uns über den Weg und bei Mister Salinari kommt man nicht so schnell davon.“ Jost kannte ihn ja schon aus dem letzten Jahr. „Er eröffnet heute und hat uns Gutscheine aufs Auge gedrückt, wir sollten doch vorbeikommen. Ach ja, und dann überreichte er mir noch VIP Karten für die Saison.“
„Aha, so ist das also!“ Mein Engel grinste. „Und ich dachte schon, ihr hättet was anderes gemacht!“
„Was sollen wir denn gemacht haben?“ Ich legte so viel Unschuld, wie ich konnte, in meine Stimme.
Der angehende Journalist zuckte mit den Schultern. „Lee schien mir etwas feucht im Schritt zu sein, als ihr wieder gekommen seid. Außerdem … hat er etwas gerochen, nach Bier und …“
„Wir haben auf dem Rückweg eine Dose Bier …“ Ich lachte ihn an. „… ich musste eine Stange Wasser in die Ecke stellen, Lee wollte sich von mir berieseln lassen und vor dem Kaffee in den Pool springen. Geduscht habe ich ihn, da aber Brewster schon am Tisch saß, klappte das nicht mehr.“
„Mehr habt ihr also nicht gemacht?“ Etwas Schärfe lag in seiner Stimme.
Ich schüttelte den Kopf, zu weiteren Aktionen war es ja, dank des Störenfrieds, nicht gekommen. „Nein! Wir haben nichts Verbotenes getan, außer vielleicht …“
„… einem Spanner den Stinkefinger gezeigt.“ Lee kam nur mit einem Handtuch über der Schulter zu uns. „Ich hätte nicht gedacht, dass die hier so offen herumlaufen. Kommt ihr mit in den Pool?“
„Bist du verrückt? Der ist doch noch viel zu kalt.“ Jost schüttelte sich.
Ich musste grinsen. „Mein Engel ist halt eine Frostbeule, aber er hatte recht: Der Pool braucht noch ein paar sonnige Tage, ehe er richtig durchgewärmt ist. Die Schwimmbadheizung ist es jetzt zu spät, die hätten wir gestern anstellen müssen. Von daher …“
„Ist ja schon in Ordnung, ich will auch keine Erkältung haben. Wer sollte sonst meine Arbeit machen?“ Lee spielte sich grinsend an seinem Gemächt. „Aber wie sieht es mit dem Blubberbad aus? Das ist doch warm genug, oder?“
Mein Schatz lachte. „Das stimmt, haben wir gestern Abend selbst getestet. Mir war mehr als heiß!“
„Woran das wohl lag?“ Ich gab meinem Gatten einen Klaps auf den Allerwertesten.
Er streifte sich die Shorts von den Beinen und ging in Richtung Terrassentür. „Unter anderem an dir, mein Süßer! Wer als Letzter nackt im Jacuzzi ist, macht gleich den Salat.“
Das hat man nun davon, wenn man nicht nackt durchs Haus rennt, ich würde gleich Gemüse putzen müssen. Da ich sowieso keine Chance hatte, die beiden waren mir schon allein bekleidungstechnisch im Vorteil, angelte ich drei Flaschen Bier aus dem Kühlschrank und trottete den beiden hinterher. Als ich Lee die Erfrischung reichte, versprach er, mich gleich zu unterstützen. So würde ich wenigstens nicht alleine in der Küche stehen.
Wir genossen den kühlen Gerstensaft und alberten eine ganze Weile herum. Mit einer Runde Ching, Chang, Chong, auch bekannt als ‚Schere, Stein, Papier‘, versuchten wir denjenigen zu bestimmen, der als Nächstes zum Kühlschrank gehen sollte. Jost bildete mit Daumen und den restlichen Fingern einen Kreis. Lee und ich schauten uns an. „Was ist das denn?“
„Ein Brunnen!“ Er grinste. „Kennt ihr das nicht?“
Ich schüttelte den Kopf. „Die Variante ist mir neu.“
Das Spiel wird in den Staaten mit den unterschiedlichsten Erweiterungen gespielt, ich selbst kenne Feuer, Wasser, Eidechse, Mister Spock und Texas Longhorn; Brunnen und Streichholz waren mir neu. Von daher beschränkten wir uns auf die drei Grundelemente, dauerte zwar länger, aber schließlich verlor Lee dann doch. Allerdings hatte er mehr Glück als Verstand, gerade als er aus dem Wasser wollte, kam Steven durch das Gartentor. Er wurde kurzerhand zum Bierboten ernannt, erfüllte seine Aufgabe mit Bravour und setzte sich dann zu uns in das Sprudelbad.
„Leute! Drückt mir die Daumen.“ Der Lehrer strahlte uns an.
Lee hatte Fragezeichen in den Augen. „Für was denn?“
„Ich habe mit Brewster gesprochen, er kennt aus seiner Zeit bei den Vereinten Nationen noch den Chef des Dolmetscherdienstes.“ Er grinste immer noch wie ein Honigkuchenpferd. „Er will ihn in der nächsten Woche anrufen, vielleicht klappt es ja und ich kann dort anfangen.“
„Na! Das ist doch ein Grund zum Feiern!“ Ich drückte ihm einen Schmatzer auf die Lippen.
Jost tat es mir gleich und küsste ihn, Lee aber steckte gleich seine ganze Zunge in den Mund des Sprachgenies. Ich blickte meinen Engel an, der ziemlich zufrieden grinste. Sollte sein Plan tatsächlich aufgehen und aus den beiden doch ein Paar werden? Lee war, was seinen Arbeitsstil anbetraf, eher der ruhige und besonnene Vertreter, Hektik war für ihn ein Fremdwort. In seinen Gefühlsäußerungen hingegen schwankte er von schüchtern über spontan bis hin zu überschwänglich. Von daher konnte ich die Zuversicht, die mein Gatte ausstrahlte, nicht ganz teilen. Wir würden abwarten müssen, wie sich die ganze Sacher weiterentwickeln würde.
Wir besprachen, was wir am Abend machen wollten, und einigten uns schlussendlich darauf, nach dem Barbecue Davids Zappelbude einen kurzen Besuch abzustatten. Falls es uns dort nicht gefallen sollte, konnte man immer noch weiter ziehen. Aufgrund der Gästestruktur hatte im Nachbarort das touristische Nachtleben schon halbwegs begonnen, während der Dornröschenschlaf hier in Fire Island Pines noch mindestens anderthalb bis zwei Wochen andauern würde. Das war der Preis der Exklusivität, der vornehmen Zurückhaltung.
Nach der Nahrungsaufnahme machten wir uns fertig, allerdings brezelten wir uns nicht so stark auf, wie wir das im Big Apple getan hätten. Erstens waren wir auf Fire Island, es geht sowieso legerer zu, zweitens befanden wir uns noch in der Vorsaison und drittens, die hierfür notwendigen Klamotten hingen in unserem Kleiderschrank in New York. Der Aufenthalt war ja auch als Arbeitswochenende geplant und nicht als 72-Stunden-Dauerparty.
Große Veränderungen im Inneren des Tanztempels im Vergleich zum Vorjahr konnte ich zwar nicht entdecken, aber im normalen Bereich war an ein vernünftiges Durchkommen eh nicht zu denken, die Leute stapelten sich regelrecht. Es schien, als ob sich die ganze Insel hier versammelt hätte. Aber ob das an der Tatsache lag, dass es der erste Abend in der neuen Saison für den Laden war oder an dem 50%-Angebot, lasse ich mal dahingestellt. Selbst im neu geschaffenen VIP-Bereich im ersten Stock, von dem man eine hervorragendem Aus- und Überblick auf die Great South Bay hatte, war es so voll wie normalerweise nur am 4. Juli, wenn hier die Invasion der Pines zelebriert wird.
Im Sommer 1976 hatte ein Restaurant in Pines einem Besucher namens Terry Warren den Einlass verweigert, da er in Damenkleidung zu speisen wünschte. Wie gesagt, Pines ist wohlhabender und erheblich konservativer als Cherry Grove, man ist zwar auch anders, aber halt nicht ganz so auffällig. Als Terrys Freunde von dem Vorfall Wind bekamen, sannen sie auf Rache. Man stürmte, nun ebenfalls in Frauenkleidung, am amerikanischen Unabhängigkeitstag ein Wassertaxi, fuhr nach Pines und „besetzte“ es unter dem Applaus der Leute, die am Pier standen: Die Invasion der Pines war geboren. Heute gibt es in Cherry Grove erst eine Parade, man fährt dann mit dem Schiff in den Nachbarort, um dort weiter zu feiern. Das Spektakel ist mittlerweile fester Bestandteil der Unabhängigkeitsfeierlichkeiten auf der Barriereinsel.
Der Sekt war wesentlich zu warm und, für meinen Geschmack, viel zu süß. Ich verzog das Gesicht und reichte mein Glas an meinen Gatten weiter, dem das prickelnde Wasser zu schmecken schien. „Ich besorge mir jetzt ein Bier! Möchte jemand etwas anderes als diese Puffbrause?“
„Eine Frozen Piña Colada.“ Was Jost an diesem cremig-süßen Cocktail aus Rum, Kokosnusscreme und Ananassaft fand, weiß ich auch nicht. Aber wer schon süßen Schaumwein trinkt!
Steven überlegte kurz. „Bloody Mary, aber nicht gefroren.“
„Ein Bier reicht mir.“ Lee grinste mich an.
Ich verzog mich zum Tresen, um die Bestellung aufzugeben. Auch dort herrschte gedrängte Fülle. Ein Brillenträger, ich schätzte ihn auf Mitte 30, war so freundlich und lehnte sich etwas zur Seite, sodass ich dem Barkeeper wenigstens meine Wünsche mitteilen konnte. Die Biere könne ich sofort haben, teilte mir der stoppelhaarige Blonde hinter der Bar mit, nur mit den Cocktails würde es etwas länger dauern. Ich schüttelte den Kopf und meinte, ich würde erst einmal die Wasserspiele aufsuchen und dann die komplette Runde abholen. Der Bürstenhaarschnitt im schwarzen Netzshirt nickte nur.
Auch in der Blasensentleerungsstätte waren keine baulichen Veränderungen zu verzeichnen. Ich stellte mich an eines der Becken und zeigte Klein-Gordon die weiße Emaille, dass freier der Grund meines Aufenthalts. Wie üblich ließ ich meinen Blick schweifen und war erstaunt, der freundliche Mann vom Tresen war mir gefolgt und hatte sich direkt neben mich gestellt. Ich nickte ihm freundlich zu und betrachtete flüchtig seine kurzen schwarzen Haare und seine ziemlich hohe Denkerstirn. Der Typ wirkte schmal und hager, fast wie ein Bibliothekar, ich glaubte nicht, dass sich unter seinem weißen Sweatshirt ein muskeldefinierter Körper befand.
Ich ließ es laufen und schielte noch einmal kurz nach rechts. Der Brillenträger hatte zwar auch sein bestes Stück herausgeholt, aber es plätscherte nicht. Ich hob kurz meinen Kopf und, siehe da, sein Blick war direkt auf meinen Freudenspender gerichtet. Der Mann mit der Denkerstirn leckte sich über seine Lippen, die Zungenspitze ließ er im Mundwinkel zur Ruhe kommen. Ich widmete mich wieder meinem Teil, seine originäre Aufgabe würde er ja gleich erfolgreich beendet haben. Mit einem leichten Kopfschütteln schlackerte ich extra langsam ab, er sollte das Spiel ja genießen.
Es ist ja normal, dass man, wenn man an einem Urinal steht, nach rechts und links blickt, man will ja schließlich wissen, was die Nebenleute so zu bieten haben, aber wenn man vor einer solchen Auffangstation steht, sollte man wenigstens so tun, als ob man sie auch ihrem Bestimmungszweck gemäß nutzen würde. Das, was der blauäugige Brillenträger machte, war schon mehr als dreist.
Ich verstaute endgültig meine Keule, zog den Reißverschluss nach oben. „Na, genug gesehen?“
„Äh, wie …“ Der Bücherwurm zog verwundert die Augenbrauen hoch.
„Ich habe ja wirklich nichts gegen einen kurzen Blick, aber ich mag es überhaupt nicht, wenn man mir beim Pissen auf den Schwanz starrt.“ Ich blickte ihn direkt an. „Und das war gerade Spannen pur!“
Hinter seiner randlosen Brille bekam er ziemlich große Augen, „Äh, … heute Nachmittag vielleicht …“
Ich ging zum Waschbecken und wusch mir die Hände. Sollte ich mich aufregen? Ich atmete tief durch und ließ ihn einfach stehen. Seine Hose war immer noch geöffnet, sein Teil sabberte vor sich hin.
An der Bar lief mir David über den Weg, auf ihn hatte ich jetzt wirklich keine Lust. Aber Moment, wenn der Spanner eine VIP-Karte hatte, dann musste er ihn kennen. Ich deutete in Richtung Bedürfnisanstalt, die die Leseratte gerade verlies. „Schnuckelchen, mal kurz eine Frage: Wer ist der Typ, der gerade vom Klo kommt?“
„Wieso willst du das wissen? Du hast doch deinen Freund … oder bist du etwa auf der Suche nach einem neuen Lover? Hab ich eine Chance?“ Der Mann mit dem Oberlippenbart grinste mich frech an.
Ich schüttelte energisch den Kopf. „Ne ne, in diesem Leben plane ich keine Scheidung. Ich meine nur, ich kenne den Typen von irgendwo her. Nur im Moment weiß ich nicht, wo ich ihn genau hinstecken soll! Aber … du kennst doch deine Gäste.“
„Bei deinem Männerverschleiß früher ist es ja auch kein Wunder, dass du dich nicht mehr an jeden Fick erinnerst!“ So schlimm war ich nun auch wieder nicht. „Aber ich glaube nicht, dass du mit ihm schon mal in der Kiste gelandet bist. Würde mich sehr wundern!“
„David! Den Namen bitte!“ Der Kerl war wirklich nur nervig, aber er war besser informiert als das FBI, was seine Gäste und ihr Umfeld betraf.
Der Vergnügungsstättenbetreiber zeigte mir ein Lächeln. „Das ist der neue Dorfsheriff von Pines und Grove, Sergeant Marc Swanson. Kommt ursprünglich aus Texas, ich glaube El Paso. Ist ein ziemlicher Eigenbrötler, wenn du mich fragst, ist hier noch nicht so richtig warm geworden, aber das kommt sicherlich noch. Hatte irgendwas mit der Kirche am Hut, ehe er entdeckte, dass er auf Männer …“
„Dann muss ich ihn wohl verwechseln, denn mit Texaner hatte ich noch nie etwas.“ Ich grinste.
David klopfte mir auf die Schulter. „Du vielleicht nicht mit ihnen, aber sie vielleicht mit dir!“
„Du bist nett wie immer, mein Hase!“ Ich busselte ihn und griff mir meine Getränke.
„Wo warst du? Ich wollte schon eine Vermisstenanzeige aufgeben.“ Mein Engel blickte ungeduldig.
Ich zuckte mit den Schultern. „Erstens ist es voll und zweitens ich mir David über den Weg.“
„Dann ist alles entschuldigt.“ Grinsend verteilte er die Getränke, wir stießen an und tranken.
Ich gesellte mich zu Lee. „Ach, nur zur Info: der Spanner von heute Nachmittag war der Dorfbulle!“
Anstatt zu antworten, verdrehte der Eisenbahner nur die Augen und prustete lauthals los. Allerdings schien er vergessen zu haben, dass sich Gerstensaft in seinem Mund befand. Einen Augenblick später fand sich dieser jedoch auf Steven Hemd wieder. Zugegeben, der Anblick war lustig und wir grinsten alle, aber der Lehrer schien anderer Ansicht zu sein. „Wie sehe ich denn jetzt aus? Auch wenn es hier voll ist wie in einer Sardinenbüchse, aber ich muss mich umziehen. So kann ich wirklich nicht bleiben!“
„Dann lasst uns gehen! So toll ist die Musik hier ja nun auch wieder nicht und noch einmal eine Viertelstunde auf einen Drink warten? Zu Hause ist es gemütlicher.“ Jost schaute in die Runde.
Lee nickte bedächtig. „Und was sollen wir machen?“
„Eine Runde Ludo spielen! Ihr schuldet mir noch eine Revanche.“ Steven grinste wieder und drückte seine Lippen auf die des Chinesen.

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Natürlich wollten Steven und Jost wissen, was Lee so zum Prusten gebracht hatte und natürlich sagten wir es ihnen; die beiden fingen ebenfalls an, herzhaft zu lachen. Als wir auf dem Rückweg von der Zappelbude an die Stelle kamen, wo wir nachmittags die Verbindungsstraße in Richtung Strand verlassen hatten, deutete ich auf die Lichtung, wo alles passiert war. Die Sichtverhältnisse gingen so einigermaßen, der Mond stand in seinem letzten Viertel. Aufgrund etlicher Stolperfallen im Gelände, die auch bei Tageslicht schon tückisch genug waren, verzichteten wir auf einen Lokaltermin.
„Und du hast dich tatsächlich komplett nackt ausgezogen und an den Baum gelegt, damit Gordon dich berieseln konnte?“ Steven schien verwundert zu sein.
Der Eisenbahner zuckte mit den Schultern. „Gehst du etwa bekleidet unter die Dusche? Da ist doch wirklich nichts dabei, sich hier in den Pines nackt zu zeigen.“
„Aber doch nicht am helllichten Tage!“ Seit wann war der Lehrer so prüde?
Der Asiate stampfte mit dem Fuß auf. „Du bist ganz schön spießig, weißt du das? Wo ist denn der Unterschied, ob ich tagsüber nackt durch einen schwulen Wald laufe oder du dich nachts nackt an einer Hundeleine durch einen Garten in einem Wohnviertel führen lässt?“
„Den Garten konnte man wenigstens nicht einsehen!“ Waren wir in einen Kinderstreit geraten?
Der chinesische Trotzkopf ließ grüßen. „Das mag ja sein, aber ich bin nun mal halt gerne nackt und habe kein Problem damit, meine Haut auch öffentlich zu zeigen.“
„Soll das etwa heißen, ich wäre verklemmt?“ Warum schnaubte der Mann aus Delaware?
Lee zog an meinem Arm und stoppte. „Genau das soll es heißen! Oder traust du dich etwa, von hier aus nackt nach Hause zu gehen? Ich schon!“
„Und was soll das bringen?“ Das Sprachgenie hatte ebenfalls gestoppt und blickte uns an.
Lee lächelte, man sah seine weißen Zähne. „Das bringt nichts, außer … viel Spaß. Was ist nun? Bist du nun die verklemmte Memme aus der Provinz oder ein Mann, der zu sich steht?“
„Du erwartest doch nicht etwa, dass ich mich hier und jetzt ausziehe?“ Der Lehrer wirkte geschockt.
Der Chinese reichte mir seine Jacke, zog sein Poloshirt über den Kopf und gab es mir ebenfalls zur Aufbewahrung. Dann legte er Hand an seinen Gürtel, öffnete die Hose und strampelte seine Jeans herunter. Mit seiner Hand stützte er sich dabei an meiner Schulter ab. Nur noch mit Turnschuhen an seinen Füßen stand er, wie Gott ihn erschaffen, vor uns. „Was ist nun? Ziehst du nun auch blank oder bist du doch der feige Schwächling, der sich nicht aus seinem Wandschrank traut?“
„Ich weiß zwar immer noch nicht, welchen geistigen Nährwert das haben soll, aber bitte!“ Er legte seinen Blazer ab und reichte ihn an meinen Gatten weiter. „Jost? Bist du mal so freundlich? Ich will mir ja nicht nachsagen lassen, ich wäre ein feiges Weichei!“
Mein Gatte spielte also Garderobe für den Lehrer, ich war Lees Kleiderständer; wir standen zwar im Wald, aber ich kam mir vor wie in einem Kindergarten. Was war nur in die beiden gefahren? Wenn ich es nicht besser gewusst hätte, ich hätte gedacht, sie hätten schlechtes Gras geraucht, aber sie hatten ja noch nicht mal eine Zigarette angepackt, geschweige denn andere verbotene Substanzen.
Ich blickte auf die beiden nackten Männer, die sich unschlüssig gegenüberstanden. „Leute! Ihr könnt hier ja gerne stehen bleiben und euch weiter anstarren, aber wir könnten auch den Weg nach Haus fortsetzen. Ich weiß ja nicht, was euch lieber ist, ich hätte jetzt gerne etwas zu trinken!“
Langsam setzten sie sich in Bewegung, beäugten sich dabei aber wie zwei aufgestachelte Gockel, die kurz vor dem entscheidenden Hahnenkampf standen. Ich blickte meinen Schatz an, auch er konnte nur noch mit dem Kopf schütteln. Ich klemmte mir die Sachen des Chinesen unter meinen Arm und suchte nach meinen Lungenbrötchen. Nur mit Mühe konnte ich zwei der Sargnägel entzünden und einen an meinen Schatz weitergeben.
Jost sah mich dankbar an. „Das kann ich jetzt brauchen! Aber … was machen die beiden denn jetzt?“
Die Situation war wirklich zu skurril. Eben wären sie sich am liebsten noch an die Gurgel gegangen und nun gingen sie, Hand in Hand, einträchtig nebeneinander her. Plötzlich wurden sie langsamer, der Mann aus Wilmington zog an der Hand des Eisenbahners, der sofort stoppte. Dann ging der Wuschelkopf auf die Knie und begann, auf offener Straße, sich den chinesischen Freudenspender einzuverleiben. Wo waren wir nur hingeraten?
„Jungs, habt ihr noch alle Tassen im Schrank! Könntet ihr das bitte im Haus fortsetzen?“ Jost wirkte gereizt. „Es kann jederzeit jemand vorbeikommen, der spannende Polizist vielleicht, … was wollt ihr dem dann erzählen? In den Dünen mag euer Treiben ja noch gehen, aber … hier auf der Straße?“
Der Lehrer beugte sich mit dem Rücken nach hinten, ließ so das chinesische Anhängsel aus dem Mund flutschen, hielt sich aber immer noch an den Hüften des Asiaten fest. „Erst wenn Lee laut sagt, dass ich kein weinerliches Weichei bin!“
Ich blickte auf meinen Assistenten, der grinsend vor dem Pädagogen stand. „Würdest du ihm bitte das sagen, was er gerne hören möchte? Wir sollten diese Farce hier so schnell wie möglich beenden, ehe wir noch ungebetenen Besuch kriegen!“
Der Chinese stemmte sich bockig die Hände in die Hüften. „Erst, wenn er auch geduscht worden ist.“
„Wenn er was?“ Josts Stimme lag mindestens eine Oktave höher als normal.
Mein Assistent schaute uns an.“Er soll sich berieseln lassen, genau … wie ich heute Nachmittag.“
„Dann mach du das doch! Du stehst doch vor ihm!“ Ich musste tief durchatmen, um nicht zu platzen. Lee war 29 und Steven nur zwei Jahre jünger, beide benahmen sich aber wie pubertäre Rotzlöffel.
Lee zog die Schultern nach vorne und blickte verschämt auf den Boden. „Ich kann gerade nicht!“
„Ach du Heiliger!“ Ich verdrehte die Augen und blickte meinen Engel an. „Kannst du vielleicht?“
Mein Schatz zuckte nur mit den Schultern. „Ich war mit Lee noch für Königstiger, als du mit Steven schon draußen auf uns gewartet hast.“
Ich zog die Augenbrauen hoch. „Steven? Willst du das wirklich?“
„Ja, ich will geduscht werden!“ Fest war seine Stimme zwar nicht, aber sein Wille war zu vernehmen.
„Dann halt mal!“ Ich gab dem angehenden Journalisten den chinesischen Kleiderstapel. „Dann werde ich ja wohl wieder ran müssen, damit wir endlich von hier weg kommen können.“
„Dann beeil dich, ich möchte hier weg!“ Jost war mir wirklich eine tolle Hilfe!
Ich ging auf den am Boden knieenden Lehrer zu, der sich mittlerweile am halb ausgefahrenen Mast des Asiaten festhielt. Etwas Sammlung musste sein, dann öffnete ich meine Hose, holte Klein-Gordon raus und versuchte, diesem Kindergartentreiben endlich ein Ende zu setzen. Es dauert ja immer eine Weile bei mir, aber irgendwann war dann auch der letzte meiner Schleusenwärter bereit, sich an seine nächtliche Arbeit zu machen.
Ich blickte nach unten und konnte mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. Die beiden Streithähne knieten einträchtig nun nebeneinander und genossen es offensichtlich, wie sie von meinem Schlauch bespritzt wurden. Die Krönung war allerdings, als sie sich küssten und mein Sekt ihnen dabei über die Nasen ran. Kopfschüttelnd schlackerte ich ab: Ich war wohl doch im falschen Film gelandet.
„Zufrieden?“ Ich blickte in zwei nasse Gesichter. „Lee, nun sag endlich deinen Spruch auf!“
Der Chinese lachte mich an und machte mich sauber. „Aber natürlich, Chef, ich bin sehr zufrieden! Dein Champagner war vorzüglich, zwar etwas warm und etwas wenig, aber egal!“
„Lee, nun mach schon! Wir wollen nach Hause.“ Jost wurde es eindeutig auch zu viel. „Wir hören!“
Der Eisenbahner erhob sich lächelnd. „Ich gebe es unumwunden zu: Steven ist kein Weichei!“
„Na endlich, lasst uns jetzt aufbrechen und ins Horn stoßen!“ Ich drehte mich um und wollte den Ort des Geschehens schon verlassen, als mich das Lachen des Eisenbahners erneut umdrehen ließ. Wie einst Rumpelstilzchen hüpfte mein Assistent um das Sprachgenie herum, während der Lehrer immer noch wie bedrückt auf den Knien kauerte und wohl nicht wusste, wie er mit der Situation umgehen sollte. Ich ging auf ihn zu, legte meine Hand auf seine Schulter und blickte ihn an. „Was ist los? Du bist keine verweichtlichte Schrankschwuchtel, das hat Lee doch gerade gesagt, … wir sind Zeugen.“
Mühsam stellte er sich wieder auf die Füße. „Das wusste ich auch schon vorher, dass ich keine bin, aber … ich muss Lee Montagmorgen chinesisches Frühstück machen. Er hat die Wette gewonnen!“
Jost schien ebenso erstaunt zu sein wie ich. „Welche Wette?“
„Als wir uns für die Disco fertiggemacht haben, habe ich unserem Sprachgenie hier den Grund für die Verspätung zum Kaffee erzählt.“ Mein Assistent gab dem Lehrer einen Kuss auf die wohl immer noch feuchte Nase und grinste mich an. „Er wollte so was auch mal erleben und wir haben gewettert, dass ich es schaffe, dich zu einer Wiederholung zu bewegen.“
„Das ist dir ja auch gelungen. Aber wie kamt ihr auf den Einsatz?“ Mein Schatz musste lachen.
„Ihr seid doch morgen Abend bei Gordons Eltern und …“ Der Lehrer druckste. „… Lee wollte mit mir noch in ein paar Clubs. Da ist es doch einfacher, wenn ich gleich bei ihm penne und Montag von dort aus zum Bahnhof gehe. Hatte ich das nicht beim Abendessen gesagt?“
„In dieser Ausführlichkeit noch nicht! Du hast lediglich erwähnt, dass du mit Lee morgen um die Häuser ziehen wolltest, … vom Schlafen war nicht die Rede. Aber ist kein Problem, dann brauchen wir uns bei Schwiegermuttern nicht zu beeilen.“ Mein Engel bekam sein Grinsen fast nicht mehr aus dem Gesicht, sein Plan schien wirklich auf fruchtbaren Boden gefallen zu sein.
Ich grummelte, würde der Familienbesuch morgen Abend doch länger ausfallen. „Soll ich euch noch einen Kaffee oder ein Bier bringen? Ich würde jetzt gerne auf die Terrasse …“
„Wir kommen ja schon!“ Mein Engel strahlte, kam auf mich zu und gab mir einen Kuss.
Aus der Runde Ludo wurde dann doch nichts, wir beschränken uns auf eine Runde Bier im Whirlpool, um den Tag ausklingen zu lassen. Aber, wie so oft, wurde aus einer Runde wurden zwei und aus zwei Getränken wurden drei Flaschen.
Steven blickte mich fragend an. „Und hier verbringt ihre eure Wochenenden?“
„Wenn im Sommer nichts anderes anliegt, dann ja. Hier kann man es wenigstens aushalten, in der Stadt kriegst du die Krise!“ ich trank einen Schluck. „Von Juni bis September kann das Thermometer da über 100 ° Fahrenheit erreichen, das kombiniert mit hoher Luftfeuchtigkeit und Niederschlägen: Du kommst dir vor wie in einem Brutkasten.“
„Oder in einem Dampfgarer!“ Lee grinste.
Der Lehrer wurde nachdenklich. „Und was machen die Leute, die sich hier kein Haus leisten können?“
„Erholungsmöglichkeiten sind ja vorhanden: Du hast Coney Island, Long Beach, den Hudson … und zur Not immer noch den Central Park, um etwas Abkühlung zu finden.“ Ich lachte leise. „Du musst dann zwar zurück in den Brutofen, aber … immerhin war dein Tag angenehm.“
„Außerdem kann man sich durchaus ein oder zwei Trips pro Saison leisten. Es müssen ja nicht gerade die Wochenenden am Labor oder Memorial Day sein, um in die Pines zu fahren.“ Lee sprang mir bei.
Der Pädagoge grübelte immer noch. „Dann würde es sich also lohnen, hier ein Hotel aufzumachen?“
„Nur wenn du hier schon ein großes Haus mit mindestens sechs Schlafzimmern hast, dann könnte es sich eventuell rechnen, ansonsten …“ Ich schüttelte den Kopf. „… sieht die Sache düster aus. Du hast maximal sieben Monate, um Geld zu verdienen, fast die Hälfte der Zeit steht das Ding also leer, verursacht nur Kosten und bringt keine Einnahmen. Aber auch während der Saison sind es die nur Wochenenden, die eine volle Auslastung bringen. Von daher …“
Lee lächelte verlegen. „Selbst mit einem schwulen Bordell würdest du hier wahrscheinlich Pleite gehen. Wieso sollten die Leute für Sex zahlen, wenn sie ihn in den Dünen umsonst haben können?“
„Wäre auch zu schön gewesen, ich verstehe schon.“ Der Mann aus Delaware wirkte geknickt.
Jost blickte den Pädagogen mitfühlend an. „Willst du dir denn hier etwas kaufen?“
„Meine Oma hat mir im letzten Jahr ihren Bungalow in Fort Lauderdale und etwas Geld hinterlassen.“ Er zuckte mit den Schultern. „Ehe ich aber in den Rentnerstaat ziehe, dachte ich, ich verkaufe die Hütte und suche mir mit dem Erlös was Neues.“
„Ist das Haus vermietet?“ Mein Gatte war mal wieder neugierig.
Das Sprachtalent nickte. „Ist es! Die Familie würde wohl auch kaufen wollen, sagte mir jedenfalls der Verwalter, nur bei dem Kaufpreis liegen wir meilenweit voneinander entfernt.“
„Bei den Immobilienpreisen würde ich im Moment auch nicht verkaufen, wenn ich nicht unbedingt müsste.“ Der angehende Journalist rieb sich das Kinn. „Warte zwei oder drei Jahre, dann sieht der Markt wieder ganz anders aus.“
„Werde ich wohl auch müssen! Bleibt mir ja nichts anderes übrig.“ Steven seufzte lautstark.
Mein Engel gähnte herzhaft. „Und ich muss jetzt ganz was anderes!“
„Was denn? Vielleicht …“ Der Eisenbahner leckte sich lasziv über die Lippen.
Mein Gatte schüttelte den Kopf und grinste ihn frech an. „Habt ihr zufällig mal auf die Uhr geschaut? Ich weiß ja nicht, was ihr noch machen wollt, aber ich gehe jetzt ins Bett. Selbst wenn wir erst wieder gegen um elf frühstücken, bleiben uns weniger als acht Stunden Schlaf.“
„So spät ist es schon?“ Ich blickte auf mein Handgelenk, es war tatsächlich schon 3:07 Uhr; wir hatten also fast zwei Stunden im Pool gesessen. Wo war nur die Zeit geblieben?
Konnte Jost etwa Gedanken lesen? „Schatz! Wir sind erst gegen zehn von hier los und es war weit nach Mitternacht, als wir aus der Zappelbude wieder raus sind. Dank der Beiden brauchten wir für den Rückweg doppelt so lange, wie sonst üblich, knapp eine dreiviertel Stunde.“
„Dann lasst uns jetzt austrinken. Aufräumen können wir ja auch nach dem Aufstehen, oder?“ Steven blickte mich fragend an. „Oder was steht morgen noch alles auf dem Programm?“
Ich atmete tief durch. „Wir brauchen nur die Betten abziehen und die Küche wieder sauber machen. Die Putzfrau kommt Montag oder Dienstag und kümmert sich dann um den Rest.“
„Dann ist ja gut. Ich dachte schon, wir müssten große Wäsche machen und ich müsste das Bügeleisen schwingen, um die Laken zu plätten.“ Der Lehrer wirkte erleichtert.
Das erste Mal wurde ich gegen zehn Uhr wach, meine Blase forderte von mir, entleert zu werden. Ich tat ihr den Gefallen und kuschelte mich dann wieder an meinen Engel, der meine kurze Abwesenheit wohl gar nicht bemerkt hatte. Ich muss wohl gerade wieder eingeduselt gewesen sein, als Jost seinen Arm unsanft auf meine Schulter ablegte. Seit wann drehte er sich im Schlaf so häufig?
Ich bettete mich auf meine rechte Seite, nahm etwas Abstand von dem Mann meiner Träume und wollte erneut in das Reich der Träume hinübergleiten. Allerdings war auch diesem Versuch kein Erfolg beschieden: Ich hatte gerade die Passformalitäten für die Einreise erledigt, als mein Gatte sich in die Decke ein- und zur anderen Seite des Bettes rollte. Ich lag somit nackt auf dem Laken und der Wind vom Atlantik, irgendein Idiot hatte die Tür zur Dachterrasse offen gelassen, strich über meinen Körper. Es gibt sicherlich bessere Möglichkeiten, geweckt zu werden.
Ich tapste aus dem Bett, die Götter des Schlafes hatten anscheinend etwas dagegen, dass ich noch weiter Augenpflege betrieb. Also, was blieb mir übrig? Ab in die Küche, der Kaffeeknecht sollte auch etwas tun. Langsam deckte ich den Tisch, trank ein Glas Orangensaft, gönnte mir ein Lungenbrötchen und bereitete dann das Rührei vor, das es geben sollte, vor. Die Aufbackbrötchen, so etwas gibt es auch in den USA, die Jost gekauft hatte, kamen aus ihrer eingeschweißten Tüte auf das Backblech, und der Ofen wurde vorgeheizt.
Ein Blick und ich war zufrieden mit mir und meinem Werk. Zwar stand ein Sammelsurium von Tassen und Tellern auf dem Tisch, ich hatte nämlich keine Lust, erst noch die Spülmaschine auszuräumen. Meiner Ansicht nach ist es auch wichtiger, was in oder auf dem Porzellan ist, als dass diese Stücke farblich und geometrisch miteinander harmonieren, ich bin doch eher Praktiker als Schöngeist.
Im Gegensatz zum gestrigen Tage verzichtete ich aber auf das Wecken mit Kaffee, wie hätte ich auch drei Tassen heil in den ersten Stock bringen können? Als Erster musste mein Engel daran glauben, aus Morpheus Reich vertrieben zu werden. Alle Liebkosungen und Küsse, die ich im gab, halfen nicht so richtig; er schlug zwar die Augen auf, aber Anstalten, sich zu erheben, machte er nicht. Erst als ich mit dem Waschlappen in die Nähe seines Gesichtes kam, kam er in die Hufe.
Fast schon panisch blickte er mich an. „Kannst du das nicht zärtlicher machen?“
„Habe ich ja versucht, aber von dir kam ja leider keine Reaktion. Ich war also gezwungen, härtere Geschütze aufzufahren.“ Ich küsste ihn auf die Nasenspitze. „Und wie man sieht, hatte ich Erfolg.“
„Das ist amerikanischer Imperialismus pur!“ Trotzdem grinste er mich an.
Ich zog die Augenbrauen hoch. „Der Imperialist hat jedenfalls schon Frühstück gemacht. Der Kaffee ist durchgelaufen, die Brötchen sind im Ofen, nur die Eier müssen gleich noch in die Pfanne, dann können wir essen.“
„Wie spät ist es eigentlich?“ Mein Schatz reckte sich, seine Morgenlatte sprang lustvoll hervor.
Ich musste grinsen, nur zu gern hätte ich mich jetzt um seine Lanze gekümmert. „Gleich elf.“
„Dann haben wir ja noch viel Zeit.“ Er gähnte mich herzhaft an. „Kommst du zu mir ins Bett?“
Ich schüttelte den Kopf. „Wir haben leider keine Zeit mehr zum Kuscheln.“
„Wieso das denn? So lange dauert das Abziehen doch auch wieder nicht.“ Mein Engel blickte mich fragend an. „Oder hast du, also du das Frühstück gemacht hast, die Küche auseinander genommen?“
Ein Lachen legte sich auf meine Lippen. „Keine Angst, unten ist alles in Ordnung! Chester wollte den Wagen bis fünf Uhr wieder zurückhaben, er will wohl heute Abend in die Oper. Wir aber müssen erst noch in die Firma, um mein Auto abzuholen, … deshalb sollten wir spätestens um zwei Uhr von hier los. Es ist das erste warme Wochenende und wer weiß, wie viel unterwegs los ist?“
„Daran hatte ich gar nicht gedacht, dass wir noch die Wagen tauschen müssen.“ Mein Gatte erhob sich und steuerte auf das Bad zu. „Wir sollten zusehen, dass wir auch so eine Ausnahmegenehmigung kriegen, ist erheblich einfacher als mit der Fähre.“
„Ich werde Mister Miles dann fragen, wen er mit wie viel bestochen hat, um das Ding zu kriegen. Aber jetzt werde ich erst einmal unsere Gäste aus dem Bett schmeißen, die haben sich bis jetzt auch noch nicht blicken lassen.“ Ich drückte ihm einen Kuss auf die Lippen und wandte mich der Tür zu.
„Mach das!“ Er warf mit einen Luftkuss zu. „Aber sei nicht allzu brutal mit ihnen.“
„Keine Angst, du kennst meine pazifistische Grundeinstellung.“ Ich musste grinsen, als ich meine Schritte erst einmal in Richtung Backofen lenkte. Die Weckaktion mit meinem Gatten hatte länger gedauert, als ursprünglich geplant, die Brötchen müssten jetzt eigentlich fertig sein. Ich stellte den Ofen ab, öffnete die Klappe, der Duft von frischgebackenem Brot schlug mir entgegen. Das Wasser lief mir im Munde zusammen.
Die noch dampfenden Backstücke schüttete ich in ein Körbchen und stellte es auf den Tisch, ehe ich mich wieder auf den Weg nach oben machte, um den Eisenbahner und den Lehrer zu wecken. Auf Anklopfen verzichtete ich, ich wollte das Überraschungsmoment ausnutzen. Allerdings war ich dann doch erstaunt, was sich auf dem Bett sah. Auch beim zweiten Blick hatte sich nichts geändert, ich eilte in unser Zimmer, um Jost Bescheid zu sagen. Mein Engel wollte sich gerade die Zähne putzen, als ich ihn am Handgelenk packte und hinter mir her zog.
„Es sieht echt süß aus, wie die beiden schlafen. Das musst du gesehen haben!“ Ich schob ihn durch die offene Tür und präsentierte meinem Schatz die beiden Schlafenden. „Bitte!“
Jost musste grinsen. „So könnte ich nie schlafen!“
Steven lag nackt auf dem Rücken, allerdings, wohl aufgrund seiner Größe, leicht schräg auf der Matratze. Lee schlief im Adamskostüm neben ihm, allerdings die Stellung war einzigartig. Seinen Kopf hatte er in der linken Achselhöhle des Zweimetermannes vergraben, sein linker Arm schlängelte sich unter dem des Lehrers zu dessen Kopf. Seine rechte Hand hätte man eigentlich auf der Brust des Pädagogen vermutet, aber sie verdeckte halbwegs die Scham des Sprachgenies.
Das rechte Bein des Chinesen ruhte auf der linken Extremität des Mannes aus Delaware, allerdings lag der Berührungspunkt nicht auf dem Oberschenkel, was eigentlich normal gewesen wäre, nein, sie trafen erst weit unterhalb der Kniescheibe. Der linke Fuß meines Assistenten berührte fast die äußere Bettkante, dadurch war sein Becken in leichte Schieflage geraten und gab den Blick auf die asiatischen Kostbarkeiten frei.
„Das müsste man eigentlich fotografieren.“ Mein Engel kicherte leise.
Ich grinste ihn an. „Dann hol die Kamera, ich warte solange.“
Es dauerte keine zwei Minuten, dann war mein Gatte wieder im Zimmer und zwei Aufnahmen im Kasten. Die eigentliche Weckaktion verlief dann relativ zügig und reibungslos, Jost trommelte leicht auf die chinesischen Apfelbäckchen, ich leckte Steven erst durchs Gesicht und knabberte dann an seiner Nasenspitze. Aber ich musste aufpassen, als sein rechter Arm sich in Bewegung setzte; hätte ich meinen Kopf nicht rechtzeitig weggezogen, seine Hand hätte mich wohl voll betroffen.
Durch mein Ausweichen jedoch stieß ich mit meinem Assistenten zusammen, der gerade dabei war, sich zu erheben; er wollte wohl wissen, wer der Trommler auf seinem Hinterteil war. Ich blickte in verschlafene Augen, aber was machte der Asiate? Packte mich am Hals und zog mich zu sich runter. Die Hand des Lehrers spürte ich oberhalb meines rechten Beckens, sollte er mich etwa kitzeln wollen? Die Antwort war ein eindeutiges Ja! Steven begann mit entsprechenden Fingerbewegungen und ich kam mir vor wie ein Aal auf dem Trockenen: Ich schlängelte mich mehr oder minder auf den Körpern unserer Gäste, rutschte immer mehr Richtung Fußende, was mich schließlich mit meinem Gatten kollidieren ließ. Konnte ich Hilfe von meinem Engel erwarten? Die Antwort war ein eindeutiges Nein! Das Gegenteil war der Fall, er half sogar dem Lehrer, mich durch Zwicken und Zwacken zum Lachen zu bringen.
Einzig Lee versuchte, eine Rettungsaktion zu starten, und zog meinen Gatten ebenfalls auf das Knäuel, welches sich auf der Matratze mittlerweile gebildet hatte. Der Mann aus Norderstedt kam auf mir zu liegen; ich kam mir vor wie der Belag auf einem Sandwich. Ruhe kehrte nicht ein: Es wurde gepiekst, gegrapscht, gezwickt und gefiept, was das Zeug hielt. Nach fünf Minuten war ich fast außer Atem, denn die Versuche, dem Kitzeln zu entgehen, es aber selber zu machen, waren mit einem intensiven Körperkontakt verbunden. Mittlerweile wurden die Krieger, die sich inzwischen bei uns allen erhoben hatten, samt ihrem Gepäck, mit in die Aktionen einbezogen.
Jost, der seinen Verbündeten verloren hatte und mittlerweile selbst von Steven attackiert wurde – Koalitionen können sich im Verlauf eines Gefechtes halt ändern – klopfte, wie ein Ringer auf der Matte, zum Zeichen der Aufgabe, dreimal auf die Matratze. „Jungs! Aufhören!“
„Erst den Krieg beginnen und dann den Schwanz einziehen!“ Der Lehrer lachte.
Mein Engel setzte seinen Dackelblick auf. „Wir wollten euch doch nur zum Frühstück wecken.“
„Wenn das so ist, dann mal auf!“ Lee nahm durch einen Kuss die Kapitulation an. „Ich habe Hunger!“
Die Nahrungsaufnahme verlief dann wieder in gesitteteren Bahnen, die angeschwollenen Anhängsel mussten sich erst einmal beruhigen, um in ihrer Ausgangsposition zurückzukommen. Bei mir verlief dieser Prozess ziemlich zügig, ich stand ja am Herd und kümmerte mich um das Rührei. Gut, ich gebe es zu, eine kleine Unterbrechung gab es auch bei mir, als der Lehrer sich ziemlich nah hinter mich stellte, mir über die Schulter schaute und sich vom Fortschritt der Rühreiwerdung überzeugte.
Bei Tisch wurde viel gelacht, gescherzt, geflachst und gekichert. Die Stimmung war ausgelassen und fröhlich, wir waren vier Freunde, die sich einfach verstanden und Spaß hatten, den Tag miteinander zu verbringen. Ob jedoch auch zwei Paare am Tisch saßen, würde erst die Zukunft zeigen. Zwischen Lee und Steven lagen immerhin mehr als 200 Kilometer Straße und beide waren beruflich an ihren jeweiligen Heimatort gebunden.
Die beiden passten zwar zueinander, man könnte sogar sagen, sie harmonierten. Aber es gab, wie immer, ein ganz großes Aber! Sie hatten sich an diesem Wochenende erst zum zweiten Mal gesehen und gesprochen. Eigentlich war es das erste richtige Kennenlernen, denn am vergangenen Sonntag in der Sauna konnte man wirklich nicht von einem richtigen Treffen sprechen. Der Chinese und ich hatten ja erst noch etwas gearbeitet, während Jost und Steven schon längst auf unserer Terrasse saßen und mit Juan über Gott und die Welt plauderten.
Im Schwitzkasten wurde nicht viel geredet, in der ersten Pause war die Hochzeit meines Bruders Gesprächsthema Nummer eins und bei der zweiten Unterbrechung hatten wir etwas anderes zu tun, als miteinander zu sprechen; wir waren anderweitig beschäftigt. Juan und Steven spielten zu zweit auf dem Sofa, während Lee, Jost und meine Wenigkeit uns auf dem Fußboden vergnügten.
Das Problem bei Gruppensex ist die Gruppe selber: Besteht sie aus drei oder vier Personen, so kann man durchaus miteinander und zusammen Spaß haben. Setzt sie sich jedoch aus fünf oder mehr Teilnehmern zusammen, so ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es mehr als ein Kampfknäuel gibt; man hat also keinen Gruppensex, sondern lediglich Sex in der Gruppe. Zwar ist es theoretischerweise möglich, dass sich mehr als sieben Männer mit einer einzigen Person vergnügen (vier Kerle lecken Hände und Füße, einer bläst, einer wird geblasen und der letzte in der Reihe ist derjenige, der den wohl liegenden Mittelpunkt vögelt!), aber in der Praxis dürfte diese Praxis eher unrealistisch sein.
Nach dem Frühstück, der letzte Kaffee wurde um kurz vor eins eingeschränkt, begannen wir mit den Aufbrucharbeiten: Duschen, Anziehen, Kofferpacken. Während sich Jost um unser Gepäck kümmerte, brachte ich die Küche wieder in Ordnung. Ich hatte gerade die Spülmaschine ausgeräumt, eine Arbeit, die ich nur ungern erledige, und wollte sie mit dem Frühstücksgeschirr füttern, als mein Assistent die Treppe herunterkam, um mich tatkräftig zu unterstützen.
„Wo steht eigentlich der Wischeimer?“ Lee blickte mich mit seinen dunklen Augen fragend an.
Ich stutzte leicht. „Was willst du denn damit machen?“
„Einmal feucht durchgehen.“ Er grinste mich an. „Fegen müssten wir sowieso und Steven hat ja auch seinen Orangensaft verschüttet, von daher …“
„Moment, ich geh dann mal auf die Suche.“ So genau kannte ich mich in dem Haus auch noch nicht aus, aber ich wusste von der Existenz des Hauswirtschaftsraumes, und, siehe da, ich fand das Gesuchte. Lachend kehrte ich in die Küche zurück. „Bitte schön! Du kannst dich jetzt auslassen.“
„Danke dir.“ Der Asiate begann, Wasser in den Eimer zu lassen.
„Gern geschehen.“ Der Geschirrspüler war wieder gefüllt und spulte schon sein Waschprogramm ab, ich konnte mich also um die Vorräte kümmern. Alles Haltbare wie Butter und Marmelade wanderte in den Kühlschrank, aber Käse und Wurst packte ich in eine Tupperdose, um sie mit in die 113. Straße zu nehmen. Würden die Reste hierbleiben, wir könnten sie beim nächsten Besuch sofort entsorgen, auf trockenen Käse und wellige Wurst kann ich überhaupt nicht.
Ich grinste meinen Assistenten an. „Darf ich dir noch ein Glas Milch anbieten?“
„Du bist zu gnädig, lieber Gordon. Aber auf das Glas kann ich verzichten, ich trinke den Rest gleich aus der Tüte, dann kann die auch noch in den Müll.“ Er fuhr sich durch die Haare. „Aber können wir auf dem Rückweg noch an einem Supermarkt anhalten? Ich müsste gleich noch einkaufen.“
Ich grinste ihn an. „Stimmt, du hast ja einen Übernachtungsgast, der dir morgen Frühstück macht.“
„Als wir im Bett lagen, wollte er unbedingt wissen, was Chinesen am Morgen so zu sich nehmen.“ Der Eisenbahner lachte hämisch. „Er hat richtig große Augen gekriegt, als ich ihm erklärt habe, wie man Jiaozi und Reissuppe macht, dabei esse ich das Zeug gar nicht, konnte es als Kind schon nicht ausstehen. Ich bin auf seinen Gesichtsausdruck gespannt, wenn ich ihm morgen sage, ich hätte gerne Pancakes mit Ahornsirup und eine Schale Müsli.“
Ich schüttelte amüsiert den Kopf. „Das ist fies! Du solltest vorsichtshalber die Messer beiseitelegen.“
„Werde ich auch machen, ich bin ja nicht lebensmüde!“ Der Eisenbahner gluckste.
Ich blickte ihn neugierig an. „Wo wollt ihr heute Abend eigentlich hin?“
„Ich weiß nicht, … vielleicht auf ein Bier ins Village.“ Lee zuckte mit den Schultern. „Es wird auf alle Fälle ein ruhiger Abend, wir wollen uns ja unterhalten und nicht tanzen.“
„Unterhalten? Nennt man das jetzt so?“ Ich kniff ihm ein Auge zu.
Mein Assistent verzog die Mundwinkel. „Die Wahrscheinlichkeit, dass wir gemeinsam in einem Bett landen werden, ist ziemlich hoch, denn ich habe weder Gästezimmer und noch eine Schlafcouch. Da ich nicht glaube, dass Steven auf dem Fußboden schlafen möchte, werden wir also …“
„Dann viel Spaß … bei eurer Unterhaltung.“ Ich klopfte ihm auf die Schulter.
Seine Augen glänzten. „Steven ist ein ziemlich netter Zeitgenosse, mit dem ich gerne meine Zeit verbringe. Er ist witzig, charmant, geistreich, … aber auch ziemlich eingefahren und gehemmt in seiner Art. Mal schauen, was der Abend so bringen wird.“
„Ich drücke dir ganz fest die Daumen, solange … du morgen wieder zur Arbeit kommst und nicht mit ihm durchbrennst!“ Ich grinste ihn an. „Ich habe keine Lust, mir einen neuen Assistenten zu suchen!“
Sein Gesicht erstarrte erst, dann lachte er schallend los und tippte sich an die Stirn. „Ich bin doch nicht bekloppt! Was soll ich auf dem Land? Mal ein Wochenende? Gut! Aber mehr? Nie im Leben!“
„Dann bin ich ja beruhigt!“ Ich lachte ihn an und küsste ihn auf die Wange.
Die Rückfahrt verlief ohne nennenswerte Vorkommnisse, auch Lees Einkäufe waren schnell erledigt. Mein Göttergatte stand viel länger für das Waschmittel aus dem Sonderangebot an der Kasse an als der Chinese für seine Getränke. Brauchten wir unbedingt das Pulver? An der Tatsache, dass Maria, die Perle meiner Eltern, unsere Wäsche mit erledigte, hatte sich, soviel ich wusste, nichts geändert. Sollte unser Handtuch- und Bettlakenverschleiß mittlerweile so groß geworden sein, dass wir alle zwei Monate Nachschub an dieser Reinigungssubstanz brauchten?
Das Aus-, Um- und Einladen der Wagen war auch relativ schnell erledigt. Die Verabschiedung war kurz und bündig, aber dennoch herzlich. Man merkte, die beiden wollten endlich zu zweit alleine sein. Ich holte mir vom Bereitschaftsfahrer noch den Schlüssel für die Waschanlage, ich wollte Simmons dann doch einen sauberen Wagen übergeben. Der Multifunktionsangestellte blickte mich auch ziemlich erleichtert an, als ich ihm um kurz nach vier den Schlüssel für den Benz mit dem besten Dank wieder in die Hand drückte.
Der Herr des Hauses war anwesend und ließ es sich nicht nehmen, uns erstens persönlich zu begrüßen und zweitens, uns einen Drink aufzunötigen. Während mein Engel auf einem Glas Wasser bestand, nahm ich die Einladung zu einem Cognac gerne an, die Fahrerfrage hatte sich somit von selbst beantwortet. Der hohe Vorsitzende wirkte leicht angeschlagen, längst nicht so frisch und agil, wie man ihn sonst kannte. Auch wenn er versuchte, seine Gefühle zu überspielen, aber die Sache mit dem Dekan nahm ihn doch mehr mit, als er wohl offen zugeben wollte.
Als wir auf seiner Terrasse saßen und auf den East River blickten, schaute ich ihm direkt in die Augen. „Wie geht es Jonathan? Was sagen denn die Ärzte?“
„Hör mir auf mit den Quacksalbern! Mittwoch war es nur der Kreislauf, Donnerstag bekam er heftige Bauchschmerzen, am Freitag war sein Blutbild plötzlich diffus. Einer der Ärzte meinte, es könnte der Magen sein; nächste Woche sehen wir weiter.“ Er stürzte den Inhalt seines Glases hinunter.
„Vor vier Jahren hat man bei meinem Vater Magengeschwüre diagnostiziert, das fing das auch mit starken Bauchschmerzen an.“ Jost blickte uns über sein Glas hinweg an. „Aber … vielleicht hat er nur was Falsches gegessen. Er sollte sich auf jeden Fall näher untersuchen lassen.“
„Dann sag Jonathan das mal, auf mich hört er ja nicht: Er hat ja angeblich nichts! Der Gute hat mich angegiftet, als ich ihn am Freitag zu Doktor Chandler geschleppt habe.“ Chester wirkte aufgebracht.
Ich legte ein Grinsen auf meine Lippen. „Er scheint einige Gemeinsamkeiten mit meinem Vater zu haben, der hat auch nie etwas. Ich weiß noch, als er seinen Herzinfarkt hatte: Er war kaum von der Intensivstation herunter, da glich sein Krankenzimmer einem Büro, es fehlte nur noch die Sekretärin und die Kaffeemaschine. Aber Mama hat ihm das schnell wieder ausgetrieben.“
„Wie hat sie das denn gemacht?“ Der hohe Vorsitzende blickte mich interessiert an.
Ich zeigte ihm meine Grübchen. „Ganz einfach: Als er wieder zuhause war, lagen ein paar Prospekte von Partnerschaftsagenturen herum und sie interessierte sich plötzlich für die Kontaktanzeigen in der Zeitung. Als mein alter Herr sich wunderte, meinte sie lapidar, sie wäre noch zu jung, um ihr weiteres Leben als trauernde Witwe zu fristen. Wenn er aber so weiter machen würde, wäre sie bald eine und er könne ihr ja noch helfen, seinen Nachfolger auszusuchen. Das saß!“
Mein Nenn-Opa grinste. „Manchmal hilft nur noch die Holzhammermethode, aber ich glaube nicht, dass ich es ihr gleich tun werde. Noch steht ja nicht fest, ob es nur ein kleines Wehwehchen ist oder ein ganz großes Aua, was ihn plagt.“
„Dann hoffe ich mal, es ist das Erste! Ich mag keine Krankenhäuser, mir hat es gereicht, Donnerstag Ian besuchen zu müssen.“ Auch ich leerte mein Glas.
„Was macht der Buchhalter denn im Hospital?“ Mister Miles schaute überrascht.
Wir brachten ihn auf den aktuellen Stand der Dinge, denn in den letzten Tagen war ja viel geschehen, was an ihm einfach vorbei gezogen war. Auch bezüglich des von ihm engagierten Architekten machte ich die eine oder andere Anmerkung, aber Chester winkte nur ab.
„Lass mal, John ist ein guter Mann, auch wenn er heute ab und an etwas eigenartig daherkommt. Du hättest früher mal sehen und erleben müssen! Da ist er keinem Streit aus dem Weg gegangen, er war wie der Stier, der nur das rote Tuch sah.“ Der Hausherr schenkte sich nach. „Wenn er einen Fehler gemacht hat, dann ist es der, nicht früher auf seinen Körper gehört zu haben. Nach seinem ersten Hörsturz machte er genau da weiter, wo er vorher aufgehört hatte, nämlich bei Tempo 150 auf der Überholspur. Er trat erst auf die Bremse, als es schon fast zu spät war. Seit seinem zweiten Hörsturz fährt er nur noch mit Tempo 30. Deshalb will ich ja auch, dass Jonathan auf seinen Körper hört.“
Das also hatte der Architekt mit seinen gesundheitlichen Einschränkungen gemeint; mir wurde jetzt einiges klarer. Nach meinem zweiten Drink verabschiedeten wir uns vom Vorsitzenden der Liga, wir würden uns beeilen müssen, wollten wir noch rechtzeitig zum Abendessen bei meinen Eltern sein. Zwar hätten wir direkt von Chester aus über den Fluss fahren können, aber wir mussten erst einmal zu uns, unser Wäschekorb quoll über. Aufgrund der Hochzeit meines Bruders hatten wir auf eine Leerung in der letzten Woche ja verzichten müssen.
Mit zwei vollen Wäschekörben im Kofferraum fuhren wir über die Robert F. Kennedy Memorial Bridge nach Queens. Früher hieß der Komplex, der eigentlich aus drei einzelnen Brücken besteht, passenderweise Triboro Brigde. Die beiden nördlichen Brücken aus Manhattan und der Bronx treffen sich auf Randall‘s Island und von Ward’s Island geht es im Süden nach Queens. Früher waren es zwei getrennte Inseln, aber irgendwann hatte man sie, mittels Landaufschüttung, miteinander verbunden; man hatte jedoch vergessen, einen neuen Namen für das neu geschaffene Eiland zu finden.
Als wir an der psychiatrischen Klinik von Manhattan vorbeifuhren, legte mein fahrender Engel seine rechte Hand auf mein Knie. „Weißt du eigentlich, was es gleich geben wird?“
„Keine Ahnung! Wir werden uns wohl überraschen lassen müssen.“ Das Einzige, was ich von meiner Mutter erfahren hatte, war die Uhrzeit, zu der wir uns in der Lensingschen Etage einfinden sollten.
Als ich die Tür zur elterlichen Wohnung gerade geöffnet hatte, stieg mir schon ein komischer Geruch in die Nase, es roch eindeutig nach Farbe. Von einer Renovierung hatte Mutter kein Wort gesagt. Aus dem Wohnzimmer hörten wir Stimmen, die lautstark miteinander diskutierten, streiten wäre zu viel gesagt. Alles in allem ziemlich merkwürdig.
Nachdem wir die zwei Wäschetransportbehälter abgestellt und uns unserer Jacken entledigt hatten, blickte ich meinen Gatten fragend an. „Kannst du mir sagen, was hier los ist?“
„Keine Ahnung! Wir werden uns wohl überraschen lassen müssen.“ Mein Engel grinste und öffnete die Tür in den Wohnbereich.

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Ich traute meinen Augen nicht, das Esszimmer glich einem Maleratelier. Zwar fehlte eine Staffelei, es standen aber unzählige geöffnete Farbtöpfchen auf dem abgedeckten Esstisch. Renoviert wurde aber nicht, soviel stand fest, die Tapeten waren noch alle an den Wänden und auch an der Decke konnte ich keine Veränderungen feststellen. Was sollten also die Farben?
„Kannst du dir einen Reim darauf machen?“ Ich blickte meinen Engel fragend an.
Jost schüttelte den Kopf. „Nein, wir sollten einfach mal deine Eltern fragen, was hier …“
In dem Moment kam meine Mutter um die Ecke geschossen. „Richard! So langsam zweifel ich an deinem Verstand! Erst deine bekloppte Idee mit Jersey und dann deine Farbwahl? Orange und Gelb! Wir sind doch nicht mehr in den 70ern!“
Ich räusperte mich. „Hallo Mum!“
Sie drehte sich zu uns um. „Ach Kinder, schön, dass ihr da seid. Wir suchen gerade die Farben …“
„… für den Zug aus.“ Mein Engel grinste und deutete auf den Tisch. „Macht man das jetzt so?“
„Die Idee kam von mir!“ Granny war zu uns gestoßen und knuddelte erst einmal meinen Gatten, ehe sie mich umarmte und uns beide dann ins eigentliche Wohnzimmer zog. „Kommt mal mit.“
Auf dem Wohnzimmertisch standen knapp zwei Dutzend Eisenbahnwagen in den verschiedensten Farbkombinationen, bei den meisten Modellen waren die rechte und die linke Seite unterschiedlich bemalt. Ich staunte nicht schlecht ob des Einfallsreichtums meiner Großmutter.
„Da ward ihr aber ziemlich fleißig!“ Ich blickte in die Runde.
Mein Vater nickte. „Wir haben heute nichts anderes gemacht, als die Wagen anzupinseln.“
„Das hättet ihr aber auch einfacher haben können. Wozu gibt es denn Rechner?“ Jost lachte.
Großmutter bekam große Augen. „Wie? Wir hätten uns nicht die Hände schmutzig machen müssen?“
„Mit einem einfachen Malprogramm hättet ihr nicht Rembrandt spielen müssen, ein paar Klicks mit der Maus und …“ Der angehende Journalist grinste. „… ihr hättet das gleiche Ergebnis, nur erheblich schneller … und teilweise auch nicht so krumm und schief.“
„Welche Kombination gefällt dir denn am besten?“ Meine Mutter legte ihre Hand auf die Schulter meines Gatten. „Und jetzt sag ja das Richtige!“
Mein Schatz fühlte sich offensichtlich etwas unbehaglich. „Naja, um ehrlich zu sein, das Ganze, das ich hier sehe, ist mir zu modern. Der Zug ist doch ziemlich alt, also sollte auch die Farbgestaltung sich nicht nach dem heutigen Geschmack richten, sondern … eher etwas antiquiert sein.“
„Siehe ich genauso, aber wir müssen uns auch von den Vorbesitzern unterscheiden.“ Ich atmete tief durch. „Der alte American Orientexpress war Beige und Blau mit goldenen Streifen. Xanterra hat die Wagen einfarbig in Grün lackiert.“
„Da Blau wahrscheinlich ja nicht gehen wird, würde ich die Farben des alten Trans Europ Express nehmen, also unten Bordeauxrot und oben Cremefarben. Der Schriftzug dann in Silber, denn … Gold hat ja jeder Hans und Franz.“ Mein Gatte blickte erwartungsvoll in die Runde.
Mama grübelte und auch mein Vater legte seine Stirn in Falten. Granny jedoch kicherte und deutete auf einen der Wagen auf dem Tisch. „Meinst du so ungefähr?“
Jost nickte. „Genau, allerdings sollte das Rot noch etwas dunkler sein, damit die Schrift besser zur Geltung kommt. Die beiden Punkte auf den Türen sollen wohl das Firmenlogo darstellen, oder?“
Die Mutter meiner Mutter lachte. „Ich dachte zwar eher an etwas Heraldisches, aber gegen ein gutes Signet habe ich nichts einzuwenden; ist auch nicht so antiquiert wie ein Wappen.“
„Wie soll die Firma eigentlich heißen?“ In Jost war wohl die Neugier ausgebrochen.
Dad zuckte mit den Schultern. „Sie ist Teil von Lensing Travel, wir brauchen keinen Namen.“
„Dad, es muss sogar eine eigene Firma werden! Ansonsten …“ Ich verdrehte die Augen. „… besteht die Möglichkeit, dass alles, aber auch wirklich alles, den Bach runtergeht, falls dein Experiment scheitert und der Zug, im wahrsten Sinne des Wortes, entgleist.“
Mama kriegte große Augen. „Und wie umschiffen wir diese Klippe?“
„Lensing Travel gründet eine LLC als Kapitalgesellschaft, entweder mit Sitz in Delaware, wegen des sehr liberalen Gesellschaftsrechts dort, oder aber …“ Ich schaute meinen Vater an. „… wir lassen die neue Firma in Florida eintragen, da sind die Steuern ziemlich niedrig.“
Der Herr der Busse rieb sich sein Kinn. „Das sollen unsere Anwälte morgen mal durchchecken und die Buchhaltung, versteht sich.“
„Aber warum eine eigene Firma?“ Oma schaute ziemlich ratlos drein und steuerte den Tresen an.
Ich blickte sie an. „Nehmen wir mal an, die Sache geht schief: Der mögliche Verlust wäre enorm und die gesamte Firma könnte dadurch in eine Schieflage geraten, aus der sie nicht mehr rauskommen würde. Gründen wir hierfür eine eigene Firma, geht nur die den Bach runter.“
„Junge, ich hab davon ja keine Ahnung, aber wo ist der Unterschied, ob Lensing Travel nun 15 Millionen in den Sand setzt oder das Zugunternehmen?“ Granny schenkte für alle Anwesenden eine Runde Cognac ein. „Wie wäre es mit Lensing Cross Country Railway für die Eisenbahn? Hört sich doch nicht schlecht an, oder? Was meint ihr?“
„Die Idee ist gut!“ Mama grinste ihre Mutter an und stieß mit uns erst einmal auf den gefunden Namen an. Als wir uns einigermaßen wieder beruhigt hatten, zwinkerte meine alte Dame mir zu. „Und jetzt beantworte bitte die Frage von Oma: Wo ist der Unterschied?“
„Lensing Travel gibt der neuen Firma einen Kredit, damit sie arbeiten kann. Der Kredit schmälert den Gewinn, somit werden weniger Steuern fällig.“ Ich trank einen Schluck. „Schreibt LXC, das würde ich als Kürzel nehmen, rote Zahlen, so mindert das auch in den Folgejahren den Gewinn von Lensing Travel, da es eine 100%ige Tochter ist. Schreibt sie aber schwarze Zahlen, rechnet sich LXR erst einmal arm, da die Tochter Leistungen der Mutter in Anspruch nimmt.“
„Und die Leistungen könnten nicht in abgerechnet werden, wenn die Eisenbahn ein Teil der Firma wäre? Noch jemand?“ Granny schwenkte die Cognacflasche.
Ich hielt ihr mein Glas hin. „Genau. Beispiel: Die Werbeabteilung entwirft einen Prospekt für den Zug, das kostet Zeit, Material, Ressourcen, … also Geld. Als Abteilung der Firma würde diese Summe nur in der internen Kostenstellenrechnung auftauchen, wäre die LXC aber eigenständig, fließen die Zahlen direkt in die Gewinn-und-Verlust-Rechnung beider Firmen ein und sind darüber hinaus auch steuerlich relevant. Wir wollen ja nicht mehr als unbedingt nötig an den Staat zahlen, oder?“
„Wenn das so ist, dann …“ Mum grinste. „… dann machen wir das so!“
Ich sollte weniger trinken. „Aber jetzt hätte ich mal eine Frage: Was war das gerade mit Jersey?“
„Wir haben überlegt, ob wir die Wohnungen hier nicht aufgeben und uns was auf dem Land suchen sollen.“ Mama strich sich durch die Haare.
Jost wurde neugierig. „Warum das denn?“
„Ihr Kinder seid alle aus dem Haus und Eric wird auch bald ausziehen.“ Oma seufzte. „Was sollen wir drei Leute noch mit einer ganzen Etage? Uns reicht ein Haus auf dem Lande, allerdings brauchen wir eine Einliegerwohnung für Maria und ihren Mann, denn etwas Komfort wollen wir dann ja doch.“
Jost lache. „Auch wieder wahr. Und? Wohin soll es gehen?“
„Auf jeden Fall nicht nach New Jersey!“ Die Frau meines Vaters grinste ihren Mann frech an.
Mein alter Herr zuckte zusammen. „War ja nur eine Idee, Darling. Wir müssen nicht auf die andere Seite des Hudsons ziehen. Aber Jungs, wie war denn euer Wochenende?“
„Richard, du lenkst ab.“ Mama war wohl nachtragend. „Was soll ich in einem Industriegebiet mit Blick auf eine Müllverbrennungsanlage? Ich will endlich einen eigenen Garten!“
„Wo soll denn dein Rosengarten blühen?“ Die Pläne meiner Familie überraschten mich.
Granny grinste. „Das wissen wir noch nicht! Vielleicht Richtung Yonkers oder New Rochelle, maximal noch Oceanside, … ich will keine Stunde fahren müssen, um in de Stadt zu kommen.“
„Wie wäre es denn mit Staten Island?“ Jost öffnete unbewusst die Büchse der Pandora.
Mum kriegte große Augen. „Junge! Das ist ja fast so schlimm wie New Jersey!“
„Also keine gute Idee? Ich dachte ja nur. Eine Kommilitonin von mir, Rebecca, wir haben bei ihr einmal an einem Referat gearbeitet, sie …“ Er versuchte wohl, gut Wetter zu machen. „… sie wohnt bei ihren Eltern in Rosebank, direkt am Ufer. Der Meerblick war echt nicht schlecht, zwar nicht so gut wie in den Pines, aber hat mir gefallen.“
„Schatz, einen Meerblick kann man auch vom Festland aus haben, dazu muss man nicht auf eine Insel ziehen. Wir müssen ja auch die globale Erwärmung bedenken.“ Granny wuselte Jost durch die Haare.
Ich war etwas erstaunt ob ihres Einwands. „Äh, was hat jetzt der Klimawandel mit der Lage eures neuen Wohnortes zu tun?“
„Junge, ich dachte, ich wäre alt!“ Meine Großmutter schaute mich fast vorwurfsvoll an. „Wenn es noch wärmer wird und die Polkappen schmelzen, steigt der Meeresspiegel! Außerdem … was nützt eine Meerlage, wenn man nur auf einen Deich blickt? Dann kann man gleich in die Berge ziehen.“
Die Logik meiner Großmutter war unschlagbar, ich zuckte mit den Schultern. „Granny, ein Deich ist, von der Höhe her, eher ein kleiner Hügel und kein Hochgebirge.“
Mein Gatte hatte wieder diesen komischen Blick drauf. „Gordon, was bei einem Berg als hoch angesehen wird, ist stets relativ zur umgebenden Landschaft zu sehen. Der höchste Berg Dänemarks misst gerade einmal 173 Meter, in der Schweiz wäre das ein besserer Maulwurfshügel.“ Er grinste mich frech an. „Der Wilseder Berg in der Lüneburger Heide ist sogar vier Meter kleiner, aber er prägt die Landschaft in einem Umkreis von 100 Kilometern.“
Ich gab mich geschlagen. „Gut, also dann keinen Deich auf dem neuen Grundstück.“
„Aber Jungs, nun erzählt mal!“ Mutter blickte uns neugierig an. „Wie war denn euer Wochenende?“
„Ziemlich erfolgreich!“ Ich lachte meine Eltern an. „Lee und ich haben viel geschafft und Jost ist mit seinem Referat auch komplett durch. Ich muss ehrlich sagen: Die paar Stunden am Wochenende in den Pines waren effektiver als die letzten Tage zwei im Büro. Ich … weiß auch nicht, aber … es ging alles irgendwie einfacher von der Hand.“
Bei einem weiteren Glas des braunen Getränks gab ich die Ergebnisse, die der Eisenbahner und ich an diesem Wochenende erzielt hatten, an die Runde weiter. Zwar wurde das eine oder andere Ereignis nicht – auch nicht am Rande – erwähnt, aber die Resultate ließen sich sehen. Mama war begeistert und auch mein Vater musste einsehen, dass Lee und ich ziemlich produktiv waren.
Mama grinste. „Dann solltet ihr nächstes Wochenende wieder fahren.“
Jost lachte leicht hämisch. „Gerne, aber den beiden Experten fehlte wirklich der Buchhalter in der Runde. Ab und an sind die beiden … irgendwie … abgedriftet, waren nicht mehr bei der Sache. Granny, dein Enkel ist wirklich freiwillig zwei Stunden am Strand Sparzieren gegangen.“
Großmutter blickte mich besorgt an. „Junge! Bist du etwa krank?“
„Also! Es hat ja was gebracht und ihr hattet Spaß, das ist doch die Hauptsache!“ Mama gluckste. „Ich sage dann Maria Bescheid, dass sie euch am Freitag einen großen Fresskorb packen soll.“
Mütter! „Mama, einkaufen können wir selber und, da wir eh wieder den Grill anschmeißen, brauchen wir eure Vorräte nicht zu plündern. Aber …“
„Aber was?“ Granny mischte sich ein.
„Ich kann mir ja schlecht schon wieder Chesters Wagen leihen … und mit vier erwachsenen Männern samt Gepäck und Marias Fresskorb in meinem kleinen Wagen?“ Ich schüttelte mein weises Haupt. „Wir müssen ja die Fähre nehmen, denn ich habe keine Ausnahmegenehmigung, um auf Insel zu kommen. Von daher werde ich mir wohl einen Van aus der Firma …“
„Darüber wollt ich eh noch mit dir reden, mein Sohn.“ Warum wurde Dad plötzlich feierlich? „Wenn du jetzt das Bahnprojekt betreust, brauchst du einen repräsentativen Firmenwagen. Ich dachte an einen BMW, denn … für einen Mercedes bist du noch zu jung, Junior!“
„Ein Cabrio wäre nicht schlecht?“ Gott sei Dank nuschelte ich in mein Glas.
Mein alter Herr grinste. „Habe ich gerade Kombi gehört? Kein Problem, Junge, kannst du kriegen!“
„Und was mache ich mit meiner alten Möhre?“ Ich blickte den Herren der Busse an. „Verkaufen?“
„Wenn wir auf dem Lande wohnen, können wir jeden fahrbaren Untersatz brauchen. Also wir kaufen ihn dir ab, oder wir tauschen die Wagen einfach.“ Mama blickte ihren Gatten an, der sich in sein Schicksal fügte und sofort verstummte.
Nach dem anschließenden Essen fuhren wir nach Hause und fielen ermattet ins Bett, Wochenende in den Pines können anstrengend sein, auch wenn man dort lediglich nur zu Erholungszwecken weilt.
Der Montag war eigentlich ziemlich stressfrei, ich klapperte mit Dad in die BMW Niederlassungen in New York City ab. Da ich am Morningside Park keine eigene Garage hatte, entschieden wir uns dann für einen gebrauchten 328xi Sports Wagon in Graumetallic des vorangegangenen Modelljahrs mit knapp 15.000 Meilen auf dem Tacho. Zwar musste das Navigationssystem noch nachgerüstet und die Freisprecheinrichtung geändert werden, aber am frühen Dienstagabend konnten Jost und ich dann den Wagen beim Händler in der City abholen.
Der Stress begann am Dienstag, denn da wurden die Pläne des eigenen Zugdepots noch einmal mit MTA besprochen und die letzten Änderungen vorgenommen. Am Mittwoch wurde die Lensing Cross Country Railway LLC offiziell gegründet und im Handelregister von Miami eingetragen. Noch am gleichen Tage wurde die neue Firma Mitglied der AAPRCO, der American Association of Private Railroad Car Owners, und beantragte die Zulassung als Eisenbahngesellschaft bei der Federal Railroad Administration, einer Abteilung des Transportministeriums.
Mit dem neuen Wagen ging es abends zu Chester und seinem fast wieder genesenen Jonathan. Zwar würden die beiden das Wochenende noch in der Stadt verbringen, aber man wünschte uns viel Spaß auf der Insel. Der Vorsitzende der Liga versprach, sich höchstpersönlich und möglichst schnell um die Ausnahmegenehmigung für die Pines zu kümmern. Als wir von dem lukullischen Mahl wieder in heimischen Gefilden waren, blinkte der Anrufbeantworter: Mr. Rossberg bat um Rückruf.
Ich blickte auf die Uhr, es war kurz vor elf. Erst wollte ich nicht, dann rief ich aber doch noch in Wilmington an. „Steven? Was kann ich für dich tun?“
„Euer Daumendrücken hat geholfen!“ Der Lehrer gluckste. „Ich habe am Freitagvormittag um 09:00 Uhr einen Vorstellungstermin beim Sprachendienst der VN; bin schon aufgeregt.“
„Na, dann ist der erste Schritt ja schon mal geschafft.“ Ich freute mich für ihn. „Und das Gespräch schaffst du mit Links, da bin ich mir sicher.“
„Dein Wort in Gottes Gehörgang!“ Er druckste leicht herum.
Ich grübelte kurz. „Lass mich raten? Du brauchst jetzt eine Übernachtungsmöglichkeit.“
„Ja! Wenn ich euer Gästezimmer nutzen könnte, wäre ich echt dankbar.“ Er atmete tief durch. „Ich könnte ja auch bei Lee übernachten, das hat er mir schon gesagt, aber erstens ist sein Bett etwas klein, und wenn wir da drinnen liegen, dürfte ich wohl nicht viel zum Schlafen kommen.“
Ich musste innerlich grinsen. „Und du möchtest natürlich ausgeschlafen, ausgeruht und ausgeglichen deinem zukünftigen Arbeitgeber gegenübertreten, oder?“
„Du hast es erfasst! Nichts gegen Lee, … ich freue mich, wenn ich ihn am Freitag wieder sehen werde, aber …“ Eine gewisse Nachdenklichkeit lag in der Stimme des Lehrers. „… ich will diese Chance nutzen und sie mir nicht durch eine geile Nacht …“
„Kein Thema! Natürlich kannst du bei uns übernachten und von hier aus dann am nächsten Morgen frisch gewaschen und gekämmt ins Sekretariat der UNO.“ Ich gluckste in den Apparat. „Lee wirst du ja das ganze Wochenende sehen, wir wieder in die Pines fahren.“
„Ihr wollt das Wochenende wieder auf die Insel?“ Seine Stimme klang erstaunt.
Ein Grinsen legte sich auf meine Lippen. „Eric und Ian wollen die Saison ja auch eröffnen und es gibt noch genügend an der Eisenbahn zu tun. Wir sind mit dem Projekt jetzt in der heißen Phase, von daher wird es wieder ein Arbeitswochenende werden.“
„Also werde ich nicht viel von Lee haben?“ Hörte ich da Niedergeschlagenheit?
„Am Samstag wirst du tagsüber auf ihn leider verzichten müssen.“ Ich grinste. „Aber sei nicht traurig, Jost und Eric werden dein Schicksal teilen: Ian, Lee und ich werden angestrengt über den Plänen sitzen und schwitzen, während ihr euch einen fröhlichen Lenz machen könnt.“
„Aber davon hat er mir nichts gesagt, als wir telefoniert haben.“ Er klang leicht enttäuscht.
Nun war ich leicht irritiert. „Wann habt ihr denn miteinander gesprochen?“
„Wir haben gestern miteinander telefoniert.“
Ich lachte. „Da war das auch noch nicht absehbar, hat sich heute erst ergeben.“
Während der nächsten Minuten brachte ich ihn bezüglich der Eisenbahn auf den aktuellen Stand, er war wirklich überrascht von den Fortschritten, die wir seid dem Wochenende gemacht hatten. Als wir nach einer Viertelstunde das Gespräch beendeten und ich dann meinem Engel, der schon längst bettfertig war, die neuste Nachricht aus Delaware verkündete, flippte mein Schatz fast aus. Dass er mich nicht gleich ins Wohnzimmer runterschickte, um nach der Times mit den Wohnungsanzeigen zu suchen, war alles.
Als ich am frühen Donnerstagnachmittag wieder in die Firma kam, lief mir Lee grinsend über den Weg. Der Eisenbahner blickte mich fragend an. „Und? Erfolg gehabt?“
„Sieg auf ganzer Linie!“ Den Vormittag hatte ich mit Sarah Mariner, unserer Ansprechpartnerin von der Stadt, verbracht. Neben einigen Fragen, die noch zu klären waren, wollte ich ihr persönlich unseren Bauantrag übergeben, denn auch im Internetzeitalter sollten menschliche Kontakte gepflegt werden; wir waren dann noch gemeinsam zum Lunch. „Sie hat unsere ganzen Papiere mit Beschleunigungsvermerk in die Behördenpost gegeben und, wenn ich die Gute richtig verstanden habe, müssten wir bereits Ende nächster, spätestens Anfang übernächster Woche, eine Antwort der Baubehörde haben. Und wieso grinst du so?“
„Erstens sehe ich morgen Steven wieder, und zweitens, …“ Der Chinese lachte mich an. „… habe ich unseren Reiseplan für die nächste Woche fertig. Die Flüge und Hotels sind reserviert, du müsstest nur noch dein O. K. geben, denn endgültig buchen kann ich ja leider nicht.“
„Dann lass uns das Ganze doch mal durchgehen.“ Bei Elisabeth Willsey, Dads und meiner Sekretärin, orderte ich erst einmal einen starken Kaffee, irgendwie hatte ich leichtes Sodbrennen, der Weißwein zum Lachs auf Blattspinat war wohl etwas zu warm gewesen.
Ich blätterte durch die Aufzeichnungen, die er mir übergeben hatte. Als ich auf der letzten Seite angelangt war, blickte ich ihn fragend an. „Wenn alle Termine bestätigt worden sind, dann …“
„Sind sie! Dem Geschäftsführer von Monad wäre ein Termin nachmittags zwar lieber gewesen, aber als ich ihm sagte, es ginge um 20 Waggons plus X …“ Er setzte ein hämisches Grinsen auf. „… war plötzlich alles kein Problem mehr. Er würde uns nach dem Termin sogar zum Flughafen bringen.“
Ich lachte ihn an, Geld regiert doch die Welt. „Aber ich vermisse diese Firma aus Florida. Das Angebot, das die im Netz haben, ist doch auch ziemlich umfangreich.“
„Stimmt, aber die Firma in Key West ist ein reiner Makler.“ Lee zuckte mit den Schultern. „Rollendes Material haben die überhaupt nicht vor Ort, das steht im ganzen Land verteilt. Sie haben nur etwas umfangreichere Exposés … und die sind schon angefordert, müssten morgen in der Post sein.“
„Gut, aber eine kleine Planänderung machen wir dann doch!“ Diesmal grinste ich.
Der Eisenbahner stutzte. „Und welche?“
„Wir nehmen nicht die Maschine um 3:55 Uhr ab JFK, sondern fliegen ab Newark um 10:15 Uhr.“ Ich lehnte mich zurück. „Ich möchte etwas von der Stadt haben, denn wenn wir erst um sieben Ortszeit in LA landen, sehen wir nur Flughafen, Hotel, den Typen von Monad und dann wieder den Airport.“
„Gut, ich dachte ja nur … wegen der Arbeitszeiten … und so.“ Er blickte mich verschüchtert an.
Ich zeigte ihm mein Zahnpastalächeln. „Die Tage werden sowieso noch anstrengend genug werden. Außerdem … meinem Vater mag die Firma zwar gehören, aber meine Mutter hat die Hosen an. Und wenn ich Mama erzähle, ich treffe mich mit meinem Bruder und meiner Schwägerin zum Essen, dann würde sie uns eher auf die Frühmaschine buchen.“
„Ich stelle uns dann ein spezielles Nachmittagsprogramm zusammen, also rein freizeitmäßig.“ Lee lachte mich mit seinen dunklen Augen an. „Wann willst du denn zu deinem Bruder?“
„Moment, ich rufe ihn mal eben an, Greg und Melissa sind zwar gestern erst aus ihren Flitterwochen gekommen, aber … Wie spät ist es jetzt in LA?“ Ich schaute fragend auf den gebürtigen Californier.
„Wir haben halb drei, dann ist es dort also halb zwölf, beste Lunchzeit.“ Er lachte.
Da ich nicht annahm, dass er schon brav im Büro sitzen würde, wählte ich seinen Mobilknochen an, denn die Nummer des Appartmenthauses, indem die beiden vorübergehend untergekommen waren, hatte ich leider nicht. Es klingelte und nach einer Minute hörte ich seine verschlafene Stimme.
„Bruderherz, ich hoffe, ich habe euch nicht bei der irgendetwas Wichtigem gestört, dass würde mir leidtun.“ Ich konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen und stellte auf Lautsprecher.
„Nein, wir sitzen gerade beim Frühstück, uns steckt die Zeitverschiebung noch in den Knochen.“ Lee zog die Augenbrauen hoch, schüttelte ungläubig den Kopf. „Was gibt es denn, kleiner Bruder?“
„Es geht um Dads Eisenbahnpläne. Für einen geregelten Betrieb fehlen uns noch etliche Wagen und wir sind nächste Woche auf großer Einkaufstour durch das ganze Land: LA, Denver, St. Louis.“ Ich blickte auf mein Gegenüber, Lee nickte heftig. „Deshalb rufe ich auch an: Wir haben am Dienstag einen Termin in La Miranda, sind also bei euch in der Stadt.“
„Wer ist denn wir? Wirst du mit Jost unterwegs sein?“ Ein leichtes Giggeln war im Hintergrund, anscheinend saß Mel doch neben ihm.
„Nein, mein Gatte muss leider zur Uni, die Klausuren stehen ja an. Ich werde mit Lee, unserem Eisenbahnexperten, anreisen.“ Der Chinese grinste stolz.
„Seit wann hat der Assistent einen eigenen Assistenten?“ Hörte ich da Hohn in seiner Stimme?
„Seitdem der Assistent der Geschäftsführung von Lensing Travel zeitgleich auch Geschäftsführer der Lensing Cross Country Railway ist, also seit vorgestern!“ Ich wippte in meinem Bürostuhl. „Hier hat sich nämlich so einiges getan, ihr wart ja anderweitig …“
„Brüderchen, nun komm‘ mal wieder runter! So war das nicht gemeint, war doch nur …“ Ich hätte ihn trotzdem würgen können! „… Spaß. Also, wann seid ihr in der Stadt?“
„Wir landen am Montag um 1:15 pm, Übernachtung im Marina del Rey. Besuchsprogramm brauchen wir nicht, Lee ist in LA geboren.“ Ich blickte mein Gegenüber an, der Daumen zeigte nach oben.
„Montag ist echt schlecht. Wir sind den ganzen Tag auf Besichtigungstour und sind abends mit Tom Hingers und seiner Frau zum Essen schon verabredet.“ Tom war der jetzige Niederlassungsleiter und Greg sollte ihn, wenn er in zwei Monaten in Rente gehen würde, auf diesem Posten beerben. „Wann fliegt ihr denn wieder? Wir könnten uns ja Dienstag zum Lunch treffen?“
„Unser Flug geht um 15:14 Uhr.“ Ich schaute auf Lee, der hielt seine Hände wie um ein Lenkrad. „Man wollte uns zwar zum Flughafen bringen, aber … wir können uns ja auch um eins im Waterfront Restaurant des Hotel zum Lunch treffen und dir dann den Wagen wiedergeben.“
Greg schien erstaunt zu sein. „Welches Auto denn?“
„Na, wenn wir uns am Montag nicht sehen, brauchen wir einen fahrbaren Untersatz, ich will ja nicht die ganze Zeit am Pool liegen.“ Lee grinste. „Den Schlüssel kannst du im Hotel hinterlegen. Meinst du, Dad würde uns einen Leihwagen genehmigen, wenn wir in LA eine Niederlassung haben?“
„Ist ja schon gut, kleiner Bruder, wir sehen uns dann am Dienstag um eins. Und richte …“
„Grüße an Mama, Oma, Maria und auch unseren alten Herren werden ausgerichtet. Und du knuddel deine Melissa von mir!“ Ich lachte ins Telefon. „Aber nur Knuddeln! Verstanden?“
„Werde ich machen, auch … wenn es mir schwerfällt. Bis Dienstag dann!“ Er legte auf.
„Dein Bruder scheint ja ganz gut drauf zu sein.“ Lee lachte mich an.
Ich blickte amüsiert zurück. „Kann ich nicht beurteilen! Wir haben nie …“
„Gordon, das meinte ich jetzt ausnahmsweise nicht!“ Er konnte sich ein Lachen jedoch nicht verkneifen. „Aber wie kommen wir Montag eigentlich zum Flughafen?“
Ich zuckte mit den Schultern. „Wozu leisten wir uns einen Bereitschaftsfahrer? Der holt erst mich ab, dann laden wir dich und dein Gepäck ein und dann ab über den Hudson!“
„Und was ist, wenn am Montag noch was für uns in der Post ist?“ Lee wirkte besorgt.
Ich grinste ihn an. „Wir haben die Post spätestens, wenn wir in LA ins Internet gehen. Haben die Fuzzis von der Computerabteilung dir nicht deinen Account erklärt?“
„Doch, wie ich mich einloggen kann, aber mehr?“ Er zuckte bedauernd mit den Schultern.
Ich verschraubte die Augen. „Dann komm mal rüber. Du kannst dich mit deinem Account von jedem Rechner auf der Welt einloggen, wenn du eine Internetverbindung hast.“ Ich rief unsere Homepage auf und zeigte ihm, wo und wie er sich als Mitarbeiter identifizieren konnte. „Der Rechner erkennt deinen Namen und ruft dann eine Art Organizer auf, du kannst also alle Nachrichten und Mails für dich lesen und beantworten, Termine verwalten.“
Er bekam große Augen. „Das sieht ja fast so aus, wie mein Outlook auf meinem Laptop zu Hause.“
„Du hast einen Laptop? Dann ist es sogar noch einfacher: Bring deinen Rechner morgen mit und die Leute im Keller sollen dir Lensing3.4 aufspielen.“ Ich grinste ihn an. „Damit kannst du dich sogar direkt ins Firmennetzwerk einloggen, Internet vorausgesetzt.“
„Dann sollte ich heute Abend meinen Rechner noch aufräumen.“ Der Chinese wurde leicht verlegen.
Ich lachte. „Bilder und Filme brauchst du nicht zu löschen. Die lassen nur einmal einen Virenscanner drüberlaufen und spielen dann die Software auf, falls keine Viren oder Trojaner auf deinem Rechner sind. In Lensing3.4 ist sogar ein eigenes Antivirenprogramm integriert, das Abo zahlt die Firma.“
„Das ist ja praktisch! Mein Vertrag läuft im nächsten Monat aus.“ Er grinste.
Als ich nach Hause kam, fand ich einen grummelnden Jost vor. „Engelchen? Was ist los?“
„Ich bin sauer auf meinen dämlichen Professor!“ Seine Augen funkelten mich böse an. „Er hat mir für mein Referat zwar ein A gegeben, aber auch gleich angefragt, ob ich über dieses Thema nicht meine Abschlussarbeit schreiben möchte. Ich soll ihm bis übernächste Woche ein ausgearbeitetes Konzept zur Begutachtung vorlegen. Wie soll ich das neben meinen Klausurvorbereitungen schaffen?“
Ich umarmte ihn. „Schatz, erstens kannst du am Wochenende mit Steven daran arbeiten und nächste Woche wird dich niemand stören! Ich bin mit Lee auf Einkaufstour …“
„Das ist es ja, was mich stört!“ Er brummte mich an. „Ich bin alleine! Zum ersten Mal seit Monaten!“
„Schatz! Es sind doch nur fünf Tage!“ Ich küsste ihn.
Er rieb sich die Augen. „Und vier lange, einsame Nächte! Du kannst dich immer noch an Lee kuscheln, wenn dir danach ist, aber … wer liegt an meiner Seite?“
„Du könntest Juan fragen, ob er hier nächtigen möchte, oder ich könnte Granny bitten, bei dir am Bett zu sitzen und dir eine Geschichte vorzulesen.“ Ich leckte ihm die Wange.
„Gordon Lensing! Du bist ein Arschloch!“ Er grummelte immer noch, aber ein Grinsen kam durch.
Ich lachte ihn an. „Aber ich muss noch einmal kurz weg!“
„Wohin willst du? Wir kriegen gleich Besuch: Steven kommt!“ Er schaute mich fragend an.
Ich schenkte ihm mein schönstes Lächeln. „Lass dich überraschen! Ich muss noch was besorgen … deinen Tröster für einsame Nächte.“
„Gordon Henry Lensing! Was hast du vor?“ Er ist so süß, wenn er sauer ist!
„Schatz! Ich muss dringend noch etwas für dich besorgen.“ Meine Hand wuselte durch seine Haare. „Keine Angst, ich werde mich beeilen. Aber du könntest in der Zwischenzeit Brewster anrufen und ihn fragen, ob er uns am Freitag mit seinem Boot aus Sayville abholen kann. Dann brauchen wir nicht die Fähre zu nehmen.“
„Werde ich machen, aber bitte beeile dich. Auch wenn es jetzt dumm klingen mag, aber, wenn ich an nächste Woche denke, dann vermisse ich dich schon jetzt!“ Er drückte mir meinen Haustürschlüssel in die Hand und einen dicken Kuss auf die Lippen.
Unser Übernachtungsgast muss ein paar Minuten vor mir eingetroffen sein, denn als ich unsere Wohnung wieder betrat, war Jost bereits mit den Vorbereitungen für ein leichtes Abendessen angefangen, Steven leistete ihm dabei Gesellschaft. Zwar versuchte mein Göttergatte die ganze Zeit, den Grund meiner zwischenzeitlichen Abwesenheit herauszufinden, aber es gelang ihm nicht; ich schwieg und die Gedanken des Lehrers aus Delaware kreisten auch wohl eher um das morgige Bewerbungsgespräch als um unsere Unterhaltung.
Nach einem gemeinsamen Frühstück, das ziemlich wortkarg verlief, trennten sich erst einmal unsere Wege. Jost musste in die Uni und ich setzte unseren Logiergast bei den Vereinten Nationen ab, ehe ich selber über den East River zu meiner eigenen Arbeit fuhr. Nachdem mein Tagwerk erledigt war, beluden Lee und ich den Minivan, das Wochenende konnte endlich starten.
Wir fuhren erst zur Wohnung unseres chinesischen Experten, der holte dort nur sein Gepäck. Für das Einladen am Morningside Park brauchten wir etwas länger, denn der Lehrer und der Eisenbahner mussten sich erst mal auf das Heftigste begrüßen. Auch das Zusteigen von Eric verlief nicht ganz ohne Probleme, aber das lag nicht an seinem Gepäck, sondern eher an meiner Mutter und Granny, die erst einmal jeden Teilnehmer der Wochenendgesellschaft herzen und knuddeln mussten. Ian war nicht gerade begeistert, als ich mit 20 Minuten Verspätung an seiner Ecke hielt.
Aber, je näher wir dem Parkplatz in Sayville kamen, desto lockerer und ausgelassener wurde die Stimmung im Van; alle schienen sich auf das Wochenende zu freuen. Brewster, der uns mit seinem Boot abholte, erkundigte sich sofort bei Steven nach dem Verlauf des Bewerbungsgespräches. Als er erfuhr, wer auf der anderen Seite des Tisches gesessen hatte, musste er grinsen. Anscheinend war das Ziel der LIGA, die schwule Weltherrschaft zu erringen, zumindest in der Verwaltung der Vereinten Nationen erheblich weiter vorangeschritten als in der restlichen Öffentlichkeit.
Mit Hilfe von zwei Flaschen Sekt überstanden wir die etwas raue Überfahrt über die Great South Bay und, wider Erwarten, wurde auch niemand seekrank. Gut, Ians Gesichtsfarbe glich sich, je länger die Fahrt dauerte, immer mehr dem Weiß des Bootsrumpfes an, aber der Buchhalter hielt sich tapfer.
Das Grillen mit Brewster verlief in ruhigen und geordneten Bahnen, lauter und chaotischer wurde es bei der Runde Ludo nach den verschärften Regeln ohne den ehemaligen Diplomaten. Lee hatte rein zufällig, behauptete er jedenfalls, ein Spielbrett für sechs Spieler in seinem Gepäck: Ein Schelm, wer Übles dabei denkt!
Beim anschließenden Bier im Whirlpool kam es jedoch nicht zu einer großen Orgie, es wurde eher paarweise geschmust und gefummelt. Gut, ab und an hat man auch mal daneben gegriffen und einen anderen Freudenspender bearbeitet oder über einen anderen Hintern gestreichelt, aber das war eher zufällig und keineswegs beabsichtigt. Diese Fremdberührungen waren zum Teil auch der Größe des Blubberbades geschuldet: Man konnte zwar mit acht Personen bequem darin sitzen, aber drei erwachsene Paare lagen in dem sprudelnden Bassin und machten sich breit.
Diese traute Zweisamkeit zog sich durch das gesamte Wochenende. Gut, am Samstag wurden die Karten kurzfristig neu gemischt, jedenfalls tagsüber. Lee, Ian und ich werkelten an der Eisenbahn, die Ausschreibungen für den Bau des Betriebsgeländes mussten vorbereitet werden und der Vorschlag unseres Experten, einen eigenen Restaurierungsbetrieb auf die Beine zu stellen, wurde intensiv besprochen und für gut befunden.
Steven und mein Gatte arbeiteten an der Umgestaltung des Referats zu einer Examensarbeit. Das erste Studienjahr ging bald zu Ende, Jost würde sein Master of Arts bekommen und dann mit den Studien zum PhD beginnen, dem eigentlichen Ziel seiner universitären Laufbahn.
Mein lieber Cousin übernahm als Alleinunterhalter die Verpflegung der gesamten Truppe. Abends sollte ausnahmsweise einmal nicht gegrillt werden, er wollte unbedingt Fondue machen, also schnitt er das Fleisch in mundgerechte Happen, ehe er es einlegte.
An Fondue isst man sich ja eher hungrig, als das man satt wird: Nach zwei Stunden merkte man erst, dass man überhaupt etwas im Magen hatte, nach drei Stunden war das Hungergefühl einigermaßen verschwunden und nach vier Stunden war man satt. Jedenfalls, es war schon weit nach elf, als Eric den Deckel auf den Brenner unter dem Topf mit dem heißen Öl legte und die Flamme so löschte. Lust, jetzt noch in die Disco zu gehen, hatte niemand mehr von uns.
Auch auf die von Steven und Eric vorgeschlagene Runde Ludo verzichteten wir, stattdessen zogen wir uns direkt nackt aus, sprangen in den heißen Whirlpool und genossen unser fast mitternächtliches Bier. Man muss ja nicht immer den Umweg über ein Spiel gehen, wenn man das Ergebnis auch auf andere Art erreichen kann.
Nach einem reichhaltigen Frühstück verließen wir die Insel, diesmal nahmen wir allerdings die Fähre. Brewster war am Morgen schon in Richtung Montauk losgesegelt und ein eigenes Boot hatten wir nicht, deshalb unser Ausweichen auf den öffentlichen Personennahverkehr.
Eric wollte bei Ian bleiben, die beiden stiegen also noch vor der Firma aus. Nach dem Umladen brachten wir Steven zum Bahnhof, setzten Lee an seiner Wohnung ab und fuhren dann nach Hause. Auf das sonntägliche Essen mit meiner Familie verzichteten wir, Jost und ich, wollten den Abend vor unserer ersten Trennung alleine zu zweit verbringen.

 

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