Zoogeschichten III – Teil 119 – Zusammenstoss

tuer-07119. Zusammenstoss
© by Pit 2014

Michael

Volkers Handy meldete sich und unterbrach unser Gespräch.

„Ja?… Hallo Jürgen.“

Ah, die Chefetage. Ich sah mich weiter um und erkannte nach und nach die Baufortschritte.

„Kein Problem, ich schicke kurz Micha vorbei, der soll die neuen Pläne und Dokumente bei dir abholen. Bis später!“

Ja, für die niederen Arbeiten war ich gut und begann zu grinsen.

„Wärst du so gnädig? Jürgen hat mich gerade darüber informiert, dass wir mit der Gehegeaufteilung etwas ändern müssen, wegen der Ailurus fulgens.“

„Der was?“

„Der roten Pandabären! Habt ihr nicht über das Pärchen geredet, dass wir bekommen sollen?“

„Jetzt, wo du es sagst. Dennis hat etwas erwähnt.“

„Soso… erwähnt? Jürgen wartet mit den Unterlagen auf dich und wir brauchen die hier, wenn gleich die Handwerker kommen.“

„Bin schon unterwegs.“

*-*-*

Phillip

„So, dass war es schon“, meinte ich und gab Dennis, den letzten Bär zurück.

„Okay, ich bring ihn gleich in den Stall zurück.“

Ich schaute Dennis nach, bevor ich anfing, meine Sachen zusammen zupacken.

„Hallo Phillip, was macht Florian, habe ihn schon länger nicht mehr gesehen.“

„Hi Sabine, der wächst und gedeiht. Er hat sich endlich im Kindergarten eingelebt, also keine überraschenden Ausreisversuche mehr.“

„Gut und Heide hat sich auch gut eingelebt, habe ich gehört.“

„Stimmt, nur das Chaos, das dieser Trebnitz hinterlassen hat, macht viel Arbeit.“

„Kann ich mir gar nicht vorstellen, so pingelig der immer war.“

„Pingelig im Umgang mit euch vielleicht. Seine Auffassung der Datenpflege war heftig, wenn ich den Worten meiner Frau Glauben schenken kann. So, dann bin ich hier fertig, sehen wir uns beim Mittagessen?“

„Mal sehen, ob ich mit dieser Trödeltante“, sie zeigte auf Dennis, der gerade aus dem Kleinbärenverschlag heraustrat, „fertig werde.“

„Trödeltante ich? Wieso?“

„Zu den schnellsten gehörst du heute nicht.“

„Ach das ist die Zeitumstellung, ich habe mich daran noch nicht so richtig gewöhnt.“

Sabine und ich fingen an zu lachen. So machte ich mich auf den Rückweg zur Klinik. Als ich das Haus verließ, blies mir ein frischer Wind entgegen. Ich zog mein Kragen höher und Rollte weiter.
Kurz vor der Kantine fiel mir ein junger Mann auf, der suchend umher lief.

„Kann ich ihnen helfen?“, fragte ich.

„Ich suche meinen V… Volker Kolping…“

„Ich könnte mir vorstellen, dass er sich bei der Baustelle am Bärenhaus aufhält.“

„Danke“, und schon lief er ohne Worte weiter.

Komischer Kauz! Ich blickte ihm nach und konnte Michael entdecken, der diesem Typen entgegenlief.

*-*-*

Michael

Was zum Teufel hatte Gregor hier zu suchen. Seine Mine war finster und er schien nicht gut drauf zu sein.

„Hallo Gregor…“

Er schaute kurz auf, gab aber keine Antwort. In meiner Höhe, als er an mir vorbei laufen wollte, griff ich nach seinem Arm.

„Lass mich los“, fauchte er.

„Wenn du mir sagst, was du hier verloren hast!“

„Das geht dich ein Scheißdreck an!“

Ich atmete tief durch und sah im Hintergrund, wie Phillip auf uns zugerollt kam. In dieser kleinen Sekunde drehte sich Gregor und hob den Arm, so dass ich ihn loslassen musste, aber ich war schneller und packte ihn erneut, dieses Mal am Kragen.

„Du gehst besser wieder nach Hause, hier hast du nichts verloren.“

„Wer sagt das? Du hast mir gar nichts zu sagen“, schrie er mich an und griff nach meinen Handgelenken.

„Bist du noch ganz dicht?“

„Lass mich einfach los und dir passiert nichts.“

War ich hier im falschen Film?

„Du verlässt jetzt augenblicklich das Gelände, oder ich rufe deinen Onkel an.“

„Jungs, geht das auch etwas leiser, die Leute schauen schon…“, hörte ich Phillip rufen.

„Was mischt sich der Krüppel ein, lass mich einfach ihn Ruhe!“

Ich erkannte Gregor nicht mehr, hier stand eine völlig andere Person vor mir.

„Junger Mann, du brauchst nicht ausfallend zu werden“, sagte Phillip im ruhigen Ton, als er neben uns ankam.

„Leck mich!“, zischte Gregor und stieß mich weg, leider so unglücklich, dass ich Richtung Phillip fiel und ihn von Rollstuhl riss.

Jetzt endgültig sauer, sprang ich auf und schmiss mich auf Gregor, der einfach weiter gelaufen war. Unsanft kam ich das zweite Mal auf dem Boden auf und meine Rippen machten sich empfindlich bemerkbar.

*-*-*

Dennis

Mein Handy fiepte und ich holte es aus der Tasche. Phillip.

„Hallo Phillip, hast du etwas vergessen?“

„Dennis komm bitte heraus, Micha prügelt sich mit einem jungen Mann…“

„Was? Ich komme sofort!“, antwortete ich und drückte das Gespräch weg.

„Sabine!“, schrie ich, die ich gerade mit Fritz, am anderen Ausgang zum Kleinbärenhaus entdeckte.

Beide schauten zu mir herüber.

„Ich brauch eure Hilfe, Michael prügelt sich mit jemand vorm Haus.“

Beide ließen ihre Sachen fallen und rannten in meine Richtung, während ich selbst auch zum Ausgang rannte. Als ich auf den Hauptweg kam, sah ich Michael leicht gekrümmt am Boden liegen, neben ihm Gregor.

*-*-*

Volker

Was war das für ein Geschrei? Ich legte meine Sachen ab und lief den Weg zum anderen Seite des Hauses. Dort angekommen, blieb ich kurz geschockt stehen. Dort lagen Micha und Phillip auf dem Boden und daneben mein Sohn.
Vom Haupteingang ins Bärenhaus kamen Dennis, Sabine und Fritz gerannt. Gregor stand auf und blickte in meine Richtung. Sein Blick war Hass erfüllt. Was war hier geschehen. Sabine rannte zu Phillip, während Fritz und Dennis zu Micha und meinem Sohn liefen.

*-*-*

Michael

Scheiße, tat das weh, mir wurde regelrecht schlecht davon.

„Micha“, hörte ich Dennis rufen.

Auch dass noch! Fritz rannte an mir vorbei zu Gregor, dann ging alles ziemlich schnell. Fritz packte Gregor am Arm und verdrehte ihn auf dessen Rücken.

„Aua, spinnst du?“, schrie Gregor.

„Das wollte ich dich fragen, junger Mann“, sagte Fritz im ruhigen Ton, „was hast du hier verloren?“

Er ließ keinen Millimeter locker. Dennis kam und half mir auf.

„Aua…, scheiße…“

„Deine Rippen?“

Ich nickte. Sabine hatte mittlerweile Phillip wieder in seinen Rollstuhl geholfen und nun kam auch noch Jürgen angerannt, anscheinend hatte Phillip noch mehr Leute angerufen.

„Was ist denn hier los?“, rief er uns entgegen.

„Das solltest du deinen Neffen fragen“, antwortete ich.

*-*-*

Dennis

Micha musste ziemliche Schmerzen haben, so wie er das Gesicht verzog. Jürgen hatte uns nun erreicht.

„Der ist mit euch verwandt?“, fragte Phillip erstaunt und versuchte seine Klamotten zu richten.

Jürgen baute sich vor seinem Neffen auf.

„Habe ich dir nicht gesagt, du sollst dich die nächste Zeit hier nicht mehr blicken lassen“, schrie er Gregor an.

Mittlerweile hatten sich einige Leute in der Nähe versammelt und schauten dem Spektakel zu, oh nein, Sebastians Fanclub stand auch da, die zwei alten Damen vom Delphinarium.

„Du hast mir gar nichts zu sagen“, zischte Gregor seinen Onkel an.

Dann kam etwas, was ich nicht erwartet hatte, Jürgen rutschte die Hand aus und schmierte Gregor eine.

„Jürgen… nicht…“, hörte ich Volkers Stimme.

Der Blick, der Gregor seinem Vater zuwarf, ließ es mir kalt den Rücken herunter laufen.

„Alle in mein Büro! Sofort!“, schrie Jürgen und lief davon.

Alle? Wir auch. Fassungslos schauten wir uns alle an. Volker hatte glasige Augen und Micha stöhnte leicht neben mir.

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