Zoogeschichten III – Teil 135 – Die Operation

tuer-23135. Operation
© by Pit 2014

Phillip

Ich rollte zum Savannenhaus. Dort hatte Reinhard einen Raum herrichten lassen, weil das Zebra zu groß für unsere Räume war. Die Tür zum Haus stand offen, so konnte ich ungehindert hinein fahren.

„Hallo Phillip.“

„Hallo Michael. Warum bist du hier, ich vermutete dich auf dem Bau.“

„Der ruht, wegen der ständigen Regenfälle

und außerdem, wenn es um Gretchen geht, möchte ich dabei sein.“

„Die Zebradame?“

„Ja, wenn ich nicht irgendwo gebraucht werde, ist hier im Savannenhaus mein Revier, so kenne ich jedes einzelne Tier hier.“

„Aber verletzt haben sie dich doch, als du in deren Box gestiegen bist.“

„Ja, aber nur, weil sie durch die verwundete Gretchen durcheinander waren, sonst würden die mir nie etwas tun.“

„Sei einfach vorsichtiger beim nächsten Mal.“

„Ja…, ich weiß. Dennis liegt mir ständig in den Ohren deswegen.“

„Recht hat er!“

„Müsst ihr jetzt wegen der Verwundung operieren?“

„Nein, die ist eigentlich gut verheilt, aber da Gretchen immer noch humpelt, haben wir ihr Bein geröntgt und leichte Fehlstellung des Ober- und Unterschenkels festgestellt.“

„Wie kann so etwas passieren?“

„Wissen wir nicht, vielleicht ist sie mal in den Graben gefallen, oder ungünstig gestürzt.“

„Hallo ihr beiden und Phillip bereit?“

Reinhard war mit Kevin auf den Flur gekommen.

„Ja, ich habe gerade Michael versucht zu erklären, warum wir operieren müssen, aber du kannst dass ihm sicher besser erklären.“

„Warum nicht, dass ist für euch auch interessant für die Zukunft“, lächelte er und schaute dabei Micha und Kevin an.

Er nahm einen Stock und zeichnete etwas in den kleinen Sandhaufen neben der Ausgangstür.

„Die Streckung des Kniegelenkes wird durch große Muskeln erreicht, die an Oberschenkel- und Beckenknochen entspringen. Die Muskeln verlaufen an der Vorderseite des Oberschenkels und treffen sich direkt oberhalb des Kniegelenkes in einer gemeinsamen Sehne.“

Ich versuchte anhand der Zeichnung das zu verfolgen, war er den beiden erklärte.

„Dieses Band zieht vorne über das Kniegelenk zum Unterschenkel, wo es direkt unterhalb des Kniegelenkes ansetzt. In das Band eingelagert liegt die Kniescheibe. Dieser Knochen verläuft in einer Rinne des Kniegelenkes und sorgt für einen reibungslosen Verlauf der Streck- und Beugebewegungen. Verlässt die Kniescheibe die mittige Position in der hierfür vorgesehenen Rinne, funktioniert der Streckmechanismus nicht mehr richtig.“

„Deswegen humpelt Gretchen?“, fragte Kevin, „aber dazwischen läuft sie oft normal.“

„Ja, das ist typisch für Patellaluxation, so nennt man das, das Tier läuft ganz normal, plötzlich setzt es für ein oder zwei Schritte das betroffene Bein nicht ein, um danach wieder unauffällig weiter zu laufen.“

„Verrückt“, meinte Michael“, und was könnt ihr jetzt tun?“

„Die Röntgenbilder haben eindeutig gezeigt, dass wenn wir die Rinne vertiefen, kann die Kniescheibe nicht mehr herausspringen und die Fehlstellung bereinigt sich von selbst.“

„Auf was warten wir?“, fragte ich und rollte weiter.

„Auf Doc Meisenberger, er hat sich wohl etwas verspätet.“

*-*-*

Robert

„Nein Sebastian, so machst du das falsch! Machst du so weiter, dann tanzt dir Theo irgendwann auf der Nase herum.“

„Wie soll ich es dann machen?“, fragte Sebastian, der zu mir an den Beckenrand geschwommen kam.

„Ganz einfach, wenn du mit beiden Füßen zum Wasser stehst, dann sieht dich Theo nur von der Seite. Du musst dich quer zum Wasser stellen, damit Theo deine ganze Front sieht.“

„Ach so und ich habe mich schon gewundert, warum Theo nicht mehr richtig reagiert.“

„Du musst dich immer frontal an die Tiere richten, sonst wissen sie nicht, dass du sie meinst.“

„Okay, das muss ich mir merken.“

„Ja, das ist besonders wichtig, wenn es um die Untersuchungen geht.“

„Gut, wo ist eigentlich der Rest abgeblieben?“, wollte Sebastian wissen.

„Die sind am hinteren Becken, den Nachwuchs an uns gewöhnen.“

„Oh, kann ich zu sehen?“

„Nein, du kannst gleich mit machen, an dich muss es sich genauso gewöhnen.“

*-*-*

Dennis

Ich fegte mit Sabine die Käfige aus.

„Du Sabine, es wundert mich, dass die das Tier noch heute bringen wollen, so kurz vor den Feiertagen.“

„Scheint ein wirklicher Notfall zu sein. Ich weiß auch nicht mehr, aber Volker wollte später vorbei kommen und dir noch alles erklären.“

„Volkers Vertrauen in mich ehrt mich, aber etwas unruhig bin ich schon deswegen, jedes Tier ist anders und man kann nicht immer das Gleiche tun.“

„Aber nur so lernst du den Umgang mit ihnen kennen, weil eben jedes Tier anders ist. Je mehr du über ihre Verhaltensweise weißt, umso besser kannst du reagieren. Zudem musst du deinem Ruf gerecht werden.“

„Hä?“

„Du bist der Bärendennis!“, entgegnete sie und kicherte.

„Ha, ha! Sehr witzig! Um was für ein Tier es sich handelt, weißt du nicht.“

„Nein, wie gesagt, das kann dir nur Volker sagen.“

„Dann wird ich wohl warten müssen und weiter sauber machen.“

„Ja, mach hinne, damit wir fertig werden!“

*-*-*

Volker

Heute war wieder der Wurm drin, würde es gehen, wäre ich jetzt an vier Stellen gleichzeitig. Der Gedanke mit dem kürzer treten kam mir wieder in den Sinn. Jünger wurde ich ja auch nicht.
Jürgen und auch Rolf hatten beide Recht, aber der Zoo war nun mal mein ein und alles, naja, nicht ganz, seit Rolf in mein Leben getreten war, gab es auch ihn und seinen Sohn. Trotzdem nahm ich meine Aufgabe für sehr wichtig und war froh, dass Rolf dies so akzeptierte, schließlich war schon meine Ehe daran kaputt gegangen und wie es ja jetzt leider heraus gekommen war, meinen Sohn auf eine falsche Bahn gebracht.
„Volker? Alles klar?“, riss mich Jürgen aus dem Gedanken.

„Ähm ja, ich habe nur an dieses Jahr gedacht, was alles passiert ist.“

„Stimmt, dieses Jahr hatte es wieder in sich, aber ist es nicht jedes Jahr so und macht die Arbeit im Zoo und mit dem Zoo so spannend?“

„Ja!“, lächelte ich, „so die Dienstpläne über die Feiertage bis sechsten Januar sind fertig.

„Und wie oft hast du Dienst? Jeden Tag?“

„Nein, nicht jeden Tag!“

„Wie kommt es?“

Verwirrt sah ich Volker an, weil ich die Frage nicht verstand.

„Schau nicht so, bisher war es doch jedes Jahr so, dass du jeden Dienst übernommen hast, der nicht ausgefüllt war, teilweise auch Doppelschichten.“

„Man wird eben nicht jünger und ich dachte ich sollte etwas kürzer treten.“

„Du und kürzer treten… aha, …etwas Neues.“

„Jetzt hör schon auf.“

Jürgen grinste breit.

„Ich geb es offen zu, ich will auch mehr Zeit mit Rolf und Lucca verbringen und keine Angst, ich vergess den Rest der Familie schon nicht.“

„Ich sag ja gar nichts! Du“, er überflog gerade den Dienstplan, „warum sind die Dienste am dreißigsten so komisch eingeteilt?“

„Weil wir dieses Jahr mal feiern werden, alle zusammen, was die letzten Jahre immer ins Wasser gefallen ist.“

„Und wie willst du dass in so kurzer Zeit auf die Beine stellen? Dass sind ja grad mal noch knapp zwei Wochen.“

„Lass das mal meine Sorge sein, außerdem habe ich ja einen Assistenten namens Michael“, grinste ich.

*-*-*

Michael

Die Operation dauerte für meinen Geschmack schon etwas zu lange. Immer wieder schaute ich unruhig, durch das Sichtfenster in der Schiebetür.

„Die brauchen lange, oder bilde ich mir das nur ein?“, meinte Kevin neben mir.

„Geht mir genauso.“

Mein Handy machte sich bemerkbar, so zog es aus meiner Hosentasche und lief etwas von der Tür weg.

„Hier Micha.“

„Hallo Micha, hier ist Volker.“

„Hallo Volker, was liegt an?“

„Operieren die drei immer noch?“

„Ja und ich kann dir auch nicht sagen, wie lange das geht.“

„Deswegen rufe ich auch nicht an, ich bräuchte dich.“

Eigentlich wäre ich gerne in der Nähe von Gretchen geblieben.

„Wo bist du?“

„Noch bei Jürgen, aber gleich auf den Weg zur Baustelle.“

„Gut ich komme hin, bis gleich, Bye!“

Ich steckte mein Handy weg.

„Ich muss zu Volker, wenn etwas ist, verständigst du mich?“, fragte ich Kevin.

„Ja, kein Problem.“

*-*-*

Auf halben Weg zu Volker, ging mein Handy erneut.

„Ja?“

„Hallo mein Schatz, wo bist du? Wollte frag, ob du Zeit hast für einen kleine Kaffeepause.“

„Hallo Dennis, nein leider nicht, aber ich bin gleich in der Nähe, Volker hat angerufen und braucht meine Unterstützung.“

„Bei was?“, kicherte Dennis, „schade, naja wir sehen uns bestimmt noch.“

„… oder den ganzen Abend. Bis später dann.“

„Okay, bis später!“

Ich drückte das Gespräch weg, zuckte aber zusammen, als das Handy wieder losging.

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