Alles was bleibt – Teil 1

Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit

Ich rannte die Treppe hoch zu unserer Wohnung. Vor nicht mal vierzig Minuten kam die Sekretärin meiner Schule in den Unterricht und rief mich raus, um mir zu sagen dass es meiner Mutter

sehr schlecht ging und ich nach Hause gehen sollte.
Und nun war ich keine drei Schritte von der Wohnungstür entfernt und sah dass diese offen stand und ein paar Rettungshelfer im Flur standen. Meine Mutter ging es schon sehr lange schlecht.
Sie hatte vor drei Jahren erfahren dass sie Lungenkrebs hat. In letzter Zeit ging es ihr so richtig schlecht. Sie hatte Atemaussetzer und bekam kaum noch Luft. Ich betrat den Flur und der eine der Sanitäter kam auf mich zu.

„Du musst Luka sein!“

Außer Atem nickte ich nur und wollte nur weiter zu meiner Mutter.

„Warte, bitte der Arzt ist bei Ihr und eine Frau vom Jugendamt.“

„Was?“

Jetzt erfasste mich Panik. Ich riss meinen Rucksack vom Rücken und er landete mit einem Knall auf dem Boden.

„Ich will zu meiner Mutter.“

„Kleiner es ist wirklich besser du wartest hier erstmal. Komm ich mache Dir Kakao.“

Der Sanitäter nahm meine Hand und zog mich in die Küche, wo er mich auf einen der Stühle drückte. Er fing an die Schränke zu durchforsten und fand das was er benötigte. Kurz darauf stand ein Topf auf dem Herd und die Milch darin dampfte schon.
Verängstigt und überfordert saß ich auf dem Stuhl und sah ihm zu.

„Ich bin Martin und wie heißt Du?“, dabei setzte er mir eine Tasse dampfenden Kakao hin.

„Ich bin Luka…“, mehr bekam ich nicht raus.
„Tut mir leid Luka, aber ich glaube Deiner Mutter geht’s so richtig schlecht…“

Meine Augen begannen zu brennen und die ersten Tränen liefen mein Gesicht herunter. Ich wusste ja, dass es irgendwann zu diesem Tag kommen musste. Aber Schieße warum so schnell. Nicht mal drei Jahre und nun stand ich alleine da.
Alleine! Panik stieg in mir auf.

„He alles wird gut glaub mir. Deswegen ist ja die Frau vom Jugendamt da.“

Ich sah auf und schaute diesen Martin an. Er sah mich ernst und irgendwie traurig an. Bevor er was sagen konnte, wurde die Tür zu Mams Schlafzimmer aufgemacht und eine Frau kam heraus.

„Ist er da?“, fragte sie den zweiten Sanitäter, der noch im Flur stand.

„Ja Martin ist mit ihm in der Küche.“

Die Frau dreht sich um und sah in unsere Richtung.

„Hi Luka…“, dabei kam sie in die Küche, etwas überfordert sah ich sie an.

„Mhh…, kommst Du deine Mutter will mit Dir sprechen.“

Sie hielt mir Ihre Hand hin und ich ergriff sie und dann machten wir uns auf den Weg zum Schlafzimmer. Kurz vor der Tür blieb die Frau stehen.

„Luka du musst stark sein…“, sagte sie mir.

„Es ist nicht so einfach was dir eine Mutter sagen wird. Aber ich werde dir helfen, wenn du fragen hast.“

Verstehend nickte ich mit dem Kopf. Darauf öffnete sie die Tür und ich sah meine Mutter in ihrem Bett. Sie lag auf dem Rücken und atmete schwer. Der Arzt gab ihr gerade eine Spritze. Meine Mutter sah von ihrem Bett aus zu mir und dann konnte ich nicht anders, ich rannte zu ihrem Bett und nahm ihre Hand.

„Mam bitte werde gesund. Ja? Ich werde auch alles machen was du willst.“

Mühsam hob sie die andere Hand und zog sich die Sauerstoffmaske vom Gesicht.

„Setz dich Luka ich muss dir etwas sagen, bevor ich das nicht mehr kann.“

„Nein du wirst wieder gesund…“, schluchzte ich laut.

„Nein mein Junge, es geht nicht mehr.“

Ich sah kurz zu dem Arzt der ziemlich angespannt dem Gespräch zwischen meiner Mutter und mir folgte. Auch die Frau stand an der Tür.

„Luka ich habe hier einen Brief für dich…“, mühsam atmete sie und sah mich an.

„Ich … hoffe du verzeihst mir irgendwann. Denn was ich getan habe, kann nie wieder von mir gut gemacht werden.“

Sie löste meinen Griff und griff auf ihr Bett wo dieser besagte Brief lag.

„Bitte nimm ihn und geh in dein Zimmer.“

Dabei keuchte sie kurz auf und verzog das Gesicht vor Schmerzen.

„Komm Luka. Wir lassen erst einmal den Arzt hier weiter machen. Sie muss in ein Krankenhaus, dort kann man ihr vielleicht etwas helfen.“

Dabei nahm die Frau meine Hand und zog mich aus dem Zimmer.

Ich sah den Brief in meiner anderen Hand an und wusste nicht was meiner Mam mir so wichtiges sagen wollte. Draußen vor der Tür ließ ich die Hand der Frau los und ging ohne auf irgendetwas zu achten zu meinem Zimmer.
Bevor ich in mein Zimmer verschwinden konnte, sprach die Frau mich nochmals an.

„Luka ich würde gerne bei dir sein, wenn du den Brief liest.“

„Nein ich will ihn alleine lesen…“

„Ok, wenn was ist, ich bin gleich hier im Flur.“

Ich nickte nur in ihre Richtung und zog die Tür hinter mir zu. Ich ging zu meinem Schreibtisch der am Fenster stand und setzte mich auf den Stuhl davor. Vorsichtig legte ich den Brief auf den Schreibtisch und sah mich in meinem Zimmer um.
Das Zimmer war nicht groß ein Bett stand auf der rechten Seite und auf der gegenüberliegenden Seite stand ein alter Schrank der zwei Türen hatte. Eine der Türen hatte einen großen Spiegel und ich sah mich darin.
Der Junge den ich dort sah, sah nicht wirklich gerade gut aus. Ein Gesicht sah mich daraus an das von dunkelbraunen Haaren umrahmt war. Zwei grüne Augen funkelten mich an. Die Mädels schwärmten in der Schule von mir das wusste ich von meinem besten Freund Fred. Der verstand es überhaupt nicht dass ich bis heute keine Freundin hatte. Ich war erst vor zwei Wochen siebzehn geworden und war in der elften Klasse. Meine Zensuren waren super, denn ich hatte vor Arzt zu werden, um meiner Mutter zu helfen.
Aber das war wohl nicht mehr möglich. Ich drehte mich zum Schreibtisch rum und nahm automatisch den Brief in die Hand. Ich atmete einmal tief durch und öffnete diesen und begann zu lesen.

Mein liebster Luka,
verzeih mir bitte und lies diesen Brief bis zum Ende. Frau Reimer die Frau vom Jugendamt weiß, was ich in diesem Brief Dir geschrieben habe. Ich hoffe dass Du, wenn Du diesen Brief gelesen hast, stark bleibst.
Du weißt dass ich Dir immer ausgewichen bin, wenn Du wissen wolltest wer Dein Vater ist. Ich habe vor siebzehn Jahren ein Kind verloren und mein Schmerz war riesengroß. Aus diesem Schmerz heraus fand ich Dich in einem Kinderwagen vor einem großen Kaufhaus. Ich weiß Du wirst jetzt das Ganze nicht verstehen, aber lese bitte weiter..
Ich nahm Dich aus diesem Kinderwagen und bin weggerannt. Ja ich habe Dich einer anderen Mutter weggenommen. Ich weiß nicht wer Deine wahren Eltern sie sind. Ich habe vielen sehr weh getan und auch Dir, aber ich konnte nicht anders.
Du bist mein Sonnenschein der mir die ganzen siebzehn Jahre so viel Freude gemacht hat. Ich habe die Sachen, die Du damals, als ich Dich aus diesem Kinderwagen nahm, aufgehoben. Diese habe ich Frau Reimer gegeben.
Dort ist auch ein Nachname eingenäht gewesen. Ich hoffe dass dieser Dir zu Deinen wahren Eltern führen wird. Mein lieber Junge glaube mir ich wollte nie jemanden wehtun, schon gar nicht Dir.
Jetzt aber ist es soweit ich werde sterben und bevor dies passiert wollte ich das Du die Wahrheit kennst.

Bitte verzeih mir

Deine Mam die Dich von ganzem Herzen liebt..

Ich starrte auf den Brief und konnte es nicht fassen. Alles drehte sich um mich. Ich war nicht ihr Kind und sie war nicht meine richtige Mutter. Dies ging in meinem Kopf nur noch rum und ich bekam keine Luft.
Mein ganzes Leben alles brach in einer Minute zusammen. Benommen stand ich auf. Ich wollte nur noch zu meiner Mutter und fragen ob sie sich einen Scherz erlaubt hat. Ich riss die Tür auf und sah mich der Frau gegenüber.
Ich wollte weiter aber sie nahm mich in den Arm.

„Sie ist nicht mehr hier Luka. Ich habe jemanden angerufen der heute bei Dir bleibt und mit Dir reden kann wenn Du es willst.“

„Das ist doch alles nicht wahr???“

„Doch es ist wahr Luka. Sie hat alles mir erzählt auch wie sie zu der Geburtsurkunde kam um Dich als ihr Kind ausweisen zu können. Da haben einige geschlammt und Ihre Geschichte geglaubt.“

„Nein das ist nicht wahr..“

Ich fing an zu weinen und ließ mich auf den Boden fallen. Alles, mein gesamtes siebzehn jähriges Leben brach in einen Scherbenhaufen zusammen. Was blieb war ein namenloses Bündel das auf dem Boden lag und weinte.

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6 Kommentare

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    • Joachim auf 26. Dezember 2015 bei 10:39
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    Ein sehr interessantes Thema. Bin mal gespannt wie es weiter geht. Sehr schön. Danke!

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    • Gerd auf 26. Dezember 2015 bei 12:09
    • Antworten

    Welch ein hammerartiger Anfang dieser Geschichte
    Ich konnte nicht aufhören zu lesen, gefesselt bis zum Cliffhanger. Wahrscheinlich bin ich nicht der einzige der auf die nächsten Teile hinfiebert.

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  1. Geht es mir genauso wie euch, würd auch gern wissen wie es weiter geht 🙂 dass was ich weiß priview, dass macht es nur noch spannender **gg liebe grüße Pit

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  2. hallo und grüss gott
    danke für die geschichte, die sehr spannend beginnt. auch dank das sie sich nach sehr langer zeit wieder uns an einer story teilhaben lassen.

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    • Andy auf 28. Dezember 2015 bei 22:47
    • Antworten

    Boah, heftiger Auftakt, starker Tobak. Bin echt gespannt, wie es weitergeht.

    LG Andy

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  3. Das ist ja Wahnsinn. Ich bin so gespannt wie es jetzt weitergeht. Aber der Job geht vor. Erst Arbeiten und dann nachher weiterlesen.

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