4. Aufwachen mit Fred
Irgendetwas drückte mir auf den Brustkorb. Das war das Erste, was ich fühlte, als ich aufwachte. Vorsichtig öffnete ich die Augen, um auf einen braunen Wuschelkopf zu schauen, der mir den Blick auf weitere Details verwehrte. Den kannte ich doch, diesen Wuschelkopf.
Ich musste lächeln, Fred war der Chaot von uns beiden. Wie oft er mir geholfen hatte und zu mir stand. Wir waren die Zwillinge in der Schule, die nie alleine, sondern nur gemeinsam auftraten. Ja er war für mich etwas ganz besonderes, mein verrückter Fred.
Ich sah mich vorsichtig um, was ich sah war ein normales Krankenhauszimmer. Plötzlich erklang rechts von mir eine brummige ältere Stimme.
„Na junger Mann endlich wach?“
Die Stimme kam von rechts und ich sah einen alten Mann der in einem der anderen Betten lag. Es war ein drei Bettzimmer und so wie ich sah war das dritte nicht belegt.
„Ja wie bin ich denn hierhergekommen?“
„Sie haben dich gestern hierher verfrachtet. Dein Freund wollte dich nicht alleine lassen, da haben sie ihn gelassen und er ist dann wohl eingeschlafen. Der arme Junge der war vollkommen fertig. Er mag dich wohl sehr?“
„Wir sind die besten Freunde, die es geben kann und jetzt ist er für mich da!“
„Was ist denn passiert?“
Irgendwie fing ich an zu erzählen. Ich weiß auch nicht aber es tat gut einem fremden das Ganze zu erzählen, mit mir und meiner Mam. Als ich fertig war, betrachtete mich der Mann ernst.
„Ich heiße Bruno und das ist schon heftig Junge!“
„Mein Name ist Luka und Danke das sie zugehört haben. Ich weiß nicht, was ich tun soll?!“
„Bleiben wir beim Du Luka. Weißt du, mache es dir doch etwas einfacher. Fahr mit Deinem besten Freund zu dieser Familie. Schau sie dir von der ferne an, ohne dass du gleich Hallo sagst! Mach dir ein Bild. Manchmal ist es wichtig mit Abstand etwas zu überdenken und dann treffe Deine Entscheidung!“
„MMHH eine gute Idee und dann kann ich immer noch entscheiden was ich mache.“
„Was ist eine gute Idee?“, kam es verschlafen neben mir.
„Fred, wirst du gleich erfahren!“, dabei wuselte ich durch sein Haar.
„Menno du weißt, dass ich das nicht mag“, kam es von Fred dabei sah ich ihn an und er mich und wir konnten uns ein Lachen nicht verkneifen.
„Na bitte du kannst noch lachen. Ich hab’s dir versprochen, es wird besser!“
Fred wieder.
Ja, komischerweise ging es mir besser und irgendwie war ich diesem Bruno dankbar fürs zuhören. Die Tür ging auf und eine Schwester kam mit zwei Tabletts herein.
„Guten Morgen! Das Frühstück ist da und Herr Müller heute geht’s nach Hause.“
„Na Gott sei Dank, den Krankenhausfraß kann ich nicht mehr sehen!“, dabei lachte Bruno laut auf.
„Oh, wie ich sehe ist der junge Mann auch wach und der Lockenkopf auch. Da haste echt einen Sturkopf zum Freund! Der wollte gestern nicht gehen.“
„Ich bin kein Sturkopf! Ich wollte nur Luka beistehen.“
Fred zog dabei eine beleidigte Schnute. Echt süß, wenn er solche Grimassen zog. Ich zog ihn automatisch an mich.
„Danke dass du für mich da bist!“
„Kein Problem, für dich tu ich doch alles…“
„Sind sie nicht süß? Ach Herr Müller, man müsste nochmal jung sein…“
Wie bitte. Hallo hier lief jetzt etwas ganz verkehrt.
„Fred ist mein bester Freund. Wir kennen uns schon ewig und mit Freund meine ich Freund!“, kam es von mir.
„Ist doch gut Junge. Nur es sah echt niedlich aus wie ihr euch anseht.“
Fred bekam dann auch sein Frühstück und wir aßen gemeinsam. Fred erzählte ich dabei, was Bruno vorgeschlagen hatte. Der war gleich begeistert von der Idee und wollte gleich seine Mutter anrufen.
„Jetzt warte doch mal. Ich möchte das erst mal mit Benn bereden und seine Meinung hören.“
„Der alte Luka ist wieder da… Jippiieeee!“
Fred war aufgesprungen und tanzte zu irgendeiner imaginären Musik. Bruno und ich lachten bis uns die Tränen kamen.
„Was ist denn hier los?“
Benn stand in der Tür und sah belustigt zu Fred und dann zu mir.
„He Luka und wie es scheint geht’s dir besser?“
„Jepp, dank Bruno…“
„Bruno?“
„Ja, Herr Müller hier neben mir. Wir haben gesprochen und ich habe beschlossen diese Familie mir mal anzusehen. Aber nur von der ferne, nicht persönlich.“
Ben überlegte kurz.
„OK, ich sprech mal mit Bärbel und den Leuten vom Jugendamt, ob was dagegen spricht. Ich melde mich, dauert einen kleinen Augenblick.“
Damit verschwand Benn aus dem Zimmer und wir drei waren wieder alleine.
„So Fred ich zieh mich mal an und du kannst meinetwegen deine Mutter anrufen.“
„Ok“, und schon war er aus dem Zimmer raus.
„Luka übereile aber nicht. Wie gesagt, schau dir die Familie an und wenn du das Gefühl hast, jemanden zum Reden haben zu wollen, hier ist meine Telefonnummer und melde dich dann. Hoffe mal auch so!“
Bruno zwinkerte mir zu und gab mir eine Visitenkarte.
„Und dein Freund ist trotzdem niedlich!“, und zwinkerte nochmal.
„Ähmm ja danke und wie gesagt er ist mein bester Freund.“
„Ich weiß. Wahre Freundschaft ist ein ganz besonderes Geschenk. Verhau die nicht.“
„Mach ich versprochen.“
Ich stand auf und zog meine Sachen an die auf einem der Stühle lagen. Kurz darauf kam Fred zurück.
„Mann Mütter…, die sind manchmal echt grauenhaft.“
„Warum?“, dabei sah ich Fred belustigt an.
„Na ja erst soll ich dich schön grüßen. Man und dann, als ich ihr von der Idee erzählte meinte sie doch, es wäre noch Schule und blabla…“
„Na da hat sie ja recht. Wir haben heute Donnerstag, dann gehen wir morgen zur Schule und wenn alles klappt fahren wir am Wochenende nach Stuttgart mit Benn!“
„Ok aber du kannst bestimmt morgen frei machen. Das ist so gemein und ich muss alleine zur Schule. Na Toll.“
Fred verdrehte die Augen theatralisch. Ich musste lachen und dann setzten wir uns aufs Bett und warteten auf Benn und was da kommen mochte.
Benn kam nach einer Stunde mit Bärbel ins Zimmer. Bruno war entlassen und war weg. Bevor er ging, musste ich ihm versprechen mich zu melden, was ich auch tat.
„Hallo Luka schön dass es dir besser geht. Benn hat mir von deiner Idee erzählt. Zwar finde ich, dass es doch ziemlich übereilt ist, da du das ganze erstmal verarbeiten musst. Aber wenn es dein Wunsch ist dann fahren ich und Benn mit dir nach Stuttgart.“
„Fred kommt aber mit.“
„Das können wir regeln. Wir würden Freitagnachmittag fahren. Ist das in Ordnung?“, fragte Benn.
„Danke Benn und Danke Bärbel. Ich möchte es gerne. Ich möchte diese Familie sehen. Möchte wissen wie sie leben und wie sie aussehen. Mehr nicht. Dann mache ich mir erst einmal Gedanken wie es weitergeht.“
„Hört sich gut an Luka. Zwar sind deine richtigen Eltern schon informiert und ich kann dir nur sagen, dass sie genauso bestürzt sind über das alles, wie du. Daher haben wir auch erst einmal abgeraten sofort dich zu ihnen zu bringen. Sie haben Verständnis. Ich habe gerade mit dem Jugendamt gesprochen und die haben schon alles in die Wege geleitet, betreff Hotelzimmer.“
Bärbel lächelte mich an.
„So Jungs ich fahr euch erst mal zu Fred, seine Mutter macht sich auch schon Sorgen.“
Benn sah uns dabei belustigt an und Fred und ich sprangen vom Bett und verließen zusammen das Krankenhaus. Bärbel musste ich versprechen wenn was ist sofort bei ihr oder Ben anzurufen.
Visitenkarten hatte ich ja jetzt genug zum Telefonieren. Mir fiel dabei ein, dass in all den Jahren ich nur meine Mam um mich hatte. Komischerweise waren da nie irgendwelcher Verwandten die uns besuchen kamen.
Als wir in Benns Auto auf dem Rücksitz saßen, fragte ich ihn auch danach.
„Benn sag mal hat meine Mam eigentlich noch Verwandte?“
„Soviel ich weiß schon, aber sie hatte wohl nachdem sie dich hatte alle Kontakte abgebrochen. Die Polizei konnte eine Schwester von ihr ausfindig machen.“
„Und hat man sie schon befragt?“ Fred sah dabei zu Luka.
„Sie war wohl ziemlich überrascht, aber als sie den Grund erfuhr, warum die Polizei bei ihr vor der Haustür stand, konnte sie eins und eins zusammen zählen. Deine … ähm Mam hat wohl drei Monate vorher ein Kind verloren, bevor sie dich entführte. Also nicht dass das jetzt eine Entschuldigung für sie sein soll, aber sie war traumatisiert und hat in dich ihr verlorenes Kind gesehen.“
„Ach so.. aber trotzdem ein Kind zu rauben ist schon echt strange.“
„Fred, lass gut sein, ich werde diese Familie sehen und dann überlege ich wie es weitergeht.“
„Das ist gut Luka. Nichts übereilen. Lass es einfach auf dich zu kommen.“
Benn sah durch den Rückspiegel dabei mich an. Kurz darauf waren wir bei Freds zu Hause, wo seine Mutter schon auf uns wartete. Glücklich schloss sie Fred in ihre Arme und danach mich.
„Luka dir geht’s gut?“, fragte sie mich dann auch.
Bevor ich und Fred in sein Zimmer verschwanden, verabschiedeten wir uns von Benn, der noch kurz mit Martina reden wollte.
„Puhh, endlich daheim und du machst keinen Mist mehr OK!“
Fred sah ernst zu mir und ich musste grinsen.
„Mach ich versprochen! Ich meine keinen Mist!“
Fred verschwand kurz und kam mit Cola und Chips bewaffnet wieder zurück.
„So und jetzt wird gezockt!“
Dabei warf er seine Playstation an und wir spielten bis zum Umfallen. Na gut nicht ganz, denn Martina störte dann um uns zum Abendessen zu holen. Spät abends lagen wir dann in Freds Zimmer. Er auf seinem Bett und ich auf der Luftmatratze.
„Luka, wenn du zu deiner richtigen Familie gehst, dann sehen wir uns ja gar nicht mehr.“
„Das ist doch noch gar nicht entschieden. Aber wo soll hier denn bleiben. Ich müsste ansonsten in ein Heim da ich noch nicht volljährig bin.“
„Na du kannst doch bei uns wohnen. Meine Eltern hätten bestimmt nichts dagegen.“
„Fred, ich will dich doch auch nicht verlieren. Du bist mein bester Freund…“
„Auch ich hab Angst dich zu verlieren Luka…“, fing Fred an zu schniefen.
Ich stand auf und drückte ihn zur Seite, um dann unterseine Bettdecke mich zu legen und Fred an mich zu ziehen.
„Ich lass dich nie alleine versprochen.“
Ich drückte ihn ganz fest an mich und dann erzählten wir von unseren gemeinsamen Streichen und all die anderen schönen Geschichten, die unsere Freundschaft ausmachte. So schliefen wir gemeinsam ein.
1 Kommentar
Hi Jörg, das ist mal ein kleiner Lichtblick, wirklich sehr schön. Freu mich schon jetzt auf die Fortsetzung.
LG Andi