Traumschiff – Teil 70

Ole

Die ungewohnte Schlaferei im Zelt lässt mich früh wach werden, es ist zehn vor acht. Im Zelt nebenan brabbelt der Torsten, ein Reißverschluss ziept und dann blökt der Furzknoten laut über den Platz: „Erhebet eure müden Leiber…, das Haus ist voller nackter Weiber!“ „Halt den Mund,

Furzknoten“, rufe ich und strecke den Kopf aus dem Zelt, nach dem ich den Verschluss geöffnet habe. Er gackert los und macht damit auch die letzten wach. Armin wirft einen Schuh nach ihm, trifft aber nicht und Torsten verschwindet in einem der Dixie Häuschen.
Verstrubbelt und gar nicht ausgeschlafen krabbelt einer nach dem anderen aus den Zelten und auch Jerome, Sergej und Robin kommen vom Baumhaus herüber ans Feuer, das immer noch schwelt.
„Wir brauchen Frühstück, später gehen wir dann runter zum Schwimmen, das alle frisch werden“, sagt Jerome und fragt dann Sergej, ob er mit mir und Frank zu einer Bäckerei fahren und Frühstück holen kann, so für zwanzig Personen und auch genug Kakao und in Flaschen, so wie Kaffee to Go.
Sergej geht mit mir und Frank nach vorn zum Haus und nach dem er noch eine von diesen zusammen klappbaren Kunststoffkisten aus der Garage geholt hat, fahren wir mit dem Kombi los .Wir fahren in die Schiffdorfer Chausee, zu *Dat Backhus Jens Schulte *, da gibt es alles fürs Frühstück, was das Herz begehrt. Der Großauftrag bringt ein bisschen Stress für die Leute, aber sie kriegen das ganz gut hin. Donuts, belegte Brötchen, ein paar Teilchen von jeder Sorte, Kakao im Tetrapack und zwölf Mal große Kaffee to Go, alles zusammen für einhundert drei und achtzig Euro, die Sergej aus Jeromes Geldbeutel bezahlt.
Den Kaffee und den Kakao stellen wir in die Klappbox, damit nichts umfällt und wir fahren zurück. Sergej fährt den Weg entlang bis an das Zeltlager heran und mittlerweile sind auch alle aus den Zimmern wieder da, Kevin war sie wecken, wegen dem Frühstück. Alle sehen zufrieden aus und Rolf und Paul sind immer sehr dicht beieinander, schmusig, würde ich sagen, oder anders……die Zahl der Jungfrauen hat abgenommen, zumindest die der männlichen. Auch Noah und Rico werden die Gelegenheit wohl genutzt haben, denk ich. Warum auch nicht, sie haben ja länger drauf gewartet nach ihrem Unfall. Ich bin mal gespannt, ob sie am Dienstag entlassen werden. Normal wäre ja noch Reha angesagt, aber im Klinikum Mitte können sie das ambulant machen. So nochmal drei Wochen weg wollen beide nicht, hat mir Noah gestern erzählt.
Auf dem Tisch, auf dem gestern die Salate standen, deren Reste ordentlich im Kühlschrank sind, bauen wir das gekaufte auf und dann kann es losgehen. Jeder findet was, das ihm schmeckt und bald sitzt alles kauend in der Runde. Während wir weg waren, haben sie das Feuer wieder entfacht und die Lagerfeuerromantik wieder her gestellt.
Robin sitzt zwischen Chris und Matthias und die drei unterhalten sich angeregt. Der Kleine strahlt und sieht sehr zufrieden aus, etwas verstrubbelt und noch ungewaschen aber bestimmt gut gelaunt und Angst, vor dem was kommt, scheint er nicht zu haben.
Chris wird sich sicher mehr Sorgen machen und auch Jerome wird mit Spannung der Dinge harren, die in den USA auf den Kleinen warten. Hoffentlich geht alles gut. Mit den Neuzugängen, die in der letzten Zeit mit Paul, Noah und Rolf, sowie Marvin dazu gekommen sind und auch jetzt, mit den fünf Neuen, die seit gestern dabei sind, können wir, so glaub ich, zufrieden sein. Es wird sich zeigen, ob und in wie weit sie sich integrieren, ob es mehr wird, als nur eine lockere Freundschaft. Passen, denk ich, würden sie schon alle zu uns.
Von den eingekauften Sachen bleibt nichts über und wenn wir noch mehr geholt hätten, wäre auch noch mehr gegessen worden. Junge Leute haben halt immer viel Hunger und sogar Robin hat einen Donut und ein Pudding Teilchen verdrückt und eine Flasche Kakao dazu getrunken. Frische Luft macht Appetit.
Die leeren Becher vom Kaffee und die Flaschen macht Sergej wieder in die Klappkiste, das wird nachher in der Garage in extra Mülltonen für Glas und Plastik entsorgt. Nun gehen wir alle, Badekleidung und Handtuch hat jeder dabei, unter Jeromes Führung über die Terrasse ins Haus und runter in den Badebereich, wo das große Umziehen beginnt, da ja nur drei Kabinen da sind, dauert es etwas länger. „Wer will von den Jungs, kann auch mit in den Fitnessraum gehen zum Umziehen“, sagt Jerome und die, die sich eh schon nackt kennen, tun das auch.
Bei vier Duschen dauert es natürlich auch etwas länger, bis alle nach und nach sauber ins große Becken hüpfen. Chris setzt Robin in den Whirlpool und Kevin und Wolfi bleiben bei ihm. Zwischen Robin und Kevin hat sich, wahrscheinlich durch ihr gemeinsames Singen, sehr schnell eine gute Freundschaft gebildet und auch Wolfi mag den Kleinen wohl sehr. Ich glaube, jeder hat ihn im Laufe des gestrigen Abends lieb gewonnen und alle hoffen bestimmt nur das Beste für ihn. Zwanzig Leute sind jetzt im Wasser, zwei Bälle und jede Menge Spaß. Torsten wird für die Weckaktion von Marvin und Boris mehrfach getunkt und flieht mit Sigrid auch in der warmen Whirlpool. Dorthin gehen nun alle Mädchen, während wir Jungs zwei Teams bilden und Wasserball spielen. Da wir keine Tore haben, muss der Ball schwimmend an die gegnerische Wand gebracht werden, werfen gilt nicht.
Wir haben viel Spaß dabei und die Zeit vergeht schnell. Irgendwann ist Jeromes Mama da und sie winkt Enrico zu sich an den Rand. Nach einem kurzen Gespräch schwimmt der zu Noah, spricht kurz mit ihm und dann mit Paolo. Enrico und Paolo verlassen das Becken und gehen kurz darauf angezogen nach oben. Jeromes Mama geht zum Whirlpool, strubbelt Robin durchs Haar, redet mit ihm und geht dann wieder hoch, nach dem sie auch noch mit Natascha gesprochen hat. Natascha geht rüber zu Jerome und redet auf ihn ein. Der nickt, winkt mir und Sergej und ich schwimme hin zu den Beiden.
Jerome sagt uns, dass Enrico und Paolo oben alles vorbereiten, um für alle Mittagessen zu grillen. Seine Mama, die Oma und Frieda sind in der Küche und bereiten Salate vor. Kai und Martin haben das Fleisch und die Wurst und den Rest der Salate von gestern Abend schon hoch geholt und jetzt sind sie dabei, die Terrasse herzurichten. Auch den Grill von unten haben sie zur Terrasse gebracht.
Sein Vater, Carl August macht mit den Gästen, die über Nacht geblieben sind, einen Spaziergang durch den Park und dabei besichtigen sie auch das Zeltlager, sagt Jerome.

Enrico

Als Jeromes Mama mir winkt, denke ich zuerst, hoffentlich ist nichts passiert. Sie möchte, das Paolo und ich heute Mittag noch mal grillen, die Reste von gestern und auch noch Fisch, den sie bereits aus der Truhe geholt hat, damit er auftaut. Das machen wir natürlich gern, keine Frage und so ziehen wir uns schnell an und gehen nach oben. Nach einer Bestandsaufnahme beginne ich in der Küche mit diversen Vorbereitungen. An Fisch ist nicht so viel da, Seehecht und Lachsfilets und eine Tüte Pangasius, Fleisch und Wurst ist noch ausreichend vorhanden, auch Gemüse, Paprika, Zucchini und Tomaten sind noch genug da. Mit Paolos Hilfe, auch Natascha kommt noch dazu, bereiten wir alles vor und um viertel vor Zwölf lege ich Steaks und Wurst auf, Fisch geht schneller, der kommt danach.
Carl August kommt mit den Gästen zurück, Noahs Eltern und Robins Mama und Oma und Frieda sind bei ihm. Er sagt, dass Rolfs Mutter und Schwester und auch der Chefarzt mit seiner Frau, sowie Frau Gut und Frau Jensen zu Mittag noch mal herkommen, also volles Programm. Da lohnt sich der Aufwand wenigstens und ich denke, es wird nicht viel über bleiben.
Natascha bringt jetzt einen Stapel Teller aus der Küche und stellt sie auf den Tisch neben den Grill. Dann geht sie und holt mit Paolo noch Geschirr in der Küche und auch einiges an Besteck. Die Frauen bringen die Salate raus und die ersten kommen von unten hoch. Martin und Kai kümmern sich um die Getränke und ab kurz nach zwölf beginnen die Leute mit dem Essen.

Robin

In einer etwas zu großen Badehose sitze ich mit Kevin und Wolfi in der großen, wunderbar warmen Sprudelwanne, die blubbert und dampft, so geil, so was hatte ich noch nie vorher und das gefällt mir Sau gut.
Mit Kevin und Wolfi verstehe ich mich sehr gut und Kevin und ich wollen öfter mal zusammen das Singen üben und mehr gemeinsame Lieder lernen. Wenn ich, vorausgesetzt es klappt alles in New York, doch in den Stimmbruch komme, hoffe ich auch danach noch auf eine gute Singstimme, wie Kevin sie hat.
Überhaupt sind alle wahnsinnig nett zu mir und ich habe nicht das Gefühl, dass es nur wegen meiner Krankheit ist. Ich hoffe, dass ich auch jetzt öfter mit dabei sein darf, wenn die hier alle was unternehmen und nicht jedes Mal als der arme, kleine und kranke Robin zu Hause bleiben muss. Jetzt in den Ferien geht doch bestimmt noch was ab hier und solange nicht fest steht, wann wir denn rüber fliegen, kann ich doch so wie gestern und jetzt auch dabei sein. Ich werde einfach nachher Jerome fragen und Morgen, zu Dr. Brunner, da will ich auch mit hin. Ich bin doch der, den es am meisten angeht, was da geredet wird.
Den Brunner, den kenne ich ja schon einige Jahre, der ist voll OK, behandelt einen so, als ob man gar nicht krank wäre, erklärt alles genau, wie es aussieht, was man machen kann und was man gar nicht darf. „Wer nicht hört und sich nicht dran hält, der gibt den Löffel ab und bei beratungsresistenten Spacken komm ich auch nicht zur Beerdigung, ist das klar?“, ist einer seiner Sprüche. Ihn kannst du, unter vier Augen, echt alles fragen, du kriegst immer eine ehrliche Antwort. Ich mag ihn und so einen Typen wie ihn hätte ich gern zum Vater gehabt.
Meinen Vater durfte ich ja leider nicht kennenlernen, er starb noch, bevor ich geboren war und Chris hat auch nur noch vage Erinnerungen an ihn, die sind aber durchweg positiv. Mama weint immer noch, wenn ich sie bitte, mir mal was von ihm zu erzählen, darum frage ich nicht mehr. Papa war ein hübscher Mann, Chris gleicht ihm sehr, wenn ich alte Fotos gucke.
Sie hat nach ihm keinen Mann mehr an sich ran gelassen, nur für Chris, vor allem aber für mich hat sie gelebt. Sie hat auf so vieles verzichtet meinetwegen und das Chris schwul ist, hat sie natürlich auch erst mal verarbeiten müssen. Sie hat immer Angst gehabt, dass er dadurch ein schweres Leben haben würde und das hat ihr zusätzlichen Kummer gemacht.
Die Party, die Leute, alles hier, sogar die Erwachsenen, sind einfach super. Das ich und natürlich auch Chris und sogar Mama jetzt hier sein dürfen, ist einfach toll. Noch nie war ein Wochenende so, wie dieses hier, mit Party, Singen mit Kevin, skypen mit Winston, schlafen im Baumhaus, ohne Chris, zwischen zwei lieben Freunden, mit „Gute Nacht Kuss“, von beiden, mit Aussicht auf New York, man, das Leben zeigt plötzlich ganz neue Seiten auf, Dinge, die ich so nicht kenne, die mir aber gut abgehen.
Ich winke Jerome, der gerade seinen Sergej anknabbert und als er realisiert, dass ich ihn meine, kommen beide rüber zu mir in die große tolle Sprudelwanne. Kevin steht auf, setzt sich rüber zu seinem Wölfchen, wie er immer sagt und macht Platz für Jerome und Sergej, die sich rechts und links neben mich setzen. Die anderen beginnen, sich wieder an zu ziehen, es gibt wohl gleich oben Mittagessen.
„Was können wir denn tun für dich?“, will Jerome wissen und ich frage halt die beiden, ob sie mich in der nächsten Woche ein wenig in ihre Urlaubspläne ein beziehen können, da Chris ja noch eine Woche Zivildienst leisten muss und immer erst um halb drei heimkommt. Jerome meint, dass er das wohl erst mal mit meiner Mama und Chris bereden muss, dass er das aber gerne nach her tun will.
„Wir müssen uns anziehen und hoch gehen“, sagt Sergej und steht auf. Er hebt mich hoch und trägt mich zu einer der Umkleidekabinen. „Kommst du zurecht?“, fragt er. „Ich kümmre mich um ihn“, sagt jetzt Chris, der mit Matthias bereits angezogen gewartet hat. Er hilft mir beim abtrocknen und anziehen und trägt mich dann auch Huckepack nach oben, wo mein Rolli steht und setzt mich in das Teil. Die Zwillinge grillen und das große Mittagessen beginnt. Von dem Aufenthalt im Wasser habe ich Appetit bekommen und fahre zu Enrico, der mir dann auf meinen Wunsch Fisch auf den Teller macht und den Teller dann auf meinem Schoss abstellt. So fahre ich jetzt zum Tisch mit den Salaten und dem Brot und hole mir dort Nudelsalat und Weißbrot auf meinen Teller. Jetzt fahre ich zu dem Tisch, an dem Jerome und Sergej sitzen und parke mich mit dem Rolli am Kopfende. Martin, der wohl so was wie Kevins Papa ist, bringt mir auf meinen Wunsch hin ein Glas mit Apfelschorle. So versorgt beginne ich zu essen und es schmeckt alles sehr toll.

Chris

Ich muss mich wundern über Robin, wie er auf geblüht ist, seit wir hier sind. Vielleicht haben wir ihn in den letzten Jahren doch zu sehr in Watte gepackt. Er ist gut drauf, hält sich gut und isst auch deutlich mehr als zu Hause. Er hat sogar ein bisschen Farbe bekommen, ob wohl wir sein Gesicht des Öfteren mit einer starken Sonnenschutzcreme eingerieben haben. Sonne hat er noch nie gut vertragen und mit Acht hatte er mal einen üblen Sonnenbrand und musste sogar ein paar Tage ins Krankenhaus. Jede noch so kleine Infektion, jedes Wehwehchen bedeutete früher immer Klinik für ihn, das ist aber in den letzten zwei Jahren besser geworden.
Jetzt sitzt er kauend am gegenüber liegenden Kopfende des Tisches bei Jerome und Sergej, ich sitze neben Matthias und Ole und Frank sitzen uns gegenüber. Ole erzählt über dem Essen, wie er und Frank sich kennen gelernt haben nach seinem Fahrradunfall.
Matthias hatte Ole gefragt, seit wann er mit Frank zusammen ist und auch, wie und an was er denn gemerkt hat, das Frank der Richtige für ihn ist. So erfahren wir sehr viel über die beiden und auch über Franks ersten Freund und was der alles angestellt hat, nach dem er Frank betrogen hat, echt Krass, die Geschichte.
Links von mir sitzt Kevin, ihm gegenüber der Wolfi, der eigentlich ja Kai heißt, wie er gestern erzählt hat. Die zwei sind auch fest zusammen und sie sind wohl auch sehr glücklich. Das sehe ich daran, wie sie miteinander umgehen, sich ansehen und berühren, das ist wohl eindeutig Liebe, was die zwei verbindet. Ein tolles Paar, ebenso Jerome und sein Sergej, bei denen es ähnlich ist wie bei Kevin und Wolfi und Ole und Frank. Ein kleines Spitzchen Neid fühle ich schon, so eine ernsthafte Beziehung, das wäre auch mein Traum, nur jetzt ist erst mal Robin dran, der meine volle und ganze Aufmerksamkeit benötigt, wenn es los geht über den großen Teich.
Ich finde schon was an Matthias, er gefällt mir sehr gut, scheint auch ein ganz lieber zu sein, aber erst müssen wir uns mal gegenseitig besser kennen, bevor ich mehr will und wie schon gesagt, passt es jetzt zeitlich auch kaum, ich werde nicht viel Zeit haben jetzt für ihn. Wenn er wirklich mit kommt, was ich erst glaube, wenn er auch im Flugzeug sitzt, dann haben wir auch bestimmt Zeit, uns richtig kennen zu lernen, vor allem in den Phasen, in denen Robin in der Klinik ist.
Die Wohnung, von der Jerome sprach, ist eigentlich ein Haus mit zwei Wohnungen. In einer wohnt der Verwalter mit seiner Familie, die sich um alles kümmern, was das Haus betrifft. Die andere Wohnung ist früher oft von Jeromes Familie genutzt worden und wird auch ab und zu von Leuten aus der Firma hier genutzt, wenn in der Firma in New York was zu erledigen ist. Jetzt sollen wir dann für die Zeit, in der Robin behandelt wird, dort wohnen und Leben. Der Hausverwalter spricht gut deutsch, er war fast acht Jahre in Ramstein bei Kaiserslautern als Luftwaffensoldat der USA und hat sich die deutsche Sprache angeeignet.
Das Haus liegt in einem eher noblen Vorort der Stadt und wir bekommen dort wohl auch einen Wagen mit Fahrer und einem zusätzlichen Mann für unsere Sicherheit, hat Jerome gesagt, das wäre bei ihren Besuchen auch immer so gewesen und sein Vater würde da auch jetzt kein unnötiges Risiko eingehen, damit uns nichts Schlimmes passiert und wir alles finden in dieser riesigen Stadt am Hudson River.
Bei dem Gedanken an diese Reise spüre ich schon ein wenig Aufregung und das wird wohl auch noch wachsen, bis es soweit ist. Robin sieht nicht so aus, als würde er sich jetzt schon viel Gedanken machen wegen unserer Reise in die Staaten. Er ist fröhlich und unbeschwert wie selten zuvor und albert mit Jerome und Sergej rum. Ich freue mich, dass es dem Kleinen hier so gut geht und wenn ich Mama anschaue, dann sehe ich, dass es ihr genau so geht.
Bin echt gespannt, was Brunner morgen sagt. Wenn einer Robins Chancen einschätzen kann hier in Bremen, dann er, schließlich betreut er Robin schon über Jahre und ist echt ein toller Arzt und guter Mensch.

Noah

Es geht gerade so weiter, wie es gestern war, tolle Stimmung, bestes Essen von Schatz und Co und alles wäre noch toller, wenn Rolf und ich nicht um Neunzehn Uhr wieder in der Klinik auf Station sein müssten. Leider ist es aber nicht zu ändern und morgen Früh beginnen wir damit, mit zwei Krücken laufen zu lernen.
Erst wenn das klappt, dürfen wir am Dienstag nach Hause, müssen dann aber noch drei Wochen lang an sechs Tagen in der Woche in die Bäderabteilung zu diversen Rehaübungen. Das erspart uns eine drei wöchige Abwesenheit, die der Besuch einer Rehaklinik mit sich bringen würde.
Leider können wir dann aber nicht an der Schiffsfahrt nach Dresden teilnehmen, zum ersten, weil wir für das Leben auf dem Schiff mit schmalen, steilen Treppen noch nicht fit sind und zum Zweiten wegen der ambulanten Reha, die in der Zeit läuft. Paul und Rico bleiben dann auch hier und Rico geht sogar arbeiten in der Zeit.
Wenn die drei Wochen Reha vorbei sind, macht Rico auch drei Wochen Urlaub und wir fahren mit Papa und Mama in die Toscana, nach Italien, da werden wir, wenn es geht, ein Ferienhaus mieten, Papa bemüht sich schon seit Freitag darum. Wenn wir nichts mehr finden, buchen wir Last Minute irgendwo im Mittelmeerraum, die etwas teureren Dinger findet man immer noch. Kreta wäre ja auch was oder Sizilien oder Korsika, wir werden schon was finden, Hauptsache, mein Schatz ist bei mir, der Rest wird schon passen.
Rolf fährt dann mit seiner Familie und Paul für zwei Wochen nach Dänemark, dort hat der Opa ein Ferienhaus gemietet, da ist Platz für alle.
Wenn dann alle zurück sind, beginnt bald die Schule wieder, das letzte Jahr für mich und Jerome und die meisten anderen ziehen dann in die WG nach Bremen. Dann wohnen sie zum großen Teil bei uns in Bremen und es wird deutlich ruhiger hier in Bremerhaven bei Tante Lis.
Im Haus ist dann nur noch Natascha, alle anderen jungen Leute sind dann fort und höchstens noch an den Wochenenden und in den Ferien hier. Für die Erwachsenen hier wird das auch eine herbe Umstellung sein, wenn fast das ganze Jungvolk fehlt.
Mal abwarten, wie und vor allem wann das mit Robin weitergeht und auch mit Chris und Matthias. Da ist was am gären, denk ich, aber die Sorge um Robin bremst Chris natürlich schon. Matthias würde schon gern mit Chris zusammen kommen, den Eindruck hab ich nicht allein aber Chris ist extrem abgelenkt und das wird sich wohl auch erst in den Staaten ändern. Dort sind sie ja fast immer zusammen und haben dann auch Zeit für sich, wenn der Kurze in der Klinik liegt, das wird schon, hoffen wir wohl alle ein bisschen, denn die zwei sind voll OK und passen, glaub ich, gut zu uns. Ich bitte Paul, der mit Rolf mir gegenüber sitzt, mir noch eine Wurst und etwas Kartoffelsalat zu holen. Der bringt dann für Rolf gleich auch noch was mit, der ja jetzt, wenn auch vorsichtig, wieder richtig essen kann.

Paul

Mit den Tellern von meinem Schatz und Noah gehe ich rüber zu Paolo, der Fleisch und Wurst grillt und hole Beiden noch je ein Würstchen und etwas Kartoffelsalat. Rolf hat fast sechs Kilo abgenommen durch den Draht im Mund und ist jetzt fast immer irgendwas am kauen.
Wir hatten gestern auf dem Zimmer nach einer gemeinsamen Dusche noch Kuschelsex, haben gestreichelt, geleckt und geblasen aber so richtig poppen, das haben wir uns noch nicht getraut. Wir haben ja beide null Erfahrung und wir werden erst mal mit Ole ein Gespräch unter Freunden führen, was das Ficken angeht. Wir wollen uns gegenseitig nicht unbedingt weh tun, sondern uns gegenseitig Lust bereiten und alles richtig vor bereiten. Mit Ole können wir darüber reden, da bin ich mir sicher und ihn kenne ich auch am besten von allen. Er war immer sehr fair zu mir, selbst dann, wenn ich mich wie ein Arschloch benommen habe. Er war der Erste, der mir im Krankenhaus seine Freundschaft angeboten und dieses Angebot auch ohne Wenn und Aber lebt, er ist ein echter Freund für mich. Die Anderen natürlich auch, aber Ole eben ganz besonders.
Ich stelle den beiden den Teller hin und sie bedanken sich, Rolf streckt mir seinen Mund entgegen und ich gebe ihm einen Kuss, weil das ja hier in diesem Umfeld kein Problem ist. Woanders würden wir uns das beide wohl doch noch nicht trauen aber wir hoffen natürlich, dass auch das irgendwann mal selbstverständlich sein wird.

Lis

Eine schöne Runde ist das heute hier und ich muss mir überlegen, ob wir so was wie dieses Wochenende nicht mal öfter machen sollen. Vor allem, wenn ein großer Teil nach Bremen geht und es hier wohl sehr ruhig wird bei uns. Die Menschen, die wir an diesem Wochenende kennen lernen durften, sind alle sehr nett, die Jungen genau so, wie die Erwachsenen.
Morgen ist nun der für den kleinen Robin sehr wichtige Montag, aber wenn ich den Robin so betrachte, er albert gerade mit Jerome und Sergej rum, dann ist er nicht nervös oder gar ängstlich.
Der Junge hat schon was, er hat ja nun in seinem Leben auf so viel verzichten müssen auf Grund des Herzfehlers, aber hier bei uns ist er richtig gut drauf.
Seine Mutter meinte vorhin, so wie er gestern und heute hier drauf ist, so hätte sie ihn noch nicht erlebt. Vielleicht war sie in ihrer Angst um ihn zu vorsichtig und wollte einfach kein Risiko eingehen. Hier aber, während der Party, über Nacht und auch im Whirlpool hat es zu keiner Zeit Anzeichen des Unwohlseins oder so was in der Richtung gegeben. Sie hat sich gewundert, wie viel der Kleine für seine Verhältnisse gegessen hat.
Es war gut, Chris und Robin einzuladen, das hat mein Großer echt gut hingekriegt und Noah hat mit seinem Nachbohren bei Chris das ganze erst ins Rollen gebracht. Mal sehen, ob es weiter so gut läuft, für Robin und auch für alle die Jungen hier.
Es gibt keine Garantie für Dauerglück, da ja immer mal etwas Negatives geschehen kann. Ich hoffe sehr, dass das den Jungs und Mädels hier erspart bleibt, das ihre Beziehungen halten, sie gesund bleiben und das ihre Liebe auch kleinere Krisen überdauern werden, denn sie sind alle ganz toll und hätten es verdient.
Ich denke da immer zurück an Carl August und mich. Wir waren für den jeweils anderen die erste große Liebe und es war uns auch beiden sehr schnell klar, dass wir zusammen gehören. Daran hat sich bis heute nichts geändert und das es so kommt, für unsere Kinder und ihre Partner, das wünschen wir uns auch.
Bei Beiden, ja auch bei Natascha, spüre ich die Ernsthaftigkeit ihrer Gefühle für ihre Partner und glaube schon, dass es von Dauer sein wird.

Oma Gesine

Das ist ja mal ein super tolles Wochenende mit netten Leuten, gutem Essen, Chremant und so weiter.
Frieda und ich lieben dieses natürliche, ungestelzte Völkchen der jungen Menschen um uns rum und dass es sich in den letzten Monaten so positiv entwickelt hat, freut uns sehr.
Die Leutchen, die sich da um unsere Enkel geschart haben, sind alle toll, freundlich, nett und hilfsbereit, es ist eine Freude, dass wir das mit erleben dürfen.
Die Aktion mit dem kleinen Robin, die Jerome und Natascha da gestartet haben, ist einfach Klasse und freut uns sehr. Dass die beiden die nicht unerheblichen Kosten übernehmen, zeigt mir, dass sie mit ihrem Vermögen verantwortungsbewusst umzugehen bereit sind. Sie haben ja beide jetzt schon einiges an Vermögen und die Sache mit Robin jetzt liegt wohl gerade Mal im einstelligen Prozentbereich in Bezug auf ihren Besitz.
Der wird sich noch ein, beziehungsweise zweimal nach oben verändern, wenn Frieda und ich mal das Zeitliche segnen. Auch wir sind bei Leibe keine armen Mädchen und werden den Zweien einiges an Vermögen überlassen. Die Steuerfachleute in der Firma habe ich schon mal gebeten, sich Gedanken zu machen, damit nicht zu viel von Vater Staat und seinem immer gierigen Finanzminister gefressen wird.
Frieda hat jetzt von Natascha eine Portion Essen bekommen und auch ich bekomme gleich was. Der Cremant schmeckt ganz gut zu Fisch und der Enrico, der macht das ja so lecker und so zart ist das, der hat echt was drauf.
Der Paul hat sich auch gut eingelebt und es geht ihm relativ gut, besonders seit er nun ja auch einen Freund hat und verliebt ist in seinen Rolf. Beide passen ganz gut zusammen, finden Frieda und ich und freuen uns mit den Zweien, besonders mit Paul, der ja nach dem ganzen Drama mit seinem Erzeuger jetzt endlich wieder Sonne sieht.
Wenn die Sache vor Gericht aus getragen ist, müssen wir schauen, ob eine Therapie sinnvoll ist und ob er das dann auch machen will. Jetzt im Moment ist Rolf und das Umfeld hier die beste Therapie für den Jungen.
Die Party hat noch mal neue Leute in die Gruppe gespült, Chris mit seinem kranken Bruder Robin, dem jetzt hoffentlich geholfen werden kann, Matthias, der Pflegesohn, wenn man so will, des Chefarztes der Chirurgie aus dem Klinikum Mitte und der Tom und sein Micha, die Jerome und Sergej im Park kennen gelernt haben. Alles nette Jungs auf den ersten Blick und der Kleine natürlich ganz besonders.
Jetzt hoffen wir mal feste, das alles gut geht mit dem Jungen und dass er dann auch gesund wird, das wäre schon schön für alle Beteiligten, besonders natürlich für ihn selber.
Für Frieda und mich heißt es am Samstag auf nach Borkum, Kurlaub für sechs Wochen, das machen wir schon einige Jahre so. Dieses Mal kommt der Hinnerk auch mit, wir haben ihn überredet.
Wenn wir zurück kommen, wird Kai uns in Norddeich mit dem neuen Wagen abholen, mit der Protzkiste, hat Jerome gesagt.
Kai und Martin werden das Auto in England abholen und auch ein wenig Urlaub machen da drüben, bevor sie den Wagen holen und damit hier her fahren. Frieda und ich sind echt gespannt auf die Nobellimousine, aber wir finden beide, das wir uns ein bisschen ausgefallenen Luxus durch aus leisten dürfen. Es bleibt immer noch mehr als genug, für unsere beiden Erben über und ansonsten leben wir ja eigentlich ganz normal, finde ich.

Marvin

Also durch meine Freundschaft mit Marie, so nenne ich es jetzt mal, obwohl es mir schon viel mehr bedeutet als nur Freundschaft in der kurzen Zeit, seit wir uns kennen, bin ich an diesem Wochenende als Freund in diesen Kreis aufgenommen worden und ich muss sagen, ich freue mich darüber. Ole und Frank und auch Jerome kannte ich ja aus der Firma schon und die meisten anderen habe ich ja vor kurzem hier getroffen, als ich mit Marie eigentlich ins Kino wollte.
Der Abend dann gestern und auch der Tag heute waren toll, alle sind Sau nett, alles ist Klasse hier und der Umgang mit einander, der ist schon ungewöhnlich gut. Von Marie wusste ich ja, das Jeromes Familie oft schnell und ohne wenn und aber hilft, bei Paul und auch bei den Zwillingen, doch die Aktion, die jetzt mit Robin läuft, die ist doch im positiven so was von ab gefahren, das ist voll der Hammer. Wenn ich das Mama erzähle, die glaubt das nicht.
Na ja, die haben halt voll die Kohle, sind aber nicht geizig und eingebildet, wie man das wohl oft bei Reichen und Superreichen findet. Ich jedenfalls und Marie auch, wie finden die voll OK und wir sind auch gerne mit den Leuten hier zusammen.
Wenn das mit Marie und mir was Festes wird, was ich mir sehr wünsche, dann gehöre ich ja mit ihr hier zu diesem Kreis dazu und das würde mir schon gut gefallen. Dass Ole und einige der anderen Jungs schwul sind, stört mich nicht, alle sind schwer OK und das zählt, nicht, wer wen liebt. Es ist niemand unter ihnen, den ich nicht nett finde und mit dem ich nicht befreundet sein möchte, ich kann alle gut leiden.
Ab Morgen werden wir mit der Firma oben in der WG Internet und Netzwerk einrichten. Es wird einen richtig fetten Server geben, mit dem alle Zimmer vernetzt werden sollen. Das ist ein sehr schöner Auftrag, hat der Chef gesagt und alles hat einen Apfel als Logo, aber das war mir schon klar, als es hieß, dass wir die Anlage einrichten, dass das ein Appel- Fest wird. Jerome wollte das so, mit Telefonen und TV in den Zimmern und einem Beamer mit großer Leinwand in dem großen Wohnraum. Das ist nach her fast wie im Kino und Sky und Entertain sind auch dabei, volles Programm also. So, langsam bin ich satt, alles war sehr fein und für jeden Geschmack war was dabei.
So kurz nach der Trennung von meiner ersten Freundin schon wieder verliebt zu sein, das hätte ich mir auch nicht träumen lassen, aber die Marie ist einfach ein tolles Mädel, wir verstehen uns gut, haben den gleichen Geschmack was Musik angeht und auch sonst einiges an Gemeinsamkeiten. Nächsten Freitag möchte ich sie meiner Mutter vorstellen, wenn Marie einverstanden ist. Ich werde sie nach her mal danach fragen.
Nach den Ferien beginnt mein drittes Ausbildungsjahr bei Herrn Weiden und er hat gesagt, wenn ich einen ordentlichen Abschluss mache, kann ich nach der Ausbildung in der Firma bleiben.
Das sind doch gute Aussichten, finde ich, es gefällt mir gut dort und es macht auch Spaß, dort zu arbeiten.

Sergej

Meine Geschwister scheinen sich so langsam in der Runde wohl zu fühlen. Gestern Abend waren beide eher zurück haltend aber schon heute Morgen beim schwimmen haben sie gut mit gemacht. Es ist ja auch nicht gerade einfach, wenn man nach einer Zugfahrt mit totaler Verspätung eintrifft und dann in eine Gruppe gesteckt wird, in der man mal gerade drei Leute kennt.
Jetzt sieht alles schon anders aus, Marianne sitzt bei Sigrid und Boris sitzt bei Dirk und Mike und sie scheinen sich gut zu unterhalten. Auch Micha und Tom sitzen dabei, wahrscheinlich geht es um Roller oder Autos. Boris hat sein Smartphone in der Hand, zeigt Bilder, ich nehme an, von seinem Roller, den er mit Opas Hilfe fertig gemacht hat und der echt toll geworden ist.
Ab Morgen, wenn es ruhiger wird hier, kann ich mich auch etwas mehr um meine Geschwister kümmern. Mein Schatz fährt ja nach Bremen in Sachen Robin und dann habe ich ja Gelegenheit, mich mal um meine Familie zu kümmern. Vielleicht zeige ich ihnen dann mal ein bisschen von Bremerhaven, wenn sie wollen.
Im Laufe des Nachmittags wollen wir ja dann auch den Zeltplatz aufräumen und alles wegräumen.
Alle, die Zeit und Lust haben, werden kommen und anschließend gehen wir dann noch mal in den Badebereich runter.
Kevin war kurz runter in ihr Zelt und hat seine Gitarre geholt. Jerome macht ihm Platz, so dass er bei Robin sitzen kann und er stimmt kurz an der Gitarre rum, nach dem er sich richtig hingesetzt hat. Die Unterhaltung wird leiser und verstummt ganz, als er die ersten Akkorde anklingen lässt.
Dann singen die Zwei, losgelöst von allem um sie rum, mit allem was sie drauf haben und alle lauschen geradezu andächtig, auf das, was die zwei da zum Besten geben. Staunende Gesichter bei den Erwachsenen, Robins Mutter lauscht mit offenem Mund, ich glaube, diesen Robin kennt selbst sie nicht und sie ist ebenso erstaunt, wie Chris es gestern Abend war.
Auch Martin und Kai gucken überrascht auf Kevin und den Kleinen und Lis hat Herzchenaugen bekommen bei dem Gesang. Als das erste Lied verklungen ist, gibt es Applaus, viel Applaus und auch der ein oder andere „Bravo“ Ruf ist zu hören.
„Wind Nordost, Startbahn null drei, bisher hör ich die Motoren,…..“, jetzt ist Reinhard Mey dran und beim Refrain summen viele mit.
Nun folgen noch einige Lieder, die wir Jungen ja schon gestern Abend gehört haben, obwohl sie mir hier und jetzt noch besser gefallen. Die zwei harmonieren noch schöner miteinander, als gestern Abend und Robins Augen kleben an Kevins Mund, um keinen Einsatz zu verpassen. Ich finde, das ist durchaus Bühnenreif, was die zwei da bieten, einfach Klasse und der Applaus sagt mir, das nicht nur ich so denke.
Carl August hat eine Cam geholt und nimmt die Beiden beim Singen auf. Man sieht an ihren Gesichtern, dass sie mit vollem Einsatz, mit Leib und Seele singen und spürt einfach, dass sie es gerne tun. Oma und Frieda schmelzen förmlich dahin und auch Lis und Robins Mama zeigen deutlich, dass sie ganz begeistert sind von dem, was die Zwei da abliefern.

Chris

Der Gesang macht, dass das ganze drum Herum vor meinen Augen verschwimmt, ein vollkommen anderes Bild taucht vor meinen Augen auf. Ich sehe ein Flugzeug am Boden stehen, die Treppe ist angelegt und oben an der Türe stehen Jerome und Natascha und winken uns zu.
Uns, das ist Robin, der etwa zehn Meter vor uns allein und zügigen Schrittes und ebenfalls winkend auf die Gangway zu geht. Uns, das ist aber auch Matthias, der meine Hand hält und strahlend neben mir geht.
Die Musik verstummt und ich sitze da und halte die Hand von Matthias und als ich ihn anschaue, strahlt er wirklich so, wie eben auf dem Flugplatz.
Ich werde rot, lege seine Hand zurück auf seinen Oberschenkel und sage: „Sorry, ich hab wohl geträumt.“
Das Strahlen erlischt und er sagt leise: „Mir hat es gefallen, Chris, ich mag dich.“ „Mir wohl auch, denk ich“, sage ich, „Ich mag dich auch, Matthias, bin aber noch nicht so weit, versteh das bitte. Robin ist seit Jahren mein Leben und alles geht jetzt in eine entscheidende Phase. Da du ja mit uns kommen willst, werden wir sehen, wie es wird mit uns.“
„Ich möchte nur wissen“, sagt er leise, „ob ich mir ernsthaft Hoffnung machen darf.“ Ich lächle ein bisschen und sage dann: „Ja, das darfst du sicher.“ Jetzt strahlt er wieder und er weckt ein warmes, angenehmes Ziehen in meinem Bauch. Die einsetzende Melodie des nächsten Liedes lullt meine Gedanken wieder ein.“I have a Dream“ von Abba, diesmal beginnt Kevin allein und es dauert einen Moment, bis Robin mit singt. Dieses Mal kommt seine Hand und greift nach meiner. Ich lass es zu. Er beginnt mit dem Daumen, meinen Handrücken zu streicheln und es fühlt sich gut an. Irgend was passiert hier mit mir und ich kann und will mich momentan auch nicht wehren, dafür ist es zu neu und auch zu gut, dabei ist es nur sein Daumen, der mich kirre macht. Den Gedanken denk ich jetzt besser nicht weiter, was wäre wenn…, das würde nur zu Komplikationen in Form von einer Schwellung führen und das will ich jetzt und hier bestimmt nicht. Der Verstand siegt über Herz und Gefühl, das Lied ist aus und ich entziehe ihm meine Hand. Erst Robin und dann…, mal sehen, dann auch gerne Matthias.

Matthias

Zuerst bin ich etwas erschrocken, als er meine Hand nahm, ich habe nicht damit gerechnet, umso erfreuter war ich. Ein Blick in sein Gesicht zeigt mir, das er abwesend ist, irgendetwas träumt, das wohl auch etwas mit mir zu tun hat. Ein gutes Gefühl ergreift Besitz von mir und erst, als das Lied endet, realisiert er, dass er meine Hand hält.
Er schaut mich an, wohl etwas erschrocken über sein Tun und entzieht mir seine Hand. Die warme Wolke in meinem Bauch verweht, schade, es fühlte sich so gut an. Er entschuldigt sich, ich sage, dass es mir gefallen hat und frage dann auch, ob ich mit ernsthaft Hoffnungen machen darf. Seine positive Antwort bläst die Wolke an Wärme und Zuneigung wieder in meinen Bauch.
Jetzt singen die Beiden „I have a Dream“ und jetzt greife ich nach seiner Hand, als ich sehe, dass er wieder anfängt, zu träumen. Er lässt mich und auch, als ich beginne, ihn mit meinem Daumen zu streicheln, entzieht er sie mir nicht.
Aus der Wolke stieben jetzt Horden von Schmetterlingen durch meinen Bauch und auch weiter südlich kommt es zu Regungen, für die ich mich früher so oft geschämt habe. Jetzt schäme ich mich nicht, erstens, weil alles gut verpackt ist und zweitens, weil es Chris ist, der das auslöst in mir, der Junge, den ich sehr mag und von dem ich mir wünsche, dass er mich auch mag. Ich wünsche mir, dass ich ebenfalls solche Gefühle in ihm auslöse, dass er mich berühren und küssen will, so wie ich es gerne mit ihm täte.
So viel Neues an diesem Wochenende, soviel Schönes und die Aussicht, dass es mehr werden kann.
Wenn ich daran denke, das ich zuerst gar nicht hier her wollte, gut, das die Tante mich ein bisschen in die Pflicht genommen hat, mit dem Hinweis, dass Familie keine Einbahnstraße ist. Das sie dann noch heimlich eine Tasche für mich gepackt hat mit allem, was man zu einer Übernachtung braucht, war schon mehr als weise. Ich werde ihr einen schönen Blumenstrauß kaufen und mich bedanken, dafür, dass sie Schicksal gespielt hat.
Das Lied ist aus und er zieht seine Hand aus meiner, nur dieses Mal bleibt das schöne Gefühl im Bauch, verschwinden die Flattermänner nicht. Es geht mir gut, weil er mir berechtigte Hoffnungen auf mehr gemacht hat. Ich glaube, ich habe mich verliebt, zum ersten Mal in meinem Leben fühle ich etwas für einen anderen jungen Mann. Das ist etwas vollkommen Neues und es ist aufregend, es ist schön, wirft aber auch Fragen auf. Fragen nach der Zukunft, wie wird es weiter gehen, haben wir eine Chance auf eine dauerhafte Beziehung, so viele Unbekannte sind in dieser Gleichung, das das Ergebnis offen ist und wohl noch einiger Anstrengungen bedarf, um ans Ziel zu kommen. Ich nehme mir vor, von mir aus alles zu tun, um Chris zu gewinnen, ohne ihn jedoch zu bedrängen. Ich hoffe und glaube, das die Zeit in den USA genügend Raum bietet, zu probieren, ob das geht mit uns oder doch nicht.

Jerome

Es ist halb Vier, als die ersten aufbrechen. Armin und Denise werden abgeholt und Dirk und Mike fahren gerade mit den beiden, da sie ja in der Nähe wohnen. Mike hat auch bald Führerscheinprüfung und bekommt dann auch ein Auto, dann sind die zwei selber mobil. Marvin, Marie, Ole und Frank brechen um Vier auf, ebenso wie Chris und Robin mit ihrer Mutter und Matthias mit seiner Familie. Wir bringen sie alle bis vor die Haustüre und ich sage Chris noch einmal, dass wir ihn um halb elf in der Klinik ab holen werden. „Ich will auch mit zu Brunner“, sagt Robin, „wer holt mich ab?“
„Ich werde dich um viertel vor zehn abholen, ist das OK?“, sag ich zu ihm und schau dabei seine Mama an. Die nickt und der Kleine sagt: „OK, sei aber bitte pünktlich, Brunner mag es nicht, wenn man zu spät kommt.“ Dann steigt er hinten auf die Sitzerhöhung und schnallt sich an. Auch Chris steigt ein, sagt: „Danke, dass ihr das alles für uns tut. Es war so toll hier und mit euch befreundet zu sein, ist wirklich toll. Bis Morgen früh.“ Seine Mutter fährt los und Matthias Onkel hängt sich mit seinem Benz hinten dran. Die Reihen lichten sich und um halb Sechs sind alle, die nicht im Haus wohnen, weg. Es war ein tolles Wochenende mit vielen schönen Momenten und ich glaube, dass es allen gefallen hat. So was könnten wir zum Ferienende eigentlich noch einmal machen, ich werde mal mit Mama drüber reden.
Noah und Rolf sind nochmal für knapp zwei Tage in der Klinik, sie werden auch nicht mit nach Dresden fahren können wegen der Reha und deshalb bleiben Paul und Enrico auch hier, was ich gut verstehen kann, schade zwar, aber nicht zu ändern.
Wir, das sind Sergej, Boris und Marianne, Wolfi und Kevin gehen, nach dem wir beim Aufräumen der Terrasse geholfen haben, hoch zu mir. Paul und Enrico sind mit zur Klinik gefahren und Paolo wird sie wie immer später dort abholen und Paul dann herbringen. Jetzt sind Paolo und Natascha unterwegs, wollten wohl noch etwas Zeit für sich, bevor sie die zwei anderen in Bremen abholen.
Wir gucken noch einen Film, dann fordert die vergangene kurze Nacht ihren Tribut und alle verziehen sich auf ihre Zimmer. Sergej und ich liegen nach einer entspannenden Dusche gegen Neun im Bett, kuscheln und schnäbeln noch ein wenig und schlafen dann ein, hinein in einen spannenden Montag.

Rolf

Nach dem nun Enrico und Paul abgeholt worden sind, liegen wir zwei im Bett, reden über die Party, über die Neuen und über dies und das. „Habt ihr gepoppt?“, fangt Noah und spontan, ohne zu überlegen sag ich: „Nein, und Ihr?“
„Ja, haben wir“, sagt er, ein bisschen Stolz in der Stimme. „Und, erzähl mal, wie war es“, frag ich neugierig.
„Es war gut, wenigstens für mich“, sagt er, „Enrico hat ja schon etwas Erfahrung und er hat mich gut vorbereitet. Dann hat es kurz beim ersten Eindringen etwas weh getan, das war aber schnell vorbei und dann wurde es gut, aber so richtig gut, sag ich dir. Ich glaube, ihm hat es mehr weh getan und ich habe mir in dem Moment einen kleineren Schwanz gewünscht, einen normalen, wie Rico oder du ihn haben. Als er sich dran gewöhnt hat, ging es ihm schon gut ab.“
„Im Internet habe ich mal gesehen, wie einer dem Anderen die ganze Hand und den Arm in den Arsch geschoben hat, Fisten, so nennt sich das wohl“, sag ich, „also so was käme für mich nie in Frage, das finde ich Pervers.“
„Es gibt wohl einen Haufen Sachen auf sexuellem Gebiet und wenn das einer freiwillig macht“, sagt Noah, „dann soll er doch, wenn es im gefällt. Ich möchte so was auch nie, aber wenn Rico es sich wünschen würde von mir, ich glaube, ich würde es tun, aus Liebe und ich möchte nicht, das er sich das dann woanders holen geht. Andere pinkeln sich an, fesseln ihre Partner und fügen ihnen bewusst Schmerzen zu, es gibt halt viele Facetten beim Sex.
Ich stelle die Liebe in einer Beziehung quasi über alles, wenn er also einen Wunsch hätte in einer solchen Richtung, der nichts ähnliches von mir verlangt und nicht gegen Gesetze verstößt und ihm nicht ernsthaft schaden kann, dann würde ich seinem Wunsch wohl nach kommen.“
„Ich denke oft, das wir ja noch sehr jung sind und das sich unsere Bedürfnisse ja auch noch ändern werden im Laufe der Zeit“, sag ich, „aber ich hoffe, das alles, was mit Sex zu tun hat zwischen Paul und mir in erster Linie was mit Zärtlichkeit und Liebe zu tun hat, was nicht heißt, dass es nicht mal etwas härter rund gehen darf dabei.“
Die Nachtschwester kommt und fragt uns, ob wir was zum schlafen brauchen aber nach der vergangenen kurzen Nacht, geht das bestimmt locker ohne.
Ich erzähle ihm dann noch ein wenig von unserem Sex und das wir beide noch mal mit Ole reden wollen, weil Paul Ole am meisten vertraut.
Noah sagt: „Ole ist ein ganz guter, der bei vielen Dingen die Fäden zieht, ohne es bewusst zu wollen. Jerome, aber auch seine Eltern und mittlerweile auch mein Vater sehen in Ole einen klugen und aufrichtigen, loyalen Freund und geben sehr viel auf seine Meinung. Ich glaube, wenn es Sergej nicht gäbe und Frank, dann wären Ole und Jerome zusammen, davon bin ich überzeugt. Wer Ole zum Freund hat, der wird nie enttäuscht von ihm.“
Wir wünschen uns eine gute Nacht, ich geh mal noch pinkeln und als ich zurück komme, schläft Noah schon. Ich folge ihm, nach dem ich Paul noch eine Gute Nacht SMS geschrieben habe. Im Wegdämmern höre ich das summen der Antwort SMS, die ich aber nicht mehr lese.

Jerome

Für acht Uhr habe ich den Wecker gestellt, wir wollten noch ein bisschen aneinander rumfummeln unter der Dusche, das haben wir vorm Einschlafen beschlossen. Ein bisschen Handarbeit und ein lustvolles Flötenspiel, so wie eine ausgiebige Dusche später ziehen wir uns an und erscheinen um neun beim Frühstück. Alle außer Papa sitzen zusammen bei der morgendlichen Nahrungsaufnahme und gute Laune herrscht vor. Sogar Paolo, der jetzt ja auch drei Wochen Urlaub hat, ist schon gekommen und wird gerade mit Nutellabrötchenstücken von meiner total verliebten Schwester gefüttert, von Mamas amüsierten Blicken begleitet.
Nach dem Frühstück werde ich mich fertig machen, Robin holen und dann im Klinikum Mitte den wohl arg nervösen Chris abholen, um dann zu Dr. Brunner zu fahren, von dem mir Robin gesagt hat, dass er ihn Alex nennen darf. Der Junge ist schon toll, obwohl er ja eigentlich ein schweres Päckchen zu tragen hat, kenne ich ihn nur gut drauf und immer optimistisch. Ich freue mich auf ihn, er beflügelt mich, wenn er in meiner Nähe ist mit seiner erfrischenden Art.
Sergej fährt mit Mama und Wolfi auf die Baustelle, Ole und Frank kommen auch dahin und die Innenarchitektin. Da soll über die Flurgestaltung mit Wolfis Bildern, über Gardinen oder keine, über Deko und Raumgestaltung des großen Gemeinschaftsraumes geredet werden. In dem ab heute ja auch die Multimedia installiert werden soll.
Der große Server kommt in einen Spezialschrank mit Lüftung und steht dann, aussehend wie ein großer Küchenschrank, unauffällig in der Küche.
Der Einbau der Zimmermöbel beginnt am übernächsten Montag. dann sind die Malerarbeiten fertig und alles ist abgetrocknet.
Die Zimmereinrichtungen sind alle ähnlich, aus Leicht gebeizten Kirschbaum gefertigt, zum Teil massiv und alles ist warm und wohnlich und matt lackiert. Kleinmöbel wie Garderoben, Regale für Bücher, Schuhschränke und verschiedene Vitrinen für den Flur sind ebenfalls vom gleichen Schreiner betrieb und auch aus Kirschbaum.
Ole weiß über alles Bescheid und Mama, die einen sehr guten Geschmack hat, soll ein bisschen mit beraten, damit alles aufeinander abgestimmt ist.
Der Einbau der auf Maß gemachten Küche soll am Montag kommender Woche beginnen.
Ich bin fertig, gebe Schatz, der noch kaut, einen Kuss und verabschiede mich. „Ich rufe an, wenn wir bei Doktor Brunner fertig sind“, sag ich, „wenn ihr dann noch am Bau seid, kommen wir dort hin. Andernfalls komme ich dann mit Robin und Chris hier her.“
Ich nehme den Skoda Yeti, Sergej fährt mit dem Kombi. Kurz drauf bin ich bei Robin, der schon ungeduldig wartet. Seine Mama macht mir auf und nimmt mich erst mal fest in den Arm und küsst meine Wangen. „Das musste jetzt einfach mal sein“, sagt sie mit feuchten Augen.
„Guten Morgen, Jerome“, ruft der Kleine durch den Flur und kommt mit dem Rolli angedüst. Ich nehme ihn hoch und drück ihn ein bisschen und er legt seinen Kopf an meinen Hals. „Schön, das du da bist“, flüstert er in mein Ohr und ein Schauer überläuft mich. Seine Mama bringt die Sitzerhöhung und wir gehen zum Auto. Der kleine hat einen tollen Trainingsanzug an und sieht schick aus. „Alex mag es nicht, wenn man enge Klamotten an hat, wenn man untersucht werden soll“, sagt er, „deswegen Trainingsanzug.“ „Wirst du denn untersucht heute?“, frag ich, „der weiß doch gar nicht, ob du mitkommst.“
„Wenn ich da bin, horcht er auch mein Herz ab und die Lunge, das keine Flüssigkeit drin ist“, sagt er, „das hatte ich schon mal und wäre fast ab genippelt deswegen.“
Mir wird es nachträglich noch komisch und finde es krass, wie locker er darüber redet.
„Hast du ein Handy, Robin?“, frag ich. „Dumme Frage, nächste Frage. Die Firma meiner Mutter hat mir ein I-Phone geschenkt mit Vertrag und Flat“, sagt er mit ein bisschen Stolz in der Stimme und hält das Teil so, dass ich es im Rückspiegel bewundern kann.
„Toll“, sag ich, „dann ruf mal deinen Bruder an und sag ihm, er soll sich fertig machen, wir sind in fünfzehn Minuten da.“ Das tut er dann auch sofort.
Als wir am Klinikum Mitte ankommen, steht Chris draußen und warte. Bei ihm stehen, jeder mit zwei Krücken, Noah und Rolf, die ja heute mit dem Training im Krückenlauf begonnen haben. Sie kommen ans Auto, Chris steigt vorne ein und die beiden begrüßen mich und Robin.
Da wir auf jeden Fall pünktlich da sein wollen, können wir nicht viel reden und ich fahre dann auch gleich los. Zehn vor elf sind wir da und ich parke neben unserem SUV, in dem Kai und Papa sitzen.
Nach allgemeiner Begrüßung will Chris Robin aus dem Wagen holen und in auf den Rücken nehmen. „Wenn ihr mir jeder eine Hand gebt, kann ich doch auch laufen“, sagt er und Chris und ich nehmen ihn zwischen uns an die Hand und gehen auf den Eingang zu, rein und dann? „Zum Aufzug“, sagt Robin und wir gehen, von Papa gefolgt, dort hin. Chris drückt den Knopf und als sich die Türe öffnet, gehen wir hinein. „Die vier muss man drücken“, sagt er und ich drücke. Oben verlassen wir die Kabine und der Kleine ruft: „Rechts rum, vierte Tür auf der linken Seite.“ Dort angekommen, klopft er mit der Faust an die Türe und ruft: „Wir sind da, Robin und Chris.“
Die Türe wird von innen geöffnet und ein blonder, etwa eins neunzig großer Mann mit Martins Statur, also um hundert Kilo greift den Kleinen unter den Armen und hebt ihn hoch zu sich. „Ich habe gewusst, dass du mitkommst, mein Kleiner und ich freue mich dich zu sehen“, sagt der Doktor. „du siehst so gut aus, was ist passiert?“
„Ich hatte ein ganz tolles Wochenende, eine echte Party und mit Kevin hab ich gesungen“, sprudelt es förmlich aus dem Kleinen heraus.
Er stellt Robin auf seinen Schreibtisch, sagt: „Fall nicht runter und zieh schon mal die Jacke aus“, dann wendet er sich zu uns. „Entschuldigung, aber das geht hier immer so, wenn Robin kommt. Ich bin der Doktor Alexander Brunner, Oberarzt hier im Herzzentrum und Robins Arzt seit fast zehn Jahren.“ Er reicht jetzt zuerst Papa die Hand, der sich auch vorstellt, dann komme ich an die Reihe und Chris strubbelt er mit einem „Hallo, Alter“, einmal kräftig durch die Haare.
Nun wendet er sich wieder Robin zu, nachdem er uns zum Sitzen aufgefordert hat.
„Hast du was dagegen, wenn die Leute deine Hühnerbrust sehen können?“, fragt er Robin, der nur noch ein Unterhemd unter der Jacke hat. „Nein“, sagt der Kleine, „ich war gestern im Whirlpool bei Jerome und da hatte ich nur eine Badehose an und jeder konnte meine Brust sehen:“
„So so, in einem Whirlpool warst du, wie war das denn?“, fragt Dr. Brunner. „Geil, das hat gesprudelt, geblubbert und gedampft und wenn die Blasen durch die Hosenbeine kommen, kitzelt das am…na, ja, du weißt schon, wo“, sagt Robin und lacht. Wir müssen auch lachen, so cool, einfach saucool, der Kleine.
Brunner hilft ihm das Unterhemd, von dessen Vorderseite der Spongebob lacht, ab zu streifen und dann horcht er mit dem Stethoskop Brust und Rücken sehr gewissenhaft ab. „Alles hört sich gut an, ich bin sehr zufrieden, Robin“, sagt er und klappst auf seinen Po. „Kannst die wieder anziehen“, sagt er dann und hebt ihn vom Schreibtisch runter, „wo die Bonbons liegen, weißt du ja und Werthers Echte sind auch wieder dabei.“
Er geht um den Schreibtisch herum und setzt sich hin. Robin geht an einen Schrank und holt sich da fünf Bonbons, die er dann an uns, den Doktor eingeschlossen, verteilt. „Für diese ist man nie zu alt“, sagt er und klettert dann auf die an der Wand stehende Untersuchungsliege, weil kein Stuhl mehr frei ist und setzt sich dort hin, mit dem Rücken an die Wand gelehnt.
Nun schaut der Doktor Papa an und fragt: „Herr Remmers, was genau verschafft mir die Ehre ihres Besuchs?“ „Eigentlich ist es mein Sohn Jerome, der mit ihnen sprechen möchte. Ich bin nur dabei, um seinem Anliegen das erforderliche Gewicht zu geben, weil sonst auf Grund seines Alters oft Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Anliegens bestehen. Er ist also ihr Gesprächspartner in der Angelegenheit von Robin Wegmann, um den es ja heute geht.“
Jetzt geht der Blick des Doktors zu mir und er mustert mich eingehend. Ich schaue ihm offen in die Augen und warte auf seine Fragen.
„Als ich letzte Woche einen Anruf von meinem Kollegen Wesekamp bekam, dass es einen Sponsor gibt für Robin, wollte ich das zuerst nicht glauben“, sagt er, „aber er hat mich dann davon überzeugt, dass es tatsächlich jemanden gibt, der Robins erforderliche Behandlung in den USA finanzieren will.
Ich habe ihn am anderen Morgen, am Samstag, noch mal angerufen und mir alles noch einmal bestätigen lassen. Als nächstes habe ich den Namen Remmers gegoogelt, um zu sehen, mit wem wir es denn zu tun haben. Dann, als ich mir ziemlich sicher war, das alles seine Richtigkeit hat, habe ich einen mir bekannten Arzt dort am Klinikum in New York angerufen und ihm unser Anliegen vorgetragen. Im Anschluss an das Gespräch habe ich alle Untersuchungsberichte und Befunde von Robin dort hin gemailt, das ist alles EDV erfasst und deshalb sehr einfach hin zu schicken. Jetzt warte ich halt darauf, dass sie sich melden. Ich habe es dringend gemacht und auch die komplette Kostenübernahme zu gesichert, ich hoffe, das war OK.“
„Wir haben in New York ein Haus und Papa hat dort auch eine Firma, die unter anderem auch medizinische Geräte herstellt und vertreibt. Chris und noch ein gemeinsamer Freund werden mit Robin rüber fliegen, entweder mit unserem Firmenflieger oder Linie, mal sehen und sie werden dort drüben wohnen, bis die Behandlung, so sie denn stattfindet, abgeschlossen ist“, erkläre ich Doktor Brunner die Situation.
„Nun, ich gehe schon davon aus, das Robin operiert wird drüben, noch ist er nicht zu alt dafür und die Aussichten sind bei seinem jetzigen Zustand nach meinem Ermessen ganz gut. Die drüben operieren nicht, wenn es kaum Erfolgsaussichten gibt“, sagt er.
„Es wäre sehr förderlich, wenn sie bereits vorher die Klinik von einer Haftung für den Fall, das etwas schief geht, befreien würden. Das würde an der Sorgfalt bei den Operationen keinen Abbruch tun, im Gegenteil, das dadurch entgegengebrachte Vertrauen ist immer ein extra Ansporn, gute Arbeit zu leisten.“
„Ich vertraue da ganz ihrer Erfahrung“, sage ich, „wir werden alles so machen, wie sie es vorschlagen. Das Geld kann jederzeit überwiesen werden, für alle anderen Dinge außerhalb der Klinik sorgen wir selber, damit brauchen sich die Klinikleute nicht auseinander zu setzten. Wir werden vorab mal alle Reiseformalitäten klären, Pässe und Visa besorgen und unsere Leute drüben informieren, was auf sie zukommt. Sollte es zu Schwierigkeiten kommen, so können die Chefs der Firma drüben auch direkt in der Klinik vorsprechen, wenn das Sinn macht. Papa würde das dann schon regeln.“
Papa schaltet sich jetzt ein und sagt: „Wenn es die Sache in irgend einer Form beschleunigt oder erleichtert, können sie gerne mit rüber fliegen und bei den Untersuchungen dabei sein. Die Kosten für einen erste Klasse Rückflug zu ihrem Wunschzeitpunkt übernehmen wir gern.“
„Oh ja, Alex, komm doch mit“, kommt es laut von Robin, „bitte, bitte, das wäre doch toll, wir zusammen in einem Flieger, bitte, sag ja.“
Dr. Brunner lächelt, sagt dann: „Ich muss das mit meinem Chef besprechen, wenn klar ist, wann wir denn tatsächlich rüber fliegen. Wenn es machbar ist, werde ich dich begleiten, kleiner Mann.“
Das läuft gut, denk ich, Papas Angebot an den Doktor ist genial. Der kann dann vor Ort Rede und Antwort stehen, da er ja alles weiß, was Robins Krankheit, deren Verlauf und auch die durch geführten Behandlungen in den letzten zehn Jahren angeht.
Wir können jetzt nur noch warten auf die Antwort aus den USA und unsere Vorbereitungen treffen.
„Für den Moment war es das dann wohl“, sagt Dr. Brunner, „wir bleiben in Verbindung und sobald sich was tut, gibt es Bescheid.“
Wir tauschen Visitenkarten und dann brechen wir auf, allerdings geht der Kleine nach einem Blickwechsel mit Dr. Brunner noch einmal an den Bonbonschrank und holt noch mal fünf Werthers und verteilt sie. Brunner nimmt ihn wieder hoch und knuddelt ihn zum Abschied, setzt ihn dann runter und in unserer Mitte, unsere Hände haltend, gehen wir hinaus. Dr. Brunner begleitet uns bis zum Aufzug und sagt dann: „Bis bald, die Herrschaften, es war mir eine Ehre“, worauf Robin sagt: „Tschüss, Alex, bis bald und Danke für die Bonbons.“ Auch wir sagen „Tschüss“ und dann schließt sich die Tür, es geht abwärts.
Papa fährt mit Kai zurück in die Firma, ich frage bei Sergej nach, ob sie noch an der Baustelle sind, sie wollen gerade zurück fahren. Da Chris den Rest der Schicht frei hat, werde ich die beiden nach Hause bringen. Als wir vor dem Haus ankommen sitzt jemand im Trainingsanzug auf den Stufen vor der Haustüre…Matthias. Wir steigen aus und ich nehme die Sitzerhöhung und wir gehen zur Türe. Am Gartenzaun steht ein teures Mountainbike.
Matthias ist auf gestanden und kommt uns entgegen. „Hey, ihr Drei“, sagt er, „wie ist es gelaufen?“
„Hallo, Matthias“, ruft Robin erfreut, „schön dich zu sehen, was machst du denn hier?“ „Ich war mal hier in eurem Bürgerpark laufen, fünf Mal rund, Training, und ich wollte natürlich auch wissen, wo ihr wohnt und was bei dem Dr. Brunner gelaufen ist“, antwortet er Robin, dann reicht er Chris die Hand und sagt. „Hallo Chris, ich freue mich.“ Chris lächelt ihn an und sagt: „Ich freue mich auch. Du bist wohl sehr hartnäckig, das gefällt mir. Hast du nicht geklingelt, Mama müsste noch da sein?“
„Hallo, Jerome“, werde auch ich begrüßt und sage dann ebenfalls Hallo.
Die Haustüre öffnet sich und die Mutter fragt: „Warum steht ihr denn hier draußen rum, kommt rein. Ich habe gekocht und es reicht auch für zwei Esser mehr, also los.“
Robin macht den Anfang, mit Hilfe seiner Mama, die ihm die Hand reicht, steigt er die zwei Stufen hoch und geht mit ihr ins Haus.
Bald darauf sitzen wir alle um den Küchentisch und essen von einem sehr leckeren Möhreneintopf und Chris berichtet, öfter von Robin unterbrochen, von unserer Mission bei Dr. Brunner.
Nach dem Essen macht Chris alles in die Spülmaschine, während seine Mama sich für die Arbeit fertig macht. Robin ist mit Matthias in sein Zimmer, zeigt ihm seinen tollen Rechner und liest dabei seine Mails.
Ich bin mit Chris allein in der Küche und plötzlich sagt er; „Er ist auch schwul.“ „Hee“, sag ich, „das weiß ich doch.“ „Nicht Matthias“, sagt er, „Brunner, den mein ich.“ „Echt jetzt?“, Frag ich erstaunt, „Woher weißt du das?“ „Robin hat mich bei ihm geoutet, vor einem Jahr etwa“, sagt Chris, „und Alex hat ganz cool gesagt, „Ich bin es auch, Kleiner.“ Robins Gesicht war zum Schießen.
Später haben wir mal unter vier Augen geredet, er hatte jahrelang einen Partner, der dann wohl bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam. Das war da gerade mal sieben Monate her und er war immer noch total traurig und nur seine Arbeit hat ihm über das Schlimmste hinweg geholfen.“
„Meinst, er fliegt mit rüber?“, will ich von Chris wissen. „Ich denke schon, für Robin tut er fast alles. Er mag ihn wie einen Sohn, hat er mal zu mir gesagt und Robin vergöttert ihn.“
Die Maschine ist eingeräumt, Chris putzt noch den Tisch ab, dann gehen wir rüber in Robins Zimmer, wo der mit Matthias vor dem Rechner sitzt. Google Earth ist offen und das ist eindeutig New York, was da auf dem Bildschirm zu sehen ist.
„Ich zeige Matthias gerade, wo Winston wohnt“, sagt uns der Kleine, „Tomkins Cove, etwa sechzig Kilometer Hudson aufwärts von Manhatten weg, am Harrymens StatePark.“ Er scrollt weiter nach unten. „Lass mich mal“, sag ich und suche unser Haus. „Hier, das ist das Haus drüben“, sage ich, „93 Clark Street, Glen Ridge, eine gelbes, zweistöckiges Haus in einer relativ ruhigen Gegend mit viel Grün und einem dicken Baum vorm Haus, es wird euch gefallen.“ Der Kleine und auch die beiden anderen betrachten das Haus, dass wahrscheinlich bald für längere Zeit ihr Wohnort sein wird. Robins Mama kommt, um sich zu verabschieden und der Kleine sagt ihr natürlich sofort, was es mit dem Haus auf dem Bild auf sich hat. Auch ihr gefällt das Haus gut.
„Was macht ihr denn heute noch?“, will sie wissen. „Wir fahren jetzt gleich zu uns“, sag ich, „räumen ein bisschen auf und gehen dann später runter ins Bad zum Schwimmen.“
„Na dann, Viel Spaß und passt gut auf Robin auf“, sagt sie und gibt dem Kleinen einen Kuss, bevor sie geht und das Haus verlässt.
„Bist du etwa mit dem Rad von Bremen hier her gekommen?“, will Robin von Matthias wissen. „Ja, das gehört zu meinem Training für den Triathlon, an dem ich Ende Juli teilnehmen möchte. Wenn wir dann aber vorher in die Staaten fliegen, mache ich halt nicht mit dabei“, sagt Matthias.
„Ich freue mich, das du mit kommst“, sagt Robin, „dann hat Chris auch Gesellschaft, wenn ich operiert in der Klinik liege und wenn ich dann raus bin zwischen den Operationen, können wir ja da rum fahren und alles anschauen.“ Er freut sich drauf, das merkt man, denkt keine Sekunde daran, das ja auch etwas schiefgehen könnte, er ist so ein Optimist.
Er fährt seinen Rechner runter und dann gehen wir raus ans Auto. Matthias geht zu seinem Rad und fragt dann nach unserer Adresse um sie in den Navi seines Handys einzugeben. Das Handy macht er in eine Halterung am Lenker seines Rades, sagt: „Bis später“ und fährt los. Chris packt die Sitzerhöhung wieder ins Auto und setzt Robin drauf und schnallt ihn an. Jetzt fahre wir los und ich frage den Kleinen: „Hast du Lust auf Kuchen?“ „Oh ja, ein Schoko Donuts wäre super“, sagt er. Ich fahre noch schnell in „Dat Backhus“ und wir holen diverse Teilchen und Donuts und auch ein paar Amerikaner zum Kaffee, später, wenn wir aufgeräumt haben. Als wir zum Haus kommen, ist der Matthias schon da und wir gehen zunächst mal rein und berichten Mama von dem Besuch bei Alex Brunner.

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3 Kommentare

  1. Lieber Pit,

    Ich freue mich immer sehr über deine Geschichten. Als Insulaner von Borkum muss ich aber darauf bestehen, dass Borkum keine Verbindung zu Norddeich, sondern nur zu Emden hat 🙂

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    1. Lieber Dirk, diese geografische Begebenheit musst du Niffnase mitteilen, nicht mir, es ist seine Geschichte 🙂 Gruß Pit

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  2. Hallo,

    eine gelungene Party und ein schöner Sonntag danach…

    und Glückwunsch zur 70.!

    Gruß Claus
    (Ostalbkreis)

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