Ängstlich saß ich zwischen den zwei Men in Black. Es wurde kein Wort gesprochen, auch traute ich mich nicht zu fragen, was hier los war. So-Woi saß im vorderen Wagen, der ab und zu etwas schlingerte, vielleicht wehrte er sich noch.
Wo Jack und Hyun-Woo waren, konnte ich nicht sagen. Ich wusste nicht, ob sie auch in einem der vielen Wagen saßen und uns folgten. Ich kam mir wirklich vor wie in einem schlechten Krimi.
Nur wundern tat ich mich dann doch darüber, dass die Gesichter der Herren nicht verhüllt waren, oder ich einen Sack über dem Kopf hatte. Ich konnte alles sehen, auch wo wir hin fuhren. Hatte ich einfach zu viele schlechte Krimis gesehen, um beurteilen zu können, was hier abging.
Eigentlich hätte ich jetzt laut loslachen sollen, eine gewisse Komik war schon in der Sache, wenn nicht diese Angst wäre, weil ich nicht wusste, was noch alles passieren würde. Die nächste Überraschung kam, als das KBS Gebäude immer näher kam und wir in dessen Tiefgarage fuhren.
Irgendetwas lief hier völlig verkehrt, mein Bauch meldete sich und mir war plötzlich unheimlich schlecht. Der Wagen kam zum stehen und die zwei Herren neben mir stiegen aus. Die Türen blieben offen, aber niemand versuchte mich herauszuzerren.
Ganz anders verhielt es sich bei So-Woi. Ihn hörte ich schreien und fluchen. Er wünschte den Männern sämtliche Krankheiten und tausend Tode. Langsam stieg ich aus und sah, dass hier noch mehr Männer in schwarzen Anzügen waren.
Jetzt konnte ich auch sehen, dass es sich um insgesamt vier Wagen handelte und aus dem hinteren Wagen stiegen gerade Hyun-Woo und ein benommener Jack aus. So unbehaglich ich mich auch fühlte, hatte ich das Gefühl zu Hyun-Woo zu müssen, warum auch immer.
Zu meiner Verwunderung hielt mich niemand zurück, oder besser noch, nahm keiner Notiz von mir.
„Hyun-Woo, was ist hier los?“
„Lucas, ist alles in Ordnung mit ihnen?“
Wir waren also wieder im Assistentenmodus.
„Es geht…, mir ist etwas schlecht, aber was soll das hier?“
„Das sind die Männer von Back In Jook, Sicherheitsbeauftragter von So-Wois Vater“, erklärte Jack, immer noch seine Hand vor den Magen haltend.
„Seinem Vater? Was ist das hier, eine Mafiagang oder was?“
Langsam wurde ich ärgerlich. Ich sah drei weitere Herren kommen, die direkt auf So-Woi zuliefen. Ich wusste nicht was mich geritten hatte und lief diesen drei Herren einfach entgegen.
„Das wird dich den Job kosten, Back In Jook!“, rief So-Woi.
„Ich hatte nur den Auftrag sie hier her zu bringen, Master So-Woi.“
Doch bevor So-Woi sich dazu äußern konnte, öffnete sich ohne große Überlegungen über Konsequenzen mein Mundwerk.
„Ich bin deutscher Staatsbürger und werde mich an meine Botschaft wenden, dass ich grundlos meiner Freiheit beraubt wurde!“
Hatte ich das gerade wirklich gesagt?
„Es tut mir leid! Falls sie auf irgendeiner Weise grob angefasst wurden, bitte ich um Entschuldigung!“, kam es von diesem In Jook.
„Grob angefasst? In Deutschland würde man dies eine Entführung nennen und ich glaube nicht, dass in ihrem Land das anders gehandhabt wird.“
Ich blickte zu So-Woi, der mich total überrascht anschaute.
„Ich möchte sofort mein Handy zurück, dass mir von ihren Männern geklaut wurde, damit ich mich mit Mr. Choi meinem Gastgeber verständigen kann!“
In Jook schaute böse zu einem seiner Männer und nickte.
„Ich möchte mich wirklich noch einmal für dieses Missverständnis entschuldigen…“
Die Stimme passte nicht zu dem Gesagten, sie klang eher nach Hass, als nach Entschuldigung.
„Missverständnis? Für mich ist das kein Missverständnis! Gibt es hier keinen Verantwortlichen für?“
Mir wurde mein Handy gereicht und wie ich sah, hatte ich hier in der Tiefgarage keinen Empfang. Das hatte sich eine Option in Luft aufgelöst.
„Ich bitte sie mir zu folgen“, sprach In Jook und machte wieder eins auf Diener.
Ich und ein plötzlich sprachloser, aber grinsender So-Woi folgten ihm, wie auch die anderen Herren die da herum standen. Den Weg zum Aufzug kannte ich schon. In Jook, die zwei Männer, So-Woi und ich bestiegen den Aufzug und er drückte die oberste Taste.
Die Türen schlossen sich und der Lift fuhr an und es geschah das, was nicht sein sollte. So schlecht mir schon war, so verschlimmerte dieses schnelle Anfahren des Aufzugs meine Lage, sprich, ich übergab mich, zum Schrecken einer der Männer, dessen Anzug wohl eine Reinigung besuchen musste.
„Lucas“, kam es von So-Woi, der mich auch stütze, „oh mein Gott… Da siehst du, was du angerichtet hast In Jook, dass wirst du mir büßen!“
Mein Magen beruhigte sich wieder, besser gesagt, er war einfach leer, dafür nahm ich nun den üblen Geruch war, den ich verursacht hatte. Wenn die Lage gerade nicht so ernst gewesen wäre, hätte ich einen Lachflash bekommen.
Der vollgekotzte Aufpasser sah eklig aus und seinem Gesichtsausdruck zu folgern fühlte er sich auch eklig. Der Aufzug bremste und die Tür öffnete sich. Dass wir schon von mehreren Mitarbeitern erwartet wurden, wunderte mich nicht mehr.
So-Woi führte mich nach draußen, während andere, bewaffnet mit Putzmaterial, in den Lift stürmten.
„Geht es wieder“, fragte So-Woi.
Ich nickte.
„Du weißt doch, wie sehr ich diese Lifte mag.“
Wir standen gerade alleine.
„Kannst du mir sagen, was hier los ist?“
„Mein Vater…“
„Dein Vater?“
„Ja, der liebt es spektakulär, aber dieses Mal ist er wirklich zu weit gegangen.“
„Will er mir Angst machen?“
„Dir? Wieso? Das galt mir allein!“
Ich überlegte kurz.
„Hm…, dann war die Drohung mit der Botschaft ja völlig angebracht.“
„Du warst cool!“, flüsterte So-Woi, „schon mal überlegt Schauspieler zu werden.“
Erstaunt schaute ich ihn an, war aber auch froh, dass ich mich weitgehend wieder normal fühlte. Eine junge Dame in Uniform kam auf uns zu.
„Master So-Woi, ihr Vater wünscht sie zu sprechen!“
„Und wer kümmert sich um meinen Freund Mr. Dremmler? Nein, ich möchte ihn jetzt nicht alleine lassen!“
Ich kannte So-Woi noch zu wenig, als dass ich ihn gut einschätzen konnte. War er immer so, wer er sich wehrte, oder war ich wirklich der alleinige Grund hierfür.
„Um Mr. Dremmler wird sich gekümmert und später zu ihnen gebracht“, meinte die Dame und verneigte sich.
So-Woi schaute zwischen mir und der jungen Dame hin und her.
„Kann ich dich kurz alleine lassen?“, fragte er.
Ich nickte.
„Vielleicht könnte jemand Hyun-Woo holen…“, antwortete ich.
So-Woi schaute die Frau an, die kurz nickte. Dann ließ er mich einfach stehen und lief auf eine große breite Tür zu.
„Würden sie mir bitte folgen?“, kam es plötzlich von der jungen Dame.
Ich nickte und folgte ihr in einen anderen Raum.
„Es wird gleich jemand kommen“, meinte sie noch, bevor sie mich alleine ließ.
Na toll, was sollte dass nun wieder. Ich lief zum nächsten Stuhl und setzte mich, als plötzlich die Tür wieder aufging und Hyun-Woo und Jack erschienen.
„Lucas!“, hörte ich ihn rufen.
Wenig später standen beide bei mir.
„Was ist passiert?“, fragte ein sehr besorgter Hyun-Woo.
„Es tut mir leid, dass ich nicht besser aufpassen konnte“, kam es leise von Jack.
„Ich habe dir gesagt, du brauchst dich nicht zu entschuldigen, was kannst du dafür, das Mr. Back mal wieder maßlos übertrieben hat!“
„Jack, was hättest du gegen so viele Männer ausrichten können?“, fragte ich.
„Sollen wir dich ins Krankenhaus bringen?“, fragte Hyun-Woo.
„Wieso? Ich habe mich doch nur übergeben!“
„Übergeben?“
„Ja…, im Aufzug … und es hat einer dieser Männer erwischt.“
Hyun-Woo und Jack grinsten plötzlich.
„Aber es geht schon wieder, nur bin ich etwas verärgert über die Art und Weise wie man hier behandelt wird. Das ist das extreme Gegenteil, wie ich es seit meiner Ankunft kennen gelernt habe.“
Die Tür wurde geöffnet und Hyun-Woo und Jack wichen etwas zurück und als eine Person erschien, verneigten sie sich. Hinter dieser Person kam So-Woi ins Blickfeld.
„Mr. Dremmler, darf ich mich vorstellen…“
Sollte ich jetzt nein sagen? Ich versuchte ernst zu bleiben, aber mittlerweile ging mir diese übertriebene Freundlichkeit und andere Floskeln, tierisch auf den Zeiger.
„… mein Name ist Chung Chang-Yul, Vater von So-Woi und ich freue mich, den Freund meines Sohnes kennen zu lernen.“
Aber freundlich wie ich war, hob ich die Hand und verneigte mich leicht. Halt mal, lief hier nicht grad was schief, Freund meines Sohnes, hatte da jemand was falsch verstanden?
„Lucas Dremmler, mein Name.“
Sein Händedruck war kräftig und ich sah nun auch, woher So-Woi sein gutes Aussehen her hatte, er glich seinem Vater sehr.
„Wie ich hörte sind sie bei Seung-Won, einer meiner Manager zu Gast.“
„Ja, eine sehr nette Familie, die mich für ein Jahr aufgenommen hat.“
„Sie kommen aus Deutschland?“
Was sollte dieses alberne Gespräch hier, er wurde sicherlich schon genau über mich informiert, also so ein dummes Gelabber konnte ich mir sparen.
„Ja“, antwortete ich kurz und bündig.
„Ich wollte mich noch einmal für das Missverständnis entschuldigen, dass durch meine Mitarbeiter entstanden ist.“
„Nicht nötig, aber vielleicht ein Tipp für ihren Mr. Back, das nächste Mal einfach fragen, ich wäre sicherlich auch freiwillig hergekommen!“
Das musste jetzt sein und während So-Wois Grinsen echt war, sah das seines Vaters nun eher gequält aus. Er verabschiedete sich und war genauso schnell wie er gekommen war, wieder verschwunden. Als die Tür geschlossen war, wandte ich mich sofort an So-Woi.
„Alles klar mit dir, was ist passiert?“
„Fast die übliche Standpauke…“
„Fast“
„Ja, ich habe gesagt, dass ich mein Studium in Amerika abgebrochen, es ausführlich erklärt warum.“
„Das hat er alles so hingenommen?“
„Ja… und er wurde nicht laut…, sogar als ich ihm sagte, dass es keine Schwiegertochter gäben würde, jetzt im Nachhinein wundert mich das, denn sonst flippt er aus und irgendetwas fliegt durch die Gegend.“
„Ja und denkt ich wäre nun dein Freund…“
„Meinst du?“
„Er sagte selbst, Freund meines Sohnes und betonte das noch extra.“
„So habe ich das gar nicht verstanden und es war wirklich komisch, dass er mich darauf hin nicht mehr angeschrien hat.“
„Wie jetzt, keine Enterbung…, Todesdrohung…, Familienausschluss oder ähnliches?“
So-Woi schüttelte den Kopf.
„Hat er denn gar nichts gesagt?“
„Doch…, ich solle in mich kehren und darüber nachdenken, was ich in meiner Zukunft will.“
„Vielleicht hat ihn sein Arzt um keine Aufregung gebeten…“
„Quatsch, mein Vater ist kern gesund, dass muss einen anderen Grund geben.“
„Oder er wusste schon vorher alles.“
„Glaube ich nicht, sonst wüsste er das von Ja…“
So-Woi brach mitten im Satz ab. Er schien gerade selbst gemerkt zu haben, dass er sich hier fast verblabbert hatte. Jack wurde auf alle Fälle rot und mein Hyun-Woo grinste. Oh Gott, jetzt dachte ich schon meinen Hyun-Woo. Wo sollte das noch hinführen?
*-*-*
Wie das Auto von So-Woi so schnell zum Sender gekommen war, wusste ich nicht. Nun saßen wir darin und waren unterwegs. Zu viele Gedanken huschten wieder durch mein Köpfchen.
Ich saß bei So-Woi hinten, während Hyun-Woo vorne bei Jack saß. Wo wir genau hinfuhren, auch das wusste ich nicht, ich hatte auch nicht mehr gefragt. Seit der Abfahrt, vor dem Sender war es sehr still geworden.
Nur die zwei vorne schienen ab und zu, zu flüstern, weshalb ich auch nichts mit bekam. Ich schaute nach draußen und die hohen Häuser schienen kein Ende zu nehmen. Doch irgendwann bemerkte ich, dass die Gegend exklusiver zu werden schien.
Die Häuser wurden kleiner, standen nicht mehr so dicht bei einander. Zäune und hohe Hecken änderten nun das Bild. Jack war von der großen Straße abgebogen, auf der wir ziemlich lange aus der Stadt gefahren waren.
Sein Tempo hatte sich verlangsamt und ich konnte nun auch immer mehr Details der Umgebung entdecken. Kurz erschrak ich, als ich zwei Männer im schwarzen Anzug sah, beruhigte mich aber schnell, als ich erkannte, dass sie nur vor einer Einfahrt mit verschlossenem Tor standen.
Jack zog daran vorbei und bog in eine kleine Seitenstraße neben diesem Grundstück ein. Zwischen Hecken und Mauern fuhr er eine Weile, bis nun auch unser Auto langsamer wurde und vor einem sehr kleinen Tor stehen blieb.
Jack stieg aus, ging an eine Sprechanlage, die ich vorher nicht entdeckt hatte, wie die kleine Kamera, die nun Richtung Auto schwenkte. Plötzlich schwenkte das Tor auf und Jack stieg wieder ein.
Wir befuhren das Grundstück und das Tor schloss sich wieder hinter uns und ich entdeckte wieder einen Mann in Schwarz, der aus einem kleinen Häuschen hervorschaute. Hatte So-Woi nicht etwas von einem Häuschen am Strand gesagt.
Gut, darunter konnte man viel verstehen und bei dem Luxus, den So-Woi anscheinend gewohnt war, war ich nun auf alles gefasst. Halt doch nicht, denn als dieses kleine Häuschen auftauchte, verwarf ich die Definition von Häuschen.
„Da wohnt meine Großmutter…“, hörte ich So-Woi leise sagen.
Entsetzt sah ich So-Woi an.
„Deine Großmutter lebt, ich dachte, weil du meintest…, dein Geld… von deiner Großmutter…“
„Öhm, ja. Sie freut sich bester Gesundheit.“
Jack zog mit dem Wagen an dem Gebäude vorbei, durchfuhr einen Miniwald und brachte den Wagen vor einem doch viel kleinerem Haus zum Stehen. Ich spürte plötzlich So-Wois Hand, wie sie nach meinem Griff.
„Ich glaube, ich muss dir doch noch einiges von mir erzählen…“
Ich nickte und wir stiegen aus. Die Luft hier war so viel besser, als vorhin. Es roch vor allem irgendwie nach Meer. Ich lief zum Kofferraum und öffnete die Klappe.
„Komm Lucas“, rief So-Woi, „die beiden werden ausladen.“
Er hielt mir seine Hand entgegen, nach der ich griff. Recht war mir das zwar nicht, aber ich sollte mich langsam wirklich daran gewöhnen, dass ich hier regelrecht verwöhnt wurde. So-Woi zog mich zum Haus.
Er öffnete die Tür und vor uns tat sich ein Raum auf. Hier war alles, wie soll ich sagen, rustikal ein gerichtet, also nicht im Sinne wie bei uns, mit alten Holzmöbeln, wie ich sie von zu Hause kannte, nein eher doch nicht so designt, wie in So-Wois Stadtwohnung.
Eine Sitzgruppe, ein offener Kamin, eine Kochnische konnte ich ausmachen, eine Treppe die nach oben führte.
„Komm, es gibt noch mehr zu sehen“, sagte So-Woi und zog mich zu dem großen Fenster, auf der gegenüberliegende Seite.
Er schob etwas den dicken Vorhang zur Seite und schlüpfte durch. Ich tat es ihm gleich und fand mich auf einem Verandaähnlichen Vorbau wieder. Aber das alleine war nicht interessant. Der Ausblick war schön, denn nun schaute ich direkt auf einen Strand und das Meer.
„Und?“, hörte ich So-Woi neben mir fragen.
„Traumhaft schön.“
„Finde ich auch!“
„Bist du oft hier?“
„Nicht mehr so oft, seit ich studiere, früher war es mein Wohnsitz…“
„Wohnsitz?“
„Ja, ich wuchs bei meiner Großmutter auf und sie meinte ich brauche Freiraum und so ist das hier entstanden. Sie war immer der Meinung, es tät mir nicht gut, ich der Umgebung von alten Leuten aufzuwachsen.“
Ich sah ihn an, noch immer schaute er aufs Meer hinaus.
„Öhm, aber viele der Älteren wohnen doch mit im Haus.“
„Ja, mag sein, aber meine Großmutter wollte mich modern erziehen, deshalb auch das Studium in Amerika um meine Selbstständigkeit zu fördern.“
„Was ihr auch gelungen ist“, grinste ich So-Woi an.
Auch er lächelte.
„So, da werden wir mal sehen, wo und wie du schlafen willst.“
„Wie und wo…?“
„Wirst du gleich sehen.“
*-*-*
Da ich nicht wollte, dass Hyun-Woo in einer Art Kammer schlief, teilten wir uns den Raum mit dem großen Bett, auch wenn er wie oft beteuerte, dass ihm das nichts ausmachen würde. Irgendwie war es von mir aber auch etwas egoistisch gedacht.
Es war einfach zu schön mit jemand im Bett einzuschlafen, oder aufzuwachen. Ich wollte nicht alleine schlafen. An Sex dachte ich dabei nicht. Nur wollte ich einfach nicht alleine sein. Zu viel war passiert, als das ich ruhig einschlafen konnte.
Hyun-Woo war mir in den letzten Tagen so vertraut geworden und ans Herz gewachsen, das ich nicht ohne ihn sein wollte. Er gab mir so etwas wie Sicherheit. So-Woi teilte sich sein Zimmer natürlich mit Jack.
Während mein treuer Gefolgsmann unseren Schrank einräumte, fiepten plötzlich unsere beiden Handys. Jemand unbekanntes hatte mir eine SMS geschickt. Ich öffnete sie und lass.
„Es tut mir sehr leid, Lucas, aber ich konnte es nicht abwenden. Hyo-Joo“
Was Jae-Joongs Mutter damit meinte, verstand ich nicht. Ich sah zu Hyun-Woo, der völlig weiß im Gesicht war.
„Hyun-Woo, ist alles in Ordnung?“
Er setzte sich auf den Boden und schüttelte den Kopf.
„Was ist passiert?“, fragte ich.
„Man hat mich aufgefordert, dein restliches Gepäck zu holen…, dort hinzubringen, wo du es wünschst… und dann…, dann ist es mir frei gestellt, für dich weiter da zu sein…, meinen Job zu verlieren, oder mich bei KBS zurück zu melden… den Wagen muss ich auch abgeben…“
„WAS?“, rief ich so laut, dass plötzlich So-Woi im Zimmer stand, „was ist denn jetzt los?
Auch ich musste mich setzten. Hyun-Woo hielt So-Woi sein Handy hin. Der lass kurz und schaute dann zu mir.
„Da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen Lucas. Das geht sicher von meinem Vater aus, hätte mich auch gewundert, wenn er das alles so einfach hinnimmt.“
„Was…, was meinst du?“, stammelte ich, denn irgendwie schien es mir, den Boden unter den Füßen zu verlieren.
„Mein Vater hat sicher Mr. Choi ein Ultimatum gesetzt, dich aus dem Haus zu werfen und der hat es gleich umgesetzt.“
„Aber…, was mach ich denn jetzt…, wenn ich nicht mehr bei den Chois wohnen kann…, dann kann ich heimfliegen.“
Tränen standen in meinen Augen. Hyun-Woo saß immer noch verwirrt auf den Boden. So-Woi schien zu überlegen, schaute zwischen uns hin und her. Dann zog er sein Handy hervor und wählte eine Nummer.
„Großmutter? Ja, ich bin da und werde auch gleich bei dir vorbei schauen… ja … aber ich hätte da noch eine Bitte an dich, die dringend wäre… nein ich habe nichts angestellt… ja… also… könnte ich noch jemanden für mich einstellen, wäre das möglich? … Ja? … vielen Dank Großmutter… ja ich erkläre dir nachher alles … ja… du auch… bis gleich…“
Er drückte das Gespräch weg.
„Jack!“
Verwundert schaute ich ihn an, was hatte er vor? Jack kam ins Zimmer gelaufen.
„Okay Jack, hör mir zu. Du fährst jetzt mit Hyun-Woo zu uns, holt den Wagen von KBS. Den Wagen bringt ihr zurück zu KBS…, Hyun-Woo soll sich seine Papiere dort geben lassen…“
Hyun-Woo sah erschrocken auf.
„Dann fahrt ihr zu den Chois, holt Lucas restliches Gepäck ab und bringt es in meine Wohnung in der Stadt…, danach kommt ihr beide wieder her!“
„Geht in Ordnung!“
„Aber…“, kam es von einem aufgelösten Hyun-Woo.
So-Woi ging vor ihm in die Hocke.
„Es tu mir leid, wenn du wegen meinem Vater Unannehmlichkeiten hast…“
„Nein… nein sie brauchen sich nicht entschuldigen!“
„Doch Hyun-Woo und hiermit biete ich dir eine Stelle als mein persönlicher Privatsekretär an, mit besserem Gehalt als bei Mr. Choi.“
„Aber ich kann doch nicht…“
„Doch du kannst! Jack, ihr beide fährt am besten gleich los und Lucas und ich, haben einen Besuch abzustatten.“
Jack nickte, half dem armen Hyun-Woo auf die Beine, während So-Woi sich neben mich aufs Bett setzt und nach meiner Hand griff. Er war plötzlich so anders, nicht mehr der ruhige, stille und zurückhaltende So-Woi, wie ich ihn am Anfang kennen gelernt hatte.
„Was soll jetzt werden?“, fragte ich erneut.
„Keine Sorge Lucas, wir werden das gemeinsam schaffen. Du hast gesagt, du bist mein Freund und immer für mich da und endlich kann ich dir zeigen, dass ich ebenso für dich da bin.“
Ich nickte zaghaft, war aber in mir so zerrissen und auch verletzt. War ich denn so wichtig, dass man gleich mit dem Jobverlust drohen musste. Wo war ich da nur hineingeraten. Mir war schlecht und mir fiel mein Vater ein, der mir gerade sehr fehlte und ihn an meiner Seite wünschte.
Ich spürte plötzlich So-Wois Hand an meiner Wange, wie sie eine Träne wegwischte.
„Nicht weinen“, hörte ich seine sanfte Stimme, „komm, wir haben eine Verabredung, mit einer bezaubernden Frau.“
Fragend schaute ich ihn an, während er mich von Bett zog.
*-*-*
Die frische Luft tat mir gut, mein Gemüt beruhigte sich etwas. So-Woi hatte bis jetzt meine Hand nicht losgelassen und zog mich langsam hinter sich her.
„Schön nicht? Großmutter hat den Garten komplett nach ihren Wünschen neu anlegen lassen… riechst du das?“
Ich hob meine Nase in die Luft und zog die Luft in mich ein. Einen feinen Duft konnte ich ausmachen.
„Der Duft kommt von Großmutters Kräutergarten. Trotz ihres Alters, ist das ihre Lieblingsbeschäftigung, jeden Tag nach diesem Garten zu schauen.“
So-Woi redete so voll Stolz von seiner Großmutter, man spürte, wie sehr er sie liebte. Die Eltern meines Vaters verstarben leider zu früh, ich war noch jung, um sie richtig kennen zu lernen.
Und die anderen Großeltern musste ich erst noch richtig kennen lernen, wenn das noch ginge, denn plötzlich war ich mir in allem so unsicher. Ob Mamas Familie hier jetzt noch etwas von mir wissen wollte?
„Lucas?“
Ich schaute auf und direkt in So-Wois strahlendes Gesicht, dass ich stehen geblieben war, hatte ich nicht gemerkt.
„Komm Lucas. Ich weiß, in dir muss jetzt ein wahnsinniges Chaos herrschen…“
„Das tat es auch vorher…, aber jetzt…, ich weiß einfach nicht mehr weiter. Jemand soll wegen mir seinen Job verlieren…, wer bin ich denn, dass man so etwas tun muss?“
„Du bist Lucas Dremmler, der beste Freund, den man sich wünschen kann, aber nicht jeder verdient. Lucas ich weiß, wenn mein Vater etwas möchte, dann geht er über die sprichwörtlichen Leichen, oder wie man das nennt. Aber wir lassen uns von ihm nicht einschüchtern! Ok? Und jetzt gehen wir zu der besten Verbündeten, die man haben kann.“
Ich nickte und folgte So-Woi.
*-*-*
Mit etwas Ehrfurcht betrat ich hinter So-Woi diesen kleinen Palast. Anders konnte ich es nicht nennen, denn alles hier sah so Edel aus. Ein Bediensteter im Anzug führte uns durchs Haus, auch wenn ich mir sicher war, dass So-Woi sich hier auskannte.
Wir wurden in ein Zimmer gebracht, an dessen Fenster ich eine ältere Dame mit vollem grauem Haar ausmachen konnte.
„Großmutter!“, rief So-Woi und lief strahlend auf sie zu.
Sie erhob sich aus ihren Sessel und er verneigte sich kurz vor ihr, trat dann auf sie zu und gab ihr einen Kuss auf die Wange.
„So-Woi mein Junge“, kam es lächelnd von ihr und umarmte ihn kurz.
„Großmutter, darf ich dir einen guten Freund vorstellen?“, er zeigte auf mich, „das ist Lucas Dremmler aus Deutschland.“
Sie wandte sich zu mir. Meinen Diener machte ich dieses Mal irgendwie tiefer als sonst und streckte ihr meine Hand entgegen.
„Es ist wichtig, gute Freunde zu haben…, hallo Mr. Dremmler.“
„Sagen sie doch bitte Lucas zu mir!“
„Nur wenn du Großmutter zu mir sagst“, grinste sie mich an und es war das gleiche Grinsen wie bei So-Woi und auch die gleiche strahlenden Augen.
Ich nickte und verbeugte mich nochmals. Plötzlich war meine innere Ruhe wieder da und ich fühlte mich wohl. Die Dame des Hauses gab Anweisungen Tee zu bringen, während wir uns setzten.
„So mein Junge, du weißt wie neugierig ich bin, erzähl…, was ist passiert?“
So-Woi senkte den Kopf.
„Dazu… muss ich weiter ausholen… auch auf die Gefahr hin, dass du böse mit mir bist.
„War ich je böse auf dich?“
Leicht lächelnd schüttelte er den Kopf. Die Tür ging erneut auf und der Tee wurde serviert. Bis wir wieder alleine waren, schwiegen die beiden.
„Wir haben ja schon telefoniert, als ich wieder aus Amerika zurück gekommen bin und ich habe dir erzählt, dass ich mein Studium dort abgebrochen hatte.“
Die alte Dame nickte, sagte aber nichts dazu.
„Es gibt da… aber noch etwas, was ich dir noch nicht erzählt habe.“
„Hat es damit etwas zu tun, dass du deinem Bodyguard Jack so angetan bist, ihr unzertrennlich seid?“
Hoppla, die Frau war interessant. Mich wunderte es zwar irgendwie nicht, dass sie bereits Bescheid wusste, aber sie blieb überraschenderweise ruhig und lächelte immer noch.“
„Du wusstest…“
„So-Woi, du enttäuschst mich. Ich bin zwar alt, kann aber immer noch gut sehen und hören. Ich weiß schon länger, dass ich von dir keine Urenkel zu erwarten habe. Aber was hat das jetzt mit deinem Anruf von vorhin zu tun?“
Diese Frau war Gold wert. Ich presste meine Lippen aufeinander, um nicht grinsen zu müssen.
„Ich war bei Vater, habe ihm von meinem Abbruch des Studiums und auch über meine sexuelle Orientierung erzählt.“
„Und du lebst noch?“, begann die alte Dame an zu kichern.
Ich konnte nicht anders und stimmte mit ein, auch wenn das Thema eher ernst war.
„Großmutter…“
„Ja, ich bleibe ernst…, erzähl weiter!“
„Er blieb überraschend ruhig, aber ich glaube, ich habe einen Fehler gemacht.“
„Ich habe Lucas, als meinen Freund vorgestellt und ich glaube, Vater hat das missverstanden.“
„Wie missverstanden? Du meinst, er weiß nichts über Jack und denkt Lucas sei dein Freund?“
Oh, die Frau war gut, vor allem so direkt.
„Ja. Er hat Mr. Choi, bei dem Lucas untergebracht war, dazu aufgefordert, Lucas hinauszuschmeißen und den für Lucas bereitgestellten Assistenten zurück zu ziehen, oder raus zuwerfen.“
„Mein Schiegersohn, wie er leibt und lebt! Deshalb vorhin dein Anruf?“
„Ja, ich möchte Cho Hyun-Woo, Lucas Assistent als Privatsekretär einstellen, der mit Jack gerade unterwegs ist, um Lucas Sachen abzuholen und in meine Wohnung zu bringen.“
Langsam fühlte ich mich wieder unwohl, denn man redete über mich und nicht mit mir.
„Du zeigst wie immer ein großes Herz. Das hast du von deiner Mutter geerbt, sie war auch immer so. Ich verstehe bis heute nicht, wie sie diesen Mann hat heiraten können.“
„Wenn sie es nicht gemacht hätte, gäbe es mich nicht.“
„Auch wieder wahr.“
„Ich habe auch vergessen zu sagen, dass er uns heute Morgen mit Gewalt in den Sender bringen hat lassen.“
„Davon habe ich schon gehört. Ich habe bereits Anweisungen gegeben, diese Männer zu bestrafen.“
Oh Gott! Nur alles wegen mir? Ich schloss kurz die Augen und atmete tief durch.
„Auch Back In Jook?“, wollte So-Woi wissen, „Lucas drohte ihm mit Polizei und Deutscher Botschaft, was ihn völlig kalt ließ.“
Sie drückte einen Knopf und der Mann von vorhin erschien.
„Ich mag diesen Aalglatten Typen nicht, ich finde ihn unhöflich und skrupellos. Mr. Ri, haben sie Back In Jook herrufen lassen?“
„Ja Chairwoman, wir erwarten ihn in ungefähr einer Stunde.“
„Gut, dann führe man ihn in mein Arbeitszimmer.“
„Ja Chairwoman“, antwortete er und verneigte sich kurz, bevor er wieder verschwand.
Fragend schaute ich zu So-Woi.
„Was?“
„Chairwoman…?“
„Ja, mein Vater ist „nur“ der Präsident von KBS, Chairwoman, bei euch würde man sagen, oberste Chefin, Besitzer der meisten Anteile der Firma ist meine Großmutter, sie hat das letzte Wort bei großen Entscheidungen.“
„Deshalb bist du gegen deinen Vater abgesichert?“
Es antwortete nicht So-Woi, sondern seine Großmutter.
„Als Hee-Ja, meine Tochter, So-Wois Mutter nach kurzer Krankheit verstarb, habe ich So-Wois Erziehung übernommen, da ich schnell merkte, dass mein Schwiegersohn damit überfordert war und sich nicht recht um den Jungen kümmerte.“
Obwohl sie weiterhin lächelte, war doch etwas Trauriges aus ihrer Stimme zu hören.
„So-Woi, ich denke du hast richtig gehandelt, biete deinem Vater die Stirn, er hat viel zu lange auf dir herum getrampelt…, wollen wir das Thema wechseln. Lucas, erzähl mir etwas über dich.“
Ich war mir sicher, dass sie sicherlich schon Informationen über mich einziehen hatte lassen, wenn sie immer so gut über alles Bescheid wusste.
„Also ich bin achtzehn Jahre alt, wurde in Deutschland geboren, mein Vater ist Deutscher, meine Mutter ist Koreanerin und stammt hier von Seoul. Ich habe noch eine zwei Jahre jüngere Schwester, sie heißt Mia und geht noch zur Schule.“
„Deine Mutter stammt von hier?“
„Ja. Ihre Familie wohnt in der Nähe der Familie Choi. Sie hat dort einen Obst und Gemüseladen, der meinem Großvater Park Sung-Min gehört.“
„Park Sung-Min…, der Name kommt mir bekannt vor. Wieso wohnst du denn nicht dann bei ihnen?“
„Das liegt wohl an meinem Großvater. Als meine Mutter meinen Vater damals kennen lernte und sie später heirateten, hat mein Großvater meine Mutter aus der Familie ausgeschlossen. Ich habe die Familie meiner Mutter auch erst jetzt kennen gelernt, weil meine Mutter nie sehr viel über sie erzählte.“
Beide sagte nichts.
„Bestärkt durch meinen Zeichenlehrer in Deutschland, ebenfalls Koreaner, entschied ich mich dazu, vor meiner Berufsausbildung, ein Jahr nach Korea zu kommen, um das Geburtsland meiner Mutter kennen zu lernen. Untergebracht war ich…, bis jetzt, bei Freunden meines Zeichenlehrers, der Familie Choi.“
„Hochachtung junger Mann, nicht viele Menschen in deinem Alter haben solche Interessen. Deine Familie hier möchtest du näher kennen lernen?“
„Wenn ich darf…“
„Wieso solltest du nicht dürfen?“
„Mein Großvater hat immer noch etwas gegen meiner Mutter…“
„Diese alten Sturköpfe. So-Wois Großvater war auch so einer… Als er starb, musste ich einige Dinge wieder zu recht rücken… So, genug geredet, was habt ihr heute noch vor?“
Diese Frage ging an So-Woi.
„Nichts Bestimmtes, ich möchte Lucas noch unseren Strand zeigen.“
„Darf ich euch heute Abend zum Dinner einladen?“
„Gerne Großmutter, oder Lucas?“
Ich nickte, wunderte mich aber über So-Wois Frage. Er war mein Gastgeber und ich richtete mich eigentlich nach ihm.
„Jack und diesen Cho Hyun-Woo bringt ihr bitte mit. Ich möchte schließlich meinen neuen Mitarbeiter mal kennen lernen.“
„Wie du wünschst, Großmutter, die Papiere müssen noch fertig gemacht werden.“
„Darum wird sich mein Sekretär Mr. Ri kümmern. Ich werde mich jetzt noch etwas zurück ziehen, und später mich auf diesen Back In Jook vorbereiten.“
„Da wäre ich gerne dabei, wenn er zu dir kommt.“
„Nein mein Junge, geht ihr ruhig an den Strand, wir sehen uns später wieder.“
So-Woi stand auf, ich tat es ihm gleich, ging zu seiner Großmutter und gab ihr wieder einen Kuss auf die Wange und verneigte sich vor ihr. Auch ich verneigte mich, bevor wir sie verließen.
*-*-*
„Ist das schön hier“, meinte ich.
Ich saß neben So-Woi im Sand und schaute aufs Meer hinaus.
„So-Woi, warum sind hier keine Leute zu sehen, sonst läuft doch immer wieder jemand am Strand entlang, oder sitzt einfach wie wir im Sand.“
„Das ist ein Privatstrand…, überwacht, da kommt niemand Fremdes drauf.“
Er zeigte auf Masten mit Kameras. Ich musste grinsen.
„Also würde, wenn ich dich jetzt wild niederküssen würde, jemand an einem Bildschirm sitzen und zu schauen?“
So-Woi wurde rot und ich kicherte.
„Öhm…ja.“
Ich merkte plötzlich, wie unangenehm das So-Woi war.
„He, das war ein Scherz, ich würde dich nie und nimmer einfach so niederküssen!“
„Ähm…, wieso nicht, gefalle ich dir nicht?“
Was war das jetzt für eine Frage?
„Quatsch, du siehst verdammt gut aus, das weißt du genau. Außerdem gibt es da ja noch einen gewissen Jack, der da bestimmt ein Wörtchen mitzureden hat.“
So-Woi legte ein süßes Lächeln an, dass jedes Herz schmelzen ließ.
„Dir geht es besser?“, fragte er.
„Besser kann ich nicht sagen, aber etwas erleichtert. Mir schwirrt noch immer dieser In-Jook im Kopf herum. Dem Typ möchte ich nachts nicht begegnen.“
„Ich habe ihn noch nie gemocht und er ist bei Vater, solange ich denken kann. Und in den letzten Jahren hat sich dieses Gefühl gegen ihn verstärkt, weil er immer öfter, wie soll ich sagen…, so unnatürlich freundlich zu mir war.“
„So alt sieht er doch gar nicht aus, ich hab ihn etwas älter als wir geschätzt.“
„Er ist schon dreiunddreißig!“
„Echt? Sieht man ihm wirklich nicht an, aber seine Ausstrahlung ist schon unsympathisch!“
„Großmutter wird ihm schon den Kopf waschen.“
„Na hoffentlich.“
*-*-*
Ich war froh, dass zum abendlichen Dinner mit So-Wois Großmutter keine große Kleidungsordnung herrschte und wir normal gekleidet kommen konnten. Jack und Hyun-Woo waren inzwischen wieder zurück.
Er war etwas niedergeschlagen, hatte er doch eine für ihn tolle Stellung verloren, weil er seinem Herz und nicht dem Verstand folgte. Aber ich war mir sicher, dass er mit So-Woi sicher genauso viel erleben würde.
Trotzdem tat er mir jetzt richtig leid. Ich hätte ihn am liebsten etwas in den Arm genommen, war mir aber sicher, dass ihm vor den anderen nicht recht gewesen wäre. Das spätere Abendessen verlief lustig.
So-Wois Großmutter wusste einige Geschichten über ihren Enkel zu erzählen. Nun lag ich in meinem Bett, lauschte den leisen Atemzügen von Hyun-Woo neben mir, der schon lange schlief.
Ich hatte in den vergangenen Tagen nicht daran gedacht mich noch mal bei meinem Vater zu melden. So hoffte ich, dass er sich nicht allzu viel Sorgen um mich machte. Melden musste ich mich aber bei ihm.
Schon alleine deshalb, weil ich nicht mehr bei den Chois wohnte. Ich dachte an Jae-Joong, den ich eigentlich nächstes Wochenende abholen sollte, aber jetzt, wo sich so vieles geändert hatte, war das noch Recht, oder brachte ich dadurch auch Jae-Joong und wiederum seine Familie in Schwierigkeiten.
Hyun-Woo neben mir hustete leicht, drehte sich zu mir und sein Arm kam auf meinem Bauch zur Ruhe. Ich musste lächeln, weil er sicherlich nicht wusste, was er da gerade tat. Aber mir gefiel es.
Irgendwann überkam mich dann auch die Müdigkeit.
*-*-*
Ich wusste nicht was es war, aber trotzdem weckte mich irgendetwas. Blinzelnd hob ich meinen Kopf, entdeckte Hyun-Woo neben mir, der sich dort regelrecht eingekuschelt hatte. Der Druck meiner Blase überredete mich dann aufzustehen.
Vorsichtig löste ich mich von Hyun-Woo, weil ich ihn nicht wecken wollte. Nach dieser Schwierigkeit schlich ich mich ins Bad, um mich endlich zu erleichtern. Die Überlegung, ob ich gleich danach unter die Dusche springen sollte, wurde davon gehemmt, dass ich durch das offene Fenster in den Garten schauen konnte.
Dort sah ich So-Woi und Jack irgendwelche Übungen machen. Langsame fließende Bewegungen, die beide gleichzeitig machten. Während So-Woi eine Shorts und Shirt anhatte, machte dies Jack mit extreme kurzer Shorts und freiem Oberkörper.
Dass dies extrem ansprechend war, machte sich in meiner Shorts bemerkbar. Man, war ich so Notgeil? Seit ich hier war, hatte ich mehr Sex, als zu Hause, sprich dort keinen. Und nun machte mich schon der Anblick der beiden wuschig.
Ich entschloss mich eine Dusche zu nehmen und vielleicht danach an den Strand zu gehen, ein wenig am Wasser entlang zu laufen, um darüber nachzudenken, wie es weiter gehen sollte. Als mich die ersten Strahlen des Wassers trafen, war plötzlich alles vergessen.
Das Nass auf meiner Haut tat einfach nur gut, so genoss ich es in vollen Zügen. Aber auch dieses Vergnügen ging nicht lange, denn ich konnte ja nicht ewig unter der Brause verbringen.
So öffnete ich die Glastür, griff nach einem Handtuch und trocknete mich ab. Natürlich hatte ich mal wieder nichts mit genommen, was ich mir jetzt hätte überstreifen können. Ein Blick durchs Fenster zeigte mir, das die beiden verschwunden waren.
So band ich mir mein Handtuch um, griff meine Sachen und ging zurück ins Zimmer. Auf dem Flur kam mir Jack entgegen, noch immer so angezogen wie vorhin. Er blickte kurz auf mich, grinste und verneigte sich leicht.
Schnell war ich wieder in meinem Zimmer.
„Morgen…, warum hast du mich denn nicht geweckt?“
Ich zuckte zusammen, weil ich noch den Body von Jack vor meinen Augen hatte und drehte mich um. Im Bett saß ein total verwuschelter Hyun-Woo, der fast nicht aus seinen Augen schauen konnte.
Er griff nach seiner Brille, setzte sich auf und begann leicht zu grinsen. Mir war bewusst, dass es nur daran liegen konnte, wie ich vor ihm stand.
„Morgen…, wolltest du geweckt werden? Du hast so schön fest geschlafen.“
Er fuhr sich durch sein Haar.
„Du hast Recht, ich habe sehr gut geschlafen“, lächelte er mich an.
„Das Bad ist frei…, noch… Jack kam gerade hoch…“, meinte ich und machte mich an meinen Kleiderschrank.
„Das machte nichts, wir haben schon öfter zusammen…“
Hyun-Woo brach mitten im Satz ab. So, so. Die haben beide öfters miteinander, ich grinste breit.
„… also ich meine, …dass… ähm…“
„Hyun-Woo geh einfach ins Bad und mach dich fertig, ich weiß nicht was So-Woi geplant hat.“
„Okay!“, meinte er und stand auf.
Deutlich konnte ich die Beule in seiner Shorts sehen. Seine Sachen schnappend, verließ er mit hoch rotem Kopf unseren Raum. Ich kicherte vor mich hin und zog mich an.
*-*-*
„Guten Morgen“, sagte ich, als ich unten in die kleine Küche kam.
Jack schnitt irgendetwas, während So-Woi an der Theke saß und etwas trank.
„Guten Morgen Lucas, hast du gut geschlafen?“
„Ja, danke.“
„Auch einen Tee?“
„Wenn es geht, wäre mir ein Kaffee lieber.“
Kaum hatte ich die Worte ausgesprochen, wurde Jack aktiv. Er holte eine Tasse aus dem Schrank und stellte sie unter die Kaffeemaschine. Einen kurzen Druck auf einen Knopf und wenig später lief der Kaffee in die Tasse.
„Hast du…, heute irgendetwas geplant?“, fragte ich So-Woi.
„Nichts Bestimmtes, ich dachte wir besprechen uns beim Frühstück. Hast du irgendeinen Wunsch?“
„Nein, wie du weißt, bin ich fremd hier und kenne mich nicht aus. Aber wir müssen nicht unbedingt etwas machen, denn ich finde es sehr schön hier. So etwas haben wir in Deutschland nicht viel, vielleicht an der Nord oder Ostsee.“
„Wie du wünschst, Lucas. Wir können auch hier bleiben und einfach das Wochenende genießen.“
„Danke“, lächelte ich.
Hyun-Woo kam herunter und gesellte sich zu Jack. Die beide schienen sich blind zu vertrauen und benötigten auch kaum irgendwelcher Worte, um sich zu verständigen. Wenig später, war das Frühstück gerichtet und wir saßen alle vier an der Theke.
„Wie kam eigentlich Jack zu seinem Job“, fragte ich einfach, weil es mich interessierte.
So-Woi schaute kurz zu Jack und lächelte.
„Sein Vater war ebenfalls in der Firma tätig und als Großmutter nach jemand suchte, der ständig in meiner Nähe war, bot sein Vater sich an, dies zu übernehmen, so als Mentor oder so. Dabei lernte ich Jack, damals noch Jae-Yun, kennen.“
Aufmerksam hörte ich zu, wunderte mich aber, dass Jack nicht ein einziges Mal aufschaute und nur seinem Frühstück zugewandt war.
„Jack ist zwar älter als ich, aber war immer für mich da, bis er mit seinem Vater nach Amerika ging. Da beschloss ich auf Wunsch meiner Großmutter, dass ich in Amerika studieren würde und wer wäre da besser geeignet, auf mich aufzupassen, als Jack?“
„Er war also die ganze Zeit an deiner Seite?“
„Ja, sogar während des Studiums.“
„Jack hat mit dir zusammen studiert?“
„Ja und dann gab es einen riesen Krach zwischen uns.“
„Warum das denn?“
„Als ich beschloss mein Studium abzubrechen, zog er nach, was ich bis heute nicht verstehen kann. Er hätte sein Studium beenden müssen“
„Warum, du wolltest es doch auch nicht.“
„Wenn er schon die Möglichkeit hat, warum hört er dann auf?“
„Weil er vielleicht dir zu Liebe dieses Studium ergriffen hat?“, fragte ich und schien Recht zu haben, denn Jack wurde rot.
„Warum sollte jemand mir zu Liebe, so etwas machen?“
„Beantwortet sich die Frage nicht selbst?“
So-Woi sah mich fragend an.
„Ich weiß, hier ist jeder bemüht, sein Gesicht zu waren. Wäre ich jetzt in Deutschland, fiele mir die Antwort wesentlich leichter, ohne jemanden absichtlich zu verletzten. Aber ich denke auch, wir sind hier unter Freunden und können uns alles sagen, sei es etwas Gutes oder Kritik, denn jeder hier weiß, wie wir zu einander stehen.“
So-Woi nickte leicht, als würde er mein Gesagtes bestätigen.
„Auf deine Frage…, Jack liebt dich So-Woi, das kann ich deutlich spüren. Warum sollte er dann nicht etwas aufgeben, was für ihn persönlich nicht so wichtig ist? Er möchte bei dir sein, was ich auch sehr verstehe, wer möchte nicht bei dem Menschen sein, der einem wichtig ist und ihn liebt?“
Jack schaute auf und die beiden blickten sich an.
„Ich entschuldige mich im Voraus, falls ich eben, einem von euch beiden zu Nahe getreten bin, aber nach meinem Empfinden, musste ich das jetzt einfach sagen.“
Hatte mir über Nacht einer Löffelweise Weisheiten eingetrichtert, oder warum sprach ich so geschwollen. Dieses Land der Traditionen und vielen Weisheiten färbte schneller ab, als ich gedacht hatte.
Gut, ich war es gewohnt, denn Gespräche mit meiner Mutter endeten meist mit irgendwelchen Weisheiten, die sie von ihren Vater übernommen hatte. Wüsste Großvater das, wäre er vielleicht etwas stolz auf sie.
„Was ist mit dir? Was ist dir wichtig?“, fragte Jack plötzlich.
Ich musste kurz lachen.
„Jack, wenn ich das mal wüsste. Klar, meine Familie und Freunde, sprich im Augenblick ihr seid mir wichtig.“
Jack stand auf, gesellte sich zu So-Woi und nahm ihn von hinten in den Arm.
„Würdest du auch etwas aufgeben, für eine Liebe?“, fragte So-Woi.
„Kommt das nicht immer auf die Situation an? Ich glaube, die Frage kann dir keiner recht beantworten, weil so etwas immer direkt entschieden wird, nicht weit im Voraus. Ich habe von meinem Vater gelernt, dass ich nicht immer bei jedem beliebt sein muss, oder es jedem recht machen kann, auch wenn mir das noch schwer fällt.“
Ich trank kurz etwas Wasser, weil vom vielen Reden mein Hals trocken wurde.
„Und er sagt immer, wer mich nicht mag, hat mich auch nicht verdient.“
„In Deutschland scheint es auch sehr viele Weisheiten zu geben“, meldete sich Hyun-Woo zu Wort.
„Kann sein, darüber kann ich nichts sagen, weil viele Weisheiten von anderen Ländern auch übernommen worden werden.“
Innerlich schüttelte ich den Kopf, weil ich mich über mich selbst wunderte. Hatte dieses Land, der Umgang mit den Menschen, wirklich so einen gravierenden Einfluss auf mich? Zuhause, also bei Freunden, oder in der Schule, war ich eher der ruhiger Typ, der zuhörte und sich seinen Teil dachte.
Hier dagegen, redete ich mehr, als in den vergangenen Monaten zusammen. Ich wusste nicht, ob ich zu Hause mit meinem leider früh verstorbenen Großvater so geredet hätte wie hier mit dem Vater meiner Mutter.
Oder, dass ich diesem Back In Jook mit Polizei, oder mit der Deutschen Botschaft gedroht hatte. Das war alles irgendwie nicht ich, ich handelte und gab mich völlig anders, als Zuhause.
„Und wie stehst du zu Hyun-Woo“, grinste mich So-Woi frech an, als er mich aus meinen Gedanken riss.
„Hyun-Woo? Das kann ich dir sogar genau sagen. Hyun-Woo ist in kürzester Zeit ein guter Freund und Vertrauter geworden und ich mag ihn sehr! Etwas, was bisher bei mir noch niemand geschafft hat…, in dieser kurzen Zeit.“
Hyun-Woo wurde tief rot. Noch so etwas Sonderbares, dass ich hier frei über meine Gefühle redete. Jack und So-Woi grinsten.
„Danke Lucas…, und ich hoffe, dass ich dein Vertrauen nie enttäuschen werde!“, sagte Hyun-Woo und verneigte sich leicht.
Boah, jetzt war aber genug mit der Gefühlsduselei.
„Könnten wir doch etwas unternehmen, So-Woi, bevor meine Augen noch geflutet werden und ich einen Moralischen kriege?“
„Was hältst du von Sport?“
„Sport? Welchen meinst du denn?“
„Zum Beispiel Volleyball am Strand, oder Jet-Ski fahren.“
„Würde mich beides reizen, vor allem, weil ich Jet-Ski noch nie gefahren bin…, ist es dafür denn nicht schon zu kalt? Also ich meine das Wasser?“
„Für was gibt es denn Neoprenanzüge?“, grinste mich So-Woi an.
*-*-*
Ob es Zufall war, dass die beiden einen passenden Neoprenanzug für mich da hatten? Auf alle Fälle waren wir jetzt zu viert am Strand und in diese nicht gerade unerotischen Teile gezwängt.
Warum da plötzlich Jet-Skis am Steg angebunden waren, wusste ich nicht, denn gestern als wir hier am Strand waren, könnte ich schwören, dass der Steg leer war. Jack erklärte mir die Handhabung und ich war verwundert, dass ich beim ersten Anfahren nicht gleich im Wasser lag, sondern den anderen folgen konnte.
Bei der ersten kleinen Welle hingegen, machte ich einen Freiflug.
Mühsam bestieg ich mit der Hilfe von Hyun-Woo die Maschine wieder und fuhren dann gemeinsam den Strand entlang. Wie lange wir da fuhren, wusste ich nicht, aber es machte unheimlich Spaß!
Später saß ich auf dem Steg, ließ die Füße im Wasser baumeln und merkte nicht mal, dass Hyun-Woo, mir ein Handtuch um den Hals legte. Erst als er sich neben mir niederließ und mir eine Wasserflasche entgegen hielt, kehrte ich mit den Gedanken in die hiesige Welt zurück.
Ich bedankte mich artig, während die anderen beiden noch damit beschäftigt waren, die Jet-Skis richtig zu sichern.
„Hat es dir gefallen?“
„Der Wahnsinn“, antwortete ich Hyun-Woo und grinste über das ganze Gesicht, „das können wir wiederholen.“
„So-Woi meinte, ich sei zwar jetzt als sein Privatsekretär angestellt, aber immer noch für dich verantwortlich, solange du hier in Korea bist…, wenn es dir recht ist.“
Ich schaute ihn durchdringend an.
„Sag mir einen Grund, warum es mir nicht recht sein sollte?“
„Weil du vielleicht von mir enttäuscht bist?“
Ich hob meine Augenbrauen an.
„Warum sollte ich denn bitte schön von dir enttäuscht sein?“
„Wegen…, wegen dem heute Morgen…“
Ich atmete tief durch, hob meine Arme und nahm Hyun-Woos Gesicht in meine Hände.
„Soll ich ehrlich sein?“
Er nickte leicht, soweit wie ihm es möglich war.
„Ich war froh, dass du nicht wie Jack am Boden lagst und ich war froh, als es dir wieder möglich war, gleich wieder zu mir kamst, um dich um mich zu kümmern. Komm bitte nie wieder auf den Gedanken, dass ich von dir enttäuscht sein könnte“, beendete ich meinen Satz, beugte mich vor und küsste ihn innig auf den Mund.
„Hat der nicht etwas von mögen gesagt…, vorhin?“, hörte ich So-Wois Stimme und ein anschließendes Kichern.
Ich ließ Hyun-Woo los und wandte mich zu So-Woo.
„Neidisch?“
„Wieso sollte ich neidisch sein?“
„Vielleicht merkst du, dass ich besser küssen kann als Jack und willst von ihm nichts mehr wissen.“
Doch bevor So-Woi antworten konnte, wurde er von Jack gepackt, was in einem langen Kuss endete. Dieses Mal kicherten Hyun-Woo und ich.
*-*-*
Wir saßen draußen auf der Terrasse. Hyun-Woo hatte mir eine Decke gebracht, weil es mir langsam etwas kühl wurde. Jack hatte den Grill angeworfen und drehte gerade lecker aussehende Steaks herum.
Der aufgehende Mond, spiegelte sich in den seichten Wellen des Meeres. Konnte man sich einen romantischeren Ort vorstellen als dieser? Mein Handy meldete sich. Verwundert zog ich es aus meiner Tasche und blickte darauf. Mein Vater? Ich hatte total vergessen mich bei ihm zu melden.
„Hallo Papa!“, meldete ich mich.
Die anderen schauten mich verwundert an, weil ich plötzlich anders, nämich deutsch sprach und sie nichts verstanden.
„Hallo Junior, wie geht es dir?“
„Entschuldige, dass ich mich nicht gemeldet habe, hier war einiges los, aber keine Sorge, mir geht es gut. Im Augenblick sitze ich hierauf einer Terrasse, mit Blick aufs Meer und den Mond. Der Grill ist an und ich wurde in eine warme Decke gewickelt.“
„Ist das Haus der Chois so dicht am Meer?“
„Ähm…, ich wohne nicht mehr bei den Chois…“
„WAS? Ist sicher alles in Ordnung?“
„Ja, aber das jetzt alles am Telefon zu erklären, da säßen wir eine Weile…, einen Moment…“ wandte mich an So-Woi: „haben wir hier Internet?“
Er nickte grinsend, warum fragte ich überhaupt. Hyun-Woo verschwand ins Haus.
„Papa, ich hole mein Laptop, dann erklär ich dir das über das Internet und du kannst mich dabei noch sehen.“
„War das gerade koreanisch? Soll ich deine Mutter fernhalten?“
Ich überlegte kurz.
„Nein, sie soll ruhig zu hören, versprich mir aber, sie davon abzuhalten in den nächsten Flieger zu steigen.“
„So schlimm?“
„Schlimmer“, sagte ich mit einem Lächeln.
„Okay, dann bis gleich, ich hole mir mal das Laptop deiner Schwester ins Wohnzimmer.“
„Gut Papa bis gleich!“
Ich drückte das Gespräch weg, während Hyun-Woo mit meinem Laptop zurück kam.
„Oh danke, wollt ihr meine Eltern kennen lernen?“
Beide nickten. Hyun-Woo stellte den Laptop vor mir ab und ich fuhr es hoch. Als für den nötigen Internetzugang ein Passwort verlangt wurde, tippte Hyun-Woo etwas ein und ich bekam Zutritt ins Internet.
Schnell war das Schwesterliche Skype aufgerufen und wenig später hatte ich eine Bildverbindung und sah meinen Papa vor mir sitzen.
„Hallo Papa.“
„Hallo Lucas…, gut siehst du aus!“
„Das macht sicherlich die gute Seeluft hier“, grinste ich.
„Wieso bist du am Meer?“
„Das ist eine längere Geschichte. Wo ist Mama?“
„Noch auf der Toilette, sie hat mich aber beschworen, nicht ohne sie anzufangen.“
„Und Mia?“
„Bei Freunden und über Nacht weg.“
„Mit sechszehn? In dem Alter durfte ich das nicht.“
„Du durftest schon, hast aber nie gefragt“, meinte mein Vater mit einem Grinsen.
„Ist er schon da?“, hörte ich die Stimme meiner Mutter.
„Ja Min-Ja, setzt dich zu mir, dann kannst du ihn gut sehen.“
Nach den üblichen Begrüßungsfloskeln stellte ich Jack, So-Woi und Hyun-Woo vor. Alle drei verneigten sich leicht. Meine Mutter begrüßte sie natürlich in der Landessprache, mein Vater nickte nur leicht.
Dann erzählte ich, was sich heute Morgen zugetragen hatte und natürlich über die Folgen. Meine Mutter, in totaler Hysterie, forderte natürlich meine sofortige Rückreise. Mit Engelszungen meines Vaters und mir, überzeugten wir sie gemeinsam, dass dies nicht nötig wäre.
Sie wurde erst wieder ruhig, als ich von ihrer Familie erzählte. Besonders aufmerksam war sie, als ihr Vater zur Sprache kam und ich von meiner Diskussion mit ihm erzählte. Was ich bisher nicht wusste, dass Hyun-Woo deutsch konnte, zumindest übersetzte er den beiden anderen, was ich meinen Eltern auf Deutsch erzählte.
„Das hast du wirklich zu ihm gesagt?“
„Ja.“
„Und du lebst noch?“
„Ich glaube, wenn Großmutter mir nicht zu Hilfe gekommen wäre, dann wäre es anders ausgegangen.“
„Meine Mutter?“
„Ja, die hat kurz was gesagt, dann war Großvater ruhig.“
„Das sind ja ganz neue Töne…“, kam es von meiner Mutter, „und du bist wirklich sicher, dass du dort bleiben willst.“
„Ja Mama, ganz sicher! Mir geht es gut und hier sind genügend Menschen, die ein Auge auf mich werfen.“
„Du bedankst dich bitte aber noch einmal bei So-Wois Großmutter, dass du bei ihnen unterkommen kannst.“
„Ich werde bei So-Woi wohnen, nicht hier bei seiner Großmutter.“
„Dann bedank dich eben bei So-Woi noch einmal.“
„Willst du das nicht selbst tun, er ist schließlich hier.“
Hyun-Woo übersetzte leise und So-Woi und Jack grinsten.
„… egal, du meldest dich aber nächste Woche wieder!“
„Ja Mama, versprochen! Gute Nacht!“
„Warum gute Nacht, wir sind hier erst aufgestanden.“
„Mama, hier ist es Nacht und wir gehen bald schlafen.“
„Ach so, das habe ich vergessen, also gute Nacht Lukas.“
„Gut Nacht, Mama.“
„Gute Nacht mein Junge!“
„Gut Nacht Papa!“, grinste ich und drückte den Chat weg.
Ich klappte den Laptop zu und stellte es zur Seite, weil Jack bereits mit dem Fleisch kam.
*-*-*
Angetrunken, ließ ich mich aufs Bett fallen. Ich spürte, wie mir jemand die Schuhe auszog, danach die Socken. Ein kurzer Blick und ich sah Hyun-Woo vor mir. Ich grinste ihn an.
„Danke“, meinte ich kichernd, „ich hätte nicht so viel von den Schnaps trinken sollen?“
„Soju?“
„Ja, das Zeug steigt einem so in den Kopf.“
„Ich weiß.“
Mühsam öffnete ich meinen Hosenknopf und versuchte meine Jeans auszuziehen. Auch hier war mir Hyun-Woo behilflich, nur rutschte dabei auch meine Shorts leicht nach unten und ich lag fast nackt da. Kichernd zog ich die Shorts wieder nach oben.
„Kommst du auch ins Bett?“, fragte ich, während ich mir das störrische Shirt über den Kopf zog.
„Gleich, ich möchte Jack nur helfen, unten noch etwas sauber zu machen.“
„Aber dann kommst du?“, fragte ich kichernd.
Er nickte und deckte mich zu, dann verließ er unser Zimmer. Hyun-Woo war so süß, wenn er schüchtern war. Lag es am Alkohol, oder warum wünschte ich mir plötzlich, Hyun-Woo umarmte mich.
Meine Blase meldete sich, so stand ich noch einmal auf und wankte ins Bad. Dort meiner Blase entledigt, befeuchtete ich mein Gesicht mit kaltem Wasser und wusch mir die Hände. Das kalte Wasser tat gut und mir schien als war ich wieder etwas klarer im Kopf. Ich schaute in den Spiegel und sah mir in die Augen.
„Lukas Dremmler, du hast dich verliebt, gib es zu!“, sagte ich zu mir.
„Schuldig in allen Punkten“, antwortete ich kichernd mir selbst.
„Und betrunken bist du!“
So grinsend, lief ich wieder hinüber ins Zimmer und ließ mich erneut aufs Bett fallen. Fast wäre ich so eingeschlafen, wenn Hyun-Woo nicht plötzlich wieder aufgetaucht wäre. Ich beobachte ihn ohne Worte, wie er sich seiner Kleidung entledigte.
Fein säuberlich legte er sie über den Stuhl, bevor es dann ins Bad verschwand, wo sollte er auch sonst hingehen. Wenig später. Weckte er mich dann wieder, als er zu mir ins Bett zu krabbelte. Ohne zu fragen, zog ich ihn zu mir und küsste ihn. Sanft drückte er mich weg.
„Lucas…, ich weiß nicht, ob das so gut ist?“
„Warum denn…, gefällt dir das nicht?“
„Doch…, du hast aber getrunken…, ich will nicht, dass du etwas machst und es hinterher bereust.“
Ich lag leicht über ihm, schob ihm die Strähnchen aus dem Gesicht.
„Hyun-Woo, wenn ich das hier nicht wollte, würde ich es auch nicht machen. Mag sein, dass ich betrunken bin, aber klar genug um zu wissen, dass ich dich weiter küssen möchte.“
Dieses Mal schwieg Hyun-Woo und zog mich wieder zu sich.
*-*-*
Außer kuscheln und küssen war dann doch nichts gewesen, wir waren beide einfach zu müde, auch wenn Hyun-Woos nackte Haut so angenehm auf meiner wahr. Als ich erwachte, lag ich alleine im Bett, mein Bettnachbar schien wohl schon aufgestanden zu sein.
Ich richtete mich auf und spürte sofort mein Kopf. Ich hätte gestern Abend nicht so viel trinken sollen. Die Tür ging auf und Hyun-Woo, leider schon komplett angezogen kam ins Zimmer.
„Oh, guten Morgen Lucas.“
„Morgen, Hyun-Woo“, gab ich von mir und griff nach meinem Kopf.
Er kam auf mich zu und reichte mir eine Tablette und eine kleine Sprudelflasche.
„Hier nimm, die wirkt sehr schnell“, meinte er grinsend.
Artig nahm ich beides entgegen und schluckte die Tablette gleich. Ich verschloss die Flasche wieder und gab sie Hyun-Woo zurück. Vielleicht sollte ich erst duschen gehen, danach war es mir sicher besser.
So stand ich auf und merkte zu spät, dass ich nackt war. Verschämt rot werdend sah Hyun-Woo weg. Ich schüttelte den Kopf, was ich gleich wieder bereute, bückte mich nach dem Handtuch, das neben dem Bett auf dem Boden lag und band es mir um.
So lief ich zu Hyun-Woo.
„Entschuldige bitte, du denkst sicher, ich habe eine exhibitionistische Ader und renne gerne nackt herum.“
„Sicher nicht…, es ist…“
„Was?“
„Ich…, ich muss mich erst daran gewöhnen, dass du… mit diesem… tollen Body vor mir nackt herum läufst.“
Konnte man noch mehr rot werden? Aber ansteckend allemal! Ich drückte ihm einen Kuss auf den Mund und verschwand ins Bad. Als ich später aus dem Bad zurück kam, war ich etwas enttäuscht, denn er war nicht mehr da.
So zog ich mich schnell an und lief die schmale Treppe hinunter. Jack und Hyun-Woo waren in der Küche zu Gange, aber von So-Woi fehlte jede Spur.
„So-Woi ist bei seiner Großmutter“, sagte Jack und nickte mir kurz zu.
„Meinst du, ich kann ihm entgegen gehen?“
„Sicherlich, er ist schon eine Weile weg und wollte unbedingt mit uns frühstücken.“
So verließ ich das Haus über die Veranda und lief den Weg, den mir So-Woi den Tag zu vor schon gezeigt hatte. Als ich bei dem großen Haus über den lang geschwungen Weg ankam, sah ich einen Mann, der nicht asiatisch aussah.
Ich schaute mich weiter um, konnte aber sonst niemand entdecken. Dieser Mann schien mich ebenso bemerkt zu haben, denn er lief auf mich zu.
„Sie müssen Lucas sein“, sagte er und verneigte sich kurz, bevor er mir die Hand entgegen streckte, „mein Name ist Ri, ich bin der Sekretär von Chefin des Hauses.“
Ah, das ist also der Privatsekretär, den schon erwähnt worden war.
„Freut mich sie kennen zu lernen, ich habe schon von ihnen gehört.“
„Ihr Freund wird gleich erscheinen.“
„Darf ich sie etwas Privates fragen?“
„Natürlich.“
„Sie sind nicht von hier“, lächelte ich ihn an.
„Ich bin hier geboren, falls sie das meinen, aber meine Eltern stammen aus England.“
Ich wunderte mich schon, das von ihm immer nur vor Mr. Ri geredet wurde und keinen vollen Namen.
„England…, nicht weit von Deutschland entfernt.“
„Deutschland ist ein sehr schönes Land, mit viel Kultur und tollen Bauwerken.“
„Danke. Sie arbeiten auch sonntags?“
„Für mich ist jeder Tag gleich, also kein Wochenende, aber mir macht der Beruf sehr viel Spaß, man erlebt sehr viel.“
Meine Erlösung kam die Treppe herunter.
„Hallo Lucas, kommst du mich abholen… Mr. Ri“, rief So-Woi und verneigte sich kurz vor ihm, „meine Großmutter hat nach ihnen gefragt.“
„Danke, ich werde mich sofort auf den Weg machen, ich wünschen ihnen beiden noch einen schönen Sonntag.“
„Danke Mr. Ri!“
Wie So-Woi verbeugte ich mich und schon hatte er uns verlassen.
„Hast du gut geschlafen?“
„Es geht, etwas weniger Soju gestern wäre besser gewesen.“
So-Woi kicherte.
„Und wie war dein Besuch bei deiner Großmutter?“
„Gut, ich musste einfach noch einmal alleine bei ihr vorbei schauen.“
„Das sollte kein Vorwurf sein, oder so klingen.“
„Hat auch nicht so gewirkt.“
„Ich beneide dich um so eine Großmutter, ich habe so etwas leider nie erleben können.“
„Das tut mir leid, aber du wirst meine Großmutter noch einmal genießen dürfen, sie hat mich gebeten zum Mittagessen zu kommen, es kommt Besuch und sie wollte uns dabei haben.“
„Kein Problem, ich freue mich, ich mag deine Großmutter sehr.“
„Hast du etwas dabei, was du zu diesem Anlass anziehen könntest.“
„Mist, ich habe eigentlich nur gemütliche Sachen eingepackt.“
So-Woi grinste.
„Das habe ich mir schon gedacht, aber lass und zurück gehen, da warten sicher schon zwei mit dem Frühstück.
*-*-*
Als wir beide am Haus ankamen, fuhr gerade ein kleiner Lieferwagen weg. Ich wollte noch fragen, aber So-Woi war schnell im Haus verschwunden und bis wir später an der Theke saßen, hatte ich es bereits vergessen.
Natürlich standen da wieder die leckersten Sachen auf der Theke. Eigentlich sollte man denken, nach den Mengen müssten hier sehr viel Dicke herum laufen. Näher betrachtet, sah es immer viel aus, doch meist war es eben Gemüse und andere gute du gesunde Sachen, die den Hunger stillten.
So ein Süppchen am Morgen, mit Reis, Gemüse und etwas Fleisch darin füllte den Magen und es hieß ja immer, Frühstück sei die wichtigste Mahlzeit. Sehnsucht kam auf, nach der Küche meiner Mutter.
Irgendwie war es plötzlich da, mein Zu Hause. Hier war einfach alles, was ich sonst gewohnt war, auf den Kopf gestellt worden, oder ich hatte Dinge gemacht, die ich noch nie gemacht hatte.
Dieses Heimweh traf mich hart und vor allem unvorbereitet. Zwar war die Neugier und der Wissensdurst bisher immer Vorreiter, aber jetzt fehlte mir die Familie, der Ruhepol in meinem Leben.
Selbst meine nervende Schwester kam mir längst nicht mehr so nervend vor, wie sonst. Ich wünschte mir tatsächlich jetzt zu Hause am Familientisch zu sitzen und mit meinen Eltern und meiner Schwester sprechen und diskutieren zu können.
„Lucas, alles in Ordnung?“, hörte ich Hyun-Woo neben mir.
„Hm?“
„Warum weinst du?“
Mir wurde schlagartig bewusst, dass meine Verfassung sich verselbstständigt hatte und mir die Tränen über die Wangen liefen. Ich setzte mich richtig hin und wischte mir diese Tränen aus dem Gesicht.
Mittlerweile hatte auch die beiden Anderen ihr Gespräch beendet und schauten auf mich.
„Ich…, ich weiß auch nicht, warum ich plötzlich so drauf bin. Mir fehlt plötzlich mein Zu Hause, ich habe Heimweh nach meiner Familie.“
Hyun-Woo stand auf und nahm mich in den Arm, drückte mich fest an sich. Erst jetzt fingen die Tränen an richtig zu laufen und aus einem leisen Wimmern wurde ein Schluchzen.
„Es ist zu viel für ihn“, hörte ich Hyun-Woos leise Stimme und spürte seine Hand auf meinen Rücken die sanft auf meinen Rücken klopfte, „er ist knapp zwei Wochen da und es gab nicht einen Tag, an dem nichts vorgefallen wäre.“
Er hatte Recht. Kein einziger Tag ohne, dass irgendetwas normal abgelaufen wäre. Klar gab es immer wieder sehr schöne Dinge, an die ich mich auch ewig erinnern würde, aber negative Sachen, die mir auf den Magen schlugen gab es halt auch.
„Wir müssen irgendetwas tun, ich möchte nicht, dass er noch einmal zusammen bricht.“
„Aber was?“, fragte So-Woi.
Darauf kam keine Antwort. Langsam beruhigte ich mich wieder.
„Vielleicht sollten wir zusammen packen und zurück fahren“, kam es von Jack.
„Wir sind beide nachher bei Großmutter zum Essen eingeladen, das können wir schlecht absagen“, erwiderte So-Woi.
„Und wenn wir sagen, dass sich Lucas nicht besonders fühlt…“, hörte ich wieder Hyun-Woos Stimme.
„Sie hat ausdrücklich nach Lucas verlangt…“
„Ach so.“
Ich richtete mich langsam wieder auf und löste mich von Hyun-Woo, der mir ein Papiertaschentuch entgegen hielt. Dankbar nahm ich es an, putze mir die Nase und wischte mir die restlichen Tränen aus den Augen.
„Danke…“, sagte ich leise.
„Nicht dafür“, hörte ich hinter mir Hyun-Woo sagen, der sich dann wieder auf seinen Platz setzte, „ich möchte nur nicht, dass es dir noch einmal so schlecht geht, wie in den ersten Tagen.“
Ich legte meine Hand auf sein Knie und lächelte ihn an. Jack stand auf und verschwand kurz, um wenig später wieder mit einem Karton zurück zu kommen.
„Für dich!“, lächelte er und setzte sich wieder zu So-Woi.
Für mich? Ich stellte die Schachtel auf meine Beine und zog am Deckel. Zum Vorschein kam irgendetwas aus Stoff. Ich schaute zu Jack, der aber nur grinste. Ich schlug das Seitenpapier auf die Seite.
Wenn ich mich nicht täuschte, war das eine schwarze Hose und ein weißes Hemd. Woher hatten die so schnell Sachen für mich? Mir kam der Lieferwagen in den Sinn.
„Anprobieren!“, hörte ich Hyun-Woo, neben mir sagen.
Ich reichte ihm die Schachtel und rutschte von meinem Barhocker. Ich zog das T-Shirt über den Kopf und bekam von Hyun-Woo dafür das Hemd gereicht. Ich zog es an und knöpfte es zu.
Dass es so passgenau war, wunderte mich nicht mehr. Nun hielt mir Hyun-Woo die Hose hin. Ohne darüber nachzudenken ließ ich die Shorts hinuntergleiten und stand nur noch in Boxershorts da.
Mir entgingen Jacks Blicke auf die Wölbung meiner Boxer nicht, aber es war mir schlicht weg egal. Neben mir raschelte es und Hyun-Woo zog noch etwas hervor. Eine Weste – aber nicht einfach eine schwarze Weste, nein nur der Rückenstoff war schwarz.
Vorne drauf war ein bunter Stoff, bestickt mit Vögeln. Meine Augen wurden groß, die sah sehr edel aus. Ich schlüpfte hinein und verschloss auch hier die Knöpfe.
„Wow, du siehst gut aus, fast Konkurrenz zu mir“, kicherte So-Woi.
„In diesem verwaschen Shirt sicherlich nicht“, meinte ich und zeigte auf ihn.
„Das kann man ändern!“, sagte er und lief die Treppe hinauf.
„Oh, da fehlt noch etwas“, kam es von Jack, verschwand nochmal und kam mit einer Schuhschachtel zurück.
Was das alles gekostet hatte? Es machte keinen Sinn sich darüber den Kopf zu zerbrechen, es war die Gastfreundschaft meiner Freunde, warum sollte ich mich da noch wehren? Gut, so edle Sachen hätten mein Budget längst getilgt, aber sie trugen sich unheimlich gut auf der Haut.
Jack hielt mir die geöffnete Schuhschachtel entgegen und so konnte ich die Schuhe entnehmen. Schwarze Lederschuhe, einfacher Schnitt und trotzdem genauso edel, wie die anderen Sachen.
Während ich hinein schlüpfte, die Pendel zuband, begannen Jack und Hyun-Woo abzuräumen.
*-*-*
So-Woi hatte recht gehabt, in seinen Sachen sah er einfach übelst gut aus. Wir waren gerade am Haus angekommen, als ein Wagen vorfuhr. So-Woi und ich blieben stehen, während aus der Haustür So-Wois Grandma heraustrat.
Der Fahrer stieg aus und öffnete die Tür hinter ihm. Ein Diener kam die Treppe herunter und öffnete die andere hintere Tür. Es wurde Hilfestellungen zum Austeigen gegeben und zum Vorschein kamen… mein Großvater und meiner Großmutter.
Mit großen Augen schaute ich zu So-Woi, der aber nur mit der Schulter zuckte. Jetzt hielt mich nichts mehr und ich lief zum Wagen. Natürlich wollte ich als Enkel ein gutes Bild machen und half meiner Großmutter vollends aus dem Gefährt und stieß dabei leicht den Diener zur Seite. Entschuldigend schaute ich zu ihm, er verzog aber keine Mine.
„Danke mein Junge, gut siehst du aus.“
„Hallo Großmutter“, meinte ich und verneigte mich leicht, soweit es mir möglich war, denn sie hielt sich immer noch an meinem Arm fest.
So-Woi hatte sich zu seiner Grandma gesellt.
„Ich wusste nicht, dass ihr hierherkommt“, sagte ich leise zu Großmutter, während Großvater langsam um den Wagen herum lief.
„Großvater!“, sagte ich und verneigte mich nochmal.
Er sah mich kurz an und brummte irgendetwas unverständlich. Schließlich ließ er mich links liegen und lief Richtung Gastgeberin. Ich wollte noch etwas sagen, aber der Druck an meinem Arm, durch meine Großmutter verstärkte sich, so blieb ich still.
„Park Sung-Min, alter Freund, lange haben wir uns nicht mehr gesehen!“, kam es von So-Wois Grandma.
Die beiden kannten sich also. Wie klein doch die Welt war, aber wie ich vorhin schon feststellte, hier durfte man sich über nichts wundern.
„Jeong Shin-Sook“, sagte Großvater, verneigte sich leicht, bevor er langsam die Stufen hinauflief.
So-Woi wollte ihm zur Hilfe kommen, aber er schob dessen Hand weg. Ich schaute zu Großmutter, die aber nur freundlich lächelte.
„Komm“, meinte sie leise und ich half ihre die Treppe hinauf.
„Yoon Kil-Soon, freut mich dich wieder zusehen.“
„Hallo Shin-Sook, ja wir sind alt geworden und haben viel zu lange gewartet, um uns wieder zu sehen…, wann war das letzte Mal, bei der Beerdigung deines Mannes?“, erwiderte Großmutter.
So-Woi war langsam Großvater nachgelaufen, der nun seine Grandma erreicht hatte. Er blickte kurz zu mir und lächelte. Mittlerweile hatten auch wir die oberste Stufe erreicht. Man schüttelte sich die Hände, bevor man ins Haus ging.
Die ganze Zeit hielt sich Großmutter an meinem Arm fest.
„Schön hast du es hier“, sagte sie zu Si-Wois Grandma.
„Ja, nach dem Tod meines Mannes habe ich einiges ändern lassen.“
„Viel zu groß“, war Großvaters Bemerkung.
„Kauzig, wie früher“, lachte Si-Wois Grandma.
„Stimmt, er hat sich kein bisschen geändert“, sagte Großmutter neben mir.
„Davon habe ich schon gehört! Aber lasst uns zu Tisch gehen, das Essen wird sicher gleich aufgetragen.“
Großmutter ließ es sich nicht nehmen, sich weiterhin führen zu lassen. Bei Tisch zog ich ihren Stuhl zurück, sie setzte sich. Da Großvater keinerlei Anstalten machte, sich helfen zu lassen, wartete ich kurz, bis sich Si-Wois Grandma hinsetzte, bevor ich mich neben Großmutter niederließ.
So blieb für Großvater nur noch der Platz neben Si-Won übrig. Großmutter griff wieder nach meiner Hand und zog sie zu sich.
„Warum hast du dir nie ein Haus gebaut, wie ich gehört habe, wohnst du immer noch im gleichen Haus mit dem Laden“, fragte plötzlich Si-Wois Grandma.
„Und das Geld?“
Von welchem Geld war hier die Rede? Woher kannten sich die Zwei. Ich schaute zu Si-Woi, aber nach seinem Gesichtsausdruck zu schließen, wusste er auch nicht Bescheid.
„Liegt auf der Bank, ich habe es nicht angerührt.“
„Warum?“
„Ich habe es damals nicht gewollt und will es heute noch nicht.“
„Dann erben es deine Kinder?“
„Wenn ich sterbe, können die damit machen, was sie wollen, ich will damit nichts zu tun haben und mein Geld auf ehrliche Art verdienen, wie ich es auch mit harter Arbeit getan habe.“
„Wir haben das Geld offiziell und legal geerbt, unser Lehrer hat uns als seine Erben eingesetzt.“
„Lehrer?“, rutschte es mir heraus.
Ups! Mist! Laut zu denken, ein kleiner Fehler meinerseits, der mir öfter passierte. Von Großvater erntete ich bitterböse Blicke. Si-Wois Blick konnte ich nicht deuten. Die Damen dagegen lächelten beide.
„Ich möchte nur Geld verwenden, das ich mit eigener harter Arbeit verdient habe. Was mir Lehrer Quinn Jenn vererbt hat, war ein Fehler, er hätte sich jemand anderes aussuchen sollen.“
„Er hat sich nun mal dich und mich ausgesucht…, aber lassen wie das sein.“
Im gleichen Augenblick, als ihr Satz endete, wurde eine Tür geöffnet und die ersten Speisen wurden aufgetragen. So wie eben lief nun das ganze Essen. Entweder mein Großvater schwieg, oder es kam eine für mich engstirnige Antwort.
Warum war Großvater so weltfremd und hasste alles, was aus dem Ausland kam.
„Du solltest unser Gemüse und Obst vernehmen, damit unterstützt du auch unsere Bauern!“
Noch so eine geistreiche Bemerkung. Das Essen war wirklich gut, es schmeckte alles prima, was sollte das anderes Gemüse oder Obst ändern. Ich dachte eigentlich, dass unsere Gastgeberin irgendwann ihre Geduld verlieren würde, aber So-Wois Grandma blieb ruhig.
Etwas später, die beiden Damen besichtigten den Kräutergarten, saß ich draußen neben So-Woi auf einem Mauervorsprung. Großvater lief im Garten umher, schaute sich Pflanzen und Büsche an.
„So langsam verstehe ich deine Mutter…“
Ich nickte. Traurig war ich trotzdem, dass mein Großvater so ablehnend war, besonders mir gegenüber. Hatte ich mir beim letzten Gespräch wirklich zu viel herausgenommen.
„Du bist sicher, dass du ihn wirklich näher kennen lernen willst?“
Ich schaute ihn an.
„Er … gehört zu meiner Familie… ach ich weiß auch nicht… im Augenblick kann ich keinen klaren Gedanken mehr fassen.“
Ich spürte Si-Wois Hand auf meiner Schulter, die er freundschaftlich klopfte.
„Mag sein, aber ich denke, du solltest dir mehr Zeit nehmen und nicht gleich alles auf einmal erledigen wollen, was du dir vorgenommen hast.“
„So gesehen habe ich mir nichts vorgenommen.“
„Quatsch! Jeder hat doch bei so etwas bestimmte Vorstellungen und Wünsche, wie sein weiteres Leben verlaufen soll.“
Ich zuckte mit der Schulter und atmete tief durch. Mein Blick fiel wieder auf Großvater, der sich gerade ein Gewächs näher anschaute. Ich stand auf und lief zu ihm hin.
„Was ist das für eine Pflanze?“
„Das ist eine Mugunghwa, die Nationalblume für Korea“, antwortete er mir, ohne mich anzuschauen.
„Ich glaube, davon hat mir Mama schon erzählt und wir haben im Garten auch so etwas.“
Er schaute mich kurz an, widmete sich dann wieder der Pflanze.
„Warum bist du gekommen?“, fragte er plötzlich.
„Das habe ich dir doch schon gesagt…“
„… ich meine den wirklichen Grund!“, unterbrach er mich.
„Ich verstehe dich nicht!“
„Welcher Taugenichts will etwas über Länder und Kulturen lernen?“
In mir fing es an zu brodeln. Ohne einen Grund mich beleidigen lassen, dass musste ich mir wirklich nicht geben.
„Warum sagst du so etwas, du kennst mich nicht!“
Mein Ton war schärfer geworden.
„Ihr seid doch alle so., wollte nicht viel Arbeiten, aber schnell viel Geld machen.“
„Ich weiß nicht, woher du diese Weisheit hast, aber mich als Taugenichts zu bezeichnen ist beleidigend, so etwas sagt man nicht zu seinem Enkel. Ich verstehe meine Mutter, dass sie von dir wegwollte, mit so einem Me…, nein ist das überhaupt menschlich?“
Mittlerweile standen die zwei Großmütter bei Si-Woi in unserer Nähe, was mir aber egal war.
„Was erlaubst du dir überhaupt, so mit einem Älteren…“
„Was ich mir erlaube? Meine Mutter hat mir beigebracht, dass ich immer höflich und gerecht zu jedem bin, nicht aufs Alter bezogen oder Verwandtheitsgrad. Aber wie soll ich bitte schön höflich bleiben, wenn mein Gegenüber, die Grundformen der Menschlichkeit mit Füßen tritt?“
Darauf bekam ich keine Antwort.
„Du sagst ich soll dich respektieren? Würde ich gerne, aber nicht so, wie du dich gerade mir gegenüber verhältst, oder meine Mutter behandelst!“
Ich wandte mich von ihm ab, lief zu Großmutter.
„Es tut mir leid, Großmutter, ich kann das nicht, er tut mir nur weh…“, weiter konnte ich nicht reden.
Tränen bahnten sich ihren Weg über meine Wangen. Ich drehte mich weg und lief den Weg den wir gekommen waren, zurück zum kleinen Haus. Dort angekommen, rannte ich ohne zu grüßen die Treppe hinauf, knallte hinter mir die Tür zu und fing laut an zu heulen.
„Warum nur!“, schrie ich, „was habe ich gemacht, dass er mich so behandelt?“
Plötzlich kam mir alles so sinnlos vor. Warum war ich überhaupt hier her gekommen? Ich ging an den Schrank und zog meine Tasche heraus, zog Klamotten heraus und drückte sie in die Tasche.
Warum länger hierbleiben, warum dieses Land noch kennen lernen, wenn man nicht mal von der eigenen Familie akzeptiert wird. Wenn er erfahren würde, dass ich auf Jungs stehe, würde er mich wahrscheinlich erschlagen oder so etwas.
Ich fiel auf die Knie, fühlte mich so kraftlos. Die Tür ging auf, ich schaute mich aber nicht um. Ich merkte nur wie ich von hinten in den Arm genommen wurde.
„Lucas…“
„Ich kann nicht mehr…, will auch nicht mehr. Ich packe meine Sachen und fliege mit der nächst möglichen Maschine zurück nach Deutschland.“
„Lucas…, hör auf… bitte…!“
Hyun-Woos Stimme. Ich drehte mich leicht und schaute ihm direkt in die Augen. In der Tür standen Jack und So-Woi.
„Tut mir leid…, ich kann einfach nicht mehr… ich hab mir das alles viel leicht vorgestellt. Vor vierzehn Tagen war meine Welt noch in Ordnung, habe gedacht ich könnte Bäume ausreißen… aber jetzt… schau mich an… bin nur noch ein Schatten meiner Selbst… nur am heulen…“, weiter kam ich nicht mehr, denn ich sackte einfach nach vorne.
Die Kraft war weg, Reserven aufgebraucht. Nur aus der Ferne nahm ich wahr, das mich jemand hochhob und aufs Bett legte, weiter war da nichts mehr, es gingen einfach die Lichter aus.
*-*-*
Ich konnte aufgeregte leise Stimmen um mich herum hören, aber nicht verstehen, was sie sagten. Meine Lider waren schwer, sie gingen irgendwie nicht auf. Mein Körper gehorchte mir nicht mehr.
Ich wollte schreien, weil ich das Gefühl hatte immer tiefer zu stürzen. Doch auch dies ging nicht, kein Laut kam aus mir heraus, immer tiefer zog es mich hinunter, bis da alles nur noch schwarz und still war.
Stirbt man so? Aber warum sollte ich sterben, ich war nicht krank. Die Stille machte mir Angst, auch diese Dunkelheit. Wo war ich? Ich wollte nach meinem Herz greifen, ob es noch schlug, nicht mal das ging.
*-*-*
Ich versuchte es noch einmal, öffnete langsam meine Augen. Es wurde heller, es ging. Verschwommen nahm ich meine Umgebung war. Jemand hielt meine Hand, aber keine Stimmen waren zu hören.
„Lucas?“, drang es plötzlich in mein Ohr.
Langsam drehte ich meinen Kopf in die Richtung, aus der mein Name gesagt wurde und ein verschwommener Kopf kam ins Blickfeld. Langsam wurde das Bild vor mir deutlicher.
„Hyun….Woo?“
„Ja Lucas, ich bin es.“
„Wo…, wo bin ich? Was ist… passiert?
„Du bist im Krankenhaus. Als du zusammengesackt bist, bei So-Woi, hat dich Jack gepackt und wir haben dich sofort ins Krankenhaus gebracht.“
„Krankenhaus…?“
Ich wollte mich aufrichten, aber Hyun-Woo drückte mich aufs Bett.
„Du bleibst bitte liegen, der Arzt hat gesagt, keinerlei Anstrengungen.“
„Wo sind die… Anderen?“
„Im Augenblick habe nur ich Zutritt, sonst keiner.“
„Warum… das denn?“
„Der Arzt hat gesagt, du hattest einen Schwächeanfall, den eigentlich nur ältere Menschen haben. Du wärst viel zu jung dafür.“
„Schwächeanfall?“
„Ja und damit es dich nicht zu sehr mitnimmt, habe nur ich bei dir Zutritt.“
„Warum…?“
„Ich habe gesagt, ich bin für dich verantwortlich!“
*-*-*
Ganze drei Tage war ich von der Außenwelt abgeschnitten, außer Hyun-Woo bekam ich nur Klinikpersonal zu sehen. Die drei Jungs hatten entschieden, dass meine Eltern nicht verständigt wurden, was mir eigentlich sehr recht war.
Mir war das alles plötzlich so peinlich, ich hatte mich einfach gehen lassen, nicht auf meinen Vater gehört und wieder auf die Schnauze gefallen, bildlich gesehen. Nun hieß es aber ausruhen.
Außer auf die Toilette, durfte ich nicht aufstehen. Das Waschen übernahm Hyun-Woo, was mir anfangs ebenso peinlich war, so auch, dass er mich immer auf die Toilette brachte und wieder holte.
Aber ich hatte nicht die Kraft mich zu wehren. Irgendwann ergab ich mich auch dem, was komischerweise mein Wohlbefinden besserte. Ein Arzt erklärte mir, dass alles, was mich innerlich aufrührte, Stress machte, meiner Gesundheitslage nicht bekömmlich war.
Also jeder negative Gedanke, der verschwand, brachte mich meiner Genesung näher. Dass ich in einer privaten Klinik untergebracht war, auch deshalb alleine im Zimmer lag. Nicht ganz alleine. Es gab eine Couch in meinem Zimmer, auf der Hyun-Woo nächtigte und so in meiner Nähe bleiben zu können.
Er war so aufopfernd, so lieb zu mir, dass ich mir vornahm, schnell gesund zu werden. Heute war nun der vierte Tag und der Arzt sagte, ich dürfe aufstehen und etwas in Begleitung herum laufen.
Wieder war es Hyun-Woo, der mir aufhalf, mich mit Kleidung versorgte und auch die ganze Zeit neben mir blieb, solange ich am Laufen war.
„Hyun-Woo, du kannst mich loslassen…“
„Aber wenn du wieder hinfällst?“
„Tu ich nicht, ich fühl mich schon viel besser!“, sagte ich, drehte mich etwas zu ihm, was meinem Gleichgewicht nicht gut tat, denn ich kam etwas ins Schwanken.
„Siehst du, dir geht es noch nicht besser.“
Ich lächelte ihn an, sagte nichts und wir liefen weiter.
*-*-*
Am fünften Tag wurde mir gestattet, wieder Besuch zu bekommen. Der erste, der mich besuchte, war ein Blumenhändler, der einige Sträuße oder Gestecke brachte und in meinem Zimmer verteilte.
„Von wem sind die alle?“, fragte ich Hyun-Woo.
Er zog eine Karte aus dem ersten Strauß.
„Von deiner Großmutter, sie wünscht dir, dass du schnell gesund wirst und sie dich bald wieder sehen kann.“
„Auf neutralen Boden! Das Haus meines Großvaters betrete ich nie wieder!“
Schließlich hatte ich es ihm zu verdanken, dass ich hier gelandet war.
„Lucas!“
„Hm?“
„Hör auf!“
„Mit was denn?“
„Ich sehe ganz genau, dass du dich wieder ärgerst!“
So dominant gefiel mit Hyun-Woo richtig gut. Ich lächelte und er schwieg wieder.
„Der ist von So-Woi, steht jedenfalls auf der Karte und Jack hat auch unterschrieben.“
„Und die anderen?“
„Familie und Freunde!“
„Freunde? Außer dir kenne ich nur So-Woi und Jack.“
„Jae-Joong…“
„Stimmt… hä… was für einen Tag haben wir heute?“
„Freitag, wieso?“
„Scheiße, wann sollten wir Jae-Joong abholen?“
„Heute, aber das erledigt Jack bereits.“
„Ich hatte es ihm versprochen.“
„Wenn er erfährt, was mit dir los ist, wird er froh sein, dich in ärztlicher Obhut zu wissen.“
„Bist du sicher? Er weiß sicher noch nicht, dass ich nicht mehr in seinem Elternhaus wohne.“
„Negativer Gedanke!“
„Ja ist schon gut.
Ich verdrehte die Augen und Hyun-Woo kicherte. Es klopfte an der Tür. Hyun-Woo ging hin und zog sie auf. So-Woi erschien und Hyun-Woo verneigte sich.
„Hallo ihr zwei und bereit für den ersten Besuchsmarathon?“
„Hä?“, war das einzige, was ich hervorbrachte.
So-Woi kam an mein Bett und umarmte mich erst mal richtig.
„Geht es dir besser?“
„Besser als in den vergangenen Tagen.“
„Eine Bitte hätte ich an dich Lucas.“
„Welche da wäre?“
„Erschreck mich bitte nie wieder so…“
„Öhm, wenn mein Bodyguard so weiter macht, wird es nicht mehr vorkommen.“
„Du hast einen Bodyguard?“, fragte So-Woi verwundert.
„Ja“, lächelte ich und zeigte auf Hyun-Woo.
„Ach so.“
„Mein Bodyguard ist etwas anders, musst du wissen, er schütz mich eher vor mir selbst, als vor andere.“
Dass Hyun-Woo über mein Gerede nicht verärgert war, verriet seine kräftig, rote Gesichtsfarbe und das verschüchterte Lächeln.
„Fühlst du dich wohl genug schon Besuch zu bekommen.“
„Ich ertrage ja dich, also werde ich schon den Rest schaffen.“
„Seinen Humor hat er auf alle Fälle wieder“, meinte Hyun-Woo leise.
„Da hast du Recht. Der Arzt meinte, es sollen nicht so viele auf einmal kommen und auch nicht zu lange, so werden immer nur zwei dich besuchen. Als erstes kommt dein weiblicher Fanclub.“
Erschrocken sah ich So-Woi an. Fanclub und auch noch weiblich? So-Woi kicherte und ging zur Tür. Langsam zog er sie auf und trat hinaus. Wenige Sekunden später traten seine Grandma und meine Großmutter ein.
Dies bescherte mir ein Grinsen, da ich nun wusste, wer mein weiblicher Fanclub war.
„Siehst du er lächelt schon wieder, dann muss es ihm besser gehen“, meinte So-Wois Grandma.
„Hallo, das ist aber lieb, dass ihr mich besuchen kommt“, sagte ich und wollte aufstehen.
„Bleib liegen, junger Mann!“, sagte Großmutter.
Beide reichten sie mir die Hand und ich nickte ihnen zu.
„Ich hoffe, sie behandeln dich hier gut?“, fragte So-Wois Grandma.
„Ja, danke! Alles sind sehr nett zu mir und Hyun-Woo hilft mir wo es nur geht!“
Mein Gesichtsausdruck wurde automatisch etwas betrübter.
„Es tut mir leid…, dass ich Großvater so angeschrien habe und euch nur Ärger gebracht habe.“
Großmutter trat näher und nahm wieder meine Hand, dass schien sie sehr gerne zu machen.
„Lucas, du brauchst dich für gar nichts zu entschuldigen. Wenn jemand Schuld hat, dann alleine dein Großvater. Egal was kommt, wir stehen alle hinter dir!“
Ich nickte, obwohl ich das noch nicht so richtig glauben konnte.
„Außerdem war so etwas schon lange nötig!“, meinte So-Wois Grandma.
„Ist er denn nicht sauer auf mich?“
„Anfänglich schon, aber als er hörte, dass du ins Krankenhaus gebracht worden bist, wurde er sehr still und nachdenklich.“
„Ich wollte das wirklich nicht, aber er hat mich so wütend gemacht!“
„Lucas…!“, hörte ich Hyun-Woos warnende Stimme.
Ich schaute auf.
„Ja… ich bin brav…!“
Er nickte.
„Ich sehe, du hast einen guten Aufpasser auf dir. Ich habe veranlasst, dass wenn du entlassen wirst, genügend frisches Obst zu So-Wois Wohnung gebracht wird, natürlich aus dem Laden deiner Großmutter.“
„Danke, das ist nett.“
„So, wir werden dich nun wieder alleine lassen, es warten draußen noch mehr.“
„Mehr? Wer denn?“
„Lass dich überraschen.“
Während meine Großmutter meine Hand noch einmal kräftig drückte, streichelte mir So-Wois Grandma über die Haare. Dann verließen sie mein Zimmer und Jack und Jae-Joong erschienen.
Das freute mich besonders, weil ich ihn seit zwei Wochen nicht mehr gesehen hatte.
„Da lässt man dich mal zwei Wochen alleine und du stellst ganz Seoul auf den Kopf, Alter. Was machst du denn für Sachen?“, begrüßte mich Jae-Joong und umarmte mich.
„Ähm…, gemacht habe ich nicht viel.“
Jack nickte mir zu und stellte sich neben Hyun-Woo.
„Jack, kommst du bitte mal her?“
Verwundert schaute er mich an und zeigte auf sich. Ich nickte. Jae-Joong trat zur Seite und Jack trat ans Bett. Ich öffnete meine Arme. Nur zögerlich näherte er sich, bis ich ihn greifen konnte und in meine Arme zog.
„Danke Jack…, für alles!“
„…, nichts zu danken, habe ich gerne gemacht.“
Ich ließ ihn los. Jae-Joong setze sich zu mir aufs Bett.
„Du scheinst während meiner Abwesenheit viel erlebt zu haben.“
„Oh ja, ich wurde sogar entführt!“
„Entführt? Ist nicht wahr!“
„Doch von einem… In Book… Back…“
„Back In Jook?“
„Ja genau der und seine Männer.“
„Was hast du denn mit dem zu schaffen?“
„Nichts mehr…“
„Ach so, ich habe schon gehört, du wohnst nicht mehr bei uns.“
„Ja dein Vater hat mich rausgeworfen!“
„Entschuldige, das tut mir leid.“
„Muss es nicht, du kannst für dein Vater nichts.“
Er griff nach meiner Hand.
„Lucas, ich verspreche dir, dass wir alles wieder normal. Wenn ich ihn das nächste Mal sehe, werde ich ein Wörtchen mit ihm reden, so langsam habe ich die Nase voll!“
„Du tust gar nichts…, ähm das nächste Mal, dass wird doch sich heut Abend sein.“
„Mein Vater zu Hause? Hast du nicht gemerkt, dass er fast nie zu Hause ist?“
War mir aufgefallen, aber ich hatte kein Wort darüber verloren. Ich nickte nur.
„Er wird wie jeden Abend bei seiner neuen Flamme sein…“
Erschrocken schaute ich ihn an.
„Das weißt du? Und deine Mutter?“
„Wir wissen das schon lange. Meine Mutter überlegt schon eine Weile, ihn zu verlassen und sich scheiden zu lassen.“
„Echt jetzt? Das tut mir aber leid, deine Mutter ist so eine Liebe.“
„Ja ich weiß, deshalb braucht sie auch meine volle Unterstützung.“
Jack räusperte sich und Jae-Joong schaute auf die Uhr.
„Man, wie die Zeit vergeht“, er stand auf, „Lucas, wir sehen uns in den nächsten Tagen sicher, ich werde nun gehen, denn draußen wartet noch jemand.“
„Noch jemand?“
„Ich sag nichts…“, meinte Jae-Joong und umarmte mich noch einmal kurz, bevor er mit Jack das Zimmer verließ.
„Alles in Ordnung mit dir?“, flüsterte Hyun-Woo.
„Ja!“, lächelte ich ihn an, zog ihn zu mir und gab ihm einen Kuss.
Als die Tür aufgezogen wurde, fuhren wir auseinander und ich bekam gleich meinen nächsten Schock. Dort stand mein Großvater.
2 Kommentare
Hallo Pit,
eine gelungene Fortstzung mit einem wieder spannenden Ende…
freu mich auf weitere Teile.
Grüße
Claus
Donnerwetter, welch hervorragend spannende Storie, macht Spaß zu lesen. Ich bin gespannt, wie es weitergeht.
VlG Andi