13. Türchen – No one else II

„Hallo Junge“, meinte sie ernst, als sie unsere Wohnung betrat.

Ich nahm ihr den Mantel ab und hängte ihn an die Garderobe. Mama lief derweil Richtung Küche. Ich folgte ihr und Placido und Letizia waren genauso überrascht sie zu sehen wie ich.

Hallo Maria…“, kam es von Placido, der auf stand, um sie zu begrüßen, „was führt dich so früh hier her?“

„Die Sorge um euch…“, antwortete sie und setzte sich neben Letizia, der Hand sie drückte.

„Warum machst du dir Sorgen, Mama… auch einen Kaffee?“

„Danke Davide…, wie ihr wisst, wasche ich immer noch Emilios Wäsche und da habe ich etwas gefunden.“

Sie öffnete ihre Tasche und zog einen Umschlag heraus.

„Das Telegramm…“, sagte ich leise und ließ fast vor Schreck die Tasche fallen.

„Telegramm? Nein, einen Brief, adressiert an Emilio.“

Placido stand auf, nahm mir die Tasse ab und bugsierte mich auf seinen Stuhl.

„Von wem ist der?“, wollte Letizia wissen.

Mama hielt den Umschlag, verkehrt herum direkt vor Letizias Gesicht. Ich traute meinen Augen nicht, denn da stand Emiliano Bianchi Junior als Absender. Was hatte Emilio zum Teufel mit Emiliano zu tun und warum schreibt dieser meinem Bruder einen Brief.

Placido hatte inzwischen einen Kaffee heraus gelassen und servierte ihn meiner Mutter. Danach ließ er sich neben mir nieder und griff nach meiner Hand.

„Du hast ihn gelesen?“, fragte ich tonlos.

„Natürlich habe ich ihn gelesen und dann Emilio, der heute Morgen gut gelaunt bei uns auftauchte, zur Rede gestellt.“

„Und was hat er als Erklärung abgegeben?“, fragte Letizia nun säuerlich.

„Lediglich, dass er dies nur für die Familie tut und warf mir dann noch Sachen an den Kopf, die mich sprachlos machten. Danach ist er einfach abgehauen… und ich bin gleich zu euch gefahren…“

Sie reicht Placido den Brief. Dieser öffnete ihn und zog ein Blatt heraus. Er überflog das Geschriebene kurz und schüttelte den Kopf.

„Was?“, wollte ich wissen.

„Emiliano will alles über mich wissen… und auch über dich, da stehen Fragen über meine Einkünfte und Ausgaben drin, in welchen Lebensstil wir wohnen, ob ich dir großzügige Geschenke mache und Sonstiges?“

„Und das wollte er von Emilio wissen?“, fragte Letizia ungläubig, „mein Emilio?“

Placido reichte ihr den Brief.

„Ich verstehe das nicht…“

„Ich schon“, meinte ich und es trieb mir die Tränen in die Augen.

Placido schaute mich fragend an.

„Verstehst du denn nicht?“, fragte ich Placido fahrig und wischte mir die ersten Tränen aus dem Gesicht.

Ich sprang von meinem Stuhl auf und lief zum Fenster.

„Was soll ich verstehen“, fragte Placido.

„… jetzt wird mir einiges klar… er hat die ganze Zeit uns etwas vorgespielt…!“

„Davide, könntest du bitte mal Klartext reden!“, herrschte mich nun Letizia an.

„…Emilio“, fing Mama an, „ hasst David, weil er schwul ist. Seinen eigenen Bruder…, er hat ihm das, was an vergangenen Weihnachten passiert ist, immer noch nicht verziehen.“

„Das glaub ich jetzt nicht…“, meinte Placido und kam zu mir und nahm mich von hinten in den Arm.

„Er ist der festen Meinung, Davide ist schuld, dass mein Mann ins Krankenhaus musste, auch glaubt er felsenfest daran, dass Davide niemals sein Bruder sein kann“, sprach Mama leise.

Das verletzte jetzt nicht nur mich, ich wusste, dass Mama sehr darunter litt. Dies hieße, dass Emilio genauso glaubte, sie wäre fremd gegangen.

„Und was wollen wir jetzt tun? Warten bis Emilio mir wieder die Fresse poliert?“, fragte ich mit weinerlichen Stimme.

Placido drehte mich und nahm mein Gesicht in seine Hände.

„Hört mir genau zu Davide De Luca, so etwas wird nie wieder vorkommen!“

„Genau, vorher knüpfe ich ihn mir vor!“, kam es genauso energisch von Letizia.

„Das löst auch nicht das Problem, ich frage mich eher, warum Emiliano das alles wissen will und uns all diese unnötigen Fragen gestellt hat?“

„Wie… Emiliano hat euch dieselben Fragen schon gestellt?“, fragte Mama entsetzt.

Jetzt hatte ich mich doch verplappert. Mein schlechtes Gewissen machte sich bemerkbar. Ich senkte den Kopf.

„… er ist schon seit zwei Tagen in Florenz…, als Emilianos Fragen immer privater wurden, warf Placido ihn raus!“

„Schon zwei Tage? Und wann wolltet ihr mir das sagen? Was habt ihr mit der Familie Bianchi zu tun?“

Ich zuckte mit den Schultern, weil ich hier für keine Antwort parat hatte. Aber mich beschäftigte eher, warum Emiliano Junior plötzlich so Interesse an uns hatte.

„Erinnerst du dich daran, als Letizia beim letzten Mittagessen meinte, sie hätte da etwas für uns…, eine Interviewanfrage“, fragte Placido.

„Ja klar erinnere ich mich daran, aber was hat das damit zu tun?“, wollte Mama wissen.

„Die Interviewanfrage kam vom Junior, erklärte Letizia, „aber bis zu dem Zeitpunkt war uns nur der Name der Zeitung bekannt!“

„Wir erfuhren den Namen erst, als er uns vorgestern im Hotel vorgestellt wurde“, fügte Placido noch hinzu.

„Und ich habe wiederum durch eine Freundin erfahren, Dass Bianchi Senior, drüben in den Staaten, seine Koffer gepackt hat und mit Ziel unbekannt, abgereist wäre. Im St. Regis haben wir dann erfahren, dass er im Hotel absteigen würde.“

„Emiliano ist ebenfalls da?“

Ich nickte.

„Seit gestern Abend“, sagte Letizia leise.

„Ist er auch in diese Sache verstrickt?“, fragte Mama.

„Wissen wir nicht“, antwortete ich.

„Kind, wo bist du da nur hinein geraten?“

„Wir, Maria, WIR! Das würden wir gerne selbst wissen“, antwortete Placido wahrheitsgemäß.

Ein Handy gab Laut und wir stellten fest, dass es sich um das von Mama handelte. Sie schaute kurz auf ihr Display und nahm das Gespräch an.

„Hallo Liebes“, meinte sie, also war es Dana.

„… nein… ich bin bei Davide…etwas klären.“

„… dann komm vorbei, wenn du etwas zu erzählen hast und nicht am Telefon darüber reden willst! …Ja dann bis gleich!“

Mama drückte das Gespräch weg und ließ ihr Handy wieder in ihre Tasche gleiten.

„Sie kommt her.“

„Okay“, meinte ich und drehte mich zu Placido, der mich immer noch ungläubig anschaute.

„Wie… wie sieht Emiliano Junior aus?“, kam plötzlich die Frage von Mama.

Geschockt sah ich sie an.

„Durchschnittlich, absolut nicht mein Typ!“, kam es trocken von Placido und die zwei Damen mussten grinsen.

Ich gab ihm böse schauend einen Boxer auf seiner Schulter.

„Was denn, darf man nicht mal einen Witz machen? Diese Typ verdirbt mir die ganze Laune und bringt mein Leben durcheinander und… anderes auch!“

Da war er wieder mein alter Placido, aufbrausend und angesäuert, so herrschte er mich an. Er stand auf, ging  an eine Schublade und zog eine Schachtel Zigaretten heraus. Ohne Rücksicht auf mich, der Rauch hier in der neuen Wohnung nicht leiden konnte, steckte er sich eine an.

„Kann ich auch eine haben?“, fragte Mama.

„Mama! Seit wann rauchst du?“

„Weiß ich nicht…, aber ab und zu rauche ich auch gern eine, wenn ich aufgeregt bin und jetzt brauche ich eben eine!“

Dies schien meinen Placido zu besänftigen, denn nun grinste er und reichte meiner Mutter eine Zigarette.“

„Danke!“

Er gab ihr Feuer und sie zog kräftig an ihrer Zigarette. Geschockt sah ich sie an.

„Schau nicht so, Davide! Ich bin alt genug um zu wissen was ich mache!“

„Ich… ich habe… das nicht gewusst.“

„Du weist vieles nicht von mir…“

„Aber…“

Was aber?“

Ich gab es auf.

„Ach nichts“, meinte ich und senkte den Kopf.

Letizia stand ohne Worte auf und kippte einer der Fenster. Wenigstens eine, die Rücksicht auf mich nahm.

„Das löst aber immer noch nicht die Frage“, sprach sie plötzlich, „warum Emiliano das alles wissen will!“

Ich musste an Ethan denken, der bisher der einzige mit diesem Interesse war.

„Ethan war bisher der einzige, der sich für das Vermögen der Romanovermögen interessierte“, ließ ich darauf vom Stapel.

Placidos Kopf ruckte herum und unsere Blicke trafen sich. Fragend schaute er mich an und ich wusste welche Frage in seinem Kopf brannte.

„Ich glaube nicht, dass Emiliano irgendetwas mit Ethan zu tun hat!“, sagte ich zu ihm, „Woher sollen die sich den auch kennen, New York ist groß und dies wäre wirklich reiner Zufall!“

„Aber die Möglichkeit besteht!“, sagte Mama.

„Und warum ist dann sein Vater hier?“, warf Letizia in den Raum.

Irgendwie ließen sich die vorhandenen Puzzlestücke nicht zusammenfügen. Passten sie hier, eckten sie woanders an. Die Wohnungstürklingel schreckte mich aus meinen Gedanken. Placido ging nach draußen und wenig später kam er mit Dana zurück.

„Hallo Letizia, du bist auch da?“

Sie ging Reihum und begrüßte jeden.

„Was ist so wichtig, dass du es mir nicht am Telefon sagen konntest?“

„Vater war in der Nähe und ich wollte ihn nicht noch mehr aufregen!“

„Wieso denn? Ist etwas vorgefallen?“

„Als ich euch besuchte, kam gerade ein Mann an die Haustür und verlange nach dir…“

Nervös schaute sie zwischen uns hin und her.

„Er gab Papa dieses Kärtchen. Papa lass das Kärtchen und schmiss ihn dann ohne Worte hinaus.“

Ich machte große Augen. War in dieser Familie langsam jeder verrückt, mich eingeschlossen. Dana griff in ihre Manteltasche und zauberte diese Karte hervor. Sie reichte sie mir. Ich lass sie mir kurz durch und reichte sie dann Mama.

„Emiliano Bianchi Senior!“, sagte ich zu Placido und Letizia.

„Er ist also wieder zurück“, meinte Mama leise, „und verlangt nach mir…, vielleiht hätte ich damals doch mitgehen sollen…“

„Mama, wie kannst du nur…“, kam es geschockt von Dana.

„Kind, das war ein Scherz! Wenn ich mitgegangen wäre, was wäre dann aus euch gewo…“

Sie brach ab und schaute mich an.

„Was habe ich falsch gemacht?“, fragte sie mich, „ich dachte immer, ich habe euch tolerant und weltoffen erzogen!“

„Hast du auch!“, erwiderte ich und griff nach ihrer Hand, weil sich ersten Tränen bildeten.

„Aber warum tut das Emilio, ich kenne meinen eigenen Sohn nicht mehr!“

„Was macht Emilio?“, wollte Dana wissen.

Stimmt sie konnte es nicht wissen.

„Mein Freund hat sich mit dem jungen Reporter zusammen getan, der versucht Placido und Davide auszuhorchen“, erklärte Letizia immer noch sauer auf Emilio.

„Er hat was?“

„Er stand“, begann ich zu erklären, „mit Emiliano Bianchi Junior per Brief in Kontakt und hat anscheinend alles ausgeplaudert, was er wusste.“

Emilio? Warum denn?“

„Er hasst mich immer noch, denkt ich bin schuld an Vaters Krankenhausaufenthaltes und dass ich nie im Leben sein Bruder sein kann.“

„Woher willst du das wissen?“, fuhr mich Dana plötzlich an.

Etwas erschrocken wich ich zurück. Sie auch?

„Er hat dies mir ins Gesicht gesagt!“, sagte Mama leise.

„Dieser Arsch! Ich hätte es mir denken sollen, warum war ich nur so leichtgläubig“, kam es lautstark von Dana.

Sie sprang auf und hätte fast den Hocker dabei umgeworfen.

„Er ist viel zu schnell einsichtig geworden und ich wunderte mich noch, warum Letizia ihn so schnell umstimmen konnte.“

Dann wandte sie sich an mich.

„David, es tut mir leid, dass ich dies nicht schon früher bemerkt habe…, ich war so sehr mit meiner eigenen Welt beschäftigt, ich war einfach blind!“

„Macht nichts Dana“, meinte ich, „das hilft uns jetzt auch nicht weiter.“

„Kann ich einen Kaffee haben?“, fragte sie.

„Natürlich!“, sagte Placido, der die ganze Zeit ruhig gewesen war.

„Ich werde zu ihm gehen.“

Mein Kopf ruckte herum, was hatte Mama da gerade gesagt?“

„Kann mich jemand in dieses St. Regis fahren? Ich werde Emiliano selbst aufsuchen und ihr zur Rede stellen, warum er meine Familie zerstöre will!“

„Ob das eine gute Idee ist“, fragte ich vorsichtig.

Sie schaute mich an.

„Was bleibt mir denn anderes übrig? Warten bis etwas Schlimmes passiert?“

„Ich gebe deiner Mutter recht“, sagte Letizia, „aber sie sollte nicht alleine gehen… Maria, wir begleiten dich alle!“

Ich rollte mit den Augen. Das konnte jetzt nicht wahr sein, hatte ich irgendwelche Vorahnungen, als ich letzte Nacht, diesen Mist träumte? Würde ich wirklich verrückt? Kalt lief es mir den Rücken herunter und es schüttelte mich.

„Alles in Ordnung mit dir Schatz?“, fragte ein besorgter Placido hinter mir.

Ich hob die Hand um ihn auszubremsen.

„… ich habe nur an den Traum gedacht“, sagte ich leise.

„Ist dir nicht gut? Schlecht geschlafen?“, fragte Dana.

„Nur schlecht geträumt!“, erwiderte ich nun lauter, dass es alle hören konnten.

Auf meiner Schulter spürte ich Placidos Hand, wie sie mich massierte.

*-*-*

Da ich eh nicht auf anderes konzentrieren konnte, hatte ich mich umgezogen und saß ich nun neben Placido im Wagen, Mama auf der Rückbank. Letizia war bei Dana im Wagen mitgefahren, die uns nun folgte.

Es dauerte nicht lange, bis wir das St. Regis erreichten. Auch dieses Mal, wie in meinem Traum, parkten wir etwas abseits und liefen den Rest zum Hotel. Nur das wir dort angekommen, nicht draußen warteten, sondern alle mit hinein gingen.

„Buon giorno Seniore Romano“, sagte der Portier, weil er anscheinend mit den vielen Leuten vor ihn überfordert war, „wie kann ich ihnen helfen?“

„Diese Dame, Señora De Luca, möchte gerne mit Mr. Bianchi Senior sprechen!“

„Einen Moment bitte.“

Mama lehnte sich an mich und ich spürte, wie sie zitterte.

„Sollen wir lieber wieder gehen?“, flüsterte ich ihr zu.

Sie schüttelte den Kopf.

„Ich will das jetzt aufklären!“, meinte sie bestimmend.

Ich nickte und ließ sie gewähren. Trotzdem machte ich mir Sorgen um sie, auch sah ich keinerlei andere Lösung für dieses Problem. Der Portier hatte mittlerweile sein Gespräch beendet.

„Mr. Bianchi Senior wird herunter kommen, kann ich ihnen Räumlichkeiten zeigen, in der sie sich ungestört unterhalten können?“

„Danke!“, meinte Placido nickend.

Wenig später saßen wir in einem kleinen Saal und der Portier hatte uns alleine gelassen. Die Warterei kam mir ewig vor. Plötzlich wurde die Tür aufgezogen und ein dünner alter Mann kam herein gelaufen.

Dies musste Bianchi sein, denn sein Gesicht ähnelte unverwechselbar mit Juniors Gesicht, nur ein paar Jahre älter eben.

„Maria…“

„Emiliano…“

Die beiden standen sich gegenüber und sahen sich lange an.

 

 

 

 

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1 Kommentar

    • Dilis auf 13. Dezember 2017 bei 09:19
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    Cliffhänger ! Und das wo es so spannend wird.

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