14. Türchen – No one else II

„Es ist viel Zeit vergangen!“

Mama nickte. Bianchi sah zu uns anderen. Mama lief zu mir und nahm meine Hand.

„Das ist mein jüngster Davide und hinter ihm sein Lebensgefährte Placido Romano. Die große junge Dame ist meine Tochter Dana und neben ihr Letizia Greco eine gute Freundin der Familie.“

Letizia lächelte.

„Die junge Dame kenne ich bereits. Und warum bist du gekommen?“

Dana nickte ihm zu.

„Du hast mein zu Hause aufgesucht und nach mir verlangt.“

„Entschuldige, das war ein großer Fehler. Dein Mann war sichtlich verärgert.“

„Darüber brauchst du dir keine Gedanken zu machen. Viel wichtiger ist, warum bist du hier?“

Die Frage, die uns alle auf der Zunge brannte.

„Meinen Sohn vor einer großen Dummheit bewahren.“

„Sind wir nicht immer besorgt, dass unsere Kinder Dummheiten begehen?“

Mamas Stimme war ruhig und gelassen, doch spürte ich, wie sie innerlich bebte.

„Wollte ihr nicht ablegen? Setzen wir uns doch und besprechen das bei einer Tasse Kaffee?“

Mein Magen knurrte, was recht peinlich war, denn sagten die beiden nichts, war es mucks Mäuschen still im Raum.

Placido und die anderen grinsten mich an.

„Vielleicht auch etwas zu essen“, fügte Bianchi dazu.

„Ich kümmere mich darum“, meinte Placido.

„Danke!“

Placido verließ den Raum, während ich Mama aus ihrem Mantel half.

Danach setzten wir uns an der ersten runden Tisch, der in unserer Nähe stand.

„Wie ist es dir ergangen?“, fragte Mam plötzlich, „du warst damals so schnell verschwunden, niemand wusste Bescheid.

Er lächelte.

„Nach dem mein Dickschädel endlich eingesehen hatte, dass ich keinerlei Chancen bei dir hatte, beschloss ich Florenz zu verlassen und in Neapel angekommen, bekam ich ein tolles Angebot einer Schiffsfirma, das mich nach Amerika verschlug.“

Mama lächelte. Die Tür ging auf und Placido kam zurück. Auch er zog seine Jacke aus und setzte sich zu mir.

„Dort angekommen, war ich erst mal mittellos und durch einen dummen Zufall, naja es war ja auch gut, rettete ich einem Menschen das Leben.“

„Patrick Edwards!“, sagte ich, naja, es rutschte mir einfach heraus.

„Woher wissen sie?“, fragte Bianchi verwundert.

„Sie wissen vielleicht, dass ich als Reporter tätig bin, wie ihr Sohn und ich habe natürlich Nachforschungen über sie angestellt.“

„Die üblichen Hausaufgaben…“

Ich nickte.

„Davide, warum hast du das gemacht?“, fragte mich Mama verärgert.

„Maria, sei ihm nicht böse. Nennen wir es einfach mal, die natürliche Neugier eines Reporters.“

Er lächelte mich an und ich fuhr mit meiner Erklärung fort.

„Da erschien natürlich auch der Name Edwards, der Name ihrer Frau, Vorsitzende der Holding Gruppe, die die Zeitung besitzt, für die sie arbeiten. Unter anderem wurde bei ihrer Frau auch erwähnt, dass sie die Tochter des verstorbenen Großindustriellen Patrick Edwards ist.“

„Alle Achtung, sie waren fleißig! Sie haben Recht, ich hatte Patrick Edwards das Leben gerettet, der bei einem Angelausflug zwischen die Außenwände zwei Jachten geraten war.“

„Im richtigen Augenblick, am richtigen Ort…“, fügte ich hinzu.

Bianchi nickte.

„Patrick war überaus dankbar und mit seiner Hilfe, konnte ich mich bei der Zeitung bis ganz nach oben arbeiten.“

„Und die Frau, die Davide erwähnte?“, fragte Mama.

„Sophie? Es hat eine Weile gedauert, bis wir uns näher kamen, am Anfang hatte sie mich sogar gehasst. Nach unserer Heirat kam bald Emiliano Junior auf die Welt und unser Glück schien perfekt.“

Konnte irgendetwas überhaupt perfekt sein?

„Sophies Vater wurde krank, schwer krank. Sophie musste seine Geschäfte übernehmen und wir hatten kaum noch Zeit füreinander.“

„Und was passierte mit eurem Sohn.“

„Ging leider ins Internat, was sein Verhältnis zu uns nicht dienlich war. Er driftete ab, die Noten wurden immer schlechter und er wurde gewalttätig.“

„Das tut mir leid“, meinte Mama.

Gewalttätig konnte ich mir Emiliano nicht vorstellen, er wirkte jedenfalls nicht so auf mich.

„Muss es nicht, Maria. Erst als ich ihn aus dem Gefängnis abholen musste, weil er in einer Schlägerei verwickelt war, kam er zur Besinnung. Er nahm wieder sein Studium auf und beendete es erfolgreich,  Politikwissenschaften und Journalismus. Dann fing er bei uns an.“

Soweit konnte ich alles nachvollziehen, es war glaubwürdig, aber trotzdem warf es die Frage auf, warum er es auf Placido, auch auf mich abgesehen hatte.

„Sie wussten, dass er ein Interview mit mir führen wollte?“, kam es Placido.

„Nein, ich wusste nicht mal, dass er in Europa war. Erst als er sich nicht zur Arbeit meldete und ich Freunde kontaktierte, erfuhr vor zwei Tagen, dass er hier in Florenz ist. Und an allem ist dieser Ethan schuld!“

Ich wurde hellhörig und schaute überrascht zu Placido, der meinen Blick im gleichen Augenblickerwiderte.

„Sie kennen Ethan?“

„Kennen ist zu viel gesagt…, ich hätte auf meine Frau hören sollen, sie meinte dieser Ethan wäre kein Umgang für meinen Sohn, auch wenn er in den höchsten Kreisen verkehrt. Aber warum fragen sie?“

„Weil Ethan ein entfernter Verwandter ist und versucht, seit Jahren, mir das Leben schwer zu machen!“

„Das wusste ich nicht, aber wieso schwer machen, was meinen sie damit?“

„Was wissen sie über mich?“, fragte Placido.

„Ein renommierter Künstler, der malt und Skulpturen erschafft, so hat sie auf alle Fälle meine Frau beschrieben, etwa vor drei Wochen, als sie mir erzählte eine Skulptur von ihnen erstehen zu können.“

Also tappte er wie wir bisher im Dunkeln. Kein Wunder hatte er Angst, sein Sohn würde irgendwelche dumme Sachen hier machen.

„Ja, der Verkauf ist bereits in Arbeit, aber warum ich sie fragte, was sie über mich wissen, ich stamme aus eine Familie, die eine Ledermanufaktur hat und da gibt es natürlich auch ein gewisses Familienvermögen, an dem Ethan interessiert ist.“

„Das ihm aber wahrscheinlich nicht zu steht…“, fügte Mr. Bianchi hinzu.

Placido nickte.

„Jetzt verstehe ich, dieser Ethan benutzt meinen Sohn, um an Informationen über sie zu kommen.“

Schlaues Kerlchen und seine Frau scheint einen guten Riecher zu haben, wie andere Leute gestrickt sind.

„Leider ufert das ganze aus“, erklärte Placido, „ und es steht wieder ein Gerichtstermin in den Staaten an und dieses Mal ist auch Davide vorgeladen…“

„Das hast du gar nicht erzählt!“, meinte Mama schockiert.

„Keine Angst, Mama, ich muss dort nicht erscheinen, dafür hat schon Placidos Anwalt gesorgt.“

„Aber warum dich?“, fragte Dana.

„Ich bin Placidos Freund und gebe natürlich „dieses“ Geld mit vollen Händen aus!“

„Das liebe Geld…“, meinte Bianchi und schüttelt den Kopf.

„Du bist also nicht hier, um einen Keil in meine Familie zu treiben?“, fragte Mama.

Die Antwort blieb ihr Bianchi schuldig, denn es klopfte an der Tür und der Service mit dem Kaffee kam.

„Sandwiches?“, fragte ich verwundert, als ich die Platte mit Essen sah.

„Ich dachte, es wäre mal etwas anderes und da wir einen amerikanischen Gast haben, habe ich Sandwiches bestellt“, erklärte Placido.

Dann beugte er sich vor.

„Oder willst du dich mit Kuchen vollessen?“, flüsterte er.

Ich streckte ihm die Zunge heraus, was Letizia kichern ließ.

*-*-*

Als der Kaffee serviert war und ich einigermaßen gesättigt, meldete sich Letizia zu Wort.

„Stimmt es, dass ihre Zeitung hier in Italien eine einheimische Zeitung übernehmen will?“

„Sie spielen auf den Artikel in der heutigen Zeitung an?“, fragte Bianchi.

„Nicht nur, mir ist zu Ohren gekommen, dass es sogar schon Angebot geben soll!“

„Nicht von uns, wer das sein soll kann ich mir aber denken. Es handelt sich da um eine Konkurrenz, die einen ähnlichen Namen hat, wie die Zeitung, für die ich arbeite.“

„Sie sind also wirklich nur wegen ihres Sohnes hergekommen?“

„Ja! Wobei meine Frau schon interessiert wäre, sich hier irgendetwas zu kaufen, aber nur privat, das hat nichts mit der Zeitung zu tun! Sie liebt alles Italienische, auch mein Essen.“

Dann wandte er sich an Maria.

„Ich hätte sie dir gerne vorgestellt, aber leider ist sie so in ihren Terminen verstrickt, dass ein kurzer Abstecher nach Europa nicht drin war.“

„Vielleicht ergibt sich mal die Gelegenheit“, meinte Mama lächelnd.

„Bestimmt und ich bin mir sicher, dir würde sie gefallen, ihr seid euch sehr ähnlich.“

Ah, vielleicht hat es deswegen so schnell bei ihm gefunkt. Ob seine Frau wusste, dass sie nur zweite Wahl war, ich musste leicht grinsen.

„Die Grundstückspreise in der Toskana sind recht hoch“, warf Letizia ein, die den Faden wieder aufnahm.

„Am Geld soll es sicherlich nicht liegen“, lächelte Bianchi.

„Ich kann ihnen sicherlich ein paar Angebote zu kommen lassen“, meinte Dana plötzlich.

Fragend schaute ich sie an.

„Mein neuer Chef vertritt auch Klienten, die ihre Eigentümer verkaufen wollen“, erklärte sie in meiner Richtung.

„Also hast du die Stellung…, gratuliere“, meinte ich.

„Was hast du jetzt mit deinem Sohn vor?“, fragte Mama.

„Wenn ich das mal wüsste, dazu müsste ich erst wissen wo er steckt, denn er war seit gestern Abend nicht mehr im Hotel. Seine Sachen sind noch da, aber er ist verschwunden.“

Ich schaute Letizia durchdringend an und sie wusste sofort, was ich wollte.

„Du weißt, ich mach das nicht gerne!“, meinte sie zu mir.

Die anderen schauten uns fragend an.

„Dazu muss ich aber erst ein paar Telefonate führen“, meinte sie und verschwand aus dem Raum.

„Was macht sie?“, fragte Dana verwirrt.

„Letizia hat ihre Wege und Mittel hier in Florenz jemand aufzuspüren, wir müssen nur etwas Geduld haben.

„Hättest du Lust, etwas zu laufen?“, meinte Mama plötzlich, „ich könnte etwas frische >Luft vertragen.“

„Aber sicher doch“, meinte Bianchi lächelnd, „ich muss nur schnell in mein Zimmer, meinen Mantel holen.“

„Ich warte gerne… ihr entschuldigt; Kinder?“

Wir nickten sprachlos.

Beide erhoben sich und Bianchi half Mutter in ihrem Mantel, dann verschwanden beide.

„Interessanter Mensch“, meinte Placido und nahm mich von hinten in den Arm.

Währenddessen rührte Dana gedankenversunken in ihrem Kaffee.

„Dana?“

„Hm?“

Sie schaute auf.

„Wo bist du mit deinen Gedanken…, gut ich verstehe, dass heute gibt viel zu denken auf.“

„Nein, das ist es nicht, ich denke nur an Emilio, wie er so werden konnte, ich verstehe das nicht.“

„Muss man so etwas verstehen?“, fragte Placido.

„Ich will das verstehen…, ich will Emilios Handeln verstehen, damit ich besser dagegen einstreiten kann!“

„Ich möchte aber nicht, dass du wegen mir Ärger mit Emilio bekommst.“

„Keine Sorge, ich kann mich wehren. Zudem, du wirst es kaum glauben, ich habe von Emilio, vergangenen Herbst, zu meinem Geburtstag einen Selbstverteidigungskurs geschenkt bekommen“, grinste sie.

„Muss ich mir jetzt eher um Emilio Gedanken machen“, sagte ich und lachte los.

Die Tür ging auf und Letizia kam wieder herein.

„Los ich weiß… oh, wo sind denn die…“

„Die sind sparzieren gegangen“, unterbrach ich sie.

„Schade, denn ich weiß wo dieser Emiliano steckt!“

„Dann mal los“, meinte Placido und stand auf.

*-*-*

Dick eingepackt lief ich neben Placido her. Wir folgten Letizia und Dana durch eine Gasse, in der ich schon lange nicht mehr war. In den vielen Häusern gab es jede Menge zu sehen. Verschiedene Kneipen hatten sich hier angesiedelt, aber auch gute Restaurant.

„Hier ist es“, meinte Letizia und blieb vor dem „Uncle Jimmy“ stehen.

Der Eingang wirkte wie ein Portal einer Kirche, doch dahinter war ungewohnte laute Musik zu hören. Placido zog die Tür auf und machte eins auf Diener. Dana und Letizia traten ein und ich folgte.

Dicht hinter mir kam Placido. Warme Luft und die schon gehörte laute Musik kamen uns entgegen. Letizia sagte etwas, aber ich verstand sie nicht. Ich zeigte auf meine Ohren und schüttelte den Kopf, danach beugte ich mich ganz dicht an sie heran.

„Sehr ihr ihn irgendwo?“

Stimmt, sie und Dana hatten ihn noch nicht gesehen. Die Kneipe zog sich wie ein Schlauch weit nach hinten. Die eine Seite bestand aus der Bar, hinter der mehrere Leute agierten und den Leuten ihr Trinken servierten, auf der anderen Seiten standen Tische.

So öffnete ich erst mal meine Jacke und lockerte meinen Schal, den ich noch um hatte. Die anderen taten es mir gleich. Ich drücke mich an den Leuten vorbei, nicht ohne genau jeden Tisch anzusehen, wer daran Platz genommen hatte.

Ziemlich weit hinten wurde ich dann fündig. In sein Glas starrend saß da Mr. Bianchi Junior. Bis jetzt hatte er uns noch nicht wahr genommen. Ich drehte mich herum und sah zu den anderen, die mir mühsam gefolgt waren.

In dieser Jahreszeit waren die Kneipen brechend voll, da man ja nicht draußen sitzen konnten.

„Und gefunden?“, fragte Placido, der mich als erstes erreichte.

„Da hinten sitzt er“, meinte ich und zeigte hinter mich.

Mittlerweile hatten uns auch die beiden Damen erreicht.

„Wie gehen wir jetzt vor?“, fragte Dana unsicher.

„Wir setzen und einfach zu ihm“, grinste ich sie an, Platz genug ist ja.

So drehte ich mich wieder um und lief an den Tisch, umrundete ihn du zog den Stuhl zurück, auf den ich mich setzten wollte. Dies lenkte nun die Aufmerksamkeit des Juniors auf mich. Mit großen Augen schaute er mich an.

Er wollte aufstehen, aber Placido drückte ihn wieder auf den Stuhl zurück. So war er von uns eingekesselt und konnte nicht mehr weg. Letizia setzte sich ebenso. Nur Dana blieb stehen.

„Was ist?“, rief ich.

„Ich fasse es nicht…, das ist er.“

„Wer is wer“, kam es fast gleichzeitig aus meinem und Letizias Mund.

„Ja, der Typ, mit dem ich gesprochen habe, vor dem Büro meines neuen Chefs!“

 

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1 Kommentar

    • Andi auf 14. Dezember 2017 bei 12:18
    • Antworten

    Huhu Pit, du verstehst es wirklich, Spannung aufzubauen und im passenden Moment zu stoppen, wirklich sehr gut.

    LG Andi

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