15. Türchen – No one else II

„Das ist Emiliano Bianchi Junior?“, fragte Dana entsetzt.

Ich nickte und schaute zu Emiliano, der wohl genauso entsetzt über diesen Überfall war.

„Also ich brauch jetzt etwas Starkes“, meinte Dana und ließ sich neben Letizia nieder.

Eine Bedienung kam des Weges und Placido bestellte wie üblich seinen Roten, ich ein Bier und die zwei Damen beiden einen Negroni. Emiliano hielt sich immer noch an seiner Flasche Bier fest und schaute misstrauisch zwischen uns her.

Gesagt hatte er bisher noch nichts. Es dauerte nicht lange und Rotwein und der Drinks der Mädels kam.

„Wir waren schon lange nicht mehr hier“, meinte Letizia zu mir.

„Du weißt warum, zu voll und zu laut!“

„Stimmt, aber es ist doch immer wieder urig! Emiliano, wie gefällt es ihnen hier in Florenz, zum ersten Mal in Italien?“

Sie fragte das in einem ganz normalen Ton, als hätte es bisher noch keine Vorgeschichte gegeben. Mit großen Augen schaute er sie an.

„Ich… ich…“, stotterte er.

„Ja ich weiß, Davide hat Recht, es ist sehr laut und eigentlich für Unterhaltungen nicht geeignet!“, sprach Letizia, bevor sie an ihrem Negroni schlürfte.

Ich klopfte ihm auf die Schulter, was ihn zusammen zucken ließ

„Einen netten Vater haben sie, sehr sympathisch!“

„Mein Vater… sympathisch?“

Ich nickte.

„Was soll das hier?“

Aber hallo, wer wird denn gleich aggressiv werden? Nun war wohl Placido an der Reihe und legte seinen Arm um Emiliano und zu meiner Verwunderung, wehrte sich dieser nicht dagegen.

„Das wollte ich eigentlich dich fragen?“

Oh Placido duzte ihn. Mein Blick zu Letizia zeigte, dass sie ebenso überrascht war.

„Was soll ich da noch sagen, ihr wisst sicher eh schon alles…“

Mein Bier wurde serviert.

„Kann ich noch eins bekommen?“, meinte Emiliano und hielt der Kellnerin seine Flasche entgegen, die nickte und wieder verschwand.

Placido hatte seinen Arm bis jetzt noch nicht zurück genommen.

„Deine Version haben wir noch nicht gehört!“

„Ist die überhaupt noch wichtig, ihr habt doch eh schon längst eure Meinung gebildet!“

Ich schaute zu Dana, die anscheinend immer noch nicht glauben konnte, wer da vor ihr saß. Leicht Kopf schüttelnd versuchte sie der Unterhaltung zu folgen.

„Wie hast du Ethan kennen gelernt?“, fragte Placido.

Emilianos Kopf fuhr herum und er schaute Placido lange an. Anscheinend hatte er nicht damit gerechnet, dass wir so gut informiert waren.

„An der Uni…“, antwortete er und starrte wieder vor sich in die Leere.

„… bei irgendeinem Projekt, das wir beide damals besuchten.“

„Dann weißt du sicher auch, dass ich mit ihm verwandt bin!

Wieder fuhr Emilianos Kopf herum.

„Was? Das hat er nicht gesagt…“

„Seitdem seid ihr die besten Freunde?“

Emilianos Bier kam und die Dame mit Schürtzchen, als was anderes konnte man es nicht bezeichnen, stellte noch ein Glas mit Knabberstangen mit auf den Tisch, lächelte mich kurz an und verschwand wieder. Emiliano nahm einen kräftigen Schluck.

„Na ja, eigentlich nicht…“, erzählte er weiter, „zumindest am Anfang, da war er ziemlich abgehoben, schmiss mit Geld um sich, dass ist etwas, was ich verdammt nicht leiden konnte.“

„Was hat euch nähergebracht? Gemeinsame Interessen?“, wollte Placido wissen.

Ob das Interesse von Placido echt war, konnte ich nicht sagen. Aber ich fand es interessant, mal etwas von jemand etwas von Ethan erzählt zu bekommen. Bisher wusste ich nur das, was Placido gesagt hatte.

Er hatte Ethan mindesten seit sieben Jahren nicht mehr gesehen.

„Wenn du zusammen in die Kiste hüpfen, gemeinsames Interesse nennst, kann man das weitgehen bejahen!“

Dana fiel die Kinnlade herunter, Letizia bekam einen Lachflash, ich verschluckte mich an meinem Bier und begann zu husten, während Placido lediglich seine Augenbraun hochzog.

„Du bist schwul?“, fragte Placido doch sichtlich erstaunt.

Emiliano hob seine Hände, zeigte eine abwehrende Stellung.

„Nein, vielleicht etwas vielseitig interessiert, aber schwul wie Ethan bin ich nicht!“

Wie er so offen darüber sprach. Placido schaute mich kurz an und grinste breit. Letizia kicherte noch immer, während Danas Gesichtsausdruck völlig entglitt.

„Wieso müssen die interessantesten Männer immer schwul sein?“, fragte sie und trank ihren Negroni in einem Zug aus.

„Ich bin nicht schwul!“, kam es noch einmal von Emiliano, dieses Mal ohne mit den Händen zu fuchteln.

Das nannte man wohl ein unfreiwilliges Outing durch einen Dritten. Ich konnte nicht anders und kicherte wie Letizia. Placido schaute mich gespielt empört an und schüttelte seinen Kopf. Sein Arm lag übrigens immer noch auf Emilianos Rücken und dieser schien immer noch nichts dagegen zu haben.

„Und wie seid ihr dann auf mich gekommen?“

„Ethan kam irgendwann kurz vor Weihnachten, mit der Geschichte, das es da einen Typen gibt, der im großen Stil Unsummen an Steuergeldern veruntreut, und für mich wäre das wohl der absolute Clou an einer Story. Er erzählte noch, das der Typ, besser gesagt du, auch deinen Manager ans Messer geliefert hättest, um nicht selbst aufzufliegen!“

„Richard?“, rutschte es mit halb laut auf, als hätte ich Stimmbruch.

Letizia zuckte leicht zusammen.

„Richard hat wirklich Geld zur Seite geschafft“, sagte Placido ruhig, zudem ist das nicht der einzige Grund, warum er hinter Gitter musste, er hat auch noch versucht jemand umzubringen!“

„Wen?“, fragte Emiliano erstaunt, das entnahm ich auf alle Fälle seinem Tonfall…

„Mich!“, antwortete ich wahrheitsgemäß.

„Dich?“, sagte Emiliano und Dana gleichzeitig.

„Davon hast du aber nichts erzählt“, sprach Dana weiter.

Mittlerweile hatte sie schon ihren zweiten Negroni vor sich stehen.

„Das ist auch etwas, woran ich nicht gerne erinnert werde. Zudem, wenn du dich erinnern kannst, hatte ich damals Sprechverbot! Ich habe nicht alles aufgeschrieben, was in New York passiert ist.“

„Sprechverbot?“, fragte nun wiederum Emiliano.

„Meine Stimmbänder waren entzündet.“

„Gab es einen Grund, warum dieser Richard, dir an den Kragen wollte?“

Charmant ausgedrückt.

„Der Grund sitz neben dir!“

Nun wanderte Emilianos Kopf wieder zu Placido, der mittlerweile seinen Arm zurück genommen hatte.

„Du?“

„Ja… ich! Nachdem Richard das von mir und Davide erfahren hatte, versuchte er alles, um mich von Davide zu trennen, daraufhin habe ich ihn gefeuert. Das Resultat, es wollte sich an Davide rächen um stand mit einem Messer vor ihm.“

„Da hätte ja Gott weiß was ich passieren können“, herrschte mich Dana sauer an.

„Schwesterherz, es ist nichts passiert und wird auch nichts mehr passieren, Richard sitzt hinter Gittern und das in Amerika!“

„Sie ist deine Schwester?“, fragte Emiliano verwundert.

„Ja und dass schon seit siebenundzwanzig Jahren!“

„Dana De Luca…“, meinte Dana und reichte Emiliano die Hand.

„Meinen Namen kennst du ja schon…“

Sie nickte.

„Und wer ist dieses hinreisende Geschöpf neben dir?“

Oha, da hatte wohl Dana haushoch verloren, auch wenn sie nicht schlechter aussah als Letizia, aber Grund genug laut zu lachen. Ich büßte das sofort, denn Letizia boxte mich auf die Schulter.

„Aua!“, meinte ich und rieb mich am Arm, was nun Placido lachen ließ.

„Mein Name ist Letizia Greco und Journalistin von Beruf! Chefredakteurin der Sparte Kunst und Kultur.“

Auch sie schüttelte Emilianos Hand, der sich darauf über sein Gesicht rieb und durch seine Haare fuhr.

„Wo bin ich da nur hineingeschlittert?“, gab er von sich.

„Jedenfalls nicht in eine Topstory!“, meinte ich und Placido nickte.

„Und warum hat Ethan, mir dann diesen Mist erzählt?“

„Weil Ethan an das Vermögen meiner Familie möchte, dass ich bis heute noch nicht angerührt habe!“, antwortete Placido.

„Hat er denn ein Anrecht?“

Placido schüttelte den Kopf.

„Er ist ein ferner Verwandter, kein direkter…“, fügte ich noch an.

„Da bin ich wohl voll aufgefahren…“

Wieder nickte Placido. Emiliano drehte sich zu Placido, setzt sich anständig hin und streckte seine Hand aus.

„Placido, es tu mir leid! Ich entschuldige mich für mein Verhalten und hoffe nicht allzu viel Schaden angerichtet zu haben!“

Fehler eingestehen kann nicht jeden, alle Achtung. Placido schüttelte seine Hand.

„Entschuldigung angenommen, aber vielleicht noch einen kleinen Tipp, vorher immer genau recherchieren! Ich weiß das von Davide, der sichert sich immer dreifach ab, bevor er etwas schreibt.“

„Ja, ich weiß, ich habe gegen einer der heiligen Grundregeln verstoßen…, Schande über mich!“

Da hatte wohl einer schon etwas zu viel Bier intus.

„Ich hoffe nur, dass mein Vater nicht allzu viel davon mitbekommen hat!“

„Er weiß alles!“, sagte Placido.

„Scheiße…, deswegen ist er nach Floren gekommen?“

Placido nickte.

„Na, na, na, wer wird denn gleich, ein solches Kraftausdruck in den Mund nehmen“, mahnte Letizia.

„Und dein Vater ist gekommen, um dich wahrscheinlich vor einer großen Dummheit zu bewahren“, fügte ich an.

„Das wird wieder eine Stammpauke geben!“, meinte Emiliano und raufte sich erneut die Haare.

„Scheiße!“

Dies kam dieses Mal von Dana.

„Daaanaa!“, kam es mahnend von Letizia.

„Was?“, wollte ich wissen.

„Wir haben Mama vergessen…“

„Die wird wohl von Emilianos Vater heimgebracht worden sein. Ich habe im St. Regis eine Nachricht für die beiden hinterlassen, dass wir nach Emiliano suchen“, erklärte Placido.

„Was hat eure Mutter mit meinem Vater zu tun? Jetzt verstehe ich überhaupt nichts mehr!“, meinte Emiliano.

„Er war mal ein heißer Verehrer meiner Mutter“, kam es von Dana.

„Mein Vater? Der hatte ein Verhältnis?“, fragte Emiliano entsetzt.

„Nein! Er hat meine Mutter nur sehr verehrt, aber die hat ihm einen Korb gegeben, weil sie schon verheiratet war und drei Kinder hatte. Das war lange vor deiner Zeit, lange vor deiner Mutter“, erklärte ich.

„Drei?“

„Ja, wir haben noch einen Bruder, Emilio“, sagte Dana.

Emiliano schlug sich auf die Stirn.

„Emilio De Luca, die Quelladresse, die ich von Ethan bekommen hatte“, sagte Emiliano eher zu sich selbst, „oh wie konnte ich nur so blöd sein.

Ich sagte nichts darauf, seit ich Emilios wahren Charakter kannte. Es schmerzte mich tief und ich hatte sicher noch viel an dieser Tatsache zu knabbern. Letizia stieß mich leicht an und schüttelte den Kopf.

Verwundert schaute ich sie an. Sie zeigte auf meine Augen und ich spürte einzelne Tränen. Fragend blickte Placido zu mir. Ich lächelte in an, schüttelte leicht den Kopf.

„Könnt ihr mir je vergeben, was ich da angerichtet habe?“ kam es plötzlich von Emiliano.

„Naja, bis jetzt ist ja noch nicht viel passiert, außer vielleicht bei deinem Vater, bei ihm solltest du dich auch entschuldigen!“, meinte Placido und leerte seinen Rotwein.

„Und von diesem Ethan solltest du Abstand nehmen“, fügte ich noch hinzu.

*-*-*

Wir überlegten uns noch, was wir an diesem Abend machen sollten, weil es ja erst später Nachmittag war, so beschlossen wir richtig essen zu gehen. Natürlich nahmen wir Emiliano mit.

Doch zuvor hatten wir noch etwas zu erledigen, wir hatten es zumindest versprochen. Nämlich Emiliano zu seinem Vater zu begleiten. Die von seinem Vater genannte Aggressivität konnte keiner entdecken, denn bei uns lief ein verschüchterter kleiner Junge, der vor seinem Vater Angst hatte, jedenfalls benahm er sich so.

Gegen seine Vorstellung, gab es keinen Anschiss, sein Vater trat auf ihn zu und nahm ihn fest in den Arm. Wir standen etwas im Hintergrund und lächelten. Sie wollten am nächsten Tag in aller Ruhe noch einmal darüber reden, denn jetzt wollte Emiliano mit seinen neu gewonnen Freunden, wie er zu seinem Vater sagte, Essen gehen.

Schnell hatte man sich für ein Restaurant entschieden und es wurde wirklich ein schöner Abend. Emilio hatte sich während dieser ganzen Zeit nicht bei Letizia gemeldet, also war auch für sie klar, mit meinem Bruder nichts mehr zu tun haben zu wollen.

Bei einem Espresso ließen wir den Abend ausklingen. Emiliano kehrte in St. Regis zurück, während wir anderen in unsere Autos stiegen und nach Hause fuhren. Dort angekommen hatte ich das Gefühl beobachtet zu werden und ich sah mich mehrfach um.

„Was ist denn los mit dir? Du bist schon die ganze Zeit so nervös.“, wollte Placido wissen.

„Ach ich weiß auch nicht, dauernd denke ich uns beobachtet jemand.“

„Wer soll uns denn beobachten? …Ein Paparazzi?“

Placido kam auf mich zu und nahm mich in den Arm.

„Kann es sein, dass die Sache mit deinem Bruder, dich sehr mitnimmt?“

Placido hatte recht, ich musste mir eingestehen, dass ich mich unwohl fühlte und Angst vor meinem eigenen Bruder hatte. Ich nickte.

„He wir schaffen dass, das musst du nicht alleine durchstehen!“

Mir kamen die Tränen und ich vergrub mich in Placidos Armen.

„Komm lass uns hinein gehen, mir wird langsam kalt.“

Ich nickte kurz und wir liefen Arm in Arm zum Haus. Ein Klirren ließ mich zusammen fahren. Ebenso Placido, der sich von mir löste und sich sofort umschaute, weil er wie ich nicht wusste, woher das Geräusch gekommen war.

„Es wird Zeit, dass die Hofbeleuchtung vollständig funktioniert, denn ich kann nichts entdecken“, meinte Placido.

Rückwärts, in den Hof schauend lief er auf mich zu und drehte sich kurz vor mir um.

„Los rein mit dir“, meinte er und schob mich die wenigen Stufen zur Holztür hinauf.

„Ein heißer Tee und vor dem Kamin sitzen wird uns beide gut tun.“

Bevor ich in die Nähe des Schlosses kam, bremste ich abrupt ab und schaute entsetzt zu Boden. Vor mir lag eine zerbrochene Flasche und eine rote zähflüssige Brühe, die sich langsam über die obere Stufe verteilte.

Direkt vor mir hing an der Haustür ein Zettel.

„Das könnte deins sein“, stand darauf.

Ängstlich schaute ich zu Placido und die Tür vor uns wurde aufgerissen.

 

 

 

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