23. Türchen – No one else II

„Du kennst Onkel Macavelli?“, fragte Placido verblüfft.

Ich schaute genauso verwirrt drein.

„Ich kenne einen Macavelli Barbieri von früher, aber der ist mit seinen Eltern nach Amerika ausgewandert“, antwortete mein Vater.

„Du meinst den kleinen Dicken, der immer mit euch um die Häuser gezogen ist und dessen Vater die Eisdiele neben Onkel Pablos Laden betrieb?“, fragte Mama.

„Genau der!“, bestätigte Vater.

„Du auch, Mama!“, rutschte mir es heraus.

Geschockt sah ich beide an.

„Was ich auch?“

„Du kennst Ethans Stiefvater auch?“

„Ja!“

„Es könnte auch durch Zufall der gleiche Name sein“, meinte ich.

„Es gibt nur eine Barbierifamilie und die hat ihre Wurzeln in Florenz!“, sagte Papa.

„Bist du dir da sicher?“

„Ganz sicher sogar!“

Placidos und mein Blick kreuzten sich. Der Blick auf sein Gesicht erinnerte mich aber auch daran, dass es gut wäre, sein Gesicht weiter zu kühlen.

„Papa setzt dich bitte…“, meinte ich und wies auf den Sessel gegenüber Emilio, der immer noch nichtssagend ins Feuer schaute.

Ich lief zu Placido und drückte ihm den Kühlpad ans Gesicht.

„Au…, pass doch auf, dass tut weh!“

„Entschuldige“, meinte ich schuldbewusst, „Mama setzt du dich auch zu uns?“

„Nein, ich helfe den Mädels kochen!“

„Ich deck den Tisch“, kam es von Jakob, den ich total ausgeblendet hatte.

Diese kleine Situation überforderte mich ein wenig. Nein, nicht was vergangen Stunden passiert war, sondern dass mein Vater hier in unserer Wohnung saß, als wäre nie etwas gewesen.

Placido schaute mich an, als wollte er wissen, was mit mir los ist.

„… und du sagst, dieser Ethan, sei Macavellis Stiefsohn?“, meinte mein Vater und nahm den roten Faden der Unterhaltung wieder auf.

„Wenn es sich um die gleiche Person handelt, dann ja.“

„Seit die Barbieris von hier weggegangen sind, haben wir nie wieder etwas von ihnen gehört!“

„Die Familie Barbieri hat ein hohes Ansehen in den Staaten“, meinte Placido.

„Dann haben sie es wohl geschafft“, meinte Papa gedankenverloren, „Macavellis Vater hat immer von einem großen Unternehmen geträumt. Er wollte italienisches Gemüse und Obst weltweit vermarkten.“

„Stimmt, er war schon damals ein Visionär“, härte ich Mama von der Küchenzeile her sagen.

„Naja…“, begann Placido zögernd, „ich weiß nicht, ob sie durch den Verkauf von Obst und Gemüse so reich geworden sind.“

„Was willst du damit sagen, Placido?“, fragte Papa.

„In den Staaten wird über den Reichtum der Familie Barbieri nicht öffentlich gesprochen, denn es kursiert die Meinung, dass die Familie sich durch andere Arbeiten dieses Geld verschafft hat, meist illegal.“

„Das hätte Pepe nie zu gelassen, dafür war er eine viel zu ehrliche Haut!“, meinte Papa leicht ärgerlich.

„Mag sein, dass der Vater ehrlich war, aber sein Sohn war es nicht mehr, aber wie durch ein Wunder, wurde ihm nie etwas nachgewiesen, zumindest kein direktes Zutun.“

„Kennst du ihn persönlich?“

„Ich war, als Mutter noch lebte, zwei oder dreimal mit ihr auf dem Familiensitz der Familie Barbieri, daher auch Onkel Macavelli, er wünschte, dass ich ihn so nannte, war doch meine Mutter die Tante von Ethans verstorbenen Vater.“

„Und deshalb glaubt Ethan, er hätte ein Anrecht auf das Vermögen der Familie Romano!“, kam es von Emilio.

Er schüttelte dabei den Kopf.

„Aber wenn Placidos Großmutter eine geborene Romano ist, wieso hat sich ihr Name durch die Heirat mit deinem Vater behalten, sie müsste doch dann den Familiennamen ihres Mannes angenommen haben“, wollte Mama wissen.

„Meine Großmutter hat mir einmal erzählt, dass dies der Wunsch meines Großvaters gewesen war. Mein Vater hat bei ihm von Grund auf das Lederhandwerk gelernt und als er zu alt wurde und mein Vater mit der Tochter des Hauses liiert war, war sein Wunsch, das die Werkstatt den Namen Romano behielt und die beiden die Werkstatt übernehmen sollen.“

„Dann hat dein Vater, den Nachnamen deiner Mutter angenommen? Ging das zu der Zeit schon?“

„Ja, mit einer Sonderbefugnis!“

„Und Ethans Großvater, der Bruder deiner Mutter? Warum hat er das Geschäft nicht weitergeführt?“

„Mama, du bist zu neugierig“, mahnte Dana.

„Kein Problem Dana, ich erzähle gerne von meiner Familie. Mein Onkel hatte schlichtweg kein Interesse am Ledergeschäft, ihm war das ganz recht, dass meine Eltern das übernahmen. Aber auf den Punkt zurück zukommen, Ethan hat kein Anspruch auf das Vermögen, denn es ist alleine der Verdienst meiner Eltern, die dieses Vermögen gemacht haben, in dem sie die Ledermanufaktur gegründet hatten und sich immer weiter vergrößert haben.“

Damit schien Mama wohl zufrieden zu sein, denn sie stellte keine weiteren Fragen. Mein Blick dagegen hing immer wieder bei Vater, der sich immer noch so benahm, als wäre nie etwas zwischen uns vorgefallen.

„Das Essen ist fertig“, rief Dana und ich konnte hinter mir hören, wie aufgetragen wurde.

„Geht es?“, fragte ich Placido, dessen geschwollene Wange immer noch durch den Kühlpad kalt gehalten wurde.

„Werden wir sehen. Der Kiefer tut zwar auch weh, aber essen muss ich auch etwas, zudem habe ich auch Hunger!“

Ich lächelte ihn an und drückte ihn sanft einen Kuss auf die gesunde Wange.

*-*-*

Mittlerweile war Ruhe eingekehrt und im Haus war es still. Nur der leichte Verkehrslärm von draußen konnte man schwach hören.

„Über was denkst du nach?“, fragte Placido, auf dessen nackter Brust mein Kopf ruhte.

„Über meinen Vater…“

„Ja, über den habe ich mich auch gewundert.“

„Dir ist es also auch aufgefallen.“

„Du freu dich doch, wenn er endlich seine Meinung geändert hat.“

„Irgendwie trau ich dem ganzen nicht.“

„Ich verstehe dich, Davide und weiß wie sehr dich die letzten Monate geschmerzt haben. Schauen wir einfach nach vorne und lassen uns überraschen und vergiss nicht, du bist nicht allein!“

„Danke…“, meinte ich.

Eine einzelne Träne lief über meine Wange. Placido strich mir zärtlich durch mein Haar.

„Ich hoffe unser Leben wird jetzt etwas ruhiger, wir hatten Aufregung genug.“

Ich hob den Kopf und schaute zu ihm.

„Bist du sicher, dass es ruhiger wird?“

Im schwachen Licht, der Straßenlaternen sah ich ihn lächeln.

„Ich sagte, ich hoffe! Was kommen wird, weiß ich selbst nicht.“

*-*-*

Es war eine unruhige Nacht, ich wachte mehrfach auf. Doch in Placidos Armen schlief ich immer wieder schnell ein. Umso geräderter wachte ich am nächsten Morgen auf. Mein Körper gehorchte noch nicht richtig und auch alle anderen Funktionen schienen noch zu schlafen.

Einzig meine Blase meldete sich. Ich befreite mich aus Placidos Armen, was ihn natürlich weckte.

„Müssen wir schon aufstehen?“

„Nein…, bleib liegen, ich muss auf die Toilette.“

„Oh gut…“, meinte er verschlafen und drehte sich zur Seite.

Ich schnappte mir ein Shirt und schlüpfte hinein, danach suchte ich das Bad auf. Wenig später  lief ich in die Küche. Mir war nach Kaffee und so machte ich den Kaffeeautomaten an. Leise begann er seinen Betrieb und brühte das Wasser

„Krieg ich auch einen?“, hörte ich es hinter mir, als ich gerade eine Tasse genommen hatte.

Lächelnd drehte ich mich um und sah Placido auf mich zu kommen. Im offenen Bademantel und nur einer Shorts, sah er richtig sexy aus.

„Klar!“

Ich stellte eine zweite Tasse zum Automaten und drückte die Taste mit den zwei Tassen drauf. Sofort nahm die Maschine ihren Betrieb auf und mahlte den Kaffee. Ich wiederum drehte mich wieder zu Placido, zog ihn an mich heran und gab ihn einen sinnlichen Kuss.

„Wie kann man am frühen Morgen nur so aktiv sein?“

„Das junge Glück eben.“

Placido und ich schauten gleichzeitig zur Tür, wo gerade Dana und Letizia herein kamen.

„Lass sie“, meinte ich zu Placido, das ist nur der reine Neid.“

Placido grinste und band seinen Bademantel zu.

„Erwischt…“, kam es aus Danas Mund.

„Auch einen Kaffee?“, fragte ich.

„Immer doch, sonst werde ich nicht fit“, meinte Letizia und Dana nickte.

Unsere Tassen waren mittlerweile voll. Placido reichte ich seine und meine stellte ich daneben. Schnell waren zwei neue Tassen geholt und schon surrte die Maschine erneut.

„Gut geschlafen?“, fragte Dana und machte sich auf einem der Hocker bequem.

„Naja“, antwortete Placido, „ der Kleine hatte ein sehr unruhigen Schlaf.“

Ich drehte mich zu ihm.

„Entschuldige, wenn ich dich so oft geweckt habe!“

„Kein Problem, Davide, du bist ja immer gleich wieder eingeschlafen.“

„Bei dem kuscheligen Kissen…“

„He, ihr beiden, keine Details, ich will meinen Kaffee genießen!“, sagte Letizia laut.

„Morgen“, kam es von der Tür.

„Morgen Jakob!“, schallte es zurück.

Auch er war gegen seine Gewohnheit recht leger angezogen, nämlich nur mit Shorts und Shirts. Es war das erste Mal, dass ich Jakobs muskulösen Körper so deutlich sah, weil er immer so dick angezogen war.

Ich spürte Placido Ellenbogen in meiner Seite und fiepte kurz, deswegen. Gespielt empört sah er mich an.

„Wusstet ihr, dass der Hof leer ist?“, fragte Jakob und setzte sich zu uns.

„Der ist doch immer leer“, meinte Letizia.

„Die Carabinieri sind weg!“

„Echt, ich dachte, wir werden weiter beobachtet!“, meinte Placido.

Ich beugte mich vor und schaute auf die Straße hinunter, auch hier war kein Wagen der Carabinieri mehr zu sehen.

„Das heißt dann wohl, wir dürfen wieder arbeiten gehen“, meine Dana, nachdem sie den ersten Schluck Kaffee zu sich genommen hatte.

„Von dürfen kann gar keine Rede sein!“, beschwerte sich Letizia, „ich muss arbeiten gehen, denn auf meinem Schreibtisch türmen sich bestimmt Berge von Informationen.“

„Heute werden die Stühle und Tische fürs Café“, sagte Jakob.

„Dann weiß ich schon, wo ich meinen Vormittag verbringe“, meinte ich.

„Das kann doch ich übernehmen“, sagte Placido.

„Du hast genug mit deiner Galerie und Kunstsammlung zu tun! Ich nehme meine Laptop mit hinunter und arbeite eben nebenher.“

„Wirklich?“

„Ja sicher und ich bin dann auch in deiner Nähe!“

„Du bist ein Schatz!“, sagte Placido und gab mir einen Kuss.

„Oh wie aufopfernd“, meinte Letizia sarkastisch und Jakob und Dana kicherten.

*-*-*

Der Lieferant ließ auf sich warten, aber so hatte ich auch die Ruhe, mich um meinen Artikel zu kümmern. Am Samstag sollte die Eröffnung des Cafés sein und Letizia wollte als Werbung meinen Artikel noch im Vorfeld bringen.

Zwei Männer trugen ein weiteres Bild von Placido herein, als ein älterer Herr mit Stock und schwarzen Anzug das Café betrat.

„Das Café hat leider noch geschlossen. Die Eröffnung ist erst am Samstag“, sagte ich und erhob mich.

„Das ist kein Problem, wäre es möglich Placido Romano zu sprechen?“

„Der ist in seiner Galerie… ich frage ihn gerne… wie ist denn ihr Name?“

„Macavelli Barbirie!“

 

 

 

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2 Kommentare

    • Dilis auf 23. Dezember 2017 bei 11:42
    • Antworten

    Hallo pit. Wieder ein tolles Kapitel. Auf die Lösung der ganzen Verwicklung bin ich gespannt.

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    • Gerd auf 23. Dezember 2017 bei 00:23
    • Antworten

    Wow

    Klasse geschrieben und es bleibt wieder spannend bis zum 24.

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