Ein anderes Leben -Teil 19

Dass Hyun-Woos eigener Sekretär Lim Soo-Ri derjenige sein sollte, der Pak Nam-Soo ins Haus gebracht hatte, konnte und wollte mein Schatz nicht hinnehmen. Ohne So-Woi Bescheid zu geben, waren wir zur Wohnung von Soo-Ri gefahren.

Ich wusste nicht, ob dies eine gute Idee war, aber ich wollte Hyun-Woo in dieser Sache nicht drein reden, aber auch nicht alleine lassen. Der Fahrstuhl des Hauses war defekt, was mir eigentlich ganz recht war. Aber fünf Stockwerke hoch laufen, waren auch sehr anstrengend.

Trotz der offenen Seite der Flure ins Freie, roch es hier auf den Gängen und im Treppenhaus unangenehm. Das ganze Haus sah übel aus und ich begann mich unwohl zu fühlen. Meinem Schatz sagte ich aber nichts davon.

So folgte ich im still, bis er stehen blieb. Ich konnte mir gar nicht richtig vor stellen, dass Soo-Ri hier wohnen sollte. Das passte irgendwie nicht. Hyun-Woo schaute noch einmal kurz auf sein Handy und zeigte dann auf eine der vielen Wohnungstüren.

Etwas wie eine Klingel, konnten wir nicht entdecken. So klopfte Hyun-Woo gegen die Tür. Ich spürte deutlich, wie verärgert er war, was ihm auch nicht zu verdenken war. Von drinnen drangen gedämpft Geräusche nach draußen und wenig später öffnete sich die Tür. Soo-Ri erschien in unserem Blickfeld und bekam große Augen, als er uns erkannte.

„Sir… Lucas…“, stammelte er.

„Können wir reden?“, fragte Hyun-Woo stroff.

Soo-Ri nickte fast unmerkbar und verbeugte sich leicht, als er uns mit einer Handbewegung in die Wohnung wies. Bisher hatte ich ihn immer nur im Anzug gesehen, aber jetzt trug er ein viel zu großes und verwaschenes T-Shirt und eine alte Jogginghose, die sicher auch schon bessere Tage gesehen hatte.

Soo-Ri schloss hinter sich die Tür und drängte sich an uns vorbei. Wenn man den Außenflur mit der Wohnung verglich, betraten wir eine andere Welt. Alles war aufgeräumt und sauber. Selbst der Geruch war ein anderer.

„Es tut mir leid, ich habe mit keinem Besuch gerechnet, sonst hätte ich etwas aufgeräumt…“, meinte er leise und betrat einen der zwei Räume, die vom Flur abgingen.

Ich fand es nicht unordentlich, zumindest in Vergleich zu draußen. Wir betraten ebenfalls den Raum und es erinnerte mich irgendwie an die Wohnung von Hyun-Woo. Alles in einem. Wohnzimmer, Schlafzimmer und Küche, nur das Bad fehlte, was sich wohl in der anderen Raum befand.

„Kann ich etwas anbieten… Wasser oder Tee“, fragte Soo-Ri während wie es uns auf den zwei Stühlen bequem machten.

Hyun-Woo schüttelte den Kopf und ich schloss mich ihm an.

„Warum…“, fing plötzlich Hyun-Woo an zu reden, „… warum hast du nichts gesagt, als wir die Daten durchsuchten?“

Entweder war dieser Soo-Ri ein guter Schauspieler, oder er wusste wirklich nicht, was Hyun-Woo meinte.

„Was meine sie…?“

„Warum hast du nicht gesagt, dass du ebenfalls bei KBS beschäftigt warst?“

Die Augen des jungen Sekretärs wurden schon wieder groß und dann füllten sie sich mit Tränen. Plötzlich ließ Soo-Ri sich auf den Boden fallen und kniete sich vor uns hin.

„Es tut mir leid, ich wollte das nicht tun, aber die haben mich erpresst…“, kam es wie aus der Pistole geschossen.

Hyun-Woo sah mich fragend an und ich war genauso erstaunt.

„Was meinst du mit erpresst… und was wolltest du nicht tun?“, wollte ich wissen.

Nun fing Soo-Ri richtig an zu heulen und beruhigte sich gar nicht mehr. Man konnte nicht mehr verstehen, was er sagte. Seine Nase lief und die Augen waren schon ganz rot.

„Oje…, was machen wir jetzt?“, fragte ein ratloser Hyun-Woo, „damit habe ich jetzt nicht gerechnet.

Hyun-Woo sah sich in dem Zimmer um, bevor sein Blick wieder zu mir wanderte.

„Wir nehmen ihn mit!“

„Was?“

„Wir nehmen Soo-Ri mit zu uns…, ich fühl mich hier irgendwie nicht mehr wohl!“

Nun war ich an der Reihe Bauklötze zu staunen, was hatte er nur vor? So langsam kam mir die Idee hier her zu fahren und Soo-Ri zur Rede zu stellen, wirklich blöde vor.

„Und wie stellst du dir das vor, willst du deinen Sekretär entführen, oder was?“

„Nein!“, fuhr mich Hyun-Woo an.

Ich wich etwas zurück.

„Entschuldige…“, meint er, „das war nicht so gemeint.“

„Schon gut Hyun-Woo, aber könntest du mir bitte erklären, warum du Soo-Ri mitnehmen willst?“

Der heulte immer noch, kauerte kniend vor uns auf dem Boden und hatte sein Gesicht in seinen Armen vergraben.

„Er hat etwas von erpressen gesagt und deshalb fühle ich mich hier nicht wohl. Zudem habe ich deinem Vater versprochen, auf dich aufzupassen und ich möchte nicht, dass du wegen mir in einen neuen Schlamassel gerätst!“

Ich hob abwehrend meine Hände.

„Schon gut, schon gut, aber, wie willst du das bewerkstelligen? Wenn wir mit diesem… heulenden Etwas die Flure hinunter laufen, haben wir doch gleich die ganze Aufmerksamkeit der Nachbarn auf uns gezogen!“

Hyun-Woo schien nach zudenken, denn er sagte nichts weiter. So ging ich ebenso in die Knie, direkt neben Soo-Ri und legte sanft meine Hand auf dessen Rücken. Eigentlich sollte diese Geste dafür sorgen, dass sich Soo-Ri beruhigte, aber es bezweckte das Gegenteil.

Soo-Ri zuckte zusammen rollte auf die Seite und hob abwehrend seine Hände.

„Nicht schlagen…“, wimmerte er, „nicht schlagen bitte!“

Entsetzt schaute ich zu Hyun-Woo, der ebenso bestürzt schaute. In was waren wir da nur wieder hineingeraten? Ich brauchte gar nicht weiter zu überlegen, zog Soo-Ri zu mir, in meine Arme und drückte ihn fest an mich.

„Niemand will dich schlagen, Soo-Ri… hörst du? Dir tut niemand etwas!“

Deutlich spürte ich, wie er am ganzen Körper zitterte und sich gar nicht beruhigen zu wollen.

„Soo-Ri? Hörst du mich?“

Keine Reaktion.

„Was machen wir jetzt?“, fragte ich fast flüsternd in Richtung Hyun-Woo, „warten bis er sich beruhigt hat?“

„Für mich sieht das wie ein Nervenzusammenbruch aus…, was hat man ihm nur angetan, dass er so reagiert?“

Ich streichelte Soo-Ri sanft über den Rücken, in der Hoffnung, ihn vielleicht so zu beruhigen, aber es änderte sich nichts. Hyun-Woo stand auf und verließ den Raum und kam mit einer Jacke und Turnschuhen zurück.

„Komm, versuchen wir ihn anzuziehen.“

„Willst du ihn wirklich so mit nach Hause nehmen?“

„Nein, wir bringen ihn ins Krankenhaus!“

*-*-*

Hyun-Woos Handy klingelte. Rasch zog er es heraus und nahm das Gespräch an.

„Ja?… Hallo So-Woi… nein sind wir nicht, wir sind im Krankenhaus… nein, nein Lucas geht es gut, wir haben einen Mitarbeiter unserer Firma ins Krankenhaus gebracht… nein, du brauchst nicht kommen… na gut, wir warten auf euch.“

Etwas genervt ließ mein Schatz sein Handy wieder verschwinden.

„So-Woi kommt hier her?“

Hyun-Woo nickte.

„Und was sagen wir ihm?“

„Die Wahrheit, was sonst!“

Er hatte Recht, was sollten wir sonst erzählen. Da der Arzt bisher noch nicht wieder aus dem Behandlungszimmer zurück war, saßen wir beide einfach nur da und warteten. Mir gingen Soo-Ris ängstliche Augen nicht aus dem Kopf.

Was war geschehen? Warum hatte man ich erpresst und mit was? Hatte er wirklich diesem Nam Soo Zugang zur Firma verschafft? Ich war so in meinen Gedanken, dass ich regelrecht zusammenzuckte, als Hyun-Woo nach meiner Hand griff.

„So-Woi ist da!“

Ich schaute den Flur entlang und sah ihn mit Jack auf uns zu kommen.

„Hallo ihr beiden! Was ist passiert… wer von unserer Firma…“

„…lass es mich erklären“, unterbrach ich ihn einfach und war wir Hyun-Woo mittlerweile aufgestanden. Dieser nickte mir zu.

„Auch wenn du denkst, dass niemand in der Firma etwas mit dem Diebstahl deiner Skizzen zu tun hat, war und bin ich leider immer noch anderer Meinung! Ohne Hilfe, wäre dieser Nam-Soo nie in die Firma gekommen.“

„Aber was hat das jetzt damit zu tun, dass ihr jemand aus der Firma hier hergebracht habt?

„Lass mich bitte ausreden. Nur aus diesem Grund, weil etwas faul an der Sache ist, habe ich Hyun-Woo gebeten in euren Daten nachzuschauen, wer von deinen Mitarbeitern bei KBS tätig war und wir sind fündig geworden.“

Entgeistert schaute So-Woi mich an.

„… wer?“

„Mein Sekretär Lim Soo-Ri“, sagte Hyun-Woo leise.

So-Woi schaute zwischen uns hin und her.

„Liegt er da drin?“, fragte er und wir beiden nickten.

„Was habt ihr gemacht?“, kam es von Jack, leicht bestürzt und halb lächelnd.

 „Nichts, wir haben ihn darauf angesprochen und er ist zusammengebrochen, bevor er uns groß etwas erzählen konnte“, erklärte ich.

Das war zwar so nicht ganz richtig, aber wir waren hier im Flur nicht alleine. Auf den Stühlen saßen genügend andere Leute, die nicht mitbekommen brauchten, was hier vor sich ging.

„Wir kommt ihr überhaupt darauf, ohne mir etwas zu sagen, einfach zu ihm zu fahren, das geht mich genauso an!“, fuhr uns So-Woi plötzlich an.

Oh, da war jemand sauer.

„Soo-Ri arbeitet unter mir, so untersteht er meiner Verantwortlichkeit!“, sagte Hyun-Woo eisig neben mir.

Das war jetzt gar nicht gut. Einen Streit zwischen den beiden konnten wir jetzt gar nicht gebrauchen.

„Jack, könntest du bitte hier bleiben, falls der Arzt heraus kommt und ihr beiden…. Mitkommen!“

Meine Tonlage war eindeutig. Ich packte einfach, ohne auf Antwort zu warten, beide am Arm und zog sie Richtung Ausgang. Natürlich nicht ohne einige Proteste zu ernten. Wenig später, etwas abseits des Eingangsbereiches ließ ich die beiden wieder los.

„Bevor ihr beide jetzt einen Streit über Kompetenzen vom Zaun brecht, hört mir bitte erst einmal zu, okay!“

Keine Antwort.

„OKAY?“

Ich war irgendwie genervt. Wir hatten jetzt so viel miteinander durchgestanden, so verstand ich diese plötzliche Feindseligkeit zwischen den beiden überhaupt nicht. Dieses Okay sagte ich es etwas lauter und beide nickten.

„Schatz, bevor du ärgerlich wirst und etwas Falsches sagst…, bisher haben wir immer alles miteinander abgesprochen und es ist So-Wois Firma, also verstehe ihn bitte, ich tu es! Und du So-Woi… ich denke Hyun-Woo war einfach zu geschockt, dass einer seiner engeren Mitarbeiter dies getan haben soll, deswegen, wirklich nur deswegen, sind wir eigentlich Hals über Kopf zu Soo-Ri gefahren und wollten ihn zur Rede stellen.“

Beide schauten sich an, sagten aber nichts.

„… und ich habe dir drinnen nicht alles gesagt, mir waren da einfach zu viele Ohren in der Nähe. Bevor Soo-Ri zusammen gebrochen ist, hat er gesagt, er wollte das nicht tun, aber er ist erpresst worden, dann fiel er zu Boden und wimmerte nicht schlagen, nicht schlagen.“

„Erpresst…, schlagen?“

So-Wois harter Gesichtsausdruck war verschwunden und auch Hyun-Woo in meinem Arm entspannte sich etwas.

„Ja erpresst hat er gesagt und Hyun-Woo meinte, wir nehmen ihn mit zu uns, weil wir ihn in diesem Zustand nicht alleine lassen wollten. Zudem wollen wir alle wissen, was passiert ist, oder?“

So-Woi nickte.

„Da kommt wieder die Frage auf, was machen wir jetzt?“

Ich schaute beide fragend an.

*-*-*

Ich war froh, dass wir Jack dabei hatten. Er hatte Soo-Ri Huckepack zum Auto getragen, der immer noch total abwesend vor sich hin geschaute hatte. Zudem schien er So-Wois Launen gewöhnt zu sein.

So saß jetzt Soo-Ri auf So-Wois großer Couch und sah aus wie ein kleiner Schuljunge.

Eine kleine Tasche mit Riemen hing an seinem Hals und die Kapuze seiner Jacke war immer noch über den Kopf gezogen.

Während Jack und Hyun-Woo in der Küche zu Gange waren, hatten So-Woi und ich, Soo-Ri in unsere Mitte genommen. Ich griff nach seiner Hand und spürte, dass er immer noch ganz leicht zitterte.

„Soo-Ri, hier passiert dir nichts, du bist hier sicher…, wir möchten nur von dir wissen, was geschehen ist“, sagte ich.

Einzelne Tränen rannen über seine geröteten Wangen.

„Es tut dir wirklich niemand etwas, du bist hier unter Freunden!“

So-Woi lächelte mich an.

„… ich… ich habe… keine Freunde…“, waren die ersten Worte Soo-Ri, seit er zusammen geklappt war.

„Jetzt hast du einen!“, entgegnete ich lächelnd.

„Mich… mich will niemand zum Freund haben…, bin… bin es nicht wert… ein Freund zu sein.“

Das klang nicht gut, überhaupt nicht gut. Hatten wir hier wieder ein Exemplar, ich bin schwul und ganz alleine auf der Welt, es hörte sich zumindest für mich danach an. Aber irgendetwas hielt mich davon ab, ihn deswegen anzusprechen, wie ich es damals bei So-Woi gemacht hatte. Etwas war anders.

Ich griff sanft nach seinem Kinn und drückte es leicht nach oben, so dass ich ihm in die Augen schauen konnte. Sie waren rot und geschwollen.

„Ich bin eigentlich wählerisch und biete nicht jedem meine Freundschaft an!“

„Warum dann mir, ich bin es nicht wert… ich bin Dreck… ich…“

Wieder fing er an zu weinen. So-Woi reichte ihm ein Papiertaschentuch. Nachdem er sich die Nase geputzt hatte nahm ich sein Gesicht zwischen meine Hände und schaute ihm tief in die Augen.

„Würdest du das bitte mich entscheiden lassen?“

„Ich… ich kann …das nicht…“

„Was kannst du nicht?“

Soo-Ri löste sich von mir und stand auf, dann ging er ein paar Schritte, bevor er sich wieder zu uns drehte.

„Ich werde morgen meine Kündigung vorbeibringen“, meinte er leise und verbeugte sich, „es tut mir wirklich leid.“

Ich war mittlerweile aufgesprungen und zu ihm gelaufen.

„Quatsch, dass wirst du nicht! Ohne Grund hätte dich Hyun-Woo nie auf diesen Posten gesetzt! Was hat man dir angetan? Wer hat dich erpresst?“

Ängstlich schaute mir Soo-Ri in die Augen. Klar, ich war zwei Köpfe größer als er und musste auf ihn sehr bedrohlich wirken.

„Bitte Soo-Ri, setzt die BITTE wieder zu uns…, wir können über alles reden und ich verspreche dir hoch und heilig, hier passiert dir nichts!“

Er wehrte sich zwar leicht, ließ sich aber zum Sofa zurück schieben.

„Jetzt legst du erst einmal deine Tasche hab und ziehst die Jacke aus… okay?“

Er nickte. Umständlich entledigte er sich seiner Jacke. Ich nahm sie ihm ab und legte sie über einen der Sessel. Dann setzten wir uns wieder zu So-Woi. Mir blieb der Blick von So-Woi, über Soo-Ris Outfit nicht verborgen.

Dann wunderte ich mich noch darüber, dass keiner der drei bisher etwas gesagt hatte. Keiner fiel mir ins Wort, oder stellte Fragen. Auch fiel mir auf, dass Soo-Ri eine Narbe am Hals hatte, die mir bisher nicht aufgefallen war.

Dann erinnerte ich mich, dass ich Soo-Ri bisher nur mit Hemd gesehen hatte und der Kragen die Narbe sicher verdeckte.

„Ich… ich arbeite gerne in der Firma“, begann er leise zu reden, schaute aber dabei auf seine Hände, „es macht Spaß und ich fühle mich wohl. Es ist das erste Mal, dass ich das Gefühl habe, richtig gebraucht zu werden. Alle sind sehr nett zu mir… Kein Mobbing, oder dummes Gerede über andere.“

„Und was hat sich dann geändert?“, wollte ich wissen.

„…vor … vor zwei Wochen, …als ich heim kam, lag ein dicker Umschlag im Briefkasten…“

Wieder begannen Tränen zu kullern und ich griff nach seinem Arm. Er aber versuchte meine Hand wegzuschieben, als wäre es ihm peinlich, ihn zu berühren.“

„Darin… darin…“, redete er mit weinerlichen Stimmer weiter, „waren Bilder… von etwas, was vor fünf Jahren passiert ist und man drohte mir…, diese Bilder meine Chef… Hyun-Woo  zu kommen zu lassen, wenn ich nicht das mache, was man von mir verlangt…“

Bisher hatte er nur auf seine Hände geschaut, aber nun blickte er mir direkt in die Augen.

„Ich wollte doch diese tolle Stellung nicht verlieren, ich arbeite so gerne mit Hyun-Woo zusammen…!“

„Und was hat man von dir verlangt?“

„… ich sollte an einem gewissen Tag einen jungen Mann unbemerkt in die Firma lassen, während die anderen beim Mittagessen sind.“

„Mehr nicht?“, fragte ich verwundert.

Er schüttelte den Kopf.

„Du hast also nicht mitbekommen, was der Typ angestellt hat?“

Wieder schüttelte er seinen Kopf.

„Darf ich fragen, um was für Bilder es sich handelt“, meldete sich nun So-Woi zu Wort.

Soo-Ri fing wieder an zu zittern.

„Ganz ruhig Soo-Ri“, meinte ich, „du musste es nicht sagen.“

„… ich will es aber…, habe aber Angst, dass ihr nichts mehr von mir wissen wollte… und ich meinen Job … verliere“, wimmerte er leise.

Ich schaute erst zu So-Woi und dann zu Hyun-Woo. Mit durchdringenden Blick und einer leichten Bewegung mit dem Kopf, forderte ich beide auf, auch etwas zu sagen.

„Ich habe nicht vor dich zu entlassen“, sagte Hyun-Woo plötzlich.

„Ich auch nicht!“, kam es von So-Woi.

Soo-Ri atmete tief durch und schaute mich ängstlich an.

„… vor fünf Jahren, kurz bevor ich… mein Studium beendete…, war ich zu einer Feier mit anderen Studenten eingeladen worden. Es floss reichlich Alkohol… zu viel Alkohol…“

Warum bekam ich jetzt ein ungutes Gefühl?

„… ich weiß nicht… ich weiß nicht mehr, was der Auslöser war, denn plötzlich war ich zur Zielscheibe geworden…, die anderen begannen übel über mich zu reden… Sie betatschten mich, schupsten mich herum…“

Er wurde immer leiser.

„Dann… dann haben sie mich gepackt… und… und vergewaltigt und zusammen geschlagen…“

Es war völlig still im Raum. Jack und mein Schatz schauten beide entsetzt zu uns herüber und auch So-Wois Erstaunen war ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. Soo-Ri wischte sich mit dem Ärmel über die Augen.

Dann nahm er seine kleine Tasche und suchte darin etwas. Ein kleines Buch kam zum Vorschein, aus dem er eine Fotografie zog, die er mir anschließend reichte. Ich verzog das Gesicht, als ich es erblickte.

Darauf konnte man Soo-Ri erkennen, nur in Shorts, übersät mit Blutergüssen und Schnittwunden. Deutlich sah ich die große Wunde am Hals.

„Das… das wurde… im… im Krankenhaus aufgenommen“, stotterte Soo-Ri.

Ich reichte das Bild an So-Woi weiter, der augenblicklich seine Hand vor den Mund hielt und feuchte Augen bekam. Auch Hyun-Woo und Jack kamen herüber und deren Reaktion war ähnlich. Etwas hilflos schaute ich die drei an.

„Jemand hat wohl Bilder gemacht…, als ich verge… waltig wurde… und von diesen Bildern… hat mir jemand welche geschickt.“

Nun verstand ich auch, warum er Angst davor hatte, dass das jemand mitbekommen würde.

„Wurden die Studenten dafür belangt?“, fragte So-Woi trocken.

Soo-Ri schüttelte den Kopf.

„… man sagte…, sie standen unter zu starken Alkoholeinfluss…, aber ich… ich denke, es lag daran, dass die alle von reichen Familien stammten…“

Soo-Ri war ins Flüstern verfallen und fast nicht mehr zu verstehen. Ich war total fassungslos und So-Woi stand ruckartig auf. Er lief zum großen Balkonfenster und zog es auf.

„Ich brauche Luft!“, sagte er nur und trat auf den Balkon hinaus.

Jack folgte ihm. Kalte Luft drang zu uns herüber und eine leichte Gänsehaut überzog meinen Körper. Mein Blick wanderte wieder zu Soo-Ri. Ich verstand nun, dass er sich deswegen schämte, gerade als Mann vergewaltig worden zu sein.

Aber dass er sich nun wertlos vorkam, als Dreck bezeichnete, damit wusste ich nichts anzufangen. Hing das wieder mit den Traditionen und den Regeln hier in Korea zusammen? Ich atmete tief durch und versuchte Haltung zu bewahren.

„Soo-Ri, ich biete dir nach wie vor meine Freundschaft an, egal, was dir in der Vergangenheit passiert ist. Es ist widerlich und beschämend, was man dir angetan hat, aber dafür kannst du wirklich nichts, das ist die Schuld derer, die dir das angetan haben!“

Hyun-Woo nickte mir zu und lief zur Küchentheke. Zurück kam er mit zwei Tassen, von denen er uns jede eine reichte. Welcher Chef bediente seinem Bediensteten, eine bessere Geste konnte Hyun-Woo nicht zeigen.

„… wirklich…, dir macht das nichts aus…?“

Fragend und flehend schaute Soo-Ri mich an.

Ich schüttelte den Kopf.

*-*-*

Soo-Ri war ins Gästezimmer verfrachtet worden und vor Erschöpfung eingeschlafen. Wir vier saßen immer noch fassungslos auf der Couch, In den Händen hielt ich meines jetzt fast schon kalten Tee.

Wie konnte man so etwas tun? Auf dem Tisch lag immer noch das Bild. Außer der Narbe am Hals, konnte man Soo-Ri nichts mehr ansehen. Aber die inneren Narben, waren sicherlich da.

„Ob sich Soo-Ri noch an die Namen… dieser Typen erinnert?“, fragte So-Woi plötzlich in die Stille.

„Wieso, willst du sie im Nachhinein dafür belangen lassen?“

„Nein! So gute Beziehungen hat nicht mal meine Großmutter, aber wenn sie, wie Soo-Ri behauptet aus reichen Familien stammen, kann es doch sein, dass der eine oder andere unsere Dienste in Anspruch nimmt, sprich sich etwas zum Anziehen machen lässt…“

„Ja und…?“

„Wenn wir die Namen wissen, dann können wir sie ablehnen. Sie kommen auf die schwarze Liste!“ Mit solchen Menschen, wenn man sie überhaupt Menschen nennen kann, möchte ich nichts zu tun haben, oder geschweige denn, für sie arbeiten!“

Wieder wurde es still. Keiner sagte etwas darauf. Eine andere Frage kam in mir auf. Wie war So-Wois Vater überhaupt an diese Information gekommen. Hatte er seine Mitarbeiter so durchleuchten lassen?

Es entsprach nicht meinen Vorstellungen, dass ein Chef so tief im Leben seiner Mitarbeiter

herum stocherte, dafür hatte er seine Leute. Back In Jook kam mir in den Sinn, er hatte die Möglichkeiten und zuzutrauen wäre es ihm, nachdem wie er mit mir umgegangen war. Ich merkte plötzlich, dass mich alle anstarrten.

„Was ist?“, fragte ich.

„Wie kommst du jetzt auf Back In Jook, der sitzt doch im Gefängnis.“

Hatte ich den Namen laut ausgesprochen?

„Ich… ich habe darüber nachgedacht, wie So-Wois Vater an diese Information gekommen ist und ich kann mir nicht vorstellen, dass er zu so etwas fähig wäre, als Soo-Ri mit solchen Bildern zu erpressen. Da kam mir In Jook in den Sinn, aber wie du sagtest, der sitzt hinter Gittern, der kann es nicht gewesen sein.“

„Ich denke, mein Vater hat schon immer über Leute verfügt, die sich die Hände für ihn schmutzig machten.“

Er sagte das so tonlos, was mich etwas traurig stimmte. Es war immerhin sein eigener Vater, der so handelte. Ich verstand es einfach nicht, Papa würde so etwas mit mir nie tun.

„Wie gehen wir weiter vor?“, fragte Hyun-Woo plötzlich, „mir ist klar, dass wir die Sache publik machen werden, aber ich sage gleich, ich möchte nicht, das Soo-Ri da mit hinein gezogen wird und schon gar nicht etwas über seine Vergangenheit ans Tageslicht kommt!“

Ich griff nach seiner Hand und drückte sie.

„Das habe ich auch nicht vor. Genauso habe ich keine Lust darauf, meinen Vater damit direkt zu konfrontieren, die ewigen Streitereien gehen mir auf die Nerven.“

„Deine Großmutter?“, fragte ich, weil sie bisher in solchen Situationen, uns immer zur Seite gestanden hatte.

So-Woi atmete tief durch.

„Ich weiß nicht, was ich tun soll. Grandma ist eine starke Frau, aber die ewigen Auseinandersetzungen mit meinem Vater, werden auch ihr zusetzten, da bin ich mir sicher. Eigentlich, will ich sie nicht damit hinein ziehen, aber wenn es publik wird, erfährt sie es sowieso. Ob die Enttäuschung über eine weiteres Vergehen meines Vaters sie belastet, oder ich, als ihr Enkel, sie in dieser Sachen nicht um Hilfe gebeten habe… ich kann es nicht sagen“

Er ließ sich nach hinten fallen und rieb sich über sein Gesicht. Ich verstand ihn. Er liebte Grandma Shin-Sook über alles und war deswegen in einer Zwickmühle. Aber es half nichts, er musste sie davon in Kenntnis setzten, das war ihm sicher klar.

*-*-*

So-Woi und Jack waren gegangen. Ob er noch zu seiner Großmutter fuhr, so spät am Abend, wussten wir nicht. Mir kam auch der Gedanke, Papa anzurufen, er wusste irgendwie immer Rat.

Aber auch diesen Gedanken zerschlug ich, wollte ich doch nicht, dass sich meine Eltern kurz vor dem Rückflug nach Deutschland, wieder Sorgen um mich machten. Aber ich nahm mir ganz fest vor, morgen, am Tag vor dem Rückflug, noch einmal viel Zeit mit ihnen zu verbringen.

„Über was denkst du nach?“, riss mich Hyun-Woo aus den Gedanken.

„Ach ob ich Paps davon in Kenntnis setzten soll, denn er hat immer einen guten Rat parat.“

Ich musste wie mein Schatz lächeln, weil sich die Schlusswörter so schön reimten.

„Und was hält dich davon ab?“

Ich seufzte.

„Du kennst meine Mutter, sie macht sich doch gleich wieder Sorgen und spinnt sich, wer weiß was zusammen.“

Immer noch lächelte mich Hyun-Woo an. Ich setzte mich näher zu ihm, zog ihn zärtlich am Nacken zu mir und gab ihm einen Kuss. Seine Lippen waren weich und warm wie immer und es dauerte auch nicht lange, bis meine Zunge Einlass forderte.

Eng umschlungen, vergaß ich alles um mich herum. Nur Hyun-Woo und ich. Meine Hände gingen automatisch auf Wanderschaft. Als wollte ich seinen Körper neu kennen lernen, spürte ich jeden Zentimeter, den ich an Hyun-Woo ertastete.

Plötzlich spürte ich eine Gegenwehr und Hyun-Woo drückte mich etwas von sich weg. Etwas außer Atem grinste er mich an.

„Könnten wir das ins Schlafzimmer verlegen?“, fragte er und hatte dabei einen Blick drauf, der mich schmelzen ließ, „du vergisst, wir haben einen Gast und ich möchte nicht, dass er plötzlich im Zimmer steht und uns in voller Aktion erlebt!“

Ich konnte nicht anders und musste kichern. Ich verstand was Hyun-Woo meinte. Es wäre wirklich nicht gut, wenn uns Soo-Ri bei gewissen Aktivitäten erwischen würde. Uns war immer noch nicht bekannt, wie er darauf reagieren würde.

Hyun-Woo war aufgestanden und begann die Lichter im Raum zu löschen. Ich dagegen, steuerte direkt aufs Schlafzimmer zu und begann mich dort auszuziehen. Als ich nur noch in Shorts da stand, kam Hyun-Woo herein.

Er verschloss hinter sich die Tür und schon war er wieder in meinen Fängen. Etwas nervös half ich ihm seinen Pulli auszuziehen. Der Rest folgte danach. Nur in Shorts ließen wir uns aufs Bett fallen und begannen erneut uns zu küssen.

Wie schon im Wohnzimmer wurde ich gieriger, denn es war etwas ganz anderes, Hyun-Woos nackte Haut auf meiner Haut zu spüren. Küssend erreichte ich seine Nippel und begann sanft daran zu lecken.

Hyun-Woo wand sich unter mir und stöhnte leise. Seine Hände dagegen, streichelten über meinen Rücken, was mich noch mehr antörnte. Mein Mund wanderte küssend weiter, über den zarten Flaum, der als kleiner Strich zwischen Bauchnabel und den Hosenbund sichtbar war.

Ich spürte am Hals etwas Hartes. Mit beiden Händen zog ich am Bund der Shorts. Hyun-Woo hob leicht sein Becken und seine pralle Männlichkeit schlug hart gegen die Bauchdecke. Schnell war die Shorts entledigt und mein Mund wieder auf Wanderschaft.

Ich strich mit der Zunge an dem schmalen Schaft entlang, bis ich die Spitze erreichte. Dieses Spiel wiederholte ich mehrere Male, was Hyun-Woo leicht wild werden ließ. Er drückte mit seinen Händen, meinen Kopf auf seine Männlichkeit und stöhnte auf.

Natürlich wollte ich dieses heiße Stück Fleisch noch später in mir spüren, so durfte ich meine Zungenakrobatik nicht übertreiben. So ließ ich schweren Herzens davon ab und widmete mich wieder voll dem Küssen.

Es blieb nicht aus, dass auch Hyun-Woos Hände sich wenig später am Bund meiner Shorts zu schaffen machte. Rasch glitt seine Hand darunter, um wenig später, mich mit seinen Fingern bohrender Weise zu stimulieren.

Immer noch im Hinterkopf, dass wir nicht alleine in der Wohnung waren, versuchte ich nicht laut aufzustöhnen, sondern biss mich in Hyun-Woos Schulter fest. Dies schien ihm wiederum zu gefallen, denn er zog mich herum, so dass ich plötzlich unter ihm lag.

Dann richtete er sich auf, griff nach meiner Shorts und schon lag ich vor ihm, wie mich Gott erschaffen hatte. Er lächelte breit, stürzte sich nun selbst auf meinen Kolben und wenig später umschloss sein Mund meine volle Pracht.

Ich fragte mich immer, wie er dieses Riesending immer komplett in sich aufnahm, egal ob vorne oder hinten. Auch ich spürte so langsam, wie sich in meinem Körper alles zusammen zu ziehen schien.

„Schatz… bitte nicht…, sonst komme ich…“, stöhnte ich leise.

Schon ließ Hyun-Woo ab von mir, aber begann mich gleich wieder am Hintern zu massieren. Unsere Münder trafen sich wieder und die Zungen begannen erneut ihren wilden Tanz. Wo Hyun-Woo plötzlich die Creme her hatte, deren Kühle ich nun an meiner Pforte spürte, wusste ich nicht, war mir auch egal.

Bereitwillig spreizte ich meine Beine, um ihn ein besseres Eindringen zu ermöglichen. Als er das tat, griff ich nach dem Kissen und stülpte er mir vor den Mund um mein aufjaulen zu dämmen.

Hyun-Woo so in mir zu spüren, war einfach nur geil. Ohne viel Zeit zu verlieren, begann er mit heftigen Stößen. Dann zog er das Kissen weg und begann mich wieder zu küssen. Auch dies minderte mein Stöhnen und konnte nicht laut werden.

Schneller als mir lieb war, spürte ich, wie mein Schatz seinen Höhepunkt zusteuerte und immer schneller wurde. Wenige Sekunden danach, pumpte Hyun-Woo schon sein warmes Weiß in mich hinein. Stoß für Stoß bäumte er sich auf.

Aber hingegen, wie sonst, blieb er nicht auf mir liegen, sondern richtete sich auf. Fragend schaute ich ihn an, weil ich nicht wusste, was er vorhatte. Natürlich prangte ihm meine steifer Schwanz entgegen.

Er griff nach der Tube, die ich nun auf dem Bett entdeckte und stand auf. Also er verließ das Bett nicht, sondern stand nun, mit gespreizten Beinen, über mir auf dem Bett. Spätestens, als er mit dem Gleitgel, seinen eigenen Hintern bearbeitete, war mir klar was nun folgte.

Bisher war immer Hyun-Woo aktiv gewesen und ich hatte mich auch nie darüber beschwert, weil es mir gefallen hatte.

„Bist du sicher?“, fragte ich.

Er nickte nur und ging in die Knie.

*-*-*

Ich konnte es immer noch nicht fassen, dass mein Schatz gemeinsam mit mir noch einmal gekommen war. Eng an mich gekuschelt lag er in meinem Arm.

„Gehen wir duschen? Ich habe das Gefühl, das ich auslaufe“, sagte Hyun-Woo leise.

„Tut mir leid Schatz, so heftig bin ich noch nie gekommen.“

Er hob seinen Kopf an und schaute mir in die Augen.

„Heftig nennst du das, du hast mich ja regelrecht geflutet“, kicherte er.

Ich grinste ihn breit an.

„Wenn ich früher gewusst hätte, dass dies so schön sein kann, hätte ich…“

Ich legte meinen Finger auf seinen Mund und schüttelte den Kopf.

„Erinnerst du dich an unser erstes Mal, in dem Whirlpool?“

Er nickte und wurde rot.

„Da habe ich dir schon gesagt, ich mach nichts, was dir nicht gefällt! Du bestimmst das Tempo…, was wir machen…, wie wir es machen…“

Hyun-Woo lächelte und nickte, dann gab er mir einen kleinen Kuss.

„Dann lass uns mal duschen gehen, es ist spät und ich weiß nicht, was der Tag morgen bringt“, meinte ich.

*-*-*

Ich trank gerade den ersten Schluck meines Kaffees, als ich hinter mir ein Geräusch hörte. Hyun-Woo hielt inne und beide schauten wir in diese Richtung. Ein verschüchterter Soo-Ri kam ins Blickfeld und verbeugte sich.

„Gut…en… Morg…en“, stotterte er.

„Morgen Soo-Ri, hast du etwas schlafen können?“, wollte ich wissen.

Klar musste er gut geschlafen haben, er hatte genug Beruhigungsmittel intus, aber mir fiel nichts Besseres ein. Er nickte uns zu.

„Es tut mir leid, dass ich ihnen…“

Ich hatte die Hand gehoben und ließ meinen Zeigefinger nach oben zeigen.

„… dass ich… euch so viel Ärger bereitet habe.“

Zufrieden lächelte ich, aber stand dennoch auf.

„Ärger würde ich es nicht nennen, du hast zumindest einiges Aufklären können“, sprach ich weiter.

Ein kurzer Blick zu Hyun-Woo und dessen Nicken sagte mir, dass ich für uns beide sprach.

„Jetzt setzt du dich erst einmal und frühstückst mit uns“, sagte Hyun-Woo hinter mir.

„Ähm… ich habe da ein Problem…“

„Was für ein Problem?“, wollte ich wissen, neugierig wie ich war.

„Ich habe nichts zum Wechseln dabei und ich brauchte für nachher meinen Anzug.“

Daran hatten wir gestern nicht gedacht. Aber bevor ich oder Hyun-Woo etwas darauf erwidern konnte, klingelte es an unsere Tür. Wir schauten uns kurz an und Hyun-Woo begab sich zur Sprechanlage.

Eigentlich hätte ich erwartet, dass es sich um So-Woi handelte, aber ich hörte Juens Stimme aus dem Sprecher. Hyun-Woo ging zur Tür und öffnete.

„Morgen Juen“, sagte er nur und kam wieder zurück zu mir.

Nun kam auch Juen ins Blickfeld, der aber sofort stehen blieb, als er Soo-Ri bemerkte.

„Komm rein! Der beißt nicht!“, sagte ich nur und ich hörte Hyun-Woo leise kichern.

„Ich… ich wusste nicht, dass ihr Besuch habt…, ich wollte nicht stören.“

Hyun-Woo umrundete die Theke und ging zu Soo-Ri.

„Du störst nicht“, meinte er zu Juen, „komm endlich herein und mach die Tür zu, es zieht. Und du Soo-Ri, kommst mit mir!“

Sagte ich schon, wie sehr ich es liebte, wenn mein Schatz so dominant tat. Die zwei verschwanden in unserem Schlafzimmer und ich wandte mich zu Juen.

„Komm setz dich“, meinte ich und zeigte auf den Hocken neben mir. Juen schaute immer noch Richtung Schlafzimmer.

„Warum ist der hier?“, fragte Juen und setzte sich neben mich.

Natürlich hörte ich den misstrauischen Unterton.

„Ähm… eine längere Geschichte…, was führt dich so früh am Morgen zu uns?“

Nun hatte ich Juens volle Aufmerksamkeit, denn er schaute mich an.

„Eigentlich wollte ich zu So-Woi, aber da ist niemand zu Hause.“

„Kann sein, dass er bei seiner Großmutter übernachtet hat.“

„Schade, ich wollte ihn um Rat fragen.“

„Kann ich, oder Hyun-Woo vielleicht weiter helfen?“

Juen schaute wieder kurz Richtung Schlafzimmer.

„Es geht um meine Wohnung…“

„… was ist mit der?“

„Sie ist unheimlich groß…“

Verwundert schaute ich ihn an.

„Zu groß?“

Juen nickte.

„Sei doch froh, ich habe gestern eine Wohnung gesehen, die empfand ich als unheimlich klein…“

„Du verstehst das nicht, Lucas. Ich bin so etwas nicht gewohnt. Zu Hause, bei meinen Eltern hatte ich nur mein Zimmer und jetzt habe ich ein eigenes Wohnzimmer, Schlafzimmer, Gästezimmer und Küche und Bad, vom Balkon will ich gar nicht reden. Das ist viel zu viel für mich alleine.“

„Willst du wieder ausziehen?“

„Nein, das habe ich nicht gesagt. Ich wollte So-Woi fragen, ob er nicht jemand weiß, mit dem ich die Wohnung teilen könnte.“

„Kennst du niemand?“

Er schüttelte den Kopf.

„Ich hab dir schon gesagt, mit so einer Mutter führst du ein Einsiedlerleben und meine Kollegen sind alle gut versorgt.“

Ich atmete tief durch und Hyun-Wo kam zurück. Mir fiel auf, dass sein Gesicht ganz rot war.

„Alles in Ordnung, Schatz?“, wollte ich wissen.

Er winkte ab und begab sich wieder hinter die Theke.

„Auch einen Kaffee?“, wollte er von Juen wissen.

„Danke, gerne.“

Ich schaute Hyun-Woo durchdringend an. Ohne Grund wurde er nicht so rot. Hyun-Woo verdrehte die Augen, als er mir kurz in die Augen sah.

„Er scheint mal nichts gegen unsere Beziehung zu haben?“, meinte Hyun-Woo leise.

„Nicht?“, fragte ich verwundert.

Hyun-Woo nahm eine weiter Schüssel und schöpfte Juen Reis heraus.

„Nein. Ich habe ihm angeboten, bei uns im Bad zu duschen und ihm ein paar ältere Klamotten von mir gegeben, wir haben ja ungefähr die gleiche Größe. Er hat sich artig bedankt, sich nackt ausgezogen und ist in unserm Bad verschwunden.“

„Nackt?“, kam es von Juen und mir gleichzeitig.

Hyun-Woo nickte nur uns reichte Juen seinen Reis.

„Die Narbe am Hals ist übrigens nicht die einzige“, sagte Hyun-Woo beiläufig.

So etwas dachte ich mir schon. So war die Narbe am Hals nicht nur mir aufgefallen.

„Narben?“, kam es nun von Juen.

„Sieht er wenigstens gut aus?“, überging ich Juens Frage.

„Joah“, grinste Hyun-Woo, „er hat ungefähr die Figur wie Juen, aber nicht so muskulös.“

Juen schaute zwischen uns hin und her.

„Könntet ihr mir vielleicht sagen, was hier los ist? Warum ist Hyun-Woos Sekretär hier?“

„… hm… ich weiß nicht, ob ich das so einfach erzählen kann?“

„Natürlich kannst du das, Soo-Ri ist doch dein Freund.“

„Bist du jetzt etwa eifersüchtig?“

„Ich…? Eifersüchtig? War ich etwa eifersüchtig, als ich dich mit Juen im Bett erwischt habe?“

Juen wurde tief rot und Hyun-Woo und ich fingen laut an zu lachen. Ich fand es herrlich, wie Hyun-Woo sofort mit einstieg. Aber ich versuchte wieder ernst zu werden.

„Nein, ich meine das ernst. Ich kann nicht einfach so über die Privatsphäre von Soo-Ri erzählen. Du hast selbst gesagt, dass du nicht möchtest, dass er da, mit hinein gezogen wird.“

„Ja, habe ich, aber Juen ist Polizist und unser Freund, ich würde gerne seine Meinung wissen.“

Juen schaute immer noch ungläubig zwischen uns hin und her.

„Hallo…, ihr redet, als wäre ich nicht anwesend!“

„Entschuldige Juen, aber die letzen zwei Tage waren etwas anstrengend“, sagte Hyun-Woo und ich nickte.

„Ich weiß nicht, ob du mitbekommen hast, dass So-Wois Entwürfe kopiert und als Eigentum jemand anderem ausgeben wurden.“

„Ehrlich? Nein, davon weiß ich nicht. Wisst ihr, wer die Zeichnungen gestohlen hat?“

„Wir wissen das Wie und das Wer?“, sagte ich.

„Und ihr habt das nicht der Polizei gemeldet?“

Wir schüttelten fast gleichzeitig den Kopf.

„Und warum nicht?“

„Das gestaltet sich etwas schwierig, weil wir noch nicht wissen, wie wir weiter vorgehen sollen“, erklärte Hyun-Woo.

„Deswegen ist So-Woi auch bei seiner Großmutter, er wird sich mit ihr absprechen, denn es handelt sich um So-Wois Vater, der im Besitz dieser Zeichnungen ist.“

„Was? Das wird ja immer schöner. Und was hat dann dein Sekretär damit zu tun?“

„Ich habe den…, der die Zeichnungen kopiert hat… herein gelassen“, hörten wir eine Stimme hinter uns.

Rückartig drehten wir uns um, Juen war sogar aufgesprungen. Selbst in den Klamotten von Hyun-Woo sah Soo-Ri verloren aus. Auch die waren etwas zu groß.

„Ihr wisst davon?“, wollte ein verärgerter Juen wissen.

„Japp!“, antwortete ich, während mein Schatz zu Soo-Ri lief und ihn zur Theke zog.

Er pflanzte ihn neben mich und begann erneut die Prozedur des Reis abfüllen.

„Aber…“, weiter kam Juen nicht, ich hatte meine Hand gehoben und er schwieg.

„Du kennst nicht die ganze Geschichte, also verurteile Soo-Ri nicht im Voraus!“

Unschuldig bis zum Beweis vom Gegenteil, hieß es doch immer.

„Soo-Ri wurde auf übelste Weise erpresst, er konnte nicht anders handeln“, fügte Hyun-Woo hinzu.

Wenn ich daran dachte, wie wütend Hyun-Woo auf Soo-Ri war und wie er sich jetzt um ihn kümmerte. Soo-Ri musste langsam klar werden, dass er Hyun-Woo etwas bedeutet, sonst würde mein Schatz ja so nie handeln.

„Erpresst? So-Wois Vater hat ihn erpresst?“

Ich schloss die Augen und atmete tief durch.

„Das war nicht er direkt, Juen. Wer es war, wissen wir nicht, aber auf alle Fälle jemand, der Soo-Ri kennt, oder über ihn nachgeforscht hat.“

„Das ist alles sehr undurchsichtig, wie soll man da ermitteln?“, fragte Juen.

„Deswegen meinte ich auch, es ist alles etwas kompliziert.“

Juen schaute erst auf mich, dass zu Soo-Ri. Dann erhob er sich und umrundete mich, blieb bei Soo-Ri stehen. Dieser zuckte etwas zusammen und wich zurück.

„Darf ich fragen, woher die Narbe stammt?“

Soo-Ri starrte mich fragend an, aber ich nickte leicht und mein Schatz, bewaffnet mit zwei Schüsseln Reis setzte sich neben seinen Sekretär.

„Das… das sind Narben von… ich wurde vergewaltigt“, flüsterte Soo-Ri, „und zusammen geschlagen. Davon wurden Fotos gemacht…, mit denen ich jetzt erpresst werde…““

Zusätzlich hob er noch sein Shirt hoch und nun konnte ich ebenso die Narben sehen, von denen Hyun-Woo erzählt hatte. Entsetzt schaute mich Juen an, seine Augen wurden ebenso glasig wie meine.

Soo-Ri ließ das Shirt hinab gleiten und starrte nun auf seine Schüssel Reis. Hyun-Woo nahm ein Glas, schenkte Wasser ein und stellte es zu Soo-Ri.

„Du solltest etwas essen…, du hast Medikamente genommen“, sagte er ruhig.

„Ich glaube…, ich bekomme keinen Bissen herunter.“

Juen ließ sich wieder neben mir nieder, ohne weiter etwas zu sagen. Er nahm seine Stäbchen, die Schüssel Reis und begann zu essen.

„Weiß man, wer es war?“, fragte er kauend.

„Ja, aber sie wurden nie belangt“, antwortete ich und begann ebenso zu essen.

Es war das erste Mal, wo mir das Frühstück nicht schmeckte, oder hatte ich einfach keinen Appetit mehr? Soo-Ri trank einen Schluck, während Hyun-Woo in seinem Reis herum stocherte.

„In dem Fall wurde aber sicher ermittelt…, Soo-Ri, würde es dir etwas ausmachen, wenn ich mir diese Unterlagen dazu anschauen würde?“

Soo-Ri nickte, ohne aufzuschauen.

„Was soll das bringen? Das sind alles Kids von reichen …“, ich verstummte, war So-Woi nicht auch eins dieser reichen Kids, über die ich jetzt herziehen wollte.

Gut, ich wusste, So-Woi war anders, aber er war ebenso in einem reichen Familienhaus aufgewachsen, wie eben die, die Soo-Ri misshandelt hatten.

„Schon mal auf die Idee gekommen, dass einer derjenigen, die sich an Soo-Ri… vergangen haben, auch die Bilder gemacht hat, mit denen er jetzt erpresst wird?“

Wieder wurde mir bewusst, was ich für tolle Freunde hatte. Juen, eben noch stink sauer, hatte in den Helfermodus gewechselt. Was er eben gesagt hatte, daran hatte ich überhaupt nicht gedacht, aber er hatte Recht.

*-*-*

Da wir Soo-Ri nicht alleine lassen wollten, aber Hyun-Woo es nicht zu ließ, ihn in diesem Zustand arbeiten zu lassen, hatte sich Juen bereit erklärt, sich um Soo-Ri zu kümmern. Juen hatte vorher ein längeres Gespräch mit meinem Onkel geführt um sein OK für diese Aktion zu bekommen.

Hyun-Woo selbst, hatte mich, bevor er wieder zur Firma fuhr am Hotel abgesetzt. Wollte ich diesen Tag doch noch mit meinen Eltern verbringen. Nach einem kleinen Abschiedskuss, stand ich noch eine Weile da und sah seinem Wagen nach.

Gerne hätte ich ihn bei mir gehabt, verstand jedoch, dass seine Arbeit vorging. So lief ich ins Hotel, um mich wie gewohnt anzumelden. Wie immer nahm ich die Treppe und wurde bei Ankunft im Zimmer freudig begrüßt.

Natürlich erzählte ich nicht, was sich in den letzten zwei Tagen zugetragen hatte und war das erste Mal froh darüber, als meine Mutter über meine Zukunftspläne sprechen wollte. Aber schnell war dieses Thema versiegt und es wurde beschlossen, den restlichen Vormittag in der Stadt an angesagten Orten zu verbringen, da Mia davon noch nicht viel gesehen hatte.

Natürlich wurden hier und da Fotos von mir gemacht, was mich schon jetzt etwas nervte und ich sehnte mich etwas an die Zeit zurück, als ich einfach Lukas war und mich niemand kannte.

Als wir gegen Mittag ein Restaurant aufsuchten und Mia und Mama auf der Toilette verschwanden, zog mich Papa zu Seite.

„Was ist los mit dir?“

„Mit mir?“, fragte ich verwundert, „nichts!“

„Lukas, ich kenne dich nun lang genug, um zu merken, wenn die etwas bedrückt!“

Er hatte Recht, ich hatte noch nie gut etwas vor ihm verstecken können. So erzählte ich in kurzen Bruchstücken, was sich die letzten zwei Tage zu getragen hatte. Darauf reagieren konnte er aber nicht, weil Mum mit Mia zurück kam.

„Ihr könnt mich für verrückt halten, aber ich brauche etwas Bewegung“, meinte Mia.

„Du?“, fragte ich kichernd und hielt zum Spaß meine Hand an ihre Stirn, als wolle ich überprüfen, ob sie Fieber hatte.

Papa grinste und Mia schob meine Hand weg.

„Seit wir hier sind, kommt es mir so vor, als würden wir nur noch essen. Wenn das so weiter geht, pass ich bald nicht mehr in meine Klamotten.“

„Oder eure Maschine kann wegen Überladung morgen nicht starten“, sagte ich kichernd.

Jetzt kicherte sogar Mum hinter vorgehaltener Hand.

„Also Lukas scheint das gut zu bekommen und der ist schon länger hier, als du!“, sagte Papa.

„Ich habe auch genug Bewegung“, erwiderte ich.

„Du treibst Sport?“grinste mich Papa fragend an.

Ich zog eine Grimasse und alle lachten.

„Aber was machen wir mit den Einkäufen?“, fragte Mum.

„Moment, da fällt mir etwas ein“, sagte ich und zog mein Handy heraus.

Kurz rief ich bei unserem Fahrdienst im Haus an und orderte einen Wagen für uns.

„Lukas, du kannst doch nicht einfach einen Wagen von So-Woi für uns bestellen!“, beschwerte sich meine Mutter.

„Doch ich kann, du vergisst, dass ich für So-Woi arbeite und mit Hyun-Woo zusammen lebe. Aus diesem Grund kann ich ebenso über den Fuhrpark verfügen. Hyun-Woo besteht sogar darauf.“

Ungläubig schaute mich Mum an.

„Ihm ist es lieber, ich benutze einer der Firmenwagen. Er möchte nicht, dass ich alleine, die öffentlichen Verkehrsmittel benutze. Mein Gesicht ist in der Stadt nicht mehr so unbekannt, so ist es besser, den Wagen aus So-Wois Haus zu nutzen.“

„Wenn Hyun-Woo das meint, will ich nichts gesagt haben.“

Ich musste grinsen. Mum musste wohl eine gute Meinung von Hyun-Woo haben.

„Wir lassen uns am Hanriver absetzten, dort kann man prima sparzieren gehen, und die Sachen werden anschließend ins Hotel gebracht. So wäre dieses Problem gelöst.“

*-*-*

Während Mia und Mama gemeinsam vor uns liefen, hatten Papa und ich, uns ein paar Meter zurück fallen lassen.

„Dein Entschluss hier zu studieren steht also fest!“

Das war keine Frage, sondern eine Feststellung. Ich nickte ihm zu.

„Du weißt, ich habe deine Entscheidungen bisher immer akzeptiert. Es ist mir wichtig, dass du und Mia genau wisst, wie ihr euch eure Zukunft vorstellt.“

Das hörte sich jetzt so an, als wäre er mit meinem Entschluss nicht einverstanden.

„Aber ich mache mir Sorgen um dich, Lukas! Seit du hier bist, sind so viele Sachen geschehen …“

„Und du hast mir immer geholfen“, entgegnete ich.

„Es tut mir leid, Lukas. Mir fällt es schwer, dich einfach ziehen zu lassen.“

„Tun das, nicht alle Eltern, das ist doch normal.“

„Da bin ich mir nicht ganz sicher.“

„Du meinst also, es wäre besser in Deutschland zu studieren…?“

„Das habe ich nicht gesagt, ich bin sogar stolz auf dich, dass du hier studieren möchtest.“

„Wirklich?“, fragte ich erstaunt.

Er legte seinen Arm um mich.

„Ja, wirklich! Nur muss ich mich daran gewöhnen, dass du nun dein eigenes Leben führst und mich nicht mehr brauchen wirst.“

„Papa, was sagst du da? Ich werde dich immer brauchen!“

Er grinste mich an.

„Ich werde doch nicht auf meinen weltbesten Ratgeber und Freund verzichten!“

„Was ist mit Hyun-Woo?“

Oh, eiskalt erwischt.

„Der…, der… steht dir hilfsreich zur Seite! Du wirst älter… Aufgaben werden schwieriger…“

Ich konnte den Satz nicht beenden, denn ein spitzer Finger bohrte sich in meine Seite. Zur Seite hüpfend, zog ich natürlich die Aufmerksamkeit meines Umfeldes auf mich, der Schrei war laut.

„Papa!“, sagte ich vorwurfsvoll, aber er lachte nur.

Mia und Mama waren stehen geblieben.

„Kann man euch keine Minute alleine lassen?“, hörte ich Mama sagen.

„Öhm…“, meinte ich und sah mich um, „wir sind nicht alleine.“

„Du weißt ganz genau, wie ich das meine, benehmt euch gefälligst!“

„Ich habe nur mit Freuden zum Ausdruck gebracht, wie herrlich ich es finde, hier mit meiner Familie sparzieren gehen zu dürfen.“

„Das kannst du auch leise tun!“, sagte sie, drehte sich um und lief weiter.

Mia grinste mich an.

„Ich sehe, die Sitten und Gebräuche, sind dir hier schon ganz ins Blut übergegangen“, meinte Papa neben mir.

Fragend schaute ich ihn an.

„Du hast dich verändert. Zuhause warst du eher ruhig und ich hatte oft die Befürchtung, du würdest noch als Stubenhocker enden. Aber seit du hier bist, sprühst du regelrecht vor Energie. Man merkt es schon alleine daran, wie du dich ausdrücken kannst.“

„Das kommt nur davon, ich welches Umfeld mich meine Freunde gebracht haben.“

„Ich bin mir nicht ganz sicher, ob es nur deine Freunde waren.“

„Ist das jetzt negativ?“

„Nein, ganz im Gegenteil, Lukas. Es zeigt mir, dass du mit beiden Beinen im Leben stehen kannst und meine Sorgen eigentlich… unbegründet sind.“

„Und trotzdem machst du dir Sorgen.“

Er nickte.

„Kleine Kinder…, keine Sorgen, große Kinder…, große Sorgen“, meinte ich.

„So ungefähr…, ich will nur damit sagen, pass auf dich auf Lukas, das meine ich ernst!“

„Das werde ich, Papa, darauf kannst du dich verlassen. Zudem habe ich ja auch die Weltbesten Aufpasser um mich herum. Mir kann gar nichts passieren!“

Papa legte seine Stirn in Falten.

„Du siehst aber, in der Vergangenheit, wie schnell sich das ändern kann.“

*-*-*

Meine Eltern und Mia waren zurück im Hotel, denn sie mussten packen. Man hatte sich für den Abend noch bei den Großeltern verabredet, es sollte ein kleines Abschiedsessen geben. Ich hatte mir ein Taxi geleistet und war nun auf dem Weg zur Firma.

Dort angekommen, konnte ich ohne Probleme das Haus betreten. Natürlich viel mir der leere Stuhl im Vorraum der Büros auf und meine Gedanke wanderte wieder zu Soo-Ri. Ob seine Kolleginnen etwas wussten?

Auch wenn ich Hyun-Woos Freund war, achtete ich auf die Hierarchie des Büros und lief nicht geradewegs ins Büro meines Schatzes. Sora erhob sich lächelnd und ging zur Tür von Hyun-Woo.

„Lucas ist hier“, meinte sie und wies mir den Weg ins Büro.

„Danke“, sagte ich nur und schritt an ihr vorüber.

„Hallo Lucas“, begrüßte mich Hyun-Woo mit einem Lächeln.

Ich lief bis zu seinem Schreibtisch und beugte mich etwas vor.

„Hallo Schatz!“, sagte ich leise zu ihm und lächelte.

Hyun-Woo schaute an mir vorbei, erhob sich dann und gab mir einen kleinen Kuss. Dann ließ es sich wieder in seinen Stuhl zurück fallen.

„Wie war dein Mittag?“

„Schön, sehr schön. Das Bankkonto meines Vaters hat sich sicher geschmälert und ich durfte noch einmal am Hanriver sparzieren gehen.“

„Was habt ihr denn alles gekauft?“

„Die Damen haben sich etwas gekauft, ich war nur Zuschauer, aber danach waren wir noch essen, in einem für mich sündhaft teuren Restaurant.“

„Aber alleine dich in bester Laune und lächeln zu sehen, war es doch wert?“

Ich nickte ihm zu und ließ mich auf dem Stuhl vor seinem Schreibtisch nieder.

„Irgendetwas von Juen gehört?“

Hyun-Woo schüttelte den Kopf und sah weiterhin auf seine Papiere. Ich kannte Hyun-Woo mittlerweile so weit, dass ich wusste, dass ihn etwas beschäftigte.

„Was ist los?“

Er seufzte und ließ sich zurück fallen.

„Ich weiß nicht, wie es weiter gehen soll. Meinst du, Soo-Ri kann hier so einfach weiter arbeiten?“, flüsterte er.

„Aber sicher doch, außer uns weiß doch niemand, was vorgefallen ist.“

„Das meine ich nicht. Ich denke da an Soo-Ri, ob er einfach so weiter machen kann…“

„Ach so…, das kann ich dir nichts sagen. Aber er müsste zumindest bemerkt haben, dass es So-Woi und du gut mit ihm meinen und ihr keinen Groll gegenüber ihn hegt.“

„Ich überlege die ganze Zeit, wie man ihm mehr helfen könnte. Er hat da alles mit sich herum geschleppt, hatte niemanden zum Reden.“

„Du sprichst von den Narben in seiner Seele…, oder?“

Hyun-Woo nickte.

„Du hast selbst gesehen, wie er auf uns reagiert hat, als wir ihn zur Rede stellten. Was ist, wenn so etwas noch einmal passiert?“

„Meinst du nicht, dass es ihm schon sehr geholfen hat, mit uns darüber zu reden?“

„Er hat uns erzählt, was passiert ist, aber über den genauen Ablauf wissen wir nichts.“

Hyun-Woo erhob sich und schloss seine Tür. Dann zeigte er auf die Sitzgruppe. Ich stand auf und setzte mich mit ihm auf die Couch. Er griff nach meiner Hand.

„Lucas, versteh mich bitte jetzt nicht falsch. Ich kann nur erahnen, was Soo-Ri durchgemacht hat. Als wir beide miteinander schliefen, hatte ich selbst anfänglich starke Schmerzen…“

„…, aber warum hast du denn nichts gesagt Hyun-Woo… das tut mir leid… ich hätte sofort…“

„Lucas Stopp!“, unterbrach mich mein Schatz.

Verzweifelt schaute ich ihn an.

„Ich habe dir gesagt, du sollst dass nicht falsch verstehen! Es ist wunderschön dich in mir zu spüren und mir war von Anfang an klar, dass dies nie ohne Schmerzen ablaufen würde, dazu bist du… einfach… einfach zu gut bestückt!“

Er lächelte mich an und ich wurde rot.

„Ich wollte nur damit ausdrücken, dass wenn jemand dies Soo-Ri zugefügt haben muss und dass von mehreren, müssen seine seelischen Narben sehr tief liegen. Ich weiß nicht, ob Soo-Ri selbst schwul ist, oder nicht, aber sollte er je mit jemanden Sex haben, kann ich mir nicht vorstellen, dass das ohne Probleme abläuft.“

Ich war über Hyun-Woos Offenheit sehr überrascht, freute mich aber insgeheim, dass er ohne Vorbehalt, so mit mir redete. Er hatte aber Recht, Soo-Ri hatte sicher psychische Schäden davon getragen.

Darüber hatte ich noch gar nicht richtig nach gedacht. Dies würde Soo-Ris auffallende Schüchternheit, während der Arbeitszeit erklären. Ich merkte, dass es Hyun-Woo leicht schüttelte.

„Ich mag mir das gar nicht vorstellen“, sagte er und ich sah eine einzelne Träne über seine Wange kullern.

So nahm ich ihn einfach in den Arm und drückte ihn fest an mich. Ich wollte den Gedanken auch nicht weiter ausführen und versuchte ein paar tröstende Worte zu finden.

„Haben wir bisher nicht immer alles gemeinsam geschafft“, flüsterte ich ihm ins Ohr.

Er nickte und ich drückte ihn etwas weg von mir.

„Ich denke, es wäre gut, dass Soo-Ri so schnell wie möglich wieder anfängt zu arbeiten, damit er auf andere Gedanken kommen kann. Aber ich denke, wir müssen an der Gesamtsituation etwas ändern.“

„Was schwebt dir da vor?“

„Hm… zum ersten wäre es gut, wenn er da aus diesem… Haus heraus kommen würde.“

Hyun-Woo sah mich fragend an.

„Ich habe dir schon erzählt, wie knapp Wohnungen sind und die, die man noch bekommen kann, sind sehr teuer.“

„… So-Woi…“

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass So-Woi ihm eine Wohnung anbietet.“

„Daran dachte ich auch nicht, bis jetzt auf alle Fälle nicht. Er kann dort nur nicht weiterhin alleine wohnen.“

Hun-Woo sah mich lange an.

„Lucas, ich kenne dich mittlerweile gut genug, dass du schon genau weißt, was du tun willst.“

Ich grinste ihn an.

„Ja, aber es ist noch nicht Spruchreif, ich muss da zuerst, mit So-Woi und Juen reden.“

„Juen?“

Ich nickte.

*-*-*

Es war schon recht spät, als Hyun-Woo und ich wieder die Wohnung betraten. Das „kleine“ Abendessen bei den Großeltern, war doch nicht so klein, wie ausgemacht. Es wurde viel über zukünftige Pläne geredet, unter anderem auch wurde mein Onkel Sung-Ja dazu bestimmt, die Bauarbeiten im Nachbarhaus zu beaufsichtigen.

Ich war etwas traurig darüber, dass meine Familie morgen wieder zurück flog. Mein Handy gab laut und ich schob den Gedanken zur Seite. Es war eine Mitteilung von Juen.

„Juen fragt, ob sie noch herauf kommen können?“

„Sie?“

„Ja, ich denke Soo-Ri wird immer noch bei ihm sein.“

„Kein Problem. Aber ich hätte nicht gedacht, das Juen sich so um Soo-Ri bemüht.“

Hyun-Woo kam zu mir her und nahm mich in den Arm.

„Ab und zu kommt es mir so vor, als scharrst du nur ausgesuchte Personen um dich, auf die du dich immer Hundert prozentig verlassen kannst.“

„Ich mach das nicht mit Absicht“, lächelte ich, „ich lerne hier nur immer wieder wunderbare und faszinierende Menschen kennen und den fasziniertesten Menschen überhaupt, halte ich gerade in den Armen!“

„Du willst dich doch nicht etwa ein schmeicheln?“

„Habe ich das nötig?“

„Nein!“, kicherte mein Schatz und ließ mich los, aber nicht ohne mir noch einen kleinen Kuss auf die Wange zu drücken.

„Dann werde ich mal Tee kochen“, meinte er.

„…und ich werde mir etwas Bequemeres anziehen, bevor die zwei komme“, sagte ich und verschwand ins Schlafzimmer.

Als ich eine viertel Stunde später und einem aufschlussreichen Telefongespräch mit So-Woi wieder in den Wohnraum zurück kam, saßen Juen und Soo-Ri bereits auf der Sitzgruppe. Als Soo-Ri mich sah, erhob er und verneigte sich vor mir. Wieder etwas, was mir gegen den Strich ging.

Ich verneigte mich ebenso und setzte mich zu den beiden. Als ich nach seiner Hand griff, zuckte er zusammen. Juen neben ihm, schaute mich an und schüttelte leicht den Kopf.

„Soo-Ri“, begann ich und ließ seine Hand wieder los, „ich habe eine große Bitte an dich.“

„Ja?“

„Wäre es möglich, wenn ich den Raum betrete, oder wir uns treffen, du dich nicht immer extra vor mir verbeugst?“

„Aber ich kann doch nicht…“

„Doch du kannst Soo-Ri! Ich weiß es gehört fest zu eurer Kultur, eure Ehrerbietung, einem Älteren, oder einer höher gestellten Person zu zeigen. Da ich keins von beidem bin, erstens bin ich jünger als du, und zweitens bin ich höher gestellt, wäre es lieb, wenn du es lassen würdest.“

„Aber du bist Hyun-Woos Freund…., meinem Chef und…“

„Gib es auf Soo-Ri!“, kam es von meinem Schatz, „das hat er mir von Anfang an auch gesagt, als ich noch sein Assistent war. Ich hatte keinerlei Chancen, mich dagegen zu wehren.“

„Du warst Lucas Assistent?“, fragte Soo-Ri verwundert.

„Und ich sein Bodyguard“, mischte sich nun auch Juen ins Gespräch ein.

„Bodyguard…, Assistent, das heißt doch aber, du bist viel höher gestellt als ich!“, meinte Soo-Ri verwirrt.

Ich schüttelte den Kopf.

„Das verstehst du falsch, Soo-Ri. Als ich hier in Korea und bei meiner Gastfamilie ankam, hatte deren Familienoberhaupt beschlossen, mir als Hilfe einer seiner Assistenten zu Seite zu stellen, der mir in allen Belangen hilft.“

„Das war Hyun-Woo…, aber er ist doch Chef unserer Firma!“

„Ich bin Partner des Chefs, Soo-Ri“, sprach nun Hun-Woo weiter, aber dies alles zu erklären, sprengt jetzt den Rahmen. Was Lucas damit sagen wollte, er hat sich von Anfang an gewehrt und ich verstand es auch erst nicht.“

Soo-Ri schaute mit großen Augen zwischen uns hin und her.

„Ich bin selbst älter als Lucas und er wollte von Anfang an, dass ich du zu ihm sage und auch wollte er, dass ich ihn nicht immer bevorzugt bediene.“

„So etwas, gibt es in meiner Heimat nicht, Soo-Ri“, redete ich nun, „und für mich ist keiner von mir höher oder niedriger gestuft, als ich selbst, für mich seid ihr alle gleich!“

„Daran wirst du dich gewöhnen müssen“, meinte Juen lächelnd, „Lucas ist nun mal so und wie Hyun-Woo schon sagte, du schaffst es nicht, dich gegen Lucas zu wehren, dafür ist er einfach zu dominant.“

„Bin ich das?“, fragte ich verwundert.

„Ja, aber auf eine eigene, sehr charmante Weise!“

Das ich bei denen vielen Komplimenten, die ich hier bekommen hatte, immer noch rot und verlegen wurde, war wunderlich. Ich merkte aber Soo-Ri an, dass er immer noch sehr verunsichert war.

„Ich habe je eine Frage an euch beide…“

Juen und Soo-Ri schauten mich beide an.

„Soo-Ri, ich wollte dich fragen, ob es schwierig ist, deine Wohnung zu kündigen…?“

Soo-Ri schaute mich entsetzt an und ich hob abwehrend die Hände.

„Beantworte mir einfach die Frage, ich erkläre dir dann warum.“

Juen neben ihm riss die Augen auf und fing an zu grinsen.

„Ich muss immer am Monatsende meine Miete zahlen, sonst muss ich ausziehen…“, erklärte Soo-Ri leise.

„Krass!“

„Und mich willst du bestimmt fragen, ob ich etwas dagegen hätte, mit Soo-Ri meine Wohnung zu teilen!“, grinste mich Juen an.

Der Kerl hatte es wirklich drauf.

„Aber ich kann doch nicht…“, begann Soo-Ri wieder.

„Stopp, Soo-Ri. Du hast meine Wohnung gesehen und sicher gemerkt, dass sie für mich alleine, viel zu klein ist. Warum dann nicht eine kleine Wohngemeinschaft gründen …., zu zweit ist man nicht mehr so alleine!“

„Ich weiß nicht, ob ich mir das leisten kann…“, flüsterte Soo-Ri.

„Darüber brauchst du dir keine Gedanken zu machen“, sagte ich, „So-Woi meinte, du zahlst einen ähnlich Betrag, wie für deine kleine Wohnung und du kannst dadurch auch alle Annehmlichkeiten dieses Haus nutzen. Das kannst du dir doch dann leisten, oder?“

Schüchtern nickte Soo-Ri uns zu und ich schaute dann zu Hyun-Woo.

„Kannst du deinen Sekretär morgen noch einmal entbehren?“

„Ich weiß nicht. Ohne ihn bin ich ziemlich aufgeschmissen“, stieg Hyun-Woo sofort mit ein, grinste aber.

„Gut, dann soll Soo-Ri morgen nach Hause fahren und packen und mit dem Fahrservice des Hauses alles hier her bringen lassen!“

Soo-Ri wusste anscheinend nicht, was er sagen sollte, er schaute nur zwischen uns hin und her.

„Gib es auf, Soo-Ri, gegen Lucas kommst du nicht, dass ist alles schon beschlossen“, sagte Juen und wandte sich dann an mich.

„Ähm…, warum wir eigentlich wirklich hier sind…, wir wissen jetzt, wer die Bilder gemacht hat… und wie die Verbindung zu So-Wois Vater ist…“

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4 Kommentare

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  1. Ich sage jetzt einfach mal Pit. .
    Dane dir für all deinen vielen Stories die ich in kurzer Zeit von dir lesen durfte. Bin erst vor kurzem auf diese Seite gestossen. Und muss sagen du schreibst einfach genial. Immer sehr spannend.
    Einfach Danke.
    Gruss Ralph

    Ps leider muss ich immer wieder von einer Krankheit lesen die dir das Leben schwer macht. Darf man fragen was dich von einem gesunden ungestörten Leben abhält.
    Antworten nur wenn du willst. Bin dir nicht böse wenn du keine Auskunft geben willst

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  2. Huhuu Pit, das ist eine freudige Überraschung. Wieder hat es mir Spaß gemacht, eine gelungene Story von dir zu lesen. Wenn da nicht die lange Wartezeit zwischen den Teilen wär, das stimmt mich bissl traurig und bereitet mir Sorgen wegen deinem Gesundheitszustand. Hoffe doch mal, dass der nicht schlechter geworden ist? Auch ist es traurig und bedauerlich, dass nicht mehr neue Storys online gehn, echt schade.

    VlG Andi

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    1. Hallo Andi,
      mein Gesundheitszustand ist tagabhängig mal so mal so und ich versuch das beste daraus zu machen. Und wegen den neuen Stories, oder fehlenden Fortsetzungen, tia auch die Autoren werden älter und meist ändern sich auch deren Interessen und so treten Geschichten leider in den Hintergrund.
      Liebe Grüße Pit

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    • helmut auf 12. August 2019 bei 22:20
    • Antworten

    Einmal mehr – einfach gut :-))))- ähmm …. sehr gut …. .öhmm ….. meine ausgezeichnet :-))

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