*-*-*
„Noch etwas länger an diesem Tisch und ich hätte Frostbeulen bekommen“, meinte Jayden.
„Geht es denn immer so eisig zwischen den Erwachsenen zu, hier draußen habe ich jedenfalls nie etwas mit bekommen“, kam es von Taylor.
„Nur wenn Tante Sophia da ist“, meinte Molly.
„Also wenn jetzt jedes Essen so abläuft, lass ich mir das Essen aufs Zimmer kommen“, sagte Sabrina.
„Sabrina, wir sind hier nicht im Hotel“, meinte ich.
„Aber möglich wäre das“, sagte Jayden.
„Ja, setz ihr ruhig noch Flausen in den Kopf…, sind wir jetzt alle fertig können wir los?“
Genervt schaute ich in die Runde. Taylor und ich hatten beschlossen, nach dem Essen noch sparzieren zu gehen. Natürlich bekamen die anderen Wind davon. So hatten wir uns nun dick eingepackt, vor dem Haus getroffen.
„Wartet, ich hab ein paar Fackeln für euch“, hörten wir es von der Tür her rufen.
Dort stand Tante Abigail und Mum. In schnellen Schritten lief Taylor die Treppe hinauf und nahm ihr die Dinger ab.
„Passt auf euch auf und bleibt nicht zu lange weg“, meinte Mum, bevor sie wieder im Haus verschwand.
Tante Abigail folgte ihr kurz darauf und Taylor kam zu uns zurück und verteilte die Fackeln.
„Ich würde vorschlagen, wir zünden erst mal nur zwei an, ich weiß nicht wie lange die Teile halten.“
Jeder fand den Vorschlag richtig und so wurden erst einmal nur zwei Fackeln angezündet. Jayden, mit Molly und Sabrina liefen voran und Taylor und ich folgten ihnen. Sie schlugen den Weg zur Straße ein.
„Fast etwas romantisch“, meinte ich leise zu Taylor, der die zweite Fackel trug.
Natürlich hatte ich mir seine andere Hand geschnappt. Gab es etwas schöneres, als mit seinem Freund Händchenhaltend sparzieren zu gehen. Ich musste grinsen, klar gab es etwas Schöneres, aber den Gedanken verwarf ich gleich wieder, wir wollten das langsam angehen.
„Du, was meinte dein Grandpa vorhin mit dem Besuch? Gibt es noch einen Verwanden, den ich nicht kenne?“
„Nein, Grandpa meinte sicher Gregory, einen Klassenkamerad, der bei Sabrina wohnt und den hat Mum eingeladen.“
„Ach so und der wohnt bei Sabrina? Wieso denn?“
„Sein Vater lebt nicht mehr und seine Mutter ist einfach abgehauen, da haben seine Großeltern ihn aufgezogen. Die leben übrigens hier in Newbury.“
„Hm, es gibt wohl mehrere so wie mich, dessen Eltern einem im Stich gelassen haben.“
Mist, daran hatte ich gar nicht mehr gedacht.
„Tut mir leid, Taylor, ich wollte dich nicht daran erinnern.“
„Nicht schlimm Jack, das ist nun schon so lange her und erinnern kann ich mich eh nicht, da war ich einfach zu klein.“
„Gregorys Mutter ist nach der Geburt abgehauen…“
„Autsch, das ist heftig.“
„Ja und kurz bevor wir hier herfahren wollten, stand er plötzlich vor der Tür und fragte, ob er hier mit nach Newbury fahren könne, seine Großeltern besuchen, weil er nicht genug Geld für den Bus oder Zug hätte.“
„Das ist wirklich bitter. Ich wohne zumindest mit meiner Schwester zusammen, das hat mir über vieles hin weggeholfen.“
„Naja, jetzt ist er wenigstens über Weihnachten bei seinen Großeltern und Mum hat ihn eben eingeladen zum Tee zu uns zu kommen.“
„He, was trödelt ihr so“, rief Sabrina.
Ich wusste schon warum ich mit Taylor alleine laufen wollte.
„Wir gehen sparzieren, ich wollte keinen Sprint hinlegen!“, rief ich zurück.
Taylor kicherte neben mir.
„Wir folgen euch schon, keine Sorge!“
So trotteten wir gemächlich weiter.
„Du hast vorhin gesagt, du willst mich morgen nach Hause bringen.“
„Ja, war der Vorschlag von Mum und ich finde ihn gut, dann lerne ich deine Schwester kennen und sie mich. Was mir einfällt, ich würde gerne ein kleines Präsent mitbringen, weißt du, was ich deiner Schwester und ihren Mann schenken könnte.“
„Da bin ich ehrlich überfragt… und du willst das wirklich machen?“
„Ja, warum nicht.“
„Ich weiß nicht…, für mich ist das alles so neu, in meinem Kopf ist irgendwie totales Wirrwarr.“
„Das geht mir doch genauso!“
„Das merkt man dir aber nicht an. Du wirkst immer so selbst bewusst und weißt immer was du machen willst.“
„Taylor, dass sieht wirklich nur so aus und um ehrlich zu sein, ich weiß auch nicht, warum ich so wirke, normalerweise bin ich ein ganz ruhiger Typ, der ständig am Grübeln ist.“
Mein Freund fing neben mir an zu kichern.
„Was?“
„Ich kann mir das jetzt irgendwie nicht vorstellen, du und ruhig. Bisher habe ich nichts davon bemerkt.“
Ich blieb stehen.
„Das liegt vielleicht daran, dass du bei mir bist und mich total wohl und sicher bei dir fühle.“
Taylor lächelte mich an und bedanke sich mit einem Kuss.
„Boah, jetzt stehen die da hinten und knutschen auch noch herum, so wird das nie was“, hörten wir Sabrina rufen.
*-*-*
Ich weiß nicht wie lange wir gelaufen waren, aber es war eine gute Idee, nur zwei Fackeln anzuzünden, denn die ersten hatten nicht lange gehalten. Das Haus war immer noch hell erleuchtet.
Taylor wollte gerade die Fackeln am Boden ausdrücken, als ich am Boden etwas Schimmern sah.
„Schatz, warte, da liegt etwas“, meinte ich nur.
„Huuu, jetzt ruft er ihn schon Schatz“, äffte mich Sabrina nach.
Ich drehte mich zu ihr um.
„Neidisch? Oder soll ich zu ihm Knuddelhase sagen?“
„Pff“, bekam ich nur als Antwort.
„Jack, da hat jemand seine Geldbörse verloren, oder gehört die jemand von euch?“
„Nein, mit so einem Ding würde ich nicht herum laufen“, meinte Molly.
Das Ding war vollkommen Goldfarben.
„Gib mal her“, meinte ich.
Ich öffnete das Ding und durchsuchte es. Etwas viel Geld dachte ich für mich. Dann wurde ich fündig. Einen Ausweis, den ich herauszog. Sophia Hamilton Contess of Newbury.
„Ach Tante Sophias ihrer ist das“, meinte Jayden, „das hätten wir uns eigentlich gleich denken können. Komm lass uns rein gehen, irgendwie wird mir langsam kalt.“
Die Mädels stimmten zu uns steckte die Karte zurück in die Geldbörse, während Taylor nun die Fackeln im Sand ausdrückte. Ich blickte immer noch auf dieses goldene Ding in meinen Händen, während die anderen schon die Treppe hinaufliefen.
„Was ist?“, fragte Taylor, der ohne Fackeln wieder zurück kam.
Ich schaute den anderen hinter her, bis sie die Tür geöffnet hatten, dann wandte ich mich wieder zu meinem Schatz.
„Ich habe dir doch vorhin erzählt, dass Gregory, direkt von seiner Mutter nach der Geburt verlassen wurde.“
„Ja… hast du, aber wieso kommst du da jetzt darauf?“
Ich hielt ihm die Geldbörse unter die Nase.
„Gregory heißt Hamilton mit Nachname…“
Taylor sah erst auf die Börse, dann mich mit großen Augen an.
„Jack…?“, hörte ich es von der Tür her jemand rufen.
Tante Sophia stand an der Tür und wir liefen ihr entgegen.
„Ja?“
„Jayden meinte, du hast meine Geldbörse gefunden?“
„Ja habe ich, sie ist wohl beim Aussteigen aus dem Auto gefallen.“
„Gott sein dank hast du sie gefunden.“
„Morgen hätte sie sicher einer von uns gesehen.“
„Aber wenn sie jemand geklaut hätte?“
„Wer soll denn hier mitten in der Nacht herum laufen?“
Mittlerweile hatten wir sie erreicht. Sie war etwas schlichter angezogen, als noch vorhin beim Essen. Ich reichte ihr die Geldbörse.
„Trotzdem…, du bist ein Schatz! Danke Jack!“
„Nichts zu danken!“
„Abigail hat für euch Tee richten lassen“, sagte sie noch bevor sie uns alleine stehen ließ.
Ich wollte ihr folgen, aber Taylor stoppte mich.
„Meinst du wirklich…, also ich meine wegen Gregory?“
Er flüsterte.
„Ich weiß es nicht.“
„Und was willst du machen?“
„Taylor, auch das weiß ich nicht, aber lass uns erst mal hinein gehen, bevor meine besorgte Mutter noch kommt und uns persönlich rein zieht.“
*-*-*
„Ach hier bist du, warum sitzt du mit Taylor alleine in der Bibliothek und nicht bei den anderen im Wohnzimmer. Da kommt so eine tolle Tanzshow.“
Mum. Ich sah sie nicht an, sondern starrte von meinem Sessel aus ins Feuer des offenen Kamins. Taylor saß mir gegenüber und hatte wie ich eine Tasse Tee in der Hand. Er schaute zwischen mir und Mum hin und her.
„Ist etwas?“
Ich sagte darauf nichts und sie setzte sich mit mir auf die Sessellehne.
„Ich weiß nicht…, wie ich das sagen soll?“
„Was?“
Ich schaute sie an und dann zu Taylor.
„Soll ich Wache stehen?“, fragte er.
„Was ist denn mit euch beiden los, was meint Taylor mit Wache?“, wollte Mum wissen.
„Taylor…, machst du die Tür zu, ich denke, wir müssen mit Mum darüber reden.“
Taylor stand sofort auf und lief zur Tür.
„Habt ihr etwas angestellt?
Sie schaute Taylor hinterher, der nun die Tür schloss.
„Mum… es ist wegen Tante Sophia…“
„Die?“, sprach Mum verwundert, „die hat sich gerade bei mir bedankt, was für einen tollen Sohn ich doch hätte, weil du ihre Geldbörse gefunden hast. Was ist mit ihr?“
Taylor hatte sich mittlerweile wieder in seinen Sessel gesetzt.
„Ich… ich habe in die Geldbörse hinein geschaut, um zu wissen, wem der gehört.“
„Das ist ja wohl klar, dass so ein Ding nur Sophia gehören kann, oder?“
„Das ist es nicht, ich habe ihren Ausweis gefunden…“
„Und da stand sicher drauf Sophia Contess of Newbury. Na und? Ich habe es damals abgelehnt, bei der Namensänderung nach der Hochzeit den Titel eintragen zu lassen.“
„Da stand aber noch ein Familienname.“
„Wie noch ein …Familienname?“
Da stand Sophia Hamilton Contess of Newbury“, kam es nun von Taylor, zu dem nun Mum sah.
Sie zuckte mit ihren Schultern.
„Hm…, hat sie nicht was bei Essen gesagt, sie hat es probiert, also ich meine, dass sie wahrscheinlich geheiratet hat und hat sich wieder scheiden lassen?“
„Taylor hat Recht“, sagte Mum, „aber dann würde der Name nicht drin stehen.“
Mein Schatz schaute mich mit großen Augen an.
„Du verstehst nicht, was ich meine, oder Mum?“
„Was soll ich verstehen?“
„Hamilton!“
„Sorry Jack, ich steh absolut auf dem Schlauch.“
„Mum, erinnerst du dich an Gregorys Nachnamen?“
„Ähm…
„Gregory Hamilton! Und die Frau, also seine Mutter soll aus reichen Haus stammen.“
Mum schaute zwischen Taylor und mir hin und her. Plötzlich fing sie an zu lachen.
„Das ist jetzt nicht euer Ernst, oder?“
Mir war nicht zum Lachen und schaute sie ernst an.
„Jack, das vergisst du ganz schnell wieder, das ist sicher ein ganz dummer Zufall, Sophia würde nie…“
Mum brach mitten im Satz an. Sie stand auf.
„Ich muss wohin…“, sagte sie und schon hatte sie das Zimmer verlassen.
„Mum…!“, rief ich hier hinter her, aber es kam keine Reaktion.
Dafür erschien Grandpa.
„Ah hier seid ihr, ich habe mich schon gewundert, dass ihr nicht bei uns im Wohnzimmer sitzt. Was ist denn mit deiner Mutter, sie ist gerade so schnell an mir vorbei gelaufen.“
„Ähm…, ich glaube sie hat etwas vergessen… hallo Grandpa…, ja, uns war das nach dem Sparziergang etwas zu laut und weil das Feuer hier so schön brennt, haben wir uns hier hin gesetzt“, versuchte ich das Thema zu ändern.
Ich stand auf und setzte mich zu Taylor auf seine Lehne.
„Setz dich doch zu uns“, meinte ich.
„Um ehrlich zu sein, deswegen bin ich auch hier, es ist mir zu laut da drüben.“
Taylor und ich grinsten, während sich Großvater auf dem Sessel nieder ließ.
„Soll ich ihnen…, ähm…, dir auch einen Tee holen?“, fragte Taylor.
„Lass mal Junge, danke, aber wenn ich jetzt noch einen Tee trinke, muss ich heute Nacht zu oft auf die Toilette… ich hätte mich viel früher hier her setzt sollen, es ist wirklich schön ruhig. Sabrina hat ein doch etwas lautes Organ und ihr Lachen ist etwas grell.“
Nun musste ich lachen.
„Ja, ich kenn Sabrina nicht anders“, sagte ich.
„Kennst du sie schon lange?“
„Eigentlich seit ich auf die Schule gehe. Sie war die einzige, die nicht so abgehoben wie die anderen war.“
„…abgehoben?“, fragte Grandpa.
„Ja, ich meine die Jungs und Mädels, die den ganzen Tag nur übers Geld und deren Reichtum…, also ich meine den Reichtum deren Eltern reden. Das liegt mir absolut nicht.“
„Aber das liegt nicht daran, weil ihr nicht viel Geld hattet?“
Hatte da jemand plötzlich wieder ein schlechtes Gewissen?
„Nein Grandpa. Es gefiel mir einfach nicht, wie die mit ihrem Reichtum protzen, Schmuck oder teure Uhren trugen.“
„Ähm“, mischte sich Taylor ein, „ist es in der Schule nicht verboten, so etwas zu tragen? Deswegen haben wir doch alle die gleiche Uniformen angehabt, das man den sozialen Unterschied nicht bemerkt.“
„Eine gute Idee, finde ich!“, meldete sich Grandpa zu Wort.
„Meinst du, da hält sich einer an unserer Schule daran. Also im Unterricht schon, da siehst du nichts, aber in den Pausen, da wird der Reichtum herum gezeigt. Da bist du nur interessant, wenn du solche Dinge trägst.“
„Das ist traurig zu hören.“
„Nicht schlimm, Grandpa. Ich war ganz froh uninteressant zu sein, so hatte ich wenigstens meine Ruhe. Stell dir mal vor, Jayden wurde von Onkel Henry in die Schule gebracht, mit seinem Bentley und schon folgte eine Traube Mädchen, die das gesehen hatten, ihm den ganzen Tag durchs Haus?“
„Echt?“, fragte Taylor.
„Ist das so?“, kam es von Grandpa.
Ich nickte.
„Wenn du mich fragst, ist dass alles sehr oberflächlich, so wie Tante… Olivia… entschuldige, das ich davon anfange.“
„Du musst dich nicht entschuldigen, Jack. Du hast ja recht, mir war nur nicht bewusst, dass das schon in der Schule anfängt.“
„Ich denke schon viel früher. Leider…“
„Und dieser Gregory, der uns besuchen kommt, den deine Mutter eingeladen hat? Abigail hat mir erzählt, dass er bei seinen Großeltern lebt.“
Taylor schaute mich an.
„Nein Gregory lebt nun in London, hat ein kleines Zimmer, bei Sabrinas Eltern. Er geht zwar in meine Klasse, aber ich habe nicht so… Kontakt zu ihm.“
„Wieso? Das verstehe ich jetzt nicht.“
Bevor ich eine Antwort geben konnte und ich wusste auch gerade nicht, wie ich das erklären sollte, standen plötzlich Tante Abigail mit Mum im Zimmer.
2 Kommentare
Ich liebe Deine Geschichten. Die sind einfühlsam und sehr gut zu lesen.
Ich habe rund 90 Storys von Dir gelesen.
Vielen vielen Dank !!!!! 🙂