Adventskalender – Suddenly royal II – 12. Türchen

Nervös lief ich leicht versetzt hinter Taylor her, der seine Schlüssel herauszog. Mum hatte sich bei mir eingehängt und schaute über das Anwesen, das sich hinter dem Haus erstreckte.

„Schön ist es hier, so ruhig, weit weg vom Stadtlärm.“

„Das Haus gehört der Familie meines Schwagers“, meinte Taylor und schloss die Tür auf.

„Chloe, wir sind da!“, rief er in den Flur.

Oh man, mir war im Augenblick gar nicht wohl. Am liebsten hätte ich mich wieder ins Auto gesetzt. Mum sah mich aufmunternd an.

„Auf in den Kampf!“, flüsterte sie mir zu und schob mich ins Haus.

*-*-*

„Contess, wenn sie ihr Geschäft eröffnet haben, müssen sie mir unbedingt Bescheid geben“, meinte Chloe zu Mum.

„Du und dein Schuhtick“, kam es von Julien, Taylors Schwager.

Alle lachten, außer mir.

„Chloe, ich darf sie doch mit ihrem Vorname ansprechen?“

„Ja, natürlich.“

„Also ich denke, wo jetzt ihr Bruder und mein Sohn zusammen sind, könnten wir doch dass sie weglassen. Wie mein Sohn bin ich nicht besonders erpicht darauf, mit Titel angeredet zu werden. Ich bin Charlotte Newbury und wie mein Sohn immer sagt, nicht mehr oder weniger.“

Nun musste ich doch grinsen.

„Das macht ihnen… oh verzeih, das macht dir nichts aus?“

„Nein, überhaupt nicht. Jack ist in seiner Schule auch nur als Jack Newbury angemeldet, obwohl er sicher Vorteile hätte, wenn ich ihn mit dem ganzen Namen eintragen lassen hätte.“

„Wirklich? Wie ist denn der ganze Titel?“

„Jack Joseph Lewis Baron of Newbury!“, verkündete Taylor stolz und griff nach meiner Hand.

Verschüchtert versuchte ich zu lächeln.

„Joseph ist der Vorname des Dukes of Newbury und mein Vater hieß Lewis.“

„Leben deine Eltern noch?“, fragte Chloe neugierig.

„Sie leben zwar noch, aber wohnen in Schottland. Leider sehen wir uns nur sehr selten.“

„Das ist aber schade. Taylor hat nie seine Großeltern kennen gelernt, beide Seiten haben sich nach dem Verschwinden unserer Eltern, von uns abgewandt.“

„So hat jede Familie ihr Päckchen zu tragen… dein Bruder erzählte mir, dass ihr Zimmer vermietet, mit Möglichkeit zum Reiten?“

„Ja! Wir haben jetzt über die Weihnachtsfeiertage geschlossen, aber nach Weihnachten sind wir bis unters Dach ausgebucht“, verkündete nun Julien stolz.

Chloe sah mich durchdringend an.

„Taylor, du hast mir nicht erzählt, dass du dir einen solchen ruhigen Freund herausgesucht hast?“, sagte sie plötzlich, ohne ihren Blick von mir zu wenden.

Ich spürte, wie sämtliches Blut meines Körpers ins Gesicht schoss.

„Das ist er normalerweise nicht“, sagte Taylor, „er ist heute nur extrem schüchtern, ich verstehe es ehrlich auch nicht.“

Eigentlich hatte ich keinen Grund, mich nicht bei dieser Unterhaltung nicht zu beteiligen. Chloe und Julien hatten mich und Mum herzlich empfangen und in keinster Weise etwas gezeigt, dass mich darauf schließen lassen könnte, dass sie etwas gegen mich haben könnten.

„Jack hat Angst, ihre beide könntet etwas gegen ihn haben!“, sagte nun Mum und ich wäre am liebsten im nächsten Mauseloch verschwunden.

Julien und Chloe fingen beide an zu lachen. Sie stand auf, kam zu mir und ging auf die Knie. Chloe griff nach meiner Hand.

„Jack, wenn es eins gibt, was mich und Taylor am meisten verbindet, das ist es unser Vertrauen ineinander. Ich hatte bisher immer vollstes Vertrauen in meinen kleinen Bruder, dass er das Richtige tut!“

„Aber…, aber Taylor sagte, du warst nicht so begeistert, dass er bei mir übernachten will.“

Chloe fing an zu lachen, ließ aber meine Hand nicht los. Das Lachen war anstecken, so entspannte ich mich ein wenig und lächelte ebenso etwas.

„Aber doch nur, weil ich so neugierig war, wenn sich Taylor ausgesucht hat und ich muss sagen, ich bin angenehm überrascht!“

Angenehm überrascht?

„Ähm, wieso.“

Chloe stand wieder auf setzte sich neben Julien zurück.

„Taylor mag zwar ein Meister sein, wenn es um Pferde geht, aber in technischen Sachen…, wie soll ich sagen…“

„… hat er zwei linke Hände“, beendete Julien den Satz und grinste frech.

„Das stimmt doch gar nicht!“, protestierte Taylor.

„Ha, soll ich Charlotte von der Lampe im Flur erzählen?“

Mum und ich schauten nun zu Taylor, der plötzlich ganz klein wurde.

„Was war mit der Lampe?“, fragte nun ich.

Julien lacht erst mal laut, bis er Chloe ihm in die Seite knuffte.

„Er… er sollte eine Glühbirne auswechseln…“

„Ja und? Das ist doch nicht schwierig“, sagte Mum.

„Na ja, dachte ich auch, aber Taylor hat solange an der Glühbirne gedreht, bis er das Glas in der Hand hatte und es platze. Vor schreckt hat er dann die ganze Lampe von der Decke gerissen!“

Geschockt schaute ich zu Taylor.

„Julien, du bist gemein! Wie lange willst du mir das noch vorhalten?“

Mum hielt ihre Hand vor den Mund, aber ich sah deutlich ihre Lachfältchen.

„Und was hat das jetzt mit mir zu tun?“, fragte ich.

„Tja, wenn es darum geht, Bilder mit dem Handy zu machen, bekommt das Taylor auch nicht hin“, erklärte Chloe, „und ich habe bis zum heutigen Tag noch kein klares Bild von dir gesehen.“

„Ach so…, dann… dann hast du nicht gegen mich?“

„Aber wieso sollte ich denn gegen dich etwas haben, ich lerne dich doch erst kennen.“

Ich atmete tief durch und schaute zu Taylor, der nun schmollend neben mir saß.

„Schatz, wenn du jemals ein technisches Problem haben solltest, dann komm bitte zu mir, ich helfen dir gerne“, meinte ich und griff nach seiner Hand.

„Er sagt Schatz, wie süüüß!“, kam es im hellen Ton von Chloe, dass ich befürchten musste, dass mein Trommelfell in Mitleidenschaft gezogen wird.

*-*-*

Mum grinste immer noch. Mittlerweile setzte schon die Dämmerung ein, als wir zurück fuhren. Morgen würde ich Taylor wieder sehen. Pferde kennen keine Sonntage und Feiertage. Aber da er seinen Job liebte, machte er es gerne.

„Also ich finde die beiden sehr nett und du merkst, mit welcher Leidenschaft sie das Haus führen.“

„Da gebe ich dir Recht!“

„Und sind alle Zweifel vom Tisch, was die beiden betrifft?“

„Sorry, ich weiß nicht, was mich geritten hat. Ich war noch nie in so einer Situation.“

„Und wirst auch nicht so schnell wieder in so eine kommen.“

„Hä…?“

Mum sah kurz zu mir herüber und fing an zu lachen.

„Sag mal, wie viel Freunde willst du dir suchen?“

Ich verdrehte die Augen, als ich verstand was ich meinte. Das Tor zum Grundstück kam in Sicht und Mum lenkte ruhig den Wagen in die Einfahrt.

„Keinen! Diese eine reicht mir völlig. Aber etwas anderes, ich habe Gregory noch keine SMS geschickt, wann wir ihn zum Tee einladen.“

Mum stoppte den Wagen.

„Ich überlege auch schon die ganze Zeit, wie wir das bewerkstelligen sollen. Einfach hingehen, sagen, hallo wir sind deine Tante und Cousin, herzlich willkommen in der Familie…“

Weiter sprach sie nicht, sondern setzte den Wagen wieder in Bewegung. Ich musste grinsen, aber fand plötzlich diese hirngespinstige Idee nicht mal so schlecht. Der Wagen rollte aus und blieb neben Onkel Henrys Bentley stehen.

„Du ich finde die Idee nicht mal so schlecht!“

Mums Wagen machte einen kleinen Hüpfer und der Motor war aus.

„Bitte?“

War Mum vor Schreck von der Kupplung gerutscht?

„Hinzugehen und zu sagen wer wir sind.“

Mum sah mich entsetzt an.

„Da fliegen wir im hohen Bogen heraus, wenn du deine Verwandtschaft mit deiner Tante Sophia preisgibst.“

„Bist du sicher?“

„Nein, bin ich nicht, aber ich möchte es auch nicht darauf ankommen lassen!“

„Hast du einen besseren Vorschlag?“

„Nein, aber…“

„Was aber?“

„Jack, ich weiß es nicht! Es mag zwar stimmen, dass man mit der Wahrheit am weitesten kommt, aber in diesem Fall…“

Sie schüttelte den Kopf. Es klopfte an meiner Scheibe und ich fuhr zusammen. Sabrina stand vor dem Wagen.

„Wollt ihr da Heilig Abend drin verbringen?“, rief sie.

*-*-*

Ich kam mir vor, wie in einem Luxushotel. Der Tisch war hochherrschaftlich gedeckt, plötzlich lag da goldenes Besteck und große Kerzenleuchter standen auf dem Tisch. Mum hatte mich gezwungen eine Krawatte und Jacket zu tragen.

Im Nachhinein war ich ganz froh, denn jeder am Tisch war besser angezogen. Natürlich fiel Tante Sophia wieder aus dem Rahmen und ich überlegte, ob man das Licht nicht drosseln konnte, denn ihr Paillettenkleid funkelte extrem.

Auch das Essen war eine Premiere für mich, denn solche Dinge hatte ich noch nie gegessen. Als kalte Vorspeise wurde eine Lammpastete mit Minzsauce gereicht. Es war etwas gewöhnungsbedürftig, aber schmeckte zum Schluss es richtig gut.

Nach der Gemüsesuppe mit Käse stellte sich bereits das erste Völlegefühl ein. Als der Salat gereicht wurde, war ich froh, dass es doch recht wenig war, aber auch diese Kombination von Salat, Birne und Avocado mit gebratenem Speck war mir neu.

„Du bist so still?“, sagte Grandpa zu mir, während die anderen sich alle unterhielten.

„Ich bin fasziniert, von diesem Essen.“

„Es schmeckt dir?“

„Wären sonst die Teller leer?“

Grandpa nickte mir lächelnd zu.

Als das Salatgeschirr abgeräumt worden war, stand vor mir nur noch ein großer Teller. Die Tür zur Küche ging erneut auf und Harry kam mit zwei Platten zurück, dicht gefolgt von Ruby, die ebenso zwei Platten trug.

Als diese auf den Tisch aufgetragen waren, wurden meine Augen groß und wusste nicht, was ich essen sollte. Tante Abigail erklärte, was da alles auf den Tisch abgestellt wurde und Harry zusammen mit Ruby kamen mit weiteren Sachen.

Einen reichverzierten Braten, ein saftiger Schinken, oder sollte ich von den Rebhuhn probieren. Ich entschloss mich, von jeden etwas zu probieren, aber mein Plan wurde von Tante Abigail durchkreuzt. Sie legte mir große Fleischstücke auf den Teller.

Mum grinste mich an und ich spürte zum ersten Mal, dass meine Hose eng wurde. Mir blieb nur eins übrig, ich reduzierte Kartoffeln und das Gemüse, das ich mir selbst schöpfen konnte.

Nach fast einer Stunde war auch dieser Spuk vorbei und der Tisch abgeräumt.

„Also wenn ihr nichts dagegen habt, vertrete ich mir etwas die Beine“, und erhob mich.

„Ich schließe mich an“, meinte Mum lächelnd und stand ebenso auf.

Die Idee fand bei allen Anklang und so verließen bis auf Grandpa und Tante Sophia, die Esszimmer.

„Na, wie hat es dir bisher das Essen geschmeckt?“, fragte Mum, die sich bei mir eingehängt hatte und wir gemeinsam vor das Haus getreten waren.

Es hatte wieder begonnen zu schneien.

„Gut…, aber es ist so viel!“

Mum musste lachen.

„Wird dir nicht kalt?“, fragte ich.

Sie hatte ein langes Schulterfreies Kleid an.

„Jetzt wo du es sagst.“

Ganz Gentleman zog ich mein Jacket aus und legte es ihr um.

„Danke Jack, lieb von dir, aber in dem dünnen Hemd wird dir sicher auch schnell kalt.“

„Wir bleiben ja nicht ewig hier draußen. Für das bisschen ertrage ich es gerne.

Mum schmiegte sich an meine Schulter und schaute traurig.

„Alles in Ordnung?“

„Ach, ich dachte gerade an deinem Vater, er war immer so zuvorkommend, wie du jetzt und ihm hätte das heute Abend sicher auch gefallen.“

Ich wusste nichts darauf zu sagen und schwieg einfach. Eine gefühlte und schweigende Ewigkeit später, betraten wir wieder das Haus. Alle standen vor dem Weihnachtsbaum und unterhielten sich über die Geschenke, die den Boden vor dem Baum zierten.

Ich bekam meine Jacke zurück, beschloss sie aber nicht wieder anzuziehen. Hier drinnen war alles gut gewärmt.

„Feiert ihr Weihnachten immer so?“, hörte ich Sabrina fragen.

„Nein“, antwortete Jayden, „also ich meine…, die letzten Jahre haben wir zu Hause gefeiert. Als ich klein war, wurde hier gefeiert, aber daran kann ich mich nicht mehr richtig erinnern.“

„Ich bin auf alle Fälle pappsatt!“

„Es gibt noch Nachtisch!“, sagte ich grinsend und Sabrina sah mich gequält an.

*-*-*

Ich stand hinter dem Sessel, in dem Grandpa saß. Er blätterte in dem Album, das er von mir geschenkt bekommen hatte. Ich hatte im Vorfeld so viele Bilder von mir gesammelt und abfotografiert, wie möglich.

So konnte er sich nun in Ruhe, die Bilder von den letzten achtzehn Jahren betrachten.

„Danke Jack, das bedeutet mir sehr viel.“

„Es freut mich, dass es dir gefällt.“

„Willst du dich nicht setzten.“

„Grandpa, nach diesem tollen Essen bin ich ganz froh etwas stehen zu können. Außerdem dachte ich eigentlich Onkel Henry wollte noch kommen.“

Kaum hatte ich meine Erklärung beendet, kam die betreffende Person auch schon in die Bibliothek gelaufen. In Händen trug er drei große Tassen.

„Vater!“, meinte er und reichte ihm eine.

Grandpa legte das Album zur Seite und nahm die Tasse dankend entgegen. Auch ich bekam eine Tasse in die Hand gedrückt.

„Was ist das?“

„Ein Hot Toddy, nach einem Spezialrezept von Caitlin! Darauf freue ich mich schon den ganzen Abend“, erklärte Onkel Henry und setzte sich in den anderen Sessel.

„Und was ist da drin?“, fragte ich, während ich an meiner Tasse roch.

Es roch stark nach Alkohol, aber trotzdem angenehm.

„Das mein Junge, ist ein Englischer Grog aus Whisky und Brandy, sowie schwarzem Tee, der mit Honig sowie Gewürznelken, Muskat und Zimt gewürzt wird“, erklärte Grandpa mir und nahm einen Schluck.

Vorsichtig probierte ich das Getränk in meiner Tasse ebenso. Es war gut heiß und ich musste Husten, denn ich war den Alkohol nicht gewohnt.

„Und?“, strahlte mich Onkel Henry an.

„Gewöhnungsbedürftig, aber gut.“

„Wird dir schon warm?“

„Nein…“

„Das kommt noch“, hörte ich Mum hinter mir sagen, die gerade die Bibliothek betrat. Auch sie hatte so eine Tasse in der Hand.

„Verführt ihr meinen Sohn etwa zum Alkohol trinken?“

„Nein, würden wir nie tun“, Charlotte“, grinste sie Onkel Henry an.

Grandpa lächelte ebenso.

„Mum sorry, wenn du etwas dagegen hast, ich…“

„Jack, du bist achtzehn Jahre alt, natürlich darfst du Alkohol trinken“, unterbrach mich Mum.

„Er trinkt keinen Alkohol?“, fragte Grandpa verwundert.

Ich schüttelte den Kopf. Schnell war das Thema vergessen, denn die drei kamen wieder auf das Essen zu sprechen. Ich hörte einfach nur zu und nippte hin und wieder an meiner Tasse. Mum hatte Recht, es stellte sich eine gewisse Wärme in meinem Körper ein.

Ich sah aufs Feuer und verfiel meiner Gedankenwelt. Gregory fiel mir wieder ein. Dieses Problem war immer noch nicht gelöst und mir fiel im besten Willen auch nicht ein, wie man es hätte lösen können.

„Alles in Ordnung mit dir?“, riss mich Grandpa aus meinen Gedanken, „du bist so ruhig.“

„Stimmt“, mischte sich Onkel Henry ein, „du warst den ganzen Abend schon so ruhig, das kenne ich gar nicht von dir.“

Als würde mich Onkel Henry auch gut kennen.

„Ich habe mir Gedanken über Gregory gemacht?“

Mum sah mich fragend an.

„Gregory?“, ich dachte dein Freund heißt Taylor“, fragte Onkel Henry verwundert.

„Nein Gregory geht in meine Klasse und stammt hier aus Newbury und kommt übermorgen zum Tee zu uns.“

„Und warum habt ihr ihn eingeladen?“

Stimmt, Onkel Henry wusste ja nichts von der ganzen Sache. Sollten wir ihn einweihen? Fragend schaute ich zu Grandpa und Mum.

 

 

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