Adventskalender – Suddenly royal II – 15. Türchen

Sie wird doch jetzt nicht von Gregory anfangen. Halt, sie konnte nicht wissen, dass Tante Sophia, Gregorys Mutter war, ich hatte es ihr noch nicht gesagt.

„Deine Mutter ist da nicht anders, oder?“, sagte Sabrina zu Jayden.

War Sabrina von allen guten Geistern verlassen? So etwas sagt man doch nicht!

„Sabrina“, kam es von Molly, „ich weiß zwar, was sie getan hat, aber sie ist immer noch unsere Mutter.

Hört, hört! Vor kurzer Zeit hatte sie noch anders geredet.

„Lass mal gut sein, Molly, Sabrina hat ja Recht, so gesehen hat sie uns im Stich gelassen. Keine normale Mutter, würde ihre Kinder wegen Geld vernachlässigen oder verlassen.“

Jayden schaute zu mir. Dachte er jetzt an meine Mutter, ich erinnerte mich, dass er sagte, dass er gerne eine Mutter hätte, wie meine. Dann kam mir Gregory wieder in den Gedanken. Auch dessen Mutter hat ihn verlassen.

Irgendwann würden die drei mir gegenüber von der ganzen Sache eh erfahren, spätestens, wenn Grandpa Gregory als seinen Enkel begrüßen würde. Jaydens Blick wurde fragend.

„Du sagst ja gar nichts dazu“, meinte er.

„Was soll ich groß dazu sagen…, in der Familie ist schon genug geschehen…, das soll jetzt aber kein Vorwurf sein! Ich…, ich habe gerade über etwas nachgedacht, dass euch auch betrifft.“

„Uns?“, fragte Sabrina.

„Ja, dich auch, Sabrina. Gregory wohnt schließlich bei euch.“

„Gregory? Was ist mit dem?“

„Wer ist Gregory?“, wollte Molly wissen.

„Ich habe euch doch erzählt, dass Mama einen Klassenkameraden von uns eingeladen hat, der hier bei seinen Großeltern zu Besuch ist.“

„Ach so der.“

„Jack, weißt du wieder mehr als ich?“, beschwerte sich Sabrina.

„In diesem Fall ja, aber ich wäre froh, es nicht zu wissen.“

„Was meinst du?“, fragte Jayden.

„Ihr erinnert euch doch noch an unseren Sparziergang und dass ich diese glitzernde Geldbörse gefunden habe.“

„Ja, die von Tante Sophia. Was ist mit der?“

„Ich habe doch ihren Ausweis heraus gezogen und da stand drauf: „Sophia Hamilton Contess of Newbury“.“

„Tante Sophia ist verheiratet?“, fragte Molly.

„Sie hat an Weihnachten doch so etwas gesagt“, kam es von Jayden.

„Hamilton?“, quietschte Sabrina, das Jayden neben ihr zur Seite wich, als sie aufsprang.

Sie schien wohl kapiert zu haben, was ich meinte.

„Boah, quietsch mir doch nicht so direkt ins Ohr“, beschwerte sich Jayden und rieb sich über sein Ohr.

„Du meinst, Gregory…?“, fragte Sabrina im gleichen schrillen Ton.

Ich nickte nur und Sabrina ließ sich wieder auf ihren Stuhl fallen. Jayden schaute verständnislos zwischen uns hin und her. Ich atmete tief durch.

„Gregory wurde von seiner Mutter ebenso im Stich gelassen, sogar direkt nach der Geburt und sein Familienname ist Hamilton.“

Geschockt schauten mich nun die Geschwister an.

„Das kann doch aber auch ein Zufall sein“, warf Jayden ein, der nun auch begriffen hatte, was ich meinte.

Ich schüttelte den Kopf.

„Tante Abigail hat erzählt, dass sie sich damals in jemand verliebt hat, aber nicht wusste, wie sie es Grandpa bei bringen sollte.“

Sabrina kicherte, was ich jetzt etwas unpassend fand. Mein vorwurfsvoller Blick ließ sie verstummen.

„Was hat Tante Abigail jetzt damit zu tun?“, fragte Molly.

„Tante Abigail hat sich dann an ihre Schwester gewandt, Tante Sophia und ihr den jungen Mann vorgestellt. Gregorys Vater.“

„Aber wieso heißt dann Tante Sophia Hamilton mit Nachname und nicht Tante Abigail?“, wollte Jayden wissen.

„Weil unsere liebe Tante Sophia Gregory Vater wohl interessant fand und ihn Tante Abigail ausgespannt hat.“

„Scheiße!“, entfleuchte es Molly.

„Das kannst du laut sagen“, meinte ihr Bruder.

„Hat sie doch“, kam es von Sabrina und sie begann wieder zu kichern.

Ich verdrehte genervt die Augen.

„Das heißt, Gregory ist unser Cousin?“, fragte Molly.

Molly schien wohl am schnellsten die ganze Situation zu erfassen.

„Unser Cousin?“, wieder holte Jayden die Frage.

„Ja und er weiß das nicht und heute Mittag ist er zum Tee eingeladen.“

„Oh man, ist das alles kompliziert“, sagte Sabrina.

„Weiß das Grandpa schon“, fragte Molly leise.

„Es wissen alle und nun auch ihr.“

*-*-*

Ich hatte mir meine Jacke geholt, mich dick eingepackt und nach draußen gelaufen. Am Stall sah ich Taylor fegen und wollte schon zu ihm laufen, besann mich aber Besseres. So lächelte ich nur und winkte ihm zu.

Er winkte zurück und ich schlug meinen Weg ein, den ich schon vorher im Sinn hatte. Etwa eine Viertelstunde später und paar Stolperer später, befand ich mich an See. An den Rändern war er schon etwas angefroren und Schnee bedeckte die Eisflächen.

Ich lief weiter, am Bootshaus vorbei. Vor mir waren Bäume, aber auch größere Schneeflächen. Vor allem waren da keine Spuren. Wer sollte hier auch herlaufen? Ich setzte meinen Weg fort und lief am Rand des Sees entlang.

Nach diesen Gesprächen am Morgen, war ich irgendwie froh jetzt alleine zu sein. Halt, das war so nicht ganz richtig. Hier mit Taylor sparzieren zu gehen, wäre sicher auch ganz schön. Aber er musste halt arbeiten, dagegen konnte man nichts tun.

So im Gedanken lief ich einfach weiter. Noch immer dachte ich darüber nach, wie das heute Mittag ablaufe könnte. Sollte ich es Gregory alleine sagen, oder es auch den Großeltern mitteilen?

Ein weiteres Problem hatte sich aufgetan, denn als Sabrina von der ganzen Sache erfuhr, war sie nicht mehr davon abzubringen, mit zu Gregory fahren. Da Mum auch nichts dagegen hatte, schließlich wohnte ja Gregory bei ihren Eltern, hatten alle meine Einwände keinen Zweck.

Ich musste mir eingestehen, dass ich mit der ganzen Situation überfordert war. Dass ich es den Hamiltons erzählen musste, war mir klar, aber das wie machte mir mehr als Kopf zerbrechen.

Vor allem, ich wusste nicht, wie Gregory und seine Großeltern reagieren würden. Die Konsequenzen wurden mir nur langsam bewusst, was alles danach geschehen könnte. Aber Mum hatte Recht, Gregory hatte ein Recht auf seine Familie.

Ohne zu merken war ich an den Schluss des Sees angekommen und sah die großen Tannenbäume in meiner Nähe, von denen Mum so geschwärmt hat. Das war Papas Lieblingsort gewesen, hatte Mum erzählt.

Das erste Mal in meinem Leben wünschte ich mir, dass mein Vater hier wäre. Könnte er mir einen Rat geben? Wüsste er, was zu tun ist? Natürlich hatte ich mir früher schon gewünscht, Papa wäre da, aber noch nie war der Wunsch so dringlich.

Ich stampfte weiter durch den Schnee und hatte die Tannenbäume bald erreicht. Unter den Tanne war der Boden Schneefrei, zu dicht war da grün über mir. Mein Blick fiel auf den See, das Bootshaus, das jetzt gegenüber lag.

Mum hatte auch erzählt, dass Papa ein Familienmensch war und wohl genauso harmoniebedürftig gewesen war, wie ich, sonst wäre er wohl in der Nacht nie zu seinem Elternhaus gefahren.

Mir blieb nichts anders übrig, als die Dinge auf mich zu zukommen zu lassen. Ich musste das Gregory und auch dessen Großeltern erzählen, egal, was danach passierte.

*-*-*

„Wo warst du, du siehst ja richtig durch gefroren aus?“, fragte mich Mum, als ich das Haus wieder betrat und sie im Flur antraf.

„Ich war sparzieren, bin einmal um den See gelaufen.“

„Das ist weit.“

„Hat aber gut getan!“

Sie lächelte. Ich schälte mich aus der Jacke, die mir Mum abnahm. Ich hörte oben Geräusche und schaute die Treppe hinauf.

„Oh, hallo Jack, dich habe ich gesucht!“, rief mir Onkel Henry entgegen, der die Treppe herunter kam.

Mich gesucht? Mum lächelte nur.

„Deine Mutter erzählte mir, dass dir das ganze heut Morgen etwas zu gesetzt hat…“

Mittlerweile war er bei uns angekommen.

„… und ich wollte mich einfach entschuldigen, weil ich einfach so weggelaufen bin, das hätte ich nicht tun sollen.“

Ich wusste nichts darauf zu entgegnen und nickte nur.

„Das gilt auch für mich“, hörte ich Tante Abigails Stimme, die anscheinend gerade aus Richtung Küche zu uns stieß und jetzt in mein Sichtfeld kam.

Was hatte Mum zu den beiden nur gesagt?

„Ähm…, ihr müsst euch nicht entschuldigen…, ich versteh das … irgendwie.“

„Nein, so etwas macht man nicht, besonders nach dem du so ehrlich zu uns warst.“

„Ich…“, verlegen kratze ich mich am Kopf, „ … ich dachte nur ihr solltet das wissen.“

„Du schleppst ganz schön viel mir dir herum“, sagte Mum plötzlich, „warst du deswegen sparzieren?“

Ich nickte ihr zu.

„Mensch Junge“, sagte Onkel Henry, klopfte mir dabei auf die Schulter, „mir tut das alles so leid! Eigentlich ist es an uns Erwachsenen, sich um alles zu kümmern.“

„Ich gebe Henry Recht“, mischte sich nun auch Tante Abigail ein, „du hast in den letzten Wochen, so viel für die Familie getan. Mir kommt die Frage auf, wie du das alles verkraftest?“

Ich schaute die drei an und zuckte mit meinen Schultern.

„Ich… ich weiß es nicht. Ich tu einfach das, was ich denke, was Recht ist.“

„Aber es belastet dich, sonst hättest du nicht so einen weiten Sparziergang gemacht“, sagte Mum.

„Weiten Sparziergang?“, kam es von Onkel Henry.

„Er ist einmal um den See gelaufen“, erklärte Mum.

„Das ist weit!“, meinte Tante Abigail.

Verlegen hob ich abwehrend meine Hände.

„Du bist dir wirklich sicher, Dass du das heute Mittag machen willst?“, fragte Mum.

Ich nickte.

„Wie du schon sagtest, auch Gregory hat ein Recht auf seine Familie und ich denke, so wie er jetzt lebt, ist das kein Zustand!“

„Dein Sohn wirkt so erwachsen“, sagte Tante Abigail gerührt.

„Er ist erwachsen“, lächelte Onkel Henry und klopfte mir erneut so auf die Schulter, dass es langsam weh tat.

*-*-*

Das Mittagessen war zwar wieder reichhaltig, aber dieses Mal ganz einfach gehalten, worüber ich ganz froh war.  Ich hatte wirklich die Befürchtung, nach diesen Tagen bei Grandpa, zugenommen zu haben.

Nun lag ich auf dem Bett. Der Tag bis jetzt war wieder angefüllt mit Dingen, die mich zu Hause nicht beschäftigt hätten. Zu Hause, noch so ein Thema. Achtzehn Jahre hatte ich mit Mum in dieser Wohnung gelebt.

Nächsten Monatsende war das dann Geschichte. Wir würden in das neue Haus ziehen und ein völlig neues Leben beginnen, dank Grandpa. Da kam mir wieder Gregory in den Sinn. Würde er mit in das Haus ziehen wollen?

Trotz des Vorhabens, ihm alles zu erzählen, war die Unsicherheit immer noch da. Ich würde Wunden öffnen, die vielleicht schon geschlossen waren, oder sie noch größer machen. So konnte ich wirklich nur hoffen, dass ich das richtige mache. Es klopfte.

„Ja, herein!“, rief ich und setzte mich auf.

Mum kam herein.

„Na, schon fertig?“

„Brauch nur noch meine Schuhe anziehen.“

„Dann mach mal…, dann auf in den Kampf.“

„Kampf? … so konnte man es wirklich nennen.“

„Jack, ich sehe dir an, dass dich das zu sehr beschäftigt. Wir können das Ganze immer noch abblasen.“

„Und dann?“, ich rutschte vom Bett, „spätestens wenn die Schule anfängt sehe ich Gregory wieder und ich weiß, ich werde mich mies fühlen, weil ich nichts unternommen habe.“

„Du hast ja Recht, aber ich mache mir halt meine Sorgen.“

„Das ist lieb von dir, aber wir sollten wirklich langsam los. Wir wissen nicht wie lange wir brauchen und du weißt, Grandpa nimmt seine Mahlzeiten gerne pünktlich ein.“

Mum lächelte. Wenig später, auf dem Weg nach unten kam uns Jayden entgegen.

„Auf Sabrina müsste ihr wohl verzichten, die hat sich in den Kopf gesetzt, reiten zu lernen, ich hole gerade ihren Schal und Handschuhe.“

Die Idee fand ich gut, auch wenn ich jetzt gerne dabei gewesen wäre, schon alleine, weil ich dann in der Nähe von Taylor gewesen wäre.

„Dann werden wir wohl ohne sie losfahren, bis später“, meinte ich und winkte ihm symbolisch zu.

Als wir ins freie traten, kam uns kühle Luft entgegen. Die Wolkendecke war aufgerissen und vereinzelt war blauer Himmel zu sehen. Mir fiel ein, dass wir noch den Wagen vom Schnee befreien mussten, war dann aber doch sehr überrascht, dass das jemand bereits getan hatte.

„Toller Service“, meinte ich lächelnd und stieg ein.

Mum nickte und folgte mir. Eine ganze halbe Stunde brauchten wir bis Newbury und weitere zehn Minuten, bis wir das Haus der Hamiltons gefunden hatten. Ohne ein Wort zu verlieren, stiegen wir aus und traten an die Haustür.

Mum betätigten den Klingelknopf und dann hieß es warten. Drinnen hörte man, wie jemand eine Treppe herunter rannte und wenig später öffnete die Tür vor uns sich.

„Hallo Gregory!“, begrüßte Mum unser gegenüber.

„Hallo Mrs. Newbury… Jack. Ich bin gleich fertig.“

„Dürfen wir noch kurz herein kommen?“, fragte ich.

„Aber natürlich, meine Großeltern wollten dich doch kennen lernen!“

„Aha…“, gab ich von mir und trat mit Mum ein.

Wie nicht anders erwartet, sah auch hier alles etwas altertümlich aus. Die Wände zierten ebenso Röschentapeten, wie bei Grandma und die Möbel, die ich zu sehen bekam, waren dunkel und massig.

Nachdem wir uns unserer Jacken entledig hatten, führte uns Gregory in einen der Räume. Dort saßen schon seine Großeltern, als hätten sie nur auf uns gewartet. Der Großvater erhob sich scherfällig.

„Mr. und Mrs Hamilton“, sagte Mum und streckte ihre Hand aus.

„Mr. Newbury, danke für die Einladung an unseren Enkel.“

Sie schüttelten sich die Hände.

„Nichts zu danken“, erwiderte Mum nur und trat nun zu der Großmutter, die auf dem Sofa  saß.

„Hallo…, ich bin Jack“, meinte ich unsicher und schüttelte ihm ebenso in der Hand.

„Du gehst also mit unserem Gregory in die Klasse?“

Ich nickte und endlich ließ er meine Hand wieder los. Sein Händedruck war stark.

„Und benimmt sich mein Enkel in der Schule?“

Er war genauso unauffällig wie ich, aber das konnte ich wohl schlecht sagen.

„Großvater!“, kam es von Gregory.

„Bisher ist Gregory noch nie negativ aufgefallen“, antwortete ich nur.

Er war mir bisher noch nie großartig aufgefallen, warum denn auch?

„Dann bin ich ja beruhigt. Gregory erzählte du bist recht gut in der Schule.“

Mittlerweile hatte Mum neben Gregory Großmutter Platz genommen und ich noch schnell auch Mrs. Hamilton die Hand geschüttelt.

„Ich kann mich nicht beklagen, er bringt immer gute Noten nach Hause!“, kam es nun von Mum, bevor ich antworteten konnte.

Es entstand eine kurze Pause. Gregory hatte seine Winterschuhe gerade angezogen, als ich meinen ganzen Mut zusammen genommen hatte, um mein Vorhaben in die Tat um zusetzten.

„Mr. und Mrs. Hamilton…, Gregory…, bevor wir aufbrechen, möchte ich noch etwas erzählen.“

Während Gregory mich fragend anschaute, legte der Großvater seine Stirn in Falten. Mrs. Hamilton machte eher einen ängstlichen Gesichtsausdruck.

„Also… ich…, Gregory… es geht um deine Mutter.“

Plötzlich stand der Großvater auf und baute sich bedrohlich vor mir auf.

„Verlasst sofort mein Haus!“, fuhr er mich an, so dass ich etwas zurück wich.

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1 Kommentar

    • Andi auf 15. Dezember 2019 bei 16:28
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    Hallo Pit,

    auch wieder ein toller, spannender Teil, bin schon gespannt auf den morgigen Teil. Wünsche dir lieber Pit und allen anderen Autoren und den Lesern eine hoffentlich weiterhin schöne Adventszeit.

    VlG Andi

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