16. Tobias, Gewachsene Pflanzen
Sprachlos hielt ich das Handy an mein Ohr. Wie machte der Kerl das? Ich riss mir die Beine aus, um ein Bein auf die Erde zu bekommen, und Marcel besorgte mir binnen weniger Stunden hervorragende Aussichten auf einen Job – und dann auch noch in Wien.
Irgendwie hatte er meine Reaktion auf die Mitteilung falsch interpretiert: „Hab ich jetzt irgendwas falsch gemacht?“, fragte er mich schüchtern.
Ich beeilte mich, zu versichern, wie sehr ich mich über die Offerte freute. Es galt nun nur noch, Einzelheiten abzusprechen und Termine zu vereinbaren.
Drei Tage nach unserem Telefonat war ich bereits wieder in Wien, um bei einem Vorstellungsgespräch meine Zukunftsweichen auf Richtung Österreich zu stellen.
Ich parkte meinen Wagen in einer mir bereits bekannten Tiefgarage, fuhr mit dem Lift in den 12. Stock und stand wenig später direkt vor Natascha. „Hallo, Tobias. Dann machen wir wohl Wachablösung an diesem Wochenende, oder?“
„Wie meinst du das?“
„Na ja, für mich wird es das letzte Wochenende in Österreich. Am Sonntagabend fliege ich nach Moskau.“
„Ist Marcel schon von Arbeit zurück?“
„Nein, er kommt in etwa einer Stunde“
Diese Zeit nutzten wir, um ein bisschen über ihre beruflichen Perspektiven im Osten Europas zu sprechen. Sie freute sich auf ihr Abenteuer in Russland und wollte am Freitag für alle ihre Freunde und gute Bekannte eine Abschiedsparty geben, zu der sie mich kurzer Hand einlud: „Ich hoffe, du hast dann noch ein bisschen mehr zu feiern als meine Flucht nach Moskau.“
„Das entscheidet sich Morgen in der Bank beim Gespräch. Ich hoffe, du drückst mir die Daumen“
„Alle verfügbaren.“
In dem Moment hörte ich die Tür klappen und hatte wenig später Marcel in meinem Arm: „Hey, schön das du da bist. Hattest du ´ne gute Fahrt?“
„Ja, klar. Und das wir uns nach dem Ostseeausflug so schnell wieder sehen, hätte ich nicht gedacht.“
„Tobi, ich auch nicht. Aber diese Gelegenheit solltest du am Schopfe packen, und dann sehen wir uns vielleicht genauso oft wie früher im Seeschlösschen. Pass auf, ich schlage vor, wir gehen jetzt noch einen Happen essen. Und ansonsten kannst du mit mir morgen Früh gleich auf Arbeit kommen. Dr. Lugauer und Frau van Barsick erwarten dich zu einem kurzen Gespräch.“
Wir ließen den Abend in aller Ruhe ausklingen, und aus verständlichen Gründen schlief ich ziemlich unruhig.
Mit der U-Bahn machten wir uns nach einem sehr leckern Frühstück auf den Weg zu Marcels Arbeitsstätte, die in Zukunft hoffentlich meine sein würde.
Meinen ersten Schock bekam ich bereits vor dem Gespräch, allerdings einen ausgesprochen positiven: als mir Marcel zeigte, wo er nun seit fast einem Dreivierteljahr seine Brötchen verdiente. Brötchen aus Gold mussten das sein, dem äußeren Eindruck des Bankgebäudes nach.
Wenig später führte er mich in einen kleinen Konferenzraum und verabschiedete sich von mir: „So, also dann viel Glück. Sei einfach nur du selbst, sei natürlich. Ich denke, wir sehen uns dann nach dem Gespräch unten im Service-Office.“
Er strich mir aufmunternd über den Kopf und verschwand, während ich nun allein der Dinge harren musste, die da kamen. Es kamen aber keine Dinge, sondern zwei auf den ersten Blick sehr sympathisch wirkende Personen, die sich als die angekündigten Dr. Lugauer und Frau van Barsick vorstellten.
Wir plauderten in der nächsten guten Stunde über meine berufliche Vergangenheit, meine Ambitionen und meine Erwartungen an diesen Job. Ein Gespräch, das mich fast vergessen ließ, warum ich eigentlich da war, weil es so gar nicht meinen Erwartungen an ein Vorstellungsgespräch erfüllte.
Irgendwann waren dann beidseitig alle Fragen gestellte, und Dr. Lugauer wendete sich an die Chefin des Serviceteams: „Was denken Sie, Frau van Barsick?“
Die Angesprochene lächelte mich an: „Ich habe einen sehr guten Eindruck von ihnen. Und da uns der Marcel ja unbedingt verlassen will, glaube ich, dass sie optimal dafür geeignet sind, um ihn zu ersetzen beziehungsweise seine Position einzunehmen!“
„Nun Herr Rittler, sie haben es gehört.“ Dr. Lugauer nickte erst Frau van Barsick und dann mir zu. „Warum sollen wir dann noch groß überlegen. Folgendes Angebot: Bleiben sie gleich da in Wien, der Marcel kann sie zwei Wochen einarbeiten. Ich habe hier einen Arbeitsvertrag, den wir ab Montag aktivieren können. Was meinen sie?“
„Ich komme sehr gern sofort. Allerdings müsste ich sicher noch einige Dinge regeln in Sachen Ummeldung und endgültigem Umzug.“
„Gut, ich bin mir sicher, dass sie Herr Brandt, also der Marcel, in allen Dingen unterstützt. Sollten sie ein, zwei oder drei freie Tage benötigen, wenden sie sich an Frau van Barsick. Ansonsten lassen wir sie jetzt allein, schauen sie sich bitte den Vertrag genau an und sagen sie uns, ob sie einverstanden sind und kommen sie dann in mein Büro zwei Türen weiter.“
Ich brauchte nicht lange, um zu wissen, dass mir dieser Vertrag Konditionen bot, von denen ich in Deutschland niemals zu träumen gewagt hätte. Ich unterschrieb und brachte die Grundlage meines künftigen Angestelltenverhältnisses zu meinem neuen Chef.
„Gut. Dann begrüße ich sie im Team und überlasse sie dann auch sofort Frau van Barsick.“
„Gut, Tobias, dann kommen sie mal mit. Ich zeige ihnen jetzt ihr neues Büro und ihren Arbeitsplatz, und danach schnappen sie sich den Marcel und nutzen den heutigen Tag, um ihren Umzug zu planen und vielleicht auch gleich wichtige behördliche Wege zu erledigen.“
Am Abend saß ich mit Marcel in der Spätsommersonne in einer Strandbar auf der Donauinsel und war viele wichtige Schritte weitergekommen. Mittlerweile war ich in Wien angemeldet und wir waren übereingekommen, zwei Wochen später am Donnerstag und Freitag freizunehmen und so den Umzug über die Bühne zu kriegen.
Meine alte Wohnung in der Altmark hatte ich am Nachmittag noch einem Bekannten angeboten, der sich tatsächlich ernsthaft dafür interessierte, das Mietverhältnis uneingeschränkt samt Mobiliar zu übernehmen.
Das hatte den Vorteil, dass wir nur den Transport meiner persönlichen Sachen nach Wien planen mussten, was nun wirklich keinen Schwerlasttransporter erforderlich machte.
Ich ließ die zurückliegenden Ereignisse kurz Revue passieren: „Wenn du mir vor zwei Tagen erzählt hättest, dass ich ab Montag in Wien arbeite, hätte ich dich komplett für unzurechnungsfähig erklärt.“
„Tja, das ist wie beim Fußball: manchmal bieten sich Chancen völlig überraschend. Aber dann muss man sie nutzen.“
Als hätten sie auf das Stichwort überraschend gewartet, stand plötzlich Felix mit einem mir unbekannten Jungen an unserem Tisch. „Guten Abend, ihr zwei. Dürfen wir uns setzen?“
Ich schaute sofort zu Marcel, dem für den Bruchteil einer Sekunde die Gesichtszüge zu entgleisen schienen. Allerdings hatte er sofort wieder unter Kontrolle und deutete auf die zwei freien Plätze am Tisch: „Bitte. Tobias, den jungen Mann neben Felix dürftest du noch nicht kennen. Das ist Raffael“.
Das war also die Ursache des schnellen Endes der Liebe von Marci und Feli. Ich versuchte, ihn möglichst unauffällig zu mustern und kam für mich zu dem Schluss, dass ich ihn unter gewissen Umständen sicher auch nicht von der Bettkante geschubst hätte.
Für Felix und Marcel war es ein Wiedersehen nach langer Zeit, und Felix wollte am Tisch kein großes, verlegenenes Schweigen aufkommen lassen: „Wir haben euch grad zufällig hierher schlendern sehen, und wir haben ne Weile diskutiert, ob wir euch jetzt ansprechen oder nicht. Ich hoffe, das war nicht verkehrt.“
Er schaute fragend Richtung Marcel, der schüttelte leicht mit dem Kopf. „Passt schon.“
Felix ging noch einen Schritt weiter: „Hast du Lust, mit mir ein paar Meter an der Donau lang zuspazieren?“
„Ja, okay. Lass uns gehen. Tobi, passt du auf mein Getränk auf?“
Das konnte ich schlecht verneinen, und schon saß ich mit Raffael allein am Tisch, der sofort ein Gespräch suchte: „Was denkst du, kann er ihm verzeihen?“
„Ich weiß es nicht, es war nicht leicht für ihn, darüber hinwegzukommen. Aber er hat es verkraftet mittlerweile, und ich wünsche mir, dass es zumindest so etwas wie Freundschaft zwischen den Beiden geben kann. Ob er ihm verzeihen kann, das weiß ich nicht, und das kann auch nur er entscheiden. Ich würde mich freuen, wenn wir uns öfter sehen könnten in diesem Kreis.“
Hoppala, was für ein gewagter Ausspruch von mir. Ich kannte Raffael noch keine zehn Minuten, aber wollte ihn schon öfter sehen. Na ja, sehenswert war er ja auch wirklich.
„Bis jetzt hätte ich auch nichts dagegen“, lächelte er mich an. „Für mich wäre es schön, wenn zwischen den beiden wieder alles oder zumindest vieles klar wäre, und auch mein schlechtes Gewissen würde sich ein bisschen beruhigen. Weißt du, wir sind unglaublich glücklich miteinander. Der einzige Schatten ist gelegentlich Marcel. Ich mache mir Vorwürfe, mich in diese Beziehung gedrängt zu haben, und auch Felix hatte nie vor, ihn zu verletzen. Aber so ist es leider, wo die Liebe hinfällt, ist die Vernunft fehl am Platze.“
„Ich verstehe schon, und du hast Recht: Niemand hätte etwas davon gehabt, wenn Felix mit Gewalt die Beziehung zu Marcel aufrecht gehalten hätte, und dabei immer an Tim beziehungsweise Raffael gedacht hätte. Es war halt nur unglücklich, wie er es erfahren hat.“
Eine kurze Gedankenpause am Tisch, dann sagte Raffael: „Weißt du, ich habe zu Beginn oft überlegt, ob ich nun nur Ersatz für Tim, seine große Jugendliebe, bin. Aber umso länger und intensiver ich mit ihm zusammen war, umso sicherer wurde ich mir: Felix liebt mich. Und diese Sicherheit habe ich nicht nur immer noch, nein, sie wird von Tag zu Tag eigentlich auch größer.“
Wow, das hörte sich nach einem Happy End für diese beiden an. Und ich? Vielleicht sollte ich auch mal versuchen, meine Gefühle klarzukriegen. Gefühle, die sich bei genauerer Überlegung in eine ziemlich eindeutige Richtung bewegten.
„Was ist eigentlich mit dir und Marcel? Seit ihr zusammen?“
„Nein, eher nicht“ Und wieder wunderschön präzise formuliert! Hier konnte es ja eigentlich nur ein klares Ja oder Nein geben.
Ich versuchte mit einer anderen Frage vom Thema abzulenken und erfuhr so, dass Raffael und Felix noch immer im Hotel Kaisergrund arbeiteten und dort auch ein kleineres Appartement bewohnen durften. In diesem Etablissement war es ganz offenbar um die Toleranz anders bestellt als im Altmarker Seeschlösschen. In Wien gab es halt nur die verständliche Anweisung, sich vor den Gästen zurückzuhalten. Aber das sollte wohl für jedes andere in der Hotelbranche arbeitende Pärchen auch gelten.
Es dauerte ein ganzes Weilchen, bis die Beiden von ihrem Donauinsel-Spaziergang zurückkehrten. Raffael sah sie als erster kommen und stellte eine Ferndiagnose: „Alles ist gut.“
Das bewahrheitete sich, als sich Marcel und Felix gesetzt hatten. „Okay Jungs, ich möchte jetzt keine großen Einzelheiten mit euch besprechen. Das haben wir eben schon getan. Für euch ist wichtig: Wir bleiben Freunde, und über die Nacht im Kaisergrund haben wir beschlossen, nicht mehr zu reden. Das gilt ab jetzt und wird von euch hoffentlich akzeptiert?“
Es sah nicht so aus, als hätten Raffael und ich eine andere Wahl, und wir hätten auch gar keine andere gewollt. Für uns war das absolut in Ordnung.
Wir saßen lange zu viert an der Donau, und unterbrachen unsere kleinere Party eigentlich nur, um sie in größerem Rahmen und in anderer Location fortzusetzen – Nataschas Abschied stand auf dem Programm, und der wurde zünftig russisch gefeiert. Dass wir da zwei für Natascha unbekannte Gäste mitbrachten, störte eigentlich nur wenig.
Das Geheimrezept bei einer derartigen Party, um halbwegs klaren Kopf zu behalten: Sich nicht unbedingt an jeder Wodkarunde zu beteiligen. Da wir alle vier dieses Geheimrezept kannten, gehörten wir am Ende der Veranstaltung zu den wenigen Leuten, deren Alkoholisierung sich in einem überschaubaren Rahmen bewegte.
Auch die Gastgeberin hatte sich das ein oder andere Ründchen ausgeklinkt dazu und gesellte sich noch einmal zu uns, als wir eigentlich grade aufbrechen wollten: „Jungs, auch wenn wir uns morgen sicher noch einmal in der Wohnung sehen, ich freue mich, dass ihr da wart und bin glücklich, diese Wohnung an euch übergeben zu dürfen. Diese Wohnung passt zu euch, und vielleicht könnt ihr ja irgendwann die Zweier-WG auch auflösen und `ne andere Form des Zusammenlebens finden. Wie gesagt, wir sehen uns morgen. Jetzt kommt gut nach Hause, ich hab ein Taxi gerufen, okay?“
Wir umarmten und zum Abschied und wünschten ihr schon jetzt vorsichtshalber alles Gute für Moskau, schließlich wussten wir nicht hundertprozentig, ob wir sie am nächsten Tag noch einmal sehen würden.
Marcel und ich entschieden uns dann dafür, Felix und Raffael das Taxi zu überlassen und machten uns zu Fuß auf den Weg in unser nun gemeinsames Heim. Wir genossen die Wiener Nachtluft über der Donau und entschieden uns, zu Hause angekommen, dafür, den Tag bei einem finalen Getränk auf dem Balkon zu beenden.
Für mich bot sich das erste Mal der Blick über die nächtliche Donau in das Lichtermeer der City. „Wow, Marci, ich habe gewusst, das Wien schön ist. Aber ich habe nicht gewusst, dass es so einzigartig ist.“
Ich schaute zu ihm rüber, er nickte und hatte aber auch eine Träne in den Augen. Ich rutschte näher an ihn ran, legte ihm meinen Arm um die Schulter und fragte: „Hey, was ist los?“
„Du hast Recht, es ist so schön. Aber es könnte noch viel schöner sein.“
Das stimmte allerdings. Worauf wollte er hinaus? „Aber es gibt nicht einen Grund, eine Träne zu vergießen. Oder doch?“
„Tobi, weißt du noch, was Natascha vorhin gesagt hat über unsere WG?“
„Du meinst das mit der anderen Form des Zusammenlebens?“
„Ja. Wie denkst du darüber?“
Falsche Frage am falschen Ort! Ich seufzte und entschied mich, ihm das zu sagen, was ich wirklich fühlte: „Ich hoffe, dass sie Recht hat. Vielleicht kommen wir ja wirklich mal irgendwann darüber hinaus, uns immer nur ein WG-Zimmer zu teilen oder den als Trainingslager getarnten Urlaub in einem Zimmer miteinander zu verbringen.“
Er sah mich mit großen Augen: „Wie lange denkst du schon so?“
„Ich kann es dir nicht sagen, Marci. Liebe stellt sich nicht auf Knopfdruck an. Bei mir war das wie ein kleines Pflänzchen, das immer weiter wächst, wenn man es gießt.“
„Kannst du dich an unseren Brüderschaftskuss zu Silvester erinnern? An diesen Moment hab ich danach noch so oft zurückgedacht. Tja, und an der Ostsee hat dann das Pflänzchen, von dem du so schön gesprochen hast, Dauerbewässerung erhalten und ist entsprechend gewachsen. Du immer in meiner Nähe, und mit jedem Mal mehr haben deine Berührungen kleine Blitze auf meiner Haut ausgelöst. Und dann diese eine Nacht, wo du im Morgengrauen ins Bett gekommen bist und mich noch geküsst hast – da war ich sehr nah dran, dich zu mir ins Bett ziehen“
„Warum hast du es nicht getan?“
„Weil ich Angst hatte, mit Liebe unserer Freundschaft kaputt zu machen.“
Ich erinnerte mich an ein nur wenige Stunden zurückliegendes Gespräch: „Weißt du, Raffael hat heute an der Donau etwas Wahres gesagt: Gegen Liebe kommst du mit Vernunft nicht an. Und schon gar nicht mit solcher. Fakt ist, dass ich dich bereits wenige Minuten, nachdem du den Bus nach unserem Urlaub verlassen hattest, unglaublich vermisst habe. Dein Lächeln, deine Stimme, deine Berührungen.“
Marcel schaute mich an: „Wow. Du bist so süß. Und was machen wir jetzt?“
Ich zog ihn zärtlich zu mir heran, und meine Lippen trafen sich mit seinen zu einem ersten Kuss, der nicht enden wollte. Nur die Spätsommernacht war Zeuge, als unser gemeinsames Glück im Glanz der nächtlichen Donau begann.
17. Marcel – Besucheransturm, Sommer 2008
„Wo schauen wir eigentlich das erste Gruppenspiel der Deutschen Mannschaft?“
„Was denn für ein Gruppenspiel?“ Tobi sah mich mit einem fragenden Gesichtsausdruck an, der mich gedanklich rund zwei Jahre zurückversetzte. Nur das wir diesmal nicht am Altmarker See standen, sondern an der Donau.
Ich versuchte ruhig zu bleiben, legte meinen Arm um seine Schulter und gab ihm einen Kuss. „Mein Engel, selbst dir als anerkanntem Fußballmuffel dürfte es nicht entgangen sein, dass die Fußball-Europameisterschaft beginnt. Morgen ist in der Schweiz das Eröffnungsspiel, und am Sonntag spielen Deutschland und Österreich das erste Mal. Österreich sogar hier in Wien! Ich dachte mir, dass wir eventuell auf die Fanmeile am Rathaus gehen könnten?“
Tobi grübelte: „Am Sonntag? Hm… der Raffael rief mich gestern an und fragte mich, ob ich nicht Lust haben würde, am Sonntag mit in die Wachau zu kommen. Und da ich da schon immer mal hin wollte, hab ich zugesagt. Jetzt weiß ich auch, warum er mir sagte, dass sicher weder Felix noch du uns auf diesem Ausflug begleiten würden.“
Ich grinste: „Der Raffael interessiert sich zwar nicht für Sport, weiß aber im Gegensatz zu dir immerhin, dass da was stattfindet.“
Die Wachau… ein landschaftlich unvergleichbares Fleckchen Erde, Kulturlandschaft (hatte auch die UNESCO bereits bemerkt) zum einen und Weinanbaugebiet zum Anderen. Auch ich hatte es in anderthalb Jahren Österreich noch nicht geschafft, mir diesen Tourismusmagneten zu betrachten. Sicherlich eine Bildungslücke, aber die während der EM zu stopfen, kam für mich überhaupt nicht in die Tüte. Oder ins Sackerl, wie die Tüten in der Alpenrepublik genannt werden.
Also gab es wieder eine Zweiklassen-Gesellschaft. Die einen, deutlich in der Unterzahl, versuchten dem bunten Treiben rund um die Bestenermittlung des europäischen Fußballs zu entgehen. Der erste Teil der zweiten Klasse interessierte sich zumindest für die Spiele der österreichischen Mannschaft und bekundete das Interesse durch ein bis vier rot-weiß-rote Flaggen am Auto, während Teil zwei der gesamten EM bedingungslos entgegenfieberten.
So wie ich und Felix. Zwischen ihm und Raffael sowie Tobi und mir hatte sich eine gute Freundschaft entwickelt. Für mich war die Nacht im Kaisergrund vergessen – meine Liebe gehörte jetzt ausschließlich Tobias. Und wir waren genauso glücklich miteinander wie Raffael und Felix.
Unser „Partnertausch“ am ersten EM-Sonntag war rein interessenbedingt, denn während wir von der riesengroßen Fanmeile in der Wiener City restlos begeistert waren, gondelten Raffael und Tobias durch die Wachau und waren dort mit Sicherheit auch besser aufgehoben.
Wir erlebten mit Tausenden Österreichern das vermeintlich schnelle Ende eines Außenseitertraumes, als Gegner Kroatien nach bereits vier Minuten in Führung ging und diesen Vorsprung dann auch über die Zeit zitterte.
Und gemeinsam jubelten wir in der schwarz-rot-goldenen Fankolonie, als Deutschland im Abendspiel Polen recht überzeugend mit 2:0 besiegte.
Als wir uns am Abend trennten, sagte mir Felix: „Nur nicht wieder so ein dramatisches Ende wie vor zwei Jahren gegen Italien. Schauen wir das Spiel gegen Kroatien zusammen?“
„Du, gern, aber wir bekommen Besuch aus Deutschland. Am Mittwoch kommen Fabian und Markus und bleiben dann bis zum Wochenende, eine Woche später haben sich meine Eltern angekündigt. Also wenn, sind wir möglicherweise eine größere Gruppe.“
„Kein Problem. Wir telefonieren.“
Am Abend saßen Tobi und ich auf unserem Balkon, und er berichtete mir vom Ausflug in die Wachau und war begeistert. Ich versprach ihm, dass auch wir zwei noch in diesem Jahr gemeinsam in das Donautal zwischen Krems und Melk fahren würden. Während er mir im Gegenzug zusicherte, wenn auch schweren Herzens vermutlich, beim Besuch von Markus und Fabian wenigstens einmal mit auf die Fanmeile zu kommen.
Und so standen wir tatsächlich zu sechst, mit Raffael und Felix, vor der Riesenleinwand am Rathaus und mussten beobachten, wie Deutschlands Europameisterschaftsfavoritenstatus beim 1:2 einen ziemlichen Dämpfer erhielt.
Einen Dämpfer erhielten auch die Hoffnungen von Raffael und Tobi, die gedacht hatten, wir würden nach dem Deutschlandspiel in eine fußballfreie Zone wechseln. Aber unsere Gäste widersprachen dem: „Nein, jetzt wollen wir auch das Feeling erleben, wenn Gastgeber Österreich hier spielt.“
Es war überwältigend. Ein Meer an rot-weiß-roten Fahnen und Outfits, 70.000 Menschen waren in der Fanmeile, die vorübergehend wegen Überfüllung geschlossen werden musste. Es war unglaublich eng, es war unglaublich friedlich, und es war eine gigantische Atmosphäre, die in tiefe Trauer umzuschlagen drohte, als Österreich kurz vor Spielende durch ein Abseitstor mit 0:1 gegen Polen zurücklag und somit auszuscheiden drohte.
Felix raunte mir zu: „Ich habe nichts dagegen, wenn Österreich am Sonntag gegen Deutschland nicht mehr um den Viertelfinaleinzug…“
Der Rest seiner Ausführungen versank in einem Jubelschrei aus fast 70.000 Kehlen: Der Schiedsrichter hatte mitten in der tiefsten Nachspielzeit auf Elfmeter für die Austria entschieden. Den Strafstoß verwandelte Routinier Vastic und hielt die Hoffnungen der Gastgeber am Leben.
In der darauffolgenden Nacht wurde Wien und vermutlich auch der Rest des Landes in eine rot-weiß-rote Party getaucht, in der es sogar Autokorsos gab. Da hatten einige Fans vermutlich bereits die Vorahnung, dass Österreich bei diesem Turnier wohl nicht mehr allzu viel Grund zum Jubeln bekommen würde. Die Mitgastgeber mussten nun gegen Deutschland gewinnen, und der überwiegende Teil der Fanmeilenbesucher hatte daran überhaupt keinen Zweifel mehr nach dem Punktgewinn der Rot-Weiß-Roten gegen Polen.
Da Felix und ich durchaus als deutsche Fans erkennbar waren, mussten wir uns jetzt Dinge anhören wie „Am Sonntag fahrts nach Hause!!!“ oder „Wien wird Cordoba!!!“ und ähnliche Dinge.
Tobi fragte mich: „Was is’n Cordoba?“ Ich erklärte ihm, dass es in jenem argentinischen Städtchen 1978 die einzige Pflichtspielniederlage einer deutschen Fußball-Nationalmannschaft gegen Österreich gegeben hatte und nun alle Hoffnungen der Gastgeber auf jenem legendären Sieg lagen, der zum 30jährigen Jubiläum das Team von 2008 beflügeln sollte.
In den folgenden Tagen wurde das kommende Duell aufgebauscht, was Tobias natürlich überhaupt nicht beeindruckte. Mein Engel hatte sich Urlaub genommen und reiste mit Fabian und Markus durch Wien und halb Österreich, während ich tagsüber bei und mit der Caritas dafür sorgte, in Not geratenen Jugendlichen ein möglichst geregeltes Leben zu ermöglichen, so wie ich es damals mit Daniel gemacht hatte.
Der schien sich mittlerweile ein bisschen benachteiligt zu fühlen, denn er meldete sich telefonisch bei mir: „Hey, Marci, aber wenigstens ein EM-Spiel guckst du doch mit uns, oder?“
Er und Justin waren unzertrennlich und glücklichst verliebt, bewohnten mittlerweile eine Wohnung auf dem Gelände „ihrer“ Gärtnerei und gingen in diesem Job völlig auf. Wie die meisten der Pflanzen, um die sich kümmerten.
Beide hatten darüber hinaus nicht nur einen grünen Daumen, sondern auch fußballerisches Talent, und außerdem verstanden sie es, sich zu immer weiteren Höchstleistungen anzuspornen. Für die kommende Saison hatten beide einen Vertrag bei einem höherklassigen Wiener Verein bekommen (nein, weder bei Rapid noch bei der Austria) und sollten ab Spätsommer 2008 Liga-Fußball spielen. Klar, dass auch diese beiden dem EM-Fieber hoffnungslos verfallen waren.
Wir verabredeten uns für das große Entscheidungsspiel Österreich – Deutschland.
Das Wochenende vor dem von den Österreichern erhofften „Cordoba Teil zwei“ gehörte aber ganz Fabian und Markus. Letzter nahm bereits den Juniorchefposten in der Firma seiner Eltern ein, während Fabian mitten in der Krankenpflegerausbildung im diakonischen Krankenhaus steckte.
Am Abend vor der Abreise unseres Besuchs saßen wir auf der Donauinsel und erinnerten uns an „alte Zeiten“.
Markus nutzte das, um seine Gefühle offenzulegen: „Tobi, wenn du nicht den Mut gehabt hättest, mich an einem Samstagmittag aus dem Schlaf zu klingeln, wir würden heute nicht gemeinsam hier sitzen und unser Glück genießen.“
Der Mann meines Lebens errötete leicht und antwortete: „Ohne das leckere Frühstück deiner Mutter… Nein, ernsthaft. Weißt du, ich hab da nicht groß drüber nachgedacht. Fabian hatte mir erzählt, was passiert ist, und da waren einfach noch Fragen offen. Und die sollte er ganz einfach nicht ein Leben lang mit sich rumschleppen.“
Fabian zog Tobi zu sich heran: „Dafür werde ich dir auch immer dankbar sein. Und nicht zuletzt hast du auch mir und meiner Mutter die Augen über meinen Vater geöffnet. Mama genießt ihr Leben wieder, arbeitet halbtags bei Bergers in der Firma und ist grade wieder dabei, ein neues Glück zu finden.“
Mir brannte allerdings noch eine Frage auf der Seele, die ich an Fabian weiterleitete: „Was ist aus deinem Erzeuger geworden?“
„Die Scheidung ist über die Bühne, der ist nach Bayern gegangen und hat dort ein Hotel eröffnet. Ich glaube, mit seiner konservativen Einstellung ist er in der bayrischen Provinz sicher noch am besten aufgehoben. Immerhin kriegt er in Kürze Verstärkung: Sein Bruder folgt ihm dorthin und wird ihn wohl beim Hotelprojekt unterstützen.“
Das überraschte mich: „Oh, verlässt Dr. Gast das Altmarker Seeschlösschen freiwillig?“
„Nein. Es gab Differenzen mit einigen Mitarbeitern, die sich über homophobe Außerungen des Chefs beschwert hatten. Und die Gesellschafter hatten dann irgendwann die Nase voll und haben ihren Geschäftsführer vor die Tür gesetzt.“
Tobi lächelte mich an: „Siehst du, dann kannst du jetzt wieder im Schlösschen anfangen.
„Nein, ich glaube nicht. Ich habe meinen Traumjob hier in Wien gefunden, zusammen mit meinem Traumprinzen. So schnell kriegt mich aus Wien keiner mehr weg.“
Markus grinste: „Tja, uns schon. Fabi muss am Montag wieder auf Station sein. Daher müssen wir wohl oder übel morgen die Stadt und das Land verlassen und euch mit dem ganzen EM-Trubel allein lassen.“
Tobi erkundigte sich: „Auf welche Station musst du denn? Wartet Elke auf dich?“
Fabian schüttelte den Kopf: „Nein, Elke gibt es nicht mehr. Die Untersuchungen im Todesfall damals ergaben, dass sie nicht erreichbar war, als sie erreichbar hätte sein müssen. Das hat sie den Stationssschwesternposten gekostet. Und da sie als normale Schwester nicht weiterarbeiten wollte, hat sie gekündigt und ward seitdem nicht mehr gesehen.“
Am nächsten Tag verabschiedeten wir uns zwar schweren Herzens, allerdings war klar, dass wir uns noch mal wiedersehen würden in diesem Jahr: Markus’ 20. Geburtstag sollte in der Ruderstation ganz groß gefeiert werden. Und natürlich war klar, dass wir aus diesem Anlass an den Altmarker See fahren würden.
Ehe es aber soweit war, tobte Fabian am Montag wieder durch die Stationen des diakonischen Krankenhauses und der EM-Wahnsinn durch Wien. Natürlich war Tobi diesmal nicht nochmal dazu zu bewegen, sich mit ins Getümmel zu stürzen und zog es vor, freiwillig im Büro zu verbleiben und auf Kunden-Anfragen zu warten. Die sich natürlich am Tag des deutsch-österreichischen Entscheidungsspiels in überschaubaren Rahmen bewegten.
Gemeinsam mit Felix, Danny und Justin trafen wir uns bereits am Nachmittag und zogen auf die Fanmeile – Felix und ich in schwarz-rot-goldenem Outfit, die beiden anderen in rot-weiß-rot. Und immer wieder kamen irgendwelche Anspielungen auf Cordoba `78 – ich raunte Felix zu: „Irgendwann kann ich es nicht mehr hören“
Er nickte: „Ja, geht mir auch so. Und irgendwann ist sehr bald.“
Der unbändige Optimismus der Österreicher dauerte bis zur 49. Minute des Spiels, als Michael Ballack eine Freistoßgranate im österreichischen Tor versenkte und die Viertelfinaltür für das Nationalteam des Mitgastgeber-Landes zuknallte.
Am Ende flossen Tränen bei Danny, der bis zum Schluss an die Sensation geglaubt hatte – für Österreich war die Europameisterschaft aus spielerischer Sicht beendet. Es dauerte ein bisschen, bis die beiden Jungs wieder ansprechbar waren, aber zwischen uns änderte sich natürlich nichts. „Dann holt wenigstens ihr den Titel!“, meinte Danny eine gute Stunde nach Spielende zu mir, als sich die Fanzone spürbar geleert hatte.
Felix hielt es für angebracht, einen Blick in die Zukunft zu riskieren: „Wenn du gut spielst bei deinem Verein, oder besser wenn ihr gut spielt in eurem neuen Club, wer weiß – vielleicht sehen wir euch ja auch irgendwann im Nationalteam wieder?“
„Ich möchte da jetzt erstmal Fuß fassen und einfach nur spielen. Wofür es reicht, werden wir sehen.“ Justin legte genau die richtige Einstellung an den Tag.
Ich warf eine Frage in den Raum, die mich schon länger beschäftigt hatte: „Habt ihr eigentlich schon mal überlegt, ob ich euch im Club outen wollt?“
Danny lächelte: „Wir werden das langsam angehen lassen. Aber wir haben die Unterstützung der Vereinsführung, denen haben wir es gesagt. Und die haben überhaupt kein Problem damit und werden uns beistehen, wenn es sein muss.“
Ich war mir sicher, dass die Jungs den richtigen Verein gewählt hatten und sah Daniel im Geiste schon vor zigtausenden Zuschauern in irgendeinem Stadion stehen und sagte zu ihm, halb im Spaß, halb im Ernst: „Danny, eins musst du mir versprechen: Selbst wenn du mal Welttorwart des Jahres wirst, dass du mich nie vergisst.
Er sah mich mit großen Augen, nahm mich in den Arm und flüsterte in mein Ohr: „Niemals, und das weißt du auch.“
Da standen wir beide in der Fanzone, hielten uns im Arm und hatten Tränen in den Augen – nur aus einem anderen Grund, als die Passanten das vermutlich vermuteten.
Einen Tag vor dem mit Spannung erwarteten Viertelfinale gegen Portugal stand ich wieder einmal auf dem Westbahnhof, diesmal um meine Eltern in Empfang zu nehmen. Zum ersten Mal seit Jahren hatten sie sich wieder ein paar freie Tage gegönnt und hatten den Campingplatz Aushilfe und Lehrling anvertraut.
Am Abend saßen wir zu viert in einem gemütlichen Lokal und hatten uns natürlich einiges zu erzählen. Es dauerte eine Weile, ehe meine Mutter den Hammer auspackte: „Wir hatten vorgestern einen Anruf von den Gesellschaftern des Altmarker Seeschlösschens. Euer ehemaliger Chef muss es zuletzt mit Diskriminierungen von homosexuellen Angestellten ganz schön übertrieben haben. Immer nett und freundlich, um nicht schleimig zu sagen, aber dabei eben total daneben und diskriminierend. Selbst wenn Gäste dabei waren, scheute er nicht vor irgendwelchen Anspielungen oder dummen Sprüchen zurück. Und da sind wohl für die Gesellschafter ein paar Beschwerden zuviel aufgelaufen und sie haben ihn gefeuert. Nun, in aller Kürze: Man hat uns gefragt, ob wir uns vorstellen könnten, die Leitung des Hotels zu übernehmen. Dein Vater hat ja Erfahrungen in diesem Bereich, ganz unbeleckt bin ich auch nicht, und nun überlegen wir.“
„So gut das auch klingt, aber was ist mit Papas Gesundheit? Wenn er die Leitung eines Hotels dieser Größe übernimmt, gibt es mehr zu tun als auf dem Campingplatz, oder?“
„Genau das ist der springende Punkt, mein Junge. Meine Hausärztin hat mir unbedingt empfohlen, täglich nicht mehr als acht Stunden zu arbeiten. Und ich befürchte, dass diese Zeitspanne täglich auf Dauer nicht reichen wird.“
Meine Mutter wurde direkter: „Jungs, könnt ihr euch vorstellen, irgendwann wieder nach Deutschland zurückzukommen und uns mit dem Hotel und dem Campingplatz zu helfen?“
Tobi hatte sich dazu bereits Gedanken gemacht: „Ich für meinen Teil bin hier in Wien im Moment absolut glücklich, aber niemals würde ich nie sagen, wenn es darum geht, in die Altmark zurückzugehen.“
Damit hatte er in etwa das ausgedrückt, was ich auch fühlte: „Genauso sehe ich das auch. Hattet ihr erwartet, dass wir gleich wieder mit euch zurückkommen?“
Mama schüttelte den Kopf: „Nein, mit Sicherheit nicht. Aber anbieten wollten wir es euch, gemeinsam mit uns zu arbeiten. Sei es nun von Beginn an, oder sei es erst später, wenn ihr dann einmal in unsere Fußstapfen tretet. Macht euch einfach mal Gedanken, und wir plaudern am Ende unseres Aufenthaltes noch einmal.“
So gingen wir am Abend auseinander, und als ich am nächsten Tag mit Felix in der Fanzone stand (Tobi war mit meinen Eltern auf einer Rundreise durch Wien) und auf den Beginn des Viertelfinals Deutschland – Portugal wartete, klärte ich ihn kurz über die aktuellen Entwicklungen im Altmarkschlösschen auf.
„Wow. Bei so einem Angebot könnte ich wahrscheinlich nicht nein sagen.“
„Und Raffael?“
„Na, den würde ich mitnehmen.“
„Meinst du, ich soll bei meinen Eltern mal anklopfen, ob es im Hotel auch einen Posten für dich geben würde?“
„Nein, jetzt hast du mich falsch verstanden. Erstens geht es um deine Familie, nicht um meine. Zweitens bin ich als Junior-Empfangschef im Kaisergrund fest im Sattel und werde Wien in den nächsten Jahren nicht verlassen. Aber wenn du dann irgendwann mit Tobi das Schlösschen übernimmst, dann können wir über alles reden.“
„Heute fliegt’s raus!!!“ Eine Gruppe junger Österreicher marschierte an uns vorbei und brüllte uns das entgegen, was ein Großteil der Fußballwelt sowieso dachte. Nach zwei weniger überzeugenden Spielen gegen die Kroaten und Österreicher war die Deutsche Nationalmannschaft krasser Außenseiter gegen die in der Vorrunde super aufspielenden Portugiesen.
Umso schöner sind die Gefühle, wenn es dann anders kommt, als viele erwarten: Durch zwei Tore von Schweinsteiger und Klose ging Deutschland 2:0 in Führung, und zum ersten Mal nach langer Zeit wurde ich von Felix umarmt – genau wie damals im Biergarten des Schlösschens, als Deutschland gegen Argentinien triumphierte.
In der Fanzone gab es eine Mehrheit an Deutschen Fans, und für die begann das große Zittern, als Portugal kurz vor der Pause den Anschlusstreffer erzielte. Das Gegenmittel dafür oder besser dagegen hatte Michael Ballack, der den alten Abstand wieder herstellte. Das 3:1 hielt – bis drei Minuten vor Schluss, dann gab es erneut den Anschlusstreffer. Hoffen auf der einen, grenzenloses Zittern auf der anderen Seite.
Zittern, das sich nach vier endlos erscheinenden Minuten der Nachspielzeit in grenzenlosen Jubel verwandelte. Deutschland stand im Halbfinale – und würde dort, wie sich später herausstellen sollte, auf die Türkei treffen, die einen Tag später Kroatien eliminierte.
Am Samstag kam auch ich zu meinem Ausflug in die Wachau – gemeinsam mit meinen Eltern und Tobias, der auf Grund seiner immensen Reiseerfahrungen für fachkundige Führung sorgte.
Am Abend saßen wir dann in einem gemütlichen Heurigenlokal, und hier kam sogar ich als hart gesottener Biertrinker nicht drum rum, das ein oder andere Viertel Wein zu verkosten – und der Rebensaft aus der Wachau schmeckte mir sogar ausgesprochen gut.
Ich erkundigte mich bei meinem Vater: „Und, habt ihr euch entschieden wegen dem Schlösschen?“
„Noch nicht so ganz, aber wir uns eigentlich einig, dass wir es machen wollen. Wärt ihr denn bereit, einzuspringen, für den Fall, das gesundheitlich irgendwas dazwischenkommt? Ich meine, dass so was schnell gehen kann, haben wir ja vor zwei Jahren gesehen.“
Darüber hatte ich mich mit Tobi noch am Vortag unterhalten. „Darauf könnt ihr euch hundertprozentig verlassen. Ansonsten sind wir übereingekommen, dass wir euch nachfolgen werden, wenn ihr euch aufs Altenteil zurückziehen wollt. Bis dahin ist mit Sicherheit noch viel Wasser die Donau hinuntergeflossen. Ansonsten wäre es sicher günstig, wenn ihr euch zumindest für das Hotel einen Geschäftsführer anstellt, der Vater entlasten kann. Mehr als wir beide zusammen kann der auch nicht kosten.“
Mein Dad lächelte: „Das ist eine gute Idee, mein Großer. Für uns ist wichtig, dass ihr im Notfall da und das später bereit seid, in unsere Fußstapfen zu treten. Wenn alles glatt geht, aber das Hotel ist eine Goldgrube und der Campingplatz rentiert sich auch – ich glaube nicht, dass sich daran in den nächsten Jahren irgendetwas ändert.“
Am nächsten Abend, meine Eltern waren auf dem Heimweg Richtung Altmark, saß ich mit Tobi auf unserem Balkon in der Wohnung. Noch immer konnte ich mich nicht satt sehen an dem Blick über Donau und City.
Er küsste mich und sagte: „Es ist schon ein gutes Gefühl, beruflich abgesichert zu sein und im wahrsten Sinne des Wortes auf zwei Beinen zu stehen, oder?“
„Ja, unsere fernere Zukunft gehört dem Altmarker Seeschlösschen, nach aktuellem Stand. Für die nähere Zukunft sind wir in Wien beruflich optimal ausgelastet. Für mich ist wichtig, dass diese Zukunft uns beiden zusammengehört. Stichwort – weißt du was ich mir unter unserer unmittelbaren Zukunft vorstelle?“
Er schüttelte den Kopf.
„Ein Bett, mein Schatz. Heute Nacht. Ich liebe dich.“
18. Tobias – Blitze über Wien
Marcel und ich kamen trotz unseres unterschiedlich starken Fußballinteresses in keinerlei beziehungstechnische Konflikte: Wenn er sich mit der Europameisterschaft beschäftigte, ließ ich ihn in Ruhe. Wir hatten genügend andere Gemeinsamkeiten, die wir in unserer Beziehung außerhalb der stattfindenden Spiele ausleben konnten.
Die EM hatte auch für mich als weniger begeisterter Zuschauer Vorteile: Das zu bewältigende Arbeitspensum hatte sich seit Beginn dieses sportlichen Großereignisses deutlich verringert – auch die Geschäftswelt schien alle wichtigen Transaktionen in die fußballfreie Zeit verlegt zu haben.
Gelegentlich führte das dazu, dass Frau van Barsick bereits einige Minuten und manchmal sogar Stunden vor dem eigentlichen Feierabend einen Großteil der Belegschaft in die berufsfreie Zeit entließ. Zeit, die für sommerliche Aktivitäten genutzt werden konnte.
Mein Arbeitgeber kümmerte sich aber auch um gemeinsame sommerliche Aktivitäten. Am Freitag, kurz bevor wir ins Wochenende gehen durften, tauchte Dr. Lugauer im Serviceteam-Büro auf: „So liebe Kollegen, ehe sie sich jetzt ins bunte Wiener Fußballtreiben stürzen, habe ich ihnen noch folgendes zu unterbreiten: Am kommenden Mittwoch würde sich der Vorstand unseres Institutes freuen, wenn wir gemeinsam das erste Halbfinale der Europameisterschaft schauen würden. Wir haben in der Nähe der Fanmeile eine kleine beschauliche Kneipe mit Biergarten gemietet und werden dort einen großen Bildschirm installieren lassen. Wer sich partout nicht für die EM interessiert…“ – Dr. Lugauer schaute mich an, mein gesteigertes Desinteresse am runden Leder hatte sich also auch schon bis zum Vorstand herumgesprochen – …“hat die Möglichkeit, beim Billard oder Dart die Seele baumeln zu lassen oder einfach nur das Zusammensein mit den Kollegen zu genießen.“
Immerhin war man bemüht, Alternativen zu bieten. Bei der abschließenden Nachfrage ergab sich dann, dass unser Serviceteam komplett an diesem Firmenmeeting teilnehmen würde.
Vorher aber galt es, noch ein gelöstes Wochenende zu verbringen und mit Marcel zumindest die Vor- und Nachmittage gemeinsam zu gestalten. Ehe ich mich aber dies betreffend planerisch betätigen konnte, klingelte mein Handy. Das Display signalisierte mir, dass Clemens ein Telefonat mit mir wünschte.
Mit ihm hatte ich nach unserem gemeinsamen Ostseeaufenthalt noch losen Kontakt, der dann aber irgendwie einschlief, als sich der Junge eine Lehrstelle in Graz sichern konnte. Seitdem hatte ich nichts mehr von ihm gehört und war nun natürlich gespannt, was er von mir wollte.
„Hallo Tobias – sag mal, bist du am Wochenende in Wien? Ich besuche nämlich meinen Bruder Oliver, und dachte mir, dass wir uns vielleicht mal treffen können?“
Wir verabredeten uns für den Samstag in einem Eiscafe in der City – und ich war gespannt, was er mir zu erzählen hatte. Sein Bruder hatte sich in eine langfristige Therapie begeben, über deren Ergebnis ich aber nichts wusste.
Da Clemens immer noch nicht darüber informiert war, dass ich mit Marcel zusammen lebte und liebte, entschied ich mich dafür, allein zu unserer Verabredung zu gehen.
Wir begrüßten uns kurz, und nach einer ganzen Weile Smalltalk, in der ich ihn auch über den Stand meines aktuellen Beziehungslebens aufklärte, was Clemens abgeklärt wegsteckte, stellte ich ihm die Frage, die mir auf der Seele brannte: „Wie geht es deinem Bruder?“
„Es ist viel besser geworden, er hat in der nächsten Woche die letzten Therapiestunden. Entscheidend war glaube ich unser Gespräch an der Ostsee. Ich habe lange gegrübelt und mit mir gekämpft, habe dann aber nach unserer Rückkehr mit den Ärzten gesprochen. Und die haben auch gemeint, dass es nicht verkehrt sein kann, seinen Freund irgendwie in die Behandlung mit einzubinden. Sie haben mich sogar darum gebeten, mit Lucas Kontakt aufzunehmen.
„Wie hat er denn reagiert?“
„Er wollte zunächst keinen Kontakt mehr zu uns haben, erst als ich ihm sagte, dass unser Vater im Knast sitzt und wir unsererseits mit ihm nichts mehr zu tun haben wollten, erklärte er sich bereit, mit mir zusammen Oliver im Krankenhaus zu besuchen.“
Ich sah Clemens ins Gesicht. Das war überhaupt nicht mehr der Junge, der sich im Trainingslager als absolut schwulenfeindlich präsentierte – aber letztendlich war seine Einstellung ja auch nur eine Fassade, die schnell bröckelte und mittlerweile wohl absolut restauriert war.
Er fuhr mit seiner Berichterstattung fort: „Ab dem Moment, als Lucas in Olivers Zimmer trat, änderte sich sein Zustand. Bis dahin war er völlig apathisch, war kaum in der Lage, Sätze zu formulieren. Plötzlich aber hatte er ein Lächeln im Gesicht, und als Lucas dann seine Hand nahm, brach er in Tränen aus und nahm ihn in den Arm, flüsterte immer wieder, was er für eine Angst gehabt hätte.“
„Da siehst du mal, welche Macht manchmal die Liebe hat.“
„Ja, das habe ich mittlerweile auch begriffen. Oliver wohnt mittlerweile bei Lucas’ Eltern, die sich um ihn kümmern, als wäre er ein zweiter Sohn. Und wie gesagt, die Therapie ist nun fast abgeschlossen. Ich werde ihn bei den letzten Sitzungen auf Anraten der Ärzte begleiten. Bei dir wollte ich mich noch mal bedanken, du hast mich auf den richtigen gedanklichen Weg gebracht und dazu noch letztendlich dafür gesorgt, dass es meinem Kleinen wieder gut geht. Mal was anderes: Wie geht es denn der Caritas-Fußball-Truppe?“
Na, da fragte er ja den Richtigen. „Kann ich dir jetzt gar nicht so genau sagen, da solltest du vielleicht mit Marcel sprechen. Er trifft sich oft mit Daniel und Justin, um auf die Fanmeile zu gehen. Wenn du sagst, dass du nächste Woche sowieso da bist, verabrede dich doch einfach mit den Jungs für Mittwoch. Da ist glaube ich Halbfinale, und dann könnt ihr gemeinsam die Fanmeile unsicher machen.“
Ich gab ihm Marcels Nummer, und wenig später war die Geschichte klar: Während ich mich mit meiner Firma zu einem gemütlichen Abend treffen würde, wollte die Fußballclique meines Wiener Bekannten- und Freundeskreises in der Fanzone dem Ausgang des ersten Halbfinales entgegenfiebern.
Und noch jemand fieberte: der Wettergott. Nicht nur die Stimmung, auch das Klima in der österreichischen Weltmetropole war aufgeheizt. Der Hochsommer hatte schwülwarme Luft an die Donau gepustet. Und die wirkte derartig schweißtreibend, dass ich äußerst zufrieden damit war, dass unser Firmenabend im Inneren eines gemütlichen und vor allem klimatisierten Lokals stattfand. Dort hinzukommen, gestaltete sich aber bereits als ein Abenteuer. Die U-Bahnen waren fest in türkischer Hand, die sich mit ihren Schlachtrufen aber bereits warm sangen für die Fanmeile, auf die sie zu gelangen wünschten.
Mein Wunsch hingegen war es, möglichst rasch ein kühlendes Getränk in kühlender Atmosphäre zu mir zu nehmen – und bekam am Eingang des Etablissements gleich ein Glas Champagner überreicht. Ein Getränk, das ich bis dahin noch nicht allzu oft genießen durfte und das Marcel auf der Fanmeile sicher nicht haben würde. Und wenn, wäre es vermutlich unbezahlbar.
Ich verschaffte mir einen Überblick – tatsächlich war fast die gesamte Belegschaft anwesend. Ich wendete mich an meinen Kollegen Robert: „Wie siehts aus, wollen wir eine Runde Billard spielen?“
Er schaute mich an, als hätte ich ihn grad aufgefordert, sich nackt auszuziehen: „Hallo? In einer Viertelstunde beginnt das Spiel?“
Wie konnte ich das vergessen! Ich würde wohl nicht drum rum kommen, mich an diesem Abend mit dem Treiben 22 aufgescheuchter Leute auf einem grünen Rasen zu beschäftigen. Denn wohin ich meine Blicke auch schweifen ließ, meine Kollegen hatten sich in Position vor den Bildschirm gebracht und diskutierten über die Chancen der beiden Teams, Europameister zu werden und unterbrachen diese sportgetränkten Fachgespräche nur dadurch, um sich selber zu tränken oder das auf den Tischen aufgestellte Knabbergebäck zu minimieren.
Doktor Lugauer begrüßte uns kurz, wünschte seiner Belegschaft viel Spaß und teilte uns außerdem mit: „Hier drin sind wir heute eh besser aufgehoben als draußen in der Fanzone. Meine Frau hat mich grade angerufen und wollte wissen, ob wir auch wirklich im Trocknen sitzen. Es gibt eine Unwetterwarnung für den Großraum Wien.“
Frau van Barsick, die direkt neben mir saß, murmelte: „Na toll, mein Mann ist irgendwo da draußen. Dann werd ich wohl mal mit ihm telefonieren müssen.“
Ich stand auf, ging in den Biergarten und schaute in einen blauen Himmel. Aber in der Ferne sah ich bereits sich auftürmende Gewitterwolken und entschied mich auch dafür, Marcel anzurufen und ihn zu warnen. Das dabei auftretende Problem war, dass es für meinen Schatz offenbar akustisch unmöglich war, meinen Gesprächswunsch mitzubekommen. Ich erreichte ihn nicht.
Ich probierte, bei Felix anzuklingeln. Das funktionierte, aber eben nur das Anklingeln. Auch das Geräusch seines Mobiltelefons schien in dem Lärm der Tausenden Fußballfans unterzugehen.
Ich fragte Frau van Barsick: „Haben sie ihren Gatten erreicht?“
„Ja, war nicht leicht, aber er kommt her, wenn es zu heftig wird. Wieso? Kriegen sie Marcel nicht an die Strippe?
Ich grinste: „Weder dahin noch ans Handy.“
„Bei mir hat es auch eine Weile gedauert. Versuchen sie es weiter oder schreiben sie eine SMS. Bieten
sie ihm ruhig an, dass er herkommen kann.“
„Na ja, er ist mit ein paar Bekannten unterwegs.“
Sie lächelte mich an: „Wenn es nicht zu viele sind – wir haben doch Platz hier.“
Das stimmte – für diese Truppe war auf alle Fälle räumlich betrachtet genug Unterschlupf. Ich probierte es als nächstes bei Clemens, und der schien tatsächlich über bessere Ohren oder ein Telefon mit eingeschaltetem Vibrationsalarm zu verfügen.
„Clemens, ist Marcel in deiner Nähe?“
Im Hintergrund, sowohl bei ihm als auch bei mir, wurde die türkische Nationalhymne zu Gehör gebracht.
„Was?“
Ich wurde lauter: „Gibst du mir Marcel?“
„Warum rufst du ihn nicht selber an?“
„Er hört das Klingeln wahrscheinlich nicht.“
„Was? Es ist so laut hier.“
Ich brüllte: „Bitte, gib ihn mir schnell, so lange er noch aufnahmebereit ist!“
Robert tippte mir auf die Schulter: „Hey, Tobi, schrei net so!“
Ich schaute ihn etwas entnervt an: „Ich telefoniere.“
„Ja, das hört man!“
Aus dem Handy tönte nun Marcels Stimme: „Schatz, was gibt’s denn so dringendes? Das Spiel geht gleich los.“
Ich klärte ihn kurz auf und gab das Angebot meiner Chefin weiter – und tatsächlich hatte er auch alles gleich beim ersten Mal verstanden. Dem genervten Blick meiner Kollegen zufolge hatte ich wohl auch laut genug gesprochen.
Marcel wünschte unser Gespräch möglichst rasch zu beenden: „Okay, danke Tobi! Ich hoffe, das Wetter hält noch bis Spielende. So, aber jetzt geht’s los! Ciao!“
Auch meine Kollegen hatten das festgestellt und widmeten sich dem EM-Halbfinale, und auch mir blieb nichts anders übrig, als mich mit den Jungs auseinanderzusetzen, die einer Lederkugel hinterher jagten, um sie in ein umnetztes Eisengebilde zu transportieren. Wobei die Türken meiner laienhaften Meinung nach dieses Ziel ein wenig energischer angingen. Der Führungstreffer der Halbmondkicker nach rund 20 Minuten bestätigte meine Vermutung.
Meine türkischstämmigen Kollegen machten keinen Hehl daraus, dass ihnen diese Entwicklung recht gelegen kam – mir weniger, schließlich hatte ich wenig Lust, Marcel am Abend wieder aus irgendeiner blöden Situation in einem Chatroom zu retten. Ich ertappte mich dabei, der deutschen Nationalmannschaft die Daumen zu drücken. Au weia, ich würde doch nicht noch zum Fußballfan mutieren?
Offenbar doch – als Schweinsteiger den Ausgleich erzielte und Deutschland erstmals in diesem Spiel Offensivgeist bewies, erwischte ich mich dabei, lauthals „JAAA!“ zu schreien, was mir seitens meiner Vorgesetzten und Kollegen mehrere fragende Blicke einbrachte.
Zur Halbzeit stand es also 1:1 – durch einen deutschen Treffer, der wie ein Blitz aus heiterem Himmel fiel.
Echte Blitze hingegen erhellten den sich verdunkelnden Himmel über Wien, wie mein prüfender Blick in der Halbzeitpause feststellte. Frau van Barsick stand neben mir und prüfte ebenfalls. Ich fragte sie: „Das wird wenig lustig, oder? Bis zum Ende der zweiten Halbzeit wird das Unwetter nicht warten.“
„Nein, sicher nicht. Ich hoffe, dass unsere Leute von der Fanmeile rechtzeitig in der Lage sind, sich wenn es sein muss vom Spiel zu lösen.“
Es dauerte keine fünf Minuten, da hatte Herr van Barsick den Weg in die Kneipe gefunden und berichtete uns aus erster Hand von der Fanzone: „Da braut sich ganz schön was zusammen. Eben, als ich ging, haben sie eine Unwetterwarnung über die Leinwände flimmern lassen.“
Ich versuchte mehrfach, Clemens, Felix oder Marcel zu erreichen – allerdings vergeblich. Und die meteorologischen Entwicklungen draußen trugen wenig dazu bei, meine aufkeimende innere Unruhe niederzutrampeln. Ich entschied mich, etwas zu tun: „Ich muss da raus, ich muss die Jungs warnen.“
„Bist du verrückt? Weiß du, was da gleich passiert? Da werden gleich zehntausende Fans das Verlangen haben, von draußen nach drinnen zu gelangen. Da solltest du nicht der einzige sein, der gegen den Strom schwimmt und vom sicheren Drinnen nach draußen geht.
Frau van Barsick unterstützte ihren Gatten: „Wobei schwimmen unter Umständen wörtlich zu nehmen ist. Tobi, bleib da. Du kannst nichts machen. Ich verstehe, dass du dir Sorgen machst. Aber die Jungs findest du draußen eh nicht!“
Ich realisierte überhaupt nicht, dass mich meine Chefin geduzt hatte – ich realisierte nur, dass es draußen in der Fanzone gleich unglaublich gefährlich werden könnte. Aber ich begriff auch, dass van Barsicks Recht hatten. Es war wenig angebracht, die Nadel im Heuhaufen zu suchen – zumal es in Kürze ein sehr nasser Heuhaufen sein würde.
Ich schaute besorgt in den Himmel. Ein Blitz zuckte, der Donner grollte unmittelbar danach.
19. Marcel – Ins Wasser gefallen
Das war ja eine spannende Nummer, dieses Halbfinale. Die Spannung und das schwülwarme Klima trieben nahezu jedem Fußballfan die Schweißtropfen ins Gesicht, aber spätestens zur Halbzeit war klar, dass die Schweißtropfen sehr bald den Regentropfen würden weichen müssen.
Wir beratschlagten, ob wir eventuell versuchen sollten, einen trocknen Platz zu finden, um die zweite Halbzeit zu verfolgen. Aber wir kamen relativ schnell zu dem Schluss, dass wir so lange wie möglich den drohenden Wetterunbilden trotzen wollten und uns nicht den Spaß und die Spannung wegspülen zu lassen. Schließlich findet ein Europameisterschaft nur aller vier Jahre statt, und Deutschland hatte seit 12 Jahren kein EM-Halbfinale mehr gespielt.
Das Spiel begann zu Beginn der zweiten Halbzeit, gemütlich vor sich hin zu plätschern. Während der einsetzende Schauer ebenfalls plätscherte, allerdings weniger gemütlich.
Mittlerweile wurden auf den Leinwänden immer wieder Unwetterwarnungen eingespielt, und es gab auch Durchsagen, die nahe legten, sich Unterschlupf im Trocknen zu suchen und die Fanzone zu verlassen.
Heftige Gewitter mit ebenso heftigen Sturmböen wurden angekündigt, aber nur wenige Leute schickten sich wirklich an, die Fanmeile zu verlassen.
Klar, es blitzte und donnerte, aber nach wenigen Minuten wurde der Regen merklich weniger.
Felix warf einen prüfenden Blick in den Himmel: „Na bitte, der Wettergott hat doch ein Einsehen mit den Fußballfans. Das war’s schon, das Unwetter schrammt an Wien vorbei.“
Die Veranstaltungsleiter allerdings schienen anderer Meinung zu sein, wieder wurde die Unwetterwarnung auf die Leinwand projiziert und diesmal sogar durch eine Durchsage bekräftigt: „Achtung, es gibt eine Unwetterwarnung mit Hinweisen auf schwere Gewitterschauer mit heftigen Sturmböen. Wir können ihre Sicherheit nicht gewährleisten und fordern sie auf, die Fanzone unverzüglich zu verlassen.“
Noch immer entschieden wir uns, einen Moment zu warten und nährten unsere Hoffnung, mit dem eben niedergegangenen Guss wäre das Kapitel Unwetter erledigt.
Im Spiel wurden die Türken immer stärker, und analog dazu frischte auch der Wind auf und schickte heftige Böen in die Fanzone. Spätestens, als ein sich selbständig machender Sonnenschirm an uns vorbeiwedelte, wurde uns klar, dass hier möglicherweise doch noch mehr kommen würde als das Tropfenmeer von grade eben.
Ich rief meinen Freunden zu: „Jungs – es ist Zeit zu gehen. Passt auf, Tobis Firma feiert im „Schottenrock“, das ist eine Kneipe nahe der U-Bahn-Station Schottentor. Da läuft das Halbfinale auch, wir dürfen hinkommen. Wir sollten versuchen, uns jetzt dorthin durchzuschlagen, okay? Länger als sieben, acht Minuten dürfte das nicht dauern, wenn überhaupt. Okay, Danny: Geh du vor, und wenn wir uns verlieren, weiß jeder wo das ist?“
Genau in diesem Moment erschwärzte die Leinwand – nur noch das ORF-Logo prangte oben rechts in der Ecke. Danny rief mir zu: „Prima, die stoppen die Übertragung für uns. Da verpassen wir wenigstens nicht.“
Felix erwiderte: „Ich weiß nicht. Wenn hier schon die Fernsehübertragung gestört ist, tobt irgendwo heftig der Bär.“
Justin konterte: „Ich weiß nicht, vielleicht ist nicht der Bär, sondern einfach nur das Wetter dafür verantwortlich?“
Passend dazu öffnete der Himmel seine Schleusen – und zwar diesmal richtig. Im Gegensatz dazu war der Schauer von grade eben in die Kategorie liebevolles Nieseln einzustufen.
Der Sturm peitschte das Wasser über die Fanzone, und spätestens jetzt hielt es kaum noch jemanden auf dem Areal. Der Sturm, der Regen, die sich minütlich wiederholenden mehrsprachigen Durchsagen: über 30.000 Fans verspürten das Verlangen, die Fanmeile zu verlassen. Und nicht nur das, sie wurden sogar dazu aufgefordert, das Veranstaltungsgelände geschlossen.
Einige Unverdrossene störte das immer noch nicht. Einen Haufen Jugendlicher konnten wir bei unserer Flucht beobachten, die sich in den sich immens rasch bildenden Pfützen vergnügten, kreischend darin herumhüpften und sich mit dem zahlreich anwesenden Wasser bespritzten.
Andere hatten sich die Trikots vom Leib gerissen und tanzten im Regen.
Danny bewies Humor: „Wenn die ihren Regentanz vielleicht später aufgeführt hätten, wären wir noch trocken!“
Clemens schrie mich an, anders konnte man sich nicht verständigen: „Hier kommt ja wohl gleich die ganze Donau vorbei.“
„Dann hoffe ich aber auch, dass ein Schiff vorbeitreibt.“
Der Großteil der Fußballfans strömte in Richtung der U-Bahnstationen, und uns blieb nichts anderes übrig, als uns vom Strom treiben zu lassen – bis kurz vorm Schottentor, dann flüchtete unser Quintett in die Seitegasse, in der sich der „Schottenrock“ befand und war Sekunden später im Trockenen.
Wir hatten Glück, dass uns niemand anders gefolgt war – und vorübergehend lagen etliche Augenpaare der Bankenbelegschaft auf uns gerichtet. Plötzlich hatte ich Tobi im Arm: „Mensch, Marci, da seit ihr ja! Ich hab mir solche Sorgen um euch gemacht!“
Frau van Barsick stand ebenfalls neben mir: „Ja, wir alle haben uns Gedanken gemacht. Sind das alle von Eurer Truppe?“
Ich schaute kurz: Felix, Danny, Justin, Clemens: Jawohl, alles hatten die Flucht vorm Unwetter unbeschadet überstanden, davon abgesehen, das an keinem von uns auch nur noch ein trocknes Haar war. Felix war das egal: „Hey, Leute: Wie steht es beim Spiel?“
Mein ehemaliger Kollege Robert klärte auf: „Die Leitung ist tot.“
„Immer noch? Der Ausfall war doch eben schon auf der Fanmeile.“
„Ja, seit mindestens fünf Minuten ist nichts mehr.“
Ein junger Kellner hatte schnell reagiert und uns mit Handtüchern ausgestattet, aber das Problem der Nässe war für Felix höchstens sekundär, und er erkundigte sich bei dem freundlichen Herren: „Sag mal, habt ihr hier nur ORF?“
„Wir haben im ZDF auch schon geschaut, da ist das gleiche.“
„Kriegt ihr das Schweizer Fernsehen auch? Da wird auch übertragen.“
„Ja, das kriegen wir auch über Schüssel. Soll ich mal hinschalten?“
Aus mehreren Kehlen der umstehenden Leute, einschließlich meiner eigenen, kam ein lautstarkes und zustimmendes „JA!!!“ – und wenig später wurde laut gejubelt, als wir feststellten, dass Deutschland mittlerweile mit 2:1 führte.
Das Schweizer Fernsehen zeigte das Tor von Klose noch mehrfach in Zeitlupe – ein Tor, dass für die DFB-Auswahl immens wichtig war. Aber, die Türkei hatte in diesem Turnier durch viele späte Tore geglänzt, und auch meine ehemaligen Kollegen, die dem Halbmond verbunden waren, äußerten Optimismus: „Jetzt kommt starke türkische Phase!“
Felix flüsterte mir zu: „Das kann nicht immer klappen mit den späten türkischen Toren.“
Keine 60 Sekunden später brandete der Jubel bei den türkischen Fans auf – drei Minuten vor dem Ende hatte Semih den Ausgleich erzielt.
„Unverdient ist das nicht.“, analysierte Frau van Barsick, die neben mir saß.
Aber – es war noch nicht vorbei. Trotz der bekannt starken Schlussphasen der Türkei rüsteten wir uns für die bevorstehende Verlängerung. Die nur wenige Sekunden später schon wieder vergessen war. Wir lagen uns in den Armen – Philip Lahm hatte den Ball zur erneuten Deutschen Führung in den Kasten befördert – 3:2 in einer äußerst spektakulären Schlussphase.
Der gleiche Spieler, der zur WM das allererste Tor im Sommermärchen 2006 erzielte, ermöglichte es, den Traum vom Sommermärchen 2008 weiterzuträumen – war das ein Omen?
Wenig später war Schluss, Deutschland hatte den Finaleinzug geschafft und wir saßen noch relativ lange in einer großen, gemütlichen Runde im „Schottenrock“ zusammen.
Tobi brachte es letztendlich auf den Punkt: „Zur WM war Deutschland doch nur Dritter, oder? Das heißt, schon jetzt ist die Mannschaft besser als vor zwei Jahren. Oder sehe ich das falsch?“
„Stimmt, so rum kann man das auch betrachten. Und die Italiener sind diesmal schon weg. Schauen wir am Sonntag zusammen?“ Felix dachte schon an das nächste und dann leider auch letzte Spiel der EM.
Diesmal war es Tobi, der sich entschlossen zu Wort meldete: „Ja, und ich schaue sogar mit. Aber diesmal treffen wir uns alle in unserer Wohnung. Noch mal möchte ich so ein Theater nicht durchmachen, okay?“
Wir lachten – aber stimmten zu. Eine Finalparty im kleinen Kreis hatte auch etwas sehr Reizvolles. Der Traum vom deutschen Sommermärchen ging weiter.
20. Tobias – Das Ende vom Sommermärchen
Tatsächlich trafen wir uns am Finalsonntag in der Wohnung, aber nur, um uns bei bildschönem Wetter gemeinsam auf dem Weg zum Public Viewing zu machen. Marci hatte es nicht sonderlich schwer, mich davon zu überzeugen, doch auswärts zu schauen. Weit und breit waren keinerlei Unwetter in Sicht.
Als Kompromiss hatten wir uns darauf geeinigt, in einem Open-Air Pub auf der Donauinsel das Endspiel zu verfolgen. Da auch Clemens, sein Bruder Oliver und dessen Freund Lucas daran Interesse hatten, und das möglichst mit uns zusammen, wäre es bei uns zu Hause doch etwas eng geworden. Auch Raffael hatte sich dazu durchgerungen, Felix zu begleiten, so das wir erstmals mit vier Pärchen unterwegs waren – eine hochgradig interessante Fußballclique, die es in dieser Form auch eher selten geben dürfte.
Clevererweise hatte ich am Samstagabend noch die glorreiche Idee gehabt, einen Tisch zu reservieren. Und das war nicht verkehrt, denn es wurde auch abseits der Fanzone ziemlich voll auf der Donauinsel. Viele Wiener hatten sich vor dem großen Spiel in die grüne Oase begeben und wollten dort zwischen Hauptstrom und Neuer Donau dann zum Wochenausklang schauen, wer Europas Fußballchampion werden würde.
Die Entfernung von der Donauinsel zum Endspiel-Austragungsort betrug Luftlinie nur sehr wenige Kilometer, und stellenweise wehte der leichte Sommerwind Fangesänge in unsere Ohren.
Für mich war es nun schon das zweite Fußballspiel in Folge, dass ich verfolgte. Und ich musste mir zugestehen, dass ich mich sogar ein bisschen darauf freute. Wer mir das vor drei Wochen gesagt hätte, den hätte ich vermutlich für verrückt erklärt.
Danny, Felix und Marci hatten sich in ein schwarz-rot-goldenes Outfit geworfen, Justin überraschte uns, als er gemeinsam mit Oliver im spanischen Trikot auftauchte.
Das alles änderte natürlich nichts an der freundschaftlichen Atmosphäre, die zwischen uns herrschte, aber es war zumindest bei Marcel und Felix spürbar, dass sie ziemlich angespannt diesem Finale entgegen sahen. Klar, sie waren mit Abstand die größten Fans in unserer Clique.
Der verhaltene Optimismus bei den Beiden verkleinerte sich nicht dadurch, dass die Deutsche Nationalmannschaft äußerst stark begann und sich gute Möglichkeiten erarbeitete, die aber den Spaniern offenbar als Wecker diente.
Die Südeuropäer wurden immer stärker, und gingen fast folgerichtig nach einer halben Stunde in Führung – was bei Marcel und Felix die gute Laune von den Gesichtern wischte. Lebhaft diskutierten die beiden über die Unnötigkeit dieses Treffers und warum die Deutsche Abwehr in den Schlafwagenmodus schaltete. Raffael hingegen hatte andere Probleme, machte mich auf ein Flugzeug am Wiener Himmel aufmerksam.
Ich signalisierte ihm, mich in näherer Zukunft, aber erst nach dem Spiel mit ihm über das Thema Luftfahrzeuge zu verständigen und widmete mich nun wieder dem EM-Finale, dass in meinen Augen die Spanier sehr gut in Griff hatten.
Zehn Minuten vor dem Ende flüsterte mir Justin zu: „Ich glaube, du musst heute Abend Tränen trocknen. Ich glaube nicht, dass Deutschland noch irgendein Tor schießt.“
Er sollte Recht behalten – nach dem Abpfiff begann die spanische Fiesta in Wien.
Felix resümierte kurz: „Tja, da hat heute wohl die beste Mannschaft den Titel gewonnen. Und Deutschland muss wieder mindestens zwei Jahre warten.“
Justin hakte ein: „Na, so wie die heute, gegen die Türkei oder gegen Kroatien gespielt haben, werden die 2010 kein Weltmeister. Da wird’s mit der Vorrunde eng.“
Raffael schien von diesem Thema nun endgültig genug zu haben: „Leute, bitte! Ich habe mir jetzt über drei Wochen jetzt geduldig mir viel zu viel zum Thema Europameister, Fanzone und Abseits angehört. Ich finde, ich habe mir jetzt einen Themenwechsel verdient, oder? Der einzige Vorteil ist…“ – auf der Leinwand wurde eine Großaufnahme vom spanischen Goldtorschützen Fernando Torres eingeblendet – „…das es viele schnuckelige Kerlchen zu sehen gab und gibt.“
Felix schaute ihn kurz schweigend an, um dann trocken zu antworten: „Okay. Ab sofort kein Fußball mehr.“
Raffael zwinkerte: „Geht doch!“
Marcel ergänzte: „Das gilt aber nur bis zum Ende der Sommerpause!“
Wir saßen an unserem Tisch und sahen über dem Happel-Stadion das Feuerwerk, mit dem die Europameisterschaft nun endgültig ausklang.
Unsere gemütliche Runde verabredete sich bereits für das nächste Wochenende, um dann gemeinsam den Sommer zu genießen – nur Clemens würde dann wieder in Graz sein.
Am Abend lag ich bereits im Bett – und vermisste Marci neben mir. Also stand ich noch mal auf, um zu schauen, wo er blieb. Und fand ihn auf dem Balkon sitzend, nachdenklich in das Lichtermeer der City schauen, von der immer noch spanische Jubelarien herüberschallten.
Er schaute sich zu mir um: „Hey Schatz, sorry, du wartest auf mich, oder?“
Ich nickte und setzte mich zu ihm, legte meinen Arm um seine Schulter: „Du knabberst noch ein bisschen am Spiel, oder? Immerhin nur auf dem Balkon, und nicht in irgendeinem Chat.“
„Na ja… Felix hatte schon Recht. Das beste Team hat gewonnen. Aber trotzdem – ein Happy End des Sommermärchens hätte ich mir schon gewünscht.“
Ich kuschelte mich an ihn: „Weißt Du, hätte das Sommermärchen 2006 ein Happy End gehabt, würden wir jetzt hier nicht sitzen und schon gar nicht gemeinsam in einer Wohnung, unendlich verliebt ineinander.“
Marci sah mich lächelnd an und küsste mich zärtlich. Ich war aber noch nicht ganz fertig: „Und 2008 hat das Fußball-Sommermärchen kein glückliches Ende, was man aber in Spanien auch schon wieder anders bewerten wird. Aber unser persönliches Sommermärchen hat in diesem Jahr erst angefangen – und ich hoffe und wünsche mir, dass dieser Sommer nie vorbeigeht.“
„Tja … dann bleibt uns wohl nur noch eins: Und wenn sie nicht gestorben sind, dann lieben sie sich noch heute. Oder so ähnlich.“
Schweigend schauten wir eine ganze Weile auf die Wiener Nachtkulisse. „Da unser Märchen nie enden soll, brauchen wir keine Schlussformel. Ich liebe dich, und das hoffentlich für immer.“
Marci flüsterte, und es war ein unendlich glückliches Flüstern: „Das ist ein echtes Sommermärchen, aber ein Märchen, das Wirklichkeit ist. Ich liebe dich auch!“
ENDE