Ein Schritt nach vorne – Teil 8

Kapitel 33

Als David dann abends in der Tanzschule ankam, war er etwas spät dran, aber der letzte war er noch nicht.

Frau Erdmann kam fröhlich, überschwänglich wie immer auf ihn zu. „Nun aber schnell! Wir wollen gleich anfangen Herr Engelhardt.“

„Ich beeil mich.“, lächelte er freundlich und schlüpfte in seine Tanzschuhe, um sich dann schon auf das Parkett zu begeben, wo auch die anderen standen und sich über Gott und die Welt unterhielten.

Kaum hatte er Nico und Tessa zum zweiten Mal für heute begrüßt und auch den anderen „Hallo“ gesagt, da stürzte auch schon Ulli auf ihn los und hing schon wieder an seinem Arm.

Sie versuchte ihn in ein Gespräch zu verwickeln. Ihr Balzgehabe war nicht zu übersehen.

Scheinbar hatte sie sich extra schick gemacht und sich sogar geschminkt, was für sie wirklich sehr untypisch war.

David blickte Hilfe suchend zu Tessa, doch die grinste nur und zuckte mit den Schultern. Sie unterhielt sich aber mit Tobi und Anna über die Klausuren, die in der Woche gelaufen waren. Die beiden hatten in ihren ersten beiden Arbeiten ein ganz gutes Gefühl, aber bei Tobi schien Mathe ganz schön daneben gegangen zu sein. Tessa versuchte ihm da gerade ein bisschen Mut zu machen.

„So meine Lieben. Bildet Pärchen und dann geht’s los.“, tönte Frau Erdmanns Stimme durch den Raum und schon lösten sich die Gruppen auf und die Paare suchten sich einen Platz auf der Tanzfläche.

„Huch, Habt ihr getauscht?“, fragte die Tanzlehrerin nun auch schon, als sie sah, dass Nico mit Tessa und David mit Ulli bereit stand.

„Ja, vielleicht klappt es so besser.“, gab Nico zur Antwort, schon um David nicht in Erklärungsnot zu bringen.

„Aha, na bei paaren in eurem Alter ist das ja nicht so selten, dass mitten im Kurs auf einmal ein wenig untereinander gewechselt wird. Solange es da keine Streitereien gibt.“, grinste sie den Vieren amüsiert entgegen. Nico und Tessa rollten nur mit den Augen. Ulli hingegen grinste wie ein Honigkuchenpferd, woraufhin Nico David noch einmal aufmunternd zu lächelte.

Dann setzte auch schon die Musik ein.

„So meine Lieben, wir wiederholen erst einmal, was wir in der letzten Stunde hatten. Dann machen wir heute mit dem Discofox weiter. Das hier ist jetzt eine Rumba! Ihr wisst noch wie die ging?“ Sie schaute in die Runde. „Außer die beiden Damen, die beim letzten mal gefehlt haben natürlich, aber das macht nichts. Ihr lernt das auch ganz schnell. Eure Partner führen euch ja hervorragend.“

Schon wieder grinste sie Nico und David an.

Die Anderen tanzten schon drauf los, wobei Die beiden Angesprochenen ihren Partnerinnen zeigten, wie der Schritt ging. Ulli und Tessa hatten ihn schnell drauf, denn so schwierig war Rumba nun wirklich nicht, besonders, wenn man Cha-Cha schon konnte.

Nach der ersten Runde, in der sie außer der Rumba auch noch ein wenig Mambo und Cha-Cha wiederholt hatten, lernten sie dann einige Drehungen und Wicklungen im Discofox, bei denen David und Ulli ganz schön Tempo gewannen.

Denn wenn David an etwas richtig Spaß hatte, dann daran, seine Partnerin über die Tanzfläche zu wirbeln.

Allen machte das einen riesigen Spaß und nun hatte David auch gar kein Problem mehr damit, dass er nicht mit Tessa tanzen konnte, denn die hätte sich sicher beschwert, weil ihr schwindlig geworden wäre.

Aber Ulli ließ sich das alles gern gefallen, nicht nur, weil es David war der sie führte, sondern auch, weil sie es genoss, die Führung, die sie bei Nico immer auch ein wenig mit übernehmen musste abzugeben. David gab ihr das Gefühl sie zu beschützen und zu halten.

Bei der nächsten Drehung bekam Ulli Davids Hand jedoch nicht richtig zu fassen und so wurde sie durch den immensen Schwung, den David ihr mitgegeben hatte so heftig geschleudert, dass sie nach hinten fiel und nicht gerade sanft auf ihrem Hinterteil landete.

David erschrak tierisch und kniete sich sofort neben sie um zu sehen, ob sie sich etwas getan hatte.

Ulli war scheinbar richtig böse umgeknickt. Das verriet ihr schmerzverzerrtes Gesicht und der Knöchel, den sie sich hielt.

„Scheiße!“, brachte er nur hervor.

„Das wollte ich nicht. Tut es sehr weh?“, wollte er dann auch gleich wissen.

Ulli quetschte nur ein „Geht schon.“ heraus. Sie wollte tapfer sein. Doch so ganz gelang ihr das nicht.

Frau Erdmann kam auch sofort angestürmt und sah sich das Malheur an. Sie war ebenso der Ansicht, dass der Knöchel verstaucht sein könnte, darum bat sie David Ulli aufzuhelfen und sie in den Vorraum zu bringen, wo sie sich hinsetzen konnte.

Sie selbst mahnte die Anderen noch ein wenig weiter zu üben, es aber nicht zu übertreiben und holte dann ein Icepack aus dem Kühlschrank.

Damit sollte Ulli ihren Knöchel kühlen, während sie den Rest des Kurses weiter trainierte.

David blieb bei Ulli und half ihr, ihren Fuß hoch zu legen. Er hockte sich neben ihren Stuhl und streichelte tröstend ihren Arm.

„Hey, das wird schon wieder!“, lächelte er.

Ulli empfand ihren Schmerz augenblicklich als nicht mehr so schlimm, wenn David sie so ansah. Außerdem streichelte er ihre Hand. Wow!

Sie schwelgte ob dieser einfachen Berührung schon wie im siebten Himmel. Konnte es gar nicht fassen und wünschte sich in diesem Moment nichts mehr, als dass sie noch ewig hier sitzen könnten. Wenn nur diese blöden Schmerzen im Fuß nicht wären!

„Soll ich dich nachher nach Hause fahren?“, bot David ihr an, denn irgendwie fühlte er sich ein wenig schuldig. Warum hatte er nicht einfach ihre Hand gegriffen und sie fest gehalten?

Irgendwie tat Ulli ihm richtig Leid. Schließlich war sie ihm praktisch ausgeliefert gewesen und hatte sich auf ihn verlassen. Er sah noch das glitzern in ihren Augen, als er sie über die Tanzfläche gewirbelt hatte.

Dankend nahm Ulli sein Angebot an.

In der Pause, die die anderen machten, kam Nico zu David.

„Wie geht es ihr?“, fragte er doch ein wenig besorgt, denn immerhin hatte er sich auch mit Ulli angefreundet, während sie in den letzten Wochen miteinander getanzt hatte,

„Na ja, es geht. Ist wahrscheinlich verstaucht. Ich bring sie dann nachher nach Hause. Das ist das mindeste, das ich tun kann.“, ein wenig mitgenommen sah er Nico an.

„Hey, du musst nicht auf mich warten. Ich find den Weg nach Hause schon. Dann fahr ich eben bei Tobi mit. Bring sie doch jetzt schon nach Hause. Dann braucht ihr hier nicht mehr die ganze Zeit warten.“

Nico sah David liebevoll an.

„Wir sehen uns dann ja morgen.“

David lächelte dankbar und dann war die Pause auch schon vorbei. Die Anderen hatten sich bei Ulli erkundigt, wie es ihr ging und ob es denn doll weh tun würde. Jetzt wussten also alle Bescheid.

David sagte Frau Erdmann nur noch, dass er schon mal Ulli nach Hause brächte, was diese sehr begrüßte. Sie wünschte noch gute Besserung und verabschiedete die Beiden dann.

Kapitel 34

David stützte Ulli bis zum Auto und half ihr dann hinein. Dann stieg auch er ein und fuhr los.

„Willst du nicht vielleicht doch lieber zum Arzt?“, fragte er dann. „Dein Knöchel ist schon ganz dick.“

„Hm, vielleicht ist das wirklich besser. Ich sag dann nur schnell meiner Mutter Bescheid, dass sie mich dann abholen soll.“ und schon hatte sie ihr Handy in der Hand und suchte die Nummer.

„Hey! Quatsch, ich bring dich danach auch nach Hause. So lange warte ich einfach. Schließlich ist das ganze ja meine Schuld.“, hielt David sie jedoch gleich davon ab.

„Na wenn du meinst.“, meinte Ulli nur.

„Aber Bescheid sagen muss ich trotzdem.“

Sie drückte also die Wahltaste und telefonierte kurz.

Ihre Mutter war unheimlich besorgt. Sie suchte gleich die Sprechzeiten von Ullis Hausarzt heraus und der war sogar noch in seiner Praxis. So mussten sie wenigstens nicht drei Stunden in der Notaufnahme des Krankenhauses warten.

David fuhr also mit Ulli zum Arzt und sie trafen ihn wirklich noch an. Es war also doch gut gewesen nicht noch auf das ende der Tanzstunde zu warten.

Er sah sich Ullis Knöchel an, tastete hier und drückte da. Ulli verzog ein paar mal vor schmerzen das Gesicht und das, was sie schon befürchtet hatten bestätigte der Weißkittel. Der Fuß war verstaucht.

Der Arzt legte ihr einen Verband an und schrieb ihr eine Salbe auf, die sie täglich benutzen sollte. Dann schickte er die Beiden nach Hause.

„Und nicht überanstrengen in den nächsten Tagen. Jedenfalls den Fuß nicht.“, gab er ihnen noch augenzwinkernd mit auf den Weg.

Dass Ulli die versteckte Aufforderung gefiel, sah man ihr an. David hingegen lächelte nur ein wenig müde.

Kapitel 35

Wie versprochen brachte David seine Tanzpartnerin auch nach Hause.

Zuvor machte er noch halt an der nächsten Apotheke und löste das Rezept für die salbe ein. Dann fuhren sie zu Ulli.

Ihre Mutter kam gleich besorgt zur Tür, als Davids Auto vor dem Haus hielt und er Ulli in Richtung Eingang trug.

„Ich bring sie gleich nach oben, Frau Kaus.“, wehrte David Ullis Mutter ab, als diese auf die beiden zu kam und sich gleich auf ihre Tochter stürzen wollte.

„Wie hast du das denn nur wieder hin bekommen?“, fragte sie, nach einem Nicken in Davids Richtung, an ihre sie gewandt.

„Wir haben wohl etwas zu wild getanzt.“, gab Ulli nur mit einem grinsen zu David zur Erklärung.

„Außerdem ist es ja nur verstaucht. Also nix schlimmes.“, beruhigte sie sie.

„Ui, langsam wirst du schwer!“, warf David dann ein.

Mittlerweile standen sie nun schon bestimmt fünf Minuten im Flur und er hatte Ulli immer noch auf dem Arm.

„Mutti, ich lass mich nur von David nach oben tragen, ja? Ich kann dir ja später alles erzählen.“, lenkte Ulli ein und David nahm das als Zeichen, jetzt weiter gehen zu dürfen.

Er trug Ulli also in ihr Zimmer und legte sie mit letzter Kraft vorsichtig auf dem Bett ab.

Ulli, die immer noch ihre Arme um seinen Hals geschlungen hatte, sah ihm in die Augen.

„Danke!“, hauchte sie ihm entgegen, zog ihn noch ein Stückchen zu sich hinunter und küsste zärtlich seine Lippen.

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