Ich erstarrte in meiner Bewegung.
„Los rein da“, sagte Priscilla zu Molly und schubste sie grob in den Raum.
Sie hatte Tränen in den Augen und wie ich eine Menge Angst.
„Mutter hör auf damit!“, sagte Timothy plötzlich neben mir.
Auch seine Stimme klang weinerlich.
„Warum soll ich aufhören? Schau dich um, das alles hätte uns gehören können. Und was haben wir jetzt? Nichts!“
„Ist es das wert?“, fragte Tom.
Ich wunderte mich über seinen ruhigen Ton und auch dass er den Mut hatte, so etwas zusagen.
„Was weißt du schon über Werte du Schwanzlutscher. Kommst hier her und spielst den großen Macker. Erzählst Lügengeschichten über meinen Sohn…“
„Mum…, er hat nicht gelogen…, ich bin…“
„Halt deine KLAPPE, dass haben die dir eingeredet! Mein Sohn ist nicht schwul!“
Ihre Stimme klang schrill.
„Und warum werfen sie ihren Sohn dann geknebelt und gefesselt in den Keller?“
Ich wusste nicht, was in Tom gefahren war. Sie fuchtelte immer noch mit ihrer Waffe herum. Nachdem sie Nath niedergeschossen hatte, traute ich ihr alles zu. Ein weiterer Donnerschlag ließ selbst sie zusammen fahren.
„Macht die Bodenklappe auf!“, befahl sie.
„Ich geh da nicht mehr runter…“
Ich riskierte einen Blick zu Timothy. Er stand da und hielt sich am Stuhl fest. Er zitterte, deutlich konnte man es sehen. Er bückte sich und zog die Bodenklappe wieder auf. Plötzlich ging alles sehr schnell. Es wurde unheimlich hell und es krachte ordentlich.
Funken sprühten vor der Decke und wir gingen alle zu Boden. Ein Blitz schien die Hütte getroffen zu haben. Mehrere Latten der Decke lösten sich und fielen herunter. Dicker Rauch quoll durch das entstandene Loch.
„Raus hier“, schrie Tom.
Von uns bekam keiner etwas ab, doch am Eingang lag Priscilla. Eine Latte hatte sie am Kopf getroffen, aus einer Wunde sickerte Blut. Tom war aufgesprungen und zog mich hoch. Gerade, als er sich umdrehen wollte, erhob sich Priscilla ebenfalls.
Mit ausgestreckter Hand, zielte sie mit der Mündung genau auf Tom. Tom blieb ruckartig stehen.
„Was wissen sie schon von mir…“, begann Tom.
Seine Stimme hatte etwas Bedrohliches… Gefährliches, so hatte ich ihn noch nie gehört.
„Ich bin nicht in einer Familie aufgewachsen, die mir alles ermöglicht hat. Keiner war für mich da. Ich wurde geschlagen…“, seine Stimme stockte.
„Erzählen sie mir nichts vom großen Macker…, sie, die alles Geld hat und meint alles damit kaufen zu können.“
Mein Blick haftete auf Priscillas Finger, der auf dem Abzug lag. Er bewegte sich leicht und zog langsam nach hinten. Bei mir machte es irgendwie Klick und ich fing an zu schreien. Mit voller Wucht warf ich mich gegen den Tisch, der Richtung Priscilla flog.
*-*-*
Tom
Ich war so sauer. Jetzt hatte ich soviel durchgemacht und da steht diese Schlampe mit gezogener Waffe vor mir und wollte mich töten. Berry hinter mir fing plötzlich an zu schreien und warf sich gegen den Tisch.
Der machte einen leichten Satz und flog Richtung Priscilla. So schnell konnte sie gar nicht reagieren und wurde hart getroffen. Leider löste sich bei der Aktion ein Schuss und ich spürte plötzlich einen stechenden Schmerz im Arm.
Priscilla dagegen flog nach hinten, knallte mit dem Kopf auf den Boden und verlor die Waffe. Sonst konnte ich nichts mehr sehen. Vor Schmerz schloss ich die Augen und griff nach meinem Arm. Übelkeit stieg in mir hoch und meine Knie wurden weich.
„Jetzt Lesley“, hörte ich Berry schreien.
Ich öffnete kurz die Augen und sah, wie die beiden sich auf Priscilla stürzen.
„Molly… raus!“, schrie Lesley, „nimm Timothy mit!“
Ich spürte plötzlich, wie jemand nach mir am Arm griff und von meiner Stelle zog. Aber meine Beine wollten mir nicht richtig gehorchen. Mein Arm brannte, als würde jemand ein Schmiedeeisen drauf drücken.
„Tom komm!“, hörte ich Molly.
*-*-*
Berry
Priscilla versuchte sie zwar zu wehren, aber ihre Kraft schien verloren gegangen zu sein. Ich schaute erst auf Lesley, dann zu den anderen.
„Lasst… mich los!“, zischte die Alte.
Molly hatte sich Timothy geschnappt und ihn zur Tür gezogen. Timothy wiederum hatte Tom im Schlepptau. Wenige Sekunden später nahm ich den Blutfleck an Toms Shirtärmel war.
„Lesley…, Tom ist verletzt!“
„Gut, lassen wir sie los, sie weiß eh nicht mehr was sie tut“, sagte mein Bruder, stand auf und kickte die Waffe nach draußen.
Auch ich ließ sie los und stürzte zu Tom.
„Tom was ist…?“
„Ich glaub… sie hat mich… getroffen…“
„Scheiße… geht es?“
Hinter mir wurde Priscilla laut, sie schrie und geiferte.
„Timothy, bleibt hier!“
Sie hatte sich mühsam aufgerichtet und wollte sich auf Timothy stürzen, doch wieder fielen Holzstücke von der Decke und versperrten ihr den Weg. Ich dagegen hatte Tom in den Arm genommen und zur Tür gezogen.
Durch das Loch in der Decke konnte ich sehen, dass der komplette Dachstuhl brannte. Die ersten brennenden Holzstücke fielen auf den Boden. Priscilla wich noch geschickt aus, aber verlor dann das Gleichgewicht und stürzte mit einem lauten Schrei in die wieder offene Kellerluke.
„Muuuuuuuuuuuuum“, schrie Timothy und wollte zu ihr, doch Lesley hielt ihn zurück, da sich immer mehr brennende Teil von der Decke lösten.
Lesley zerrte ihn nach draußen und Molly half mir Tom hinauszuführen. Vor dem Haus war es aber nicht besser. Ein starker Wind schlug uns entgegen, die Luft war geladen.
„Lass mich los!“, brüllte Timothy, den Lesley fest im Arm hielt, „… ich muss meiner Mutter helfen.
Der Dachstuhl fiel mit einem lauten Krachen ein.
„Da… kann man nicht mehr helfen…“, sagte Lesley leise.
„Neeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeein… Muuuuuuuuuuuuuuuuuuuum…“
Timothy sank zu Boden. Er wimmerte vor sich hin. Lesley behielt ihn im Arm und schaute mich an. Wenn doch nur Hilfe kommen würde. Verzweifelt schaute ich mich um. Die Rauchschwaden der mittlerweile brennenden Blockhütte zogen zu uns herüber.
„Wir müssen hier weg“, rief Lesley.
„Wohin?“, schrie ich fast schon.
Der Wind war so laut.
„Ich weiß es doch auch nicht!“
Tom in meinem Arm war halb weggetreten. Sein Kopf ruhte auf meiner Schulter und ich hörte leise sein Stöhnen.
„Ist da nicht ein Unterstand auf dem Weg hier“, rief Molly, die sich ebenfalls dicht an Lesley drückte.
„Was meinst du?“, kam es von Lesley.
„An der Wegbiegung am Fluss.“
„Und wie sollen wir dahin kommen? Wir haben nur vier Fahrräder und sind zu fünft.“
Lesley unterbrach und hustete.
„Dann ist Tom verletzt und Timothy mit gebrochen Arm das kannst du knicken!“
„Ich weiß“, rief Molly, „mir fällt aber nichts Besseres ein.“
„Und bei dem Gewitter möchte ich auch nicht herumlaufen müssen“, warf ich ein.
„Aber hier sitzen ist auch keine Option!“
Da hatte Lesley Recht.
Wieder zuckte ein Blitz in unserer Nähe in einen Blutholzbaum. Krachend schob er auseinander.
„Scheiße, dass wird ja immer schlimmer“, schrie Lesley.
„Der Schuppen, wo die Räder drin sind?“, schrie ich.
„Zu dicht an der Hütte!“, kam es von Lesley zurück.
„Könnt der nicht auch Feuer fangen?“, rief Molly ängstlich.
„Ich weiß nicht, der Wind kommt von seiner Seite…“
Wir schauten alle Richtung Schuppen. Es stimmte. Der Wind blies das Feuer in die andere Richtung.
„Lesley nimm Molly und hole unsere Bikes heraus“, rief ich.
Nun musste ich auch husten, der Wind trieb mir Sand in den Mund.
„Und Timothy?“, schrie er zurück.
„Das geht schon… los, jede Minute zählt!“
Lesley nahm Molly an der Hand und sie rannten geduckt zum Schuppen. Mit ein wenig Schwierigkeiten konnten sie zusammen die Tür öffnen und wenig später rollten die Bikes heraus und landeten im Dreck.
Lesley kam wieder zurück gerannt und zog Timothy hoch und ich meinen Tom. Wieder krachte ein Blitz in einen Baum in unserer Nähe. Aber dieses Mal mit so einer Wucht, dass es uns zu Boden schlug.
„Juuuuuuuuuuuuuuuuuungs“, schrie Molly verzweifelt.
Etwas benommen schüttelte ich den Kopf und richtete mich wieder auf. Tom lag neben mir, mit dem Gesicht im Dreck und rührte sich nicht.
„Tom… Schatz?“, schrie ich.
Molly kam angerannt zog an Lesley.
„Steh auf!“, schrie sie.
Lesley robbte zu Timothy und zog ihn ebenfalls hoch, während ich meine Mühe mit Tom hatte. Hatte er sein Bewusstsein verloren? Er reagierte auf alle Fälle nicht. Dies alles war alles zu viel für meine Nerven.
Die Tränen liefen unkontrolliert über meine Wangen.
„Tom, komm zu dir!“, schrie ich.
Molly half mir aufstehen und zog mit mir gemeinsam Tom zum Schuppen, während Lesley Timothy half. Mit letzter Kraft schafften wir es in das Innere. Deutlich war die Hitze des Feuers zu spüren, welches die Blockhütte nun endgültig dahinraffte.
Molly setzte sich zu Lesley, der den wimmernden Timothy festhielt, während ich meinen Tom im Arm hatte.
„Müsste nicht irgendwo das Auto von Priscilla stehen?“, fragte Lesley plötzlich, deutlich leiser als draußen im Freien.
„Stimmt, ich kann mir nicht vorstellen, dass sie gelaufen ist!“, erwiderte Molly.
„Aber wo?“, fragte ich.
„Auf alle Fälle auf dem Weg hier her…, anders kommt man nicht zur Hütte.“
„Stimmt!“
Wir schauten uns alle an. Die Frage war jetzt, wer von uns ging. Tom und Timothy waren nicht bei sich. Molly wollte ich in den Sturm nicht hinauslassen und Lesley fehlte die Kondition, um die ganze Zeit zu rennen.
„Ich geh! Molly, kannst du Tom nehmen.“
Sie nickte unsicher.
„Das ist Wahnsinn Berry!“, kam es von meinem Bruder.
Ich senkte den Kopf.
„Ich weiß…“