„Das war nicht zu übersehen“, antwortete Mum und kicherte, „mein Sohn ist und bleibt eine Augenweide…“
„Was anderes, warum hast du Geld abgehoben?“, versuchte ich sie von diesem Thema abzulenken.
Mum stoppte und drehte sich zu mir.
„Hör mal Jack…, in zwei Wochen beziehen wir die neue Wohnung und du musst zugeben, deine Möbel und andere Teile in der Wohnung, sind nicht mehr die Neusten. Ich vermute sogar, oder besser noch, ich befürchte, dass wenn wir sie abbauen, werden sie das nicht überleben…“
Bisher hatte ich mir darüber nie Gedanken gemacht. Es war Gewohnheit, dass mein Stuhl vor dem Schreibtisch wackelte und das Bett bei jeder Bewegung meinerseits Laut von sich gab, sprich knarrte.
„Keine Lust etwas shoppen zu gehen? Vor allem könntest du ein größeres Bett gebrauchen, wenn Taylor nun öfter dich in London besucht, oder im Herbst ganz zu dir zieht.“
„Taylor darf wirklich zu mir ziehen?“
„War das nicht deine Rede?“, meinte sie mit einem Lächeln.
„Ich… ich habe mir das… so zu Recht gelegt, mir aber noch keine Gedanken darüber gemacht…, wie das wirklich ist… Ich hätte das mit dir natürlich vorher genau abgesprochen!“
Nun lachte sie.
„So hättest du? Jack, auf einen mehr oder weniger im Haus kommt es nun wirklich nicht an und Taylor ist ein lieber netter Junge.“
„… mehr oder weniger?“
Fragend schaute ich sie an.
„Du vergisst Gregory, auch er bezieht Ende des Monats die kleine Wohnung unter dem Dach!“
Stimmt, an ihn hatte ich gar nicht mehr gedacht. An was dachte ich überhaupt? Neue Fragen taten sich auf.
„Ähm, gehen wir mit ihm auch…shoppen, denn er wird doch sicher auch Möbel brauchen.“
„Alles schon geregelt.“
„Wie geregelt?“
„Darum kümmert sich deine Tante Abigail.“
„Aha.“
„Und wegen dem vielen Geld, werde ich mich mit Henry kurzschließen, er hat mir das Angebot gemacht, bei irgendwelchen Fragen den Familienanwalt von deinem Grandpa zu nutzen.“
„Ähm… stimmt, muss man bei so viel Geld nicht irgendwie Steuern zahlen oder so.“
„Du zahlst Steuern für deine Einnahmen, nicht für das Geld, das du bereits besitzt. In deinem Falle, die Mieteinahmen für das Haus und den Laden…, Grundsteuern und, und, und!“
„Ich? Aber ich verdiene doch gar kein Geld!“, sagte ich entsetzt.
Wieder begann Mum an zu lachen und legte ihren Arm um mich.
„Darüber brauchst du dir keine Gedanken zu machen, das hat dein Grandpa alles bereits durch den Familienanwalt regeln lassen. Da fällt mir noch ein, wir sollten auch deinen Ausweis ändern lassen, auf den vollen Namen.“
„Wieso?“
„Als Hausbesitzer…“, sie begann schon wieder zu lachen und ich verzog mein Gesicht.
*-*-*
„Bist du sicher?“
„Ja Mum, das Bett gefällt mir viel besser.“
„Aber das andere…“
„… ist teurer“, unterbrach ich sie, „und ist mir viel zu… zu… Luxus behaftet, …abgehoben, ich weiß nicht wie ich es anders nennen soll! Schau hier, das Holzbett kommt sogar hier aus England, ist doch viel besser, oder?“
„Wenn du meinst.“
Ich nahm sie in den Arm.
„Du hast selbst gesagt, jetzt wo wir Geld besitzen, brauchen wir nicht das Beste vom Besten zu haben, nur weil wir es uns leisten können. Wir wollen so weiter leben wie bisher, oder?“
„Naja, so wie früher wird es wohl nicht mehr werden, aber du hast ja Recht.“
„Klar hab ich das!“, grinste ich sie frech an.
„Du wieder! Dann nehmen wir eben die Möbel, die du dir ausgesucht hast.“
„Dann nichts wie zur Kasse!“
*-*-*
Am späten Mittag machte sich der Türgong bemerkbar. Ich wollte schon aufstehen, aber Mum rief, dass sie öffnen wollte.
„Für dich!“, meinte sie, als sie an meiner offenen Tür vorbei lief.
Ihr folgten Sabrina und Gregor.
„Hi Jack!“, sagte Sabrina, als sie das Zimmer betrat und im Zimmer umschaute.
„Hi Sabrina… hi Gregory.“
„Hallo Jack“, begrüßte mich Gregory und wurde sogar umarmt.
Etwas neidisch schaute uns Sabrina an.
„Schau nicht so, kommt Jayden nicht?“
„Nein, der ist mit seinem Vater irgendwo hingegangen.“
„Und was verschafft mir die Ehre eures Besuches?“
„Mir fällt zu Hause die Decke auf den Kopf“, antwortete Gregory.
„Und meine Mutter wollte mich zum Putzdienst verdonnern“, kam es von Sabrina.
„Ähm… ihr seht selbst, bei mir stehen nur noch Kartons, wie in der restlichen Wohnung, viel machen können wir nicht.“
Das Telefon im Flur klingelte.
„Newbury“, meldete sich Mum, „…. Hallo Abigail…, natürlich sind wir zu Hause.“
„Tantchen kommt?“, fragte Gregory.
Ich grinste und zuckte mit der Schulter.
„Du, da hast du Glück, der ist auch bei uns“, hörte ich Mum sagen.
Ich zeigte mit dem Finger auf Gregory und Sabrina kicherte. Nun zuckte er mit den Schultern.
„Ja, bis gleich… bye! …Gregory…, Jack?“
Sie schaute durch die offene Tür.
„Jungs anziehen, wir fahren in die neue Wohnung.“
„Und ich?“, fragte Sabrina.
„Du fährst natürlich mit“, lächelte Mum.
„Jipi!“, rief Sabrina und hüpfte wie ein Kleinkind durchs Zimmer.
*-*-*
Gregory fragte zum gefühlten hundertsten Mal, ob das wirklich seine Wohnung sei. Er war zum ersten Mal hier und konnte es immer noch nicht fassen.
„Ich find diesen Minibalkon cool“, sagte Sabrina, „da kann man bestimmt gut frühstücken.“
„Du denkst auch nur ans Essen, oder?“, fragte ich.
„Ich verbinde nur Nützliches mit Praktischem!“, entgegnete sie und streckte mir die Zunge heraus.
„Die Wohnung wirkt so groß“, sagte Gregory und man spürte deutlich, dass er mit seinen Gedanken leicht abgehoben war.
Ich stellte mich neben ihn und legte meinen Arm um dessen Schulter.
„Warte ab, bis Möbel darin stehen, dann ist es nicht mehr groß.“
„Die Möbel bei Sabrina gehören alle ihren Eltern und mein Zimmer zu Hause bei meinen Großeltern…, naja die passen gerade mal ins Schlafzimmer.“
„Jetzt warte doch erst einmal ab! Deswegen kommt auch Tante Abigail. Mum sagte etwas wie, Grandpa will dir bei der Wohnungseinrichtung helfen.“
Er senkte den Kopf.
„Ich will nicht, dass Grandpa so viel Geld für mich ausgibt, da wird Großvater Hamilton sicher sauer, weil er nicht so viel geben kann.“
Ich drehte ihn zu mir, nahm sein Gesicht in meine Hände und blickte ihm in direkt in die Augen.
„Sehe es doch einfach einmal so. Wenn du von Anfang an, der bekannte Enkel bei Großvater gewesen wärst, hätte es jedes Jahr Geschenke gegeben, so bekommst du es jetzt alles auf einmal.“
Seine Augen wurden feucht.
„Dann…, dann bräuchte ich es nicht…, dann würde vielleicht Vater noch leben und meine… Mutter wäre zu Hause.“
Ich drückte ihn an mich.
„Wie sagt Jack immer so schön, was wäre wenn, kannst du gleich knicken!“, sagte Sabrina, die nun über seinen Rücken streichelte.
Gregory atmete tief durch und strich sich durchs Gesicht.
„Wegen dem Geld von Grandpa brauchst du dir keine Gedanken zu machen. Er ist einfach glücklich, dass er dir helfen kann. Was Isabelle und Edward betrifft, deine Großeltern, ich denke, ihnen wird eine Last genommen, weil es dir dann besser geht.“
Er sah mich lange an.
„Meinst du wirklich?“
Ich nickte und nahm ihn wieder fest in die Arme.
„Hast du jetzt schon so viel Entzug, dass du dich an deinem Cousin vergreifen musst?“
Die Stimme meiner Mutter. Sabrina fing laut an zu lachen. Hinter Mum folgte nun Abigail in die Wohnung.
„Hallo Abigail“, meinte ich nur, entließ Gregory aus meine Fängen, um danach gleich meine Tante in die Arme zu schließen.
„Gregory hat wieder ein schlechtes Gewissen“, flüsterte ich ihr ins Ohr.
Sie ließ mich los und lächelte mich breit an, dann wanderte ihr Blick zu Mum.
„Ach Jack, kommst du mit hinunter, ich wollte dich noch etwas fragen…, Sabrina komm doch gleich mit, du hast unsere Wohnung ja auch noch nicht gesehen“, meinte Mum und zog schon an meinem Ärmel.
„Stimmt, ich will sehen, wo seine Majestät in Zukunft wohnt“, sagte Sabrina und drückte sich an mir vorbei.
*-*-*
„Nein Schatz, du musst dir nicht extra Urlaub nehmen.“
„Aber ich möchte!“
„Wenn du meinst…, will nur nicht, dass du wegen mir von deinem Urlaub opferst.“
„Das macht mir gar nichts aus.“
„Ich habe dich lieb, mein Schatz, du bist einfach genial.“
„Dein Schatz der dich auch über alles lieb hat, ist ganz normal und der Schatz sagt jetzt gute Nacht, weil ich morgen früh raus muss.“
Ich seufzte. So sehr ich Taylors Disziplin und Arbeitseifer auch schätze, manchmal ging es mir aber auf die Nerven.
„Komm mein Bär, jetzt nimm es doch nicht so schwer, am nächsten Wochenende sehen wir uns doch.“
„Okay…, schlaf gut Taylor… Kuss… bye!“
„Kuss… Bye mein großer.“
Etwas traurig drückte ich auf die rote-Telefon-Taste und legte mein Handy zur Seite. Eigentlich sollte ich mich freuen, dass Taylor am Wochenende kam. Tante Abigail hatte einfach beschlossen ihn mitzubringen, wäre dieser Umzug doch Familienangelegenheit. Dies bescherte mir immerhin zwei Tage und zwei Nächte, die ich mit ihm verbringen durfte.
Mum wollte morgen am Sonntag in den Laden fahren, denn heute wurde ihre neue Kasse geliefert und die hätte sie gerne noch vor Montag eingerichtet. Ich verstand ja, dass sie ihr Geschäft schnellst möglichst wieder öffnen wollte, es war ja schließlich unser Einkommen, aber mit dem Geld von Grandma Sophie hätte sie ruhig noch eine Woche länger entspannen können.
Aber sie tat das nur ab mit, das wäre reiner Luxus und den hatten wir von vornerein abgelehnt. Den einzigen Luxus, den wir uns leisteten, war eine neue Küche, da waren wir uns schnell einig.
So war mein Sonntag schon vorbestimmt, früh aufstehen, frühstücken und den Rest des Tages im Schuhladen zu verbringen. Wenigstens konnten wir dort jetzt einen Kaffee trinken, weil Mama von ihrem Geld, einen Kaffeeautomaten angeschafft hatte. Irgendwann über diesen Gedanken muss ich dann wohl eingeschlafen sein.
*-*-*
„Jack aufstehen, Frühstück ist fertig…“, hörte ich es durch meine Tür.
War die Nacht schon wieder vorbei? Blinzelnd schaute ich auf meinen Wecker und konnte zehn Uhr entziffern. Meine Augen waren plötzlich ganz weit offen. Hatte Mum nicht etwas von acht Uhr gesagt?
Ich rieb meine Augen, aber es blieb zehn. Schwerfällig kämpfte ich mich aus meiner Decke und setzte mich auf.
„Jack?“, hörte ich Mum rufen.
„Ja, bin wach!“
Ich rieb mir noch einmal durchs Gesicht und begab mich dann ins Bad. Etwas später lief ich dann in die Küche, wo Mum sich gerade einen Toast schmierte.
„Morgen“, brummte ich.
„Guten Morgen Sohnemann, jetzt habe ich dich extra länger schlafen lassen und du bist immer noch müde.“
Ich ließ mich auf meinen Stuhl nieder und rieb mir übers Gesicht.
„Ach ich weiß auch nicht. Vielleicht hängt mir diese Woche in der Schule nach.“
„Dich hat das sehr mitgenommen, oder?“
„Ja, ich bin das nicht gewohnt, dass man mir so viel Aufmerksamkeit schenkt. Und dann noch dieser Lehrer, stimmt, was wird jetzt mit diesem Lehrer … Mr. Eglis, Olivias Bruder?“
„Das kann ich dir nicht sagen, er ist so schnell verschwunden, wie er aufgetaucht ist. Henry wollte ihn aufsuchen, aber die Adresse, die er als Wohnort in der Schule angab, hat sich als falsch erwiesen.“
„Wie geht das denn?“
Mum zuckte mit der Schulter und reichte mir einen Toast.
„Na toll! Muss ich mir jetzt Sorgen machen, dass er mir irgendwo auflauert?“
„Mal den Teufel nicht an die Wand! Wieso sollte er dir auflauern?“
„Mum, er hat mir die ganze Woche das Leben schwer gemacht und nicht nur mir, sondern auch Gregory, Jayden und Molly. Besonders Molly hat es abbekommen, sie war ja in seiner Klasse.“
„Reagierst du jetzt nicht etwas überempfindlich?“
„Ich?“, ich zeigte auf mich, „sicherlich nicht! Habt ihr euch schon mal gefragt, warum er überhaupt an unsere Schule gekommen ist?“
„Ja, die Frage stand im Raum, aber keiner konnte sich einen Reim daraus machen.“
„Und wenn Olivia ihn um Hilfe gebeten hat?“
„Wie soll sie dann das bitte schön gemacht haben?“
„Mum, du vergisst wohl, dass sie nach Weihnachten plötzlich vor Grandpas Haustür stand und auf Gregory einschlagen wollte…“
„…, weil sie ihn mit dir verwechselt hat!“
„Aber keiner weiß, wie sie aus dieser Anstalt heraus gekommen ist… und… wie ist sie ohne Geld bis zu Großvaters Grundstück gekommen, ich glaube nicht, dass sie bis dorthin gelaufen ist!“
Mum fing an zu lächeln.
„Sohnemann, ich denke, du schaust zu viele Krimis…“
Enttäuscht von dieser Antwort, biss ich von meinem Toast ab, aber bevor ich diese Unterhaltung fortführe konnten, klingelt es an der Tür.
„Nanu, wer kommt denn jetzt?“, ich zuckte mit den Schultern.
„Sabrina und Gregory habe ich Bescheid gegeben, dass ich mit dir zu Laden fahre.“
Es klingelte erneut. Mum stand auf und ich folgte ihr. Sie schaute kurz durch den Türspion und öffnete sofort darauf die Tür.
„Henry, was tust du denn hier?“
Mum hatte nun die Tür so weit aufgezogen, dass auch ich Onkel Henry sehen konnte und nicht nur ihn auch Jayden und Molly, die etwas hinter ihm standen.
„Oh Charlotte, ich habe ein riesiges Problem…“
„Jetzt kommt doch erst mal rein.“
Im Gänsemarsch liefen die drei herein, als mir bewusst wurde, dass ich immer noch Shorts und Shirt anhatte.
„Ich zieh mir schnell etwas an“, meinte ich nur und verschwand in meinem Zimmer.
Schnell war mein Schlafshirt abgestreift und griff zu den Klamotten, die ich anziehen wollte, als es klopfte. Doch bevor ich Moment rufen konnte, ging die Tür schon auf und Jayden schaute herein.
„Boah Jayden, wirst du langsam zum Spanner? Ich komm doch gleich wieder hinüber!“
Kichernd trat er ein und schloss hinter sich die Tür.
„Jetzt stell dich nicht so an, es gibt nichts, was ich nicht schon an dir gesehen hätte.“
Ich zog meine Hose hoch und knöpfte sie zu.
„Was ist eigentlich los, warum seid ihr hier?“, fragte ich, während ich in mein Hemd schlüpfte und es mühsam versuchte in die Hose zu stopfen.
„Ach ich weiß auch nicht. Papa hat heut Morgen einen Anruf gekriegt und seitdem ist er so komisch drauf.“
Umständlich zog ich mir die Socken über und schon war ich fertig. Langsam schob ich Jayden zur Tür hinaus und folgte ihm dann in die Küche, wo ich die anderen vermutete, denn im Wohnzimmer stand ja alles voll.
Als ich eintrat, sah mich Mum ernst an. Ihre Augen waren leicht glasig. Da Jayden den letzten Stuhl besetzte und ich somit meinen Sitzplatz verloren hatte, lehnte ich mich einfach an das Buffet, das gegenüber von Mum stand und verschränkte meine Arme vor meiner Brust.
„Was ist?“, fragte ich.
„Henry hat eben von seinem Anwalt erfahren, dass seine Frau wohl nicht nur bei deinem Vater Dokumente gefälscht hat…“
Ungläubig schaute ich zu Onkel Henry, der aber stur auf seine Hände am Tisch starrte.
„Ist…, deswegen vielleicht ihr Bruder hier aufgetaucht?“, fragte ich leise.
Ich wusste nicht, ob ich wieder, mit dieser Frage, mein Limit überschritt, aber es kam keinerlei Reaktion von Mum. Nur mein Onkel nickte kurz.
„Geht es schon wieder um Geld?“
„Jack!“, sagte Mum scharf.
Ich schaute sie leicht verstimmt an.
1 Kommentar
nur kurz, wie immer steigert sich die sache ganz langsam weiter und lässt einem nicht mehr los, man will sofort weiterlesen