Regenbogenfamilie Teil 54 – Neuanfang

Der Zusammenschluss, der von meinem Vater für Spanien vorgesehen Stiftung und die vom Gutshof Sonneneck und Gerhard Bauer gegründete Stiftung Sonneneck für benach­teiligte Kinder und Jugendliche, Flüchtlingen im Kindes- und Jugendalter, war noch nicht einmal komplett abgeschlossen, als durch eine großzügige Erbschaft, das Stiftungskapital gewaltig nach oben katapultiert wurde.

Zusammen mit der in Spanien vorher von Peter Maurers Eltern gegründeten Stiftung, mit dem gleichen Zweck ergab sich ein Stiftungskapital von mehr als neunzig Millionen Euro, vor allem Immobilien mit einem Gesamtwert von rund achtzig Millionen und dem von Peter und Gerhard Bauer eingebrachten Bargeld in Höhe von sechs Millionen und dem aktuellen Bargeldbestand des spanischen Ablegers.

 

Ich hatte vorher wochenlange Gespräche mit meiner Mutter Gerlinde Maurer und Gerhard Bauer geführt, bevor der Entschluss reifte, die beiden Stiftungen zu einer einzigen Stiftung zu vereinigen. Zum einen mussten wir nicht weiterhin zwei getrennte Buchhaltungen führen, auch die sonstige Verwaltung in nur einer Gesellschaft, war einfacher zu bewerkstelligen. Da beide Stiftungen, je fünfzig Prozent ihrer jährlichen Erlöse für Hilfszwecke verwendeten, war es einfach gewesen sie zusammenzuführen. Es musste nur darauf geachtet werden, dass nicht alle Zuwendungen nur in Deutschland verwendet werden.

 

Wir drei einigten uns darauf, dass in etwa ein Drittel für spanische und weitere zwei Drittel für Projekte in Deutschland verwendet werden. Sollten Hilfsprojekt in einem anderen Land unterstützt werden wird anteilmäßig gekürzt. Auch an der Regelung, dass vorerst fünfzig Prozent der Einnahmen reinvestiert werden, wurde nicht gerüttelt. Hier wurde nur zusätzlich vereinbart, dass es egal sei in welchem Land die Investition getätigt wurde, sich an der Aufteilung nichts ändern würde.

 

Es dauerte noch einige Wochen, bis alles geregelt war und am Ende nur noch eine Stiftung existierte, die erst einmal sowohl in Deutschland als auch in Spanien Immobilien besaß.

 

Ich saß in meinem Büro auf dem Gutshof und nachdem vor wenigen Tagen, zumindest von der rechtlichen Seite, alles geregelt war mit der Zusammenführung der beiden Stiftungen, konnte ich mich jetzt mit meinen Mitarbeitern in der Stiftung an die Umsetzung heranwagen.

 

Ich hatte deshalb für den heutigen Tag eine größere Besprechung anberaumt, um mit allen, die am Zusammenschluss der Stiftungen beteiligt waren, die letzten Details zu besprechen und die technische Umsetzung zu starten. Am späten Nachmittag wollte ich mich noch mit Michael und Marion, meinen beiden Mitarbeiter für soziale Belange treffen, wo es ebenfalls um ein neues Projekt in Zusammenarbeit mit den Jugendämtern gehen sollte.

 

Kurz vor zehn Uhr ging ich ins Besprechungszimmer und schloss mein Notebook an den Großbildschirm an und bereitete alles für die Besprechung vor. Als erstes kamen meine beiden Mitarbeiter in der Stiftung Benjamin Dreier und Ludwig Bauer hinzu. Der nächste war Klaus Brunner, seines Zeichens Chefbuchhalter, der ins Zimmer trat und sich einen Platz suchte.

 

Von der IT-Ab­teilung tauchte alle vier Mitarbeiter, mein Sohn Philipp, Marcus Berger, Bernhard Koblinsky und Roland Kaminsky gleichzeitig auf und setzten sich an den Tisch. Jetzt fehlten nur noch Werner Wagner vom Marketing und Armin Schwarz aus dem Eventmanagement. Wir warteten noch kurz bis die beiden aus ihrem Büro im Gesindehaus herüberkamen und sich zu uns gesellten.

 

Ich eröffnete die Runde und begrüßte alle Mitarbeiter, die ich für das Projekt Zusammenlegung der beiden Stiftungen benötigte und erklärte kurz den aktuellen Stand der Angelegenheit. Ich meinte, bis die Zusammenlegung abgeschlossen sei, hätten wir in nächster Zeit viel Arbeit vor uns. Danach arbeiteten wir die Punkte nach und nach ab, die ich mir notiert hatte und auf die ich mich vorbereitet hatte.

 

Wir fingen bei der Dokumentenverwaltung an und Bernhard erklärte uns: „Alle bisherigen Dokumente aus der bisher bestehenden spanischen Stiftung in die Stiftung Sonneneck umzuziehen ist keine dramatische Aktion, wir sollten sie nur an einem Wochenende durchführen, da sonst die tägliche Arbeit mit dem Digitalisieren der alten und aktuellen Dokumente während der Zeit der Umsetzung ausgebremst wird. Vor allem sollten in dieser Zeit auch keine neuen Dokumente hinzugefügt werden, die die beiden Stiftungen betreffen.

 

Mein Vorschlag wäre, an einem Freitag ab Mittag alle Mitarbeiter für normale Arbeiten in der Dokumentenverwaltung zu sperren und dann bis Sonntagabend alle Umstellungen durchzuführen, einschließlich der Umstellung der Buchhaltung und der Immobilienverwaltung. Wir müssen nur darauf achten, dass bei einigen Firmen nur die Verbuchung blockiert ist, aber die Arbeiten trotzdem weiterlaufen.“

 

Nach kurzer Pause erklärte Philipp: „Alle Kassensysteme müssen weiterlaufen, sonst müssten Hofladen, Gärtnerei, Hofcafé und Restaurant geschlossen bleiben, aber auch das Programm für die Zimmerverwaltung im Gesindehaus müsse ebenfalls laufen. Fällt euch noch etwas ein, was unbedingt an diesem Wochenende ebenfalls nicht abgeschaltet werden darf.“

 

Er schaute in die Runde, aber keiner der Anwesenden konnte ihm auf Anhieb sagen, ob noch auf weitere Bereiche Rücksicht genommen werden muss. Da keiner dazu etwas sagte fragte ich: „Seid ihr euch sicher, dass nichts übersehen wurde, wie sieht es mit dem Bereich der Landwirtschaft aus, und was ist mit unserem Seminarhotel, dort muss auch die Hotelverwaltung übers Wochenende funktionieren. Ansonsten fällt mir kein weiterer Bereich ein, bei dem in diesem Fall ein funktionieren gewährleistet sein muss.“

 

Philipp meinte, bei der Landwirtschaft gibt es keine Probleme, aber das Seminarhotel müssen wir noch klären. Ich gehe davon aus, dass es wie beim Gesindehaus keine Probleme geben wird. Weiter erklärte er uns, wir hatten eigentlich gehofft, dass wir die unterschiedlichen Umstellungen an verschiedenen Tagen durchführen, aber wenn ich jetzt Bernhards Überlegungen für eine einmalige Aktion an einem Wochenende höre, bin ich fast gewillt zu sagen, es könnte sinnvoll sein, wirklich alles an einem Wochenende über die Bühne zu bringen. Das hätte auf alle Fälle den Vorteil, dass alle anderen Bereiche nicht mehrfach mit Einschränkungen konfrontiert werden.

 

Nach kurzer Pause meinerseits brachte ich Punkt zwei zur Sprache: „Ist in der Finanzbuchhaltung inzwischen alles geklärt, wie die Zusammenführung der Daten stattfinden soll, oder gibt es da noch offene Fragen?“

 

Klaus erklärte uns hierzu, “Im Großen und Ganzen, sind sämtliche Abläufe klar und wir haben sie bereits einmal in einer Testumgebung laufen lassen, die Umsetzung aus der spanischen Stiftung in die deutsche Stiftung ist im Grunde genommen unproblematisch und war im Test nach rund zwei Stunden abgeschlossen. Die größeren Probleme bereitet uns das bisherige Anlagevermögen, das wir bisher nach spanischem Recht verbucht haben.

 

Hier gibt es gravierende Abweichungen zum deutschen Handelsgesetzbuch und diese können nur manuell ausgebucht und in die neue Stiftung eingebucht werden. Dies ist insofern zeitkritisch, da es zwischen zwei Monatsabschlüssen durchgeführt werden muss. Wir sollten möglichst früh nach dem einem Monatsabschluss damit beginnen, um genügend Zeit für die Umbewertung zu haben.“

 

Klaus meint: „Ich denke auch, dass wenn wir alles in einem befristeten, überschaubaren Zeitrahmen durchführen, ist die Belastung bei allen angeschlossenen Unternehmensteilen erheblich geringer. Nur sollten wir uns dann aber vorher einen Überblick verschaffen, ob es in dem gesetzten Zeitrahmen machbar ist oder wir eventuell die Zeitspanne lieber etwas länger ansetzen. Gibt es schon einen Plan, an welchem Wochenende die Umstellung stattfinden soll.“

 

Ich mischte mich wieder ein und erklärte den Anwesenden: „Wir haben etwa acht Wochen Zeit für die Zusammenfassung der beiden Stiftungen. Wir sollten, wenn möglich in diesem Zeitraum die Zusammenlegung abschließen, wobei es keine Vorgaben gibt, alles auf einmal umzustellen. Ich schlage deshalb vor, die Verantwortlichen setzen sich zusammen und klären den voraussichtlichen Zeitaufwand für die einzelnen Teilprojekte und ob sich diese an einem Wochenende abwickeln lassen.

 

Denkt daran wir haben in drei Wochen einen Donnerstag, der Feiertag ist, wir könnten am Freitag in den Büros einen Brückentag einrichten und ihr hättet von Mittwochabend bis Sonntag genügend Zeit, um die Arbeiten durchzuführen, was wiederum bedeutet, dass es für einige von euch keinen Feiertag und kein Wochenende geben wird. Klar werden wir die Wochenend- und Feiertagszuschläge bezahlen und ihr könnt euch die Stunden als Überstunden bezahlen lassen oder zu einem späteren Zeitpunkt dafür freinehmen.“

 

Ich war für mich der Meinung, dass wir dieses Thema vorerst vertagen sollten, bis der Zeitaufwand geklärt ist und das sagte ich auch und bat Philipp und Marcus einen Plan aufzustellen und den Stundenaufwand für die einzelnen Bereiche zusammenzustellen und welche Aktionen parallel ablaufen können. Deshalb schlug ich vor in meiner Agenda weiterzumachen.

 

Bevor ich jedoch zum nächsten Punkt wechselte, wollte ich wissen, ob notfalls alle mit dabei wären, bei der Feiertags- und Wochenendarbeit. Eigentlich hätte ich mir die Frage ersparen können, alle meinten, es wäre zwar nicht das erste Mal, wenn jedoch eine Situation eine solche Vorgehensweise erfordert und wenn es nicht jedes Wochenende betrifft, können sie damit leben.

 

Mein nächster Punkt war der Webauftritt der zusammengeschlossenen Stiftung und ich sagte: „Wir brauchen eine Überarbeitung der Webseiten, sie sollen die neue Stiftung mit all ihren Facetten vorstellen. Die Seiten für die Stiftung sollten bitte nicht so hochmodern ausfallen wie die Seiten für unser Projekt für Minderheiten, insbesondere unsere Webseiten für die schwulen und lesbischen Jugendgruppen.“

 

Roland fühlte sich angesprochen und erklärte uns: „Die Anpassung der Webseiten für die Stiftung haben wir bisher ausgesetzt, nachdem die Überlegungen für die Zusammenfüh­rung der beiden Stiftungen aufgekommen sind. Ich werde mich in den nächsten Tagen mit den beiden Jungs Benjamin und Ludwig zusammensetzen und wir werden über die neuen Webseiten diskutieren.

 

Wenn du Zeit hast, Peter, solltest du an diesen Gesprächen mit teilnehmen, damit ich deine Vorstellungen besser kennenlerne. Wir haben unser erstes Meeting für kommenden Montag um zehn Uhr angesetzt und wollen uns danach einmal wöchentlich, immer montags treffen. Das erste Gespräch wird sicher gut zwei Stunden dauern, danach sollte jeweils eine Stunde ausreichend sein.“

 

Ludwig, dessen Großvater Mitbegründer der deutschen Stiftung war, warf ein: „Willst du uns da schon Vorschläge unterbreiten oder setzen wir uns zusammen, um über Inhalte zu sprechen?“

 

Nach kurzer Pause meinte Roland: „Am Montag will ich erst einmal alles mit euch besprechen. Ich will wissen, welche Inhalte ihr euch vorstellt, wie die Gestaltung aus eurer Sicht sein soll. Peter hat mit seiner Andeutung, es sollte eine eher seriösere Webseite sein, schon einen ersten Anhaltspunkt geliefert.

 

Bisher war die Webseite der Stiftung kein großes Thema und entsprechend dünn ist der vorhandene Inhalt. Falls ihr der Meinung seid, dass wir noch weitere Mitarbeiter zu diesem Treffen einladen sollten, dann sagt mir bitte rechtzeitig bescheid.“

 

Ich mischte mich wieder ein und meinte: „Ihr solltet auf alle Fälle Werner mit einladen, er soll als Marketingfachmann sein Wissen beisteuern und dabei kommen wir bereits zum nächsten Punkt meiner Agenda. Wenn alle Arbeiten abgeschlossen sind, will ich eine größere Pressekonferenz abhalten und unsere Stiftung und die dazugehörigen Projekte der breiten Öffentlichkeit vorstellen.

 

Der Punkt betrifft in erster Linie Werner und Armin, aber auch eure Ideen dazu sind gefragt. Ich treffe mich heute Nachmittag mit Michael und Marion und werde die beiden bei unserem Gespräch bitten sich ebenfalls darüber Gedanken zu machen.“

 

Armin sah mich an und fragte mich: „Wo soll denn diese Pressekonferenz stattfinden und vor allem wann. Ich kann mir vorstellen, dass du dafür nicht nur die Zeitungsleute haben willst, sondern auch Mitarbeiter von Funk und Fernsehen einladen willst. Vielleicht macht es auch Sinn, Vertreter von Internetmedien einzuladen, aber das kann dir sicher Werner besser beantworten als ich.“

Der Angesprochene sah uns an und erklärte allen Anwesenden: „Armin liegt sicher richtig mit seiner Vermutung, dass Pressevertreter von reinen Internet-Nachrichtenmedien eine wichtige Rolle spielen könnten, bei unserer Öffentlichkeitsarbeit für die Stiftung. Ich könnte mir vorstellen, dass wir auch Korrespondenten von spanischen Nachrichtenmedien zu dieser Veranstaltung einladen, da die Stiftung nicht nur in Deutschland, sondern auch in Spanien aktiv ist. Eigentlich wollte ich das, was ich jetzt sage, erst nächsten Montag anregen, bei unseren Gesprächen über den Internetauftritt der Stiftung. Wir sollten hier sogar so weit gehen, dass wir den Internetauftritt ebenso in Spanisch und Englisch ins Netz stellen.“

 

Roland schaute in die Runde und meinte zu allen: „Machbar ist das sicher, aber wer übernimmt die Arbeit und übersetzt den deutschen Webauftritt in Englisch und Spanisch. Gut die englischsprachigen Seiten können wir gemeinsam erstellen, einige von uns sprechen diese Sprache doch ziemlich gut, aber beim spanischen habe ich dann doch meine Bedenken, da sollten wir uns lieber einen kompetenten Übersetzer holen.“

 

Philipp lachte laut als Roland diesen Einwand brachte, vermutlich dachte er in diesem Moment dasselbe, was mir dazu einfiel. Als er sich etwas beruhigt hatte verkündete er: „Ich glaube kaum, dass wir uns dafür professionelle Übersetzer holen brauchen, wir haben immerhin Jorge, als Muttersprachler und Alejandro, zwar in Deutschland geboren und aufgewachsen, aber auch er spricht perfekt Spanisch. Immerhin hat er einige Jahre auf Mallorca mit Jorge gelebt und dort gearbeitet.

 

Wenn wir die beiden bitten unsere deutschen Texte ins Spanische zu bringen, sind sie sicher bereit uns zu unterstützen. Die Beiden werden sich sowieso um die spanischen Kinder kümmern, die im Sommer zu uns kommen, von denen spricht sicher kaum einer deutsch, vielleicht ein bisschen Englisch. Im Übrigen, wenn ihr auf der Pressekonferenz auch spanische Vertreter einladet, sollte zumindest Alejandro an der Pressekonferenz teilnehmen, damit zeigen wir, dass wir uns Gedanken darüber gemacht haben, wie die Stiftung arbeiten wird.“

 

Ich dachte in diesem Moment, genau deshalb habe ich die junge Generation mit ins Boot geholt, als ich den Neuanfang mit dem Gutshof wagte. Sie haben immer wieder gute Ideen und gehen unbelasteter an alle Themen heran, was sicher manchmal zu Problemen führen kann. Mit meinen Erfahrungen kann ich regulierend eingreifen und größeren Schaden vom Gutshof und seinen Unternehmensbereichen abwenden. Sicher, ich bin auch nicht fehlerfrei, das weiß ich genau, aber gemeinsam haben wir in den knapp zwei Jahren, die das Projekt Gutshof jetzt läuft, eine gute Grundlage für die Zukunft geschaffen.

 

Ich meinte dann zu Roland: „Ich weiß, du kennst die beiden viel zu wenig, seit du hier bist, hattest du nie mit ihnen zu tun. Das wird sich vermutlich jetzt ändern. Zu Armins Frage, wo das ganze stattfinden soll, gibt es nur zwei Örtlichkeiten, die für mich in Frage kommen, zum einen das Seminarhotel oder unsere Gesindehaus. Welche Medienvertreter ihr dazu einladen wollt bleibt ganz euch überlassen, auch Funk und Fernsehen oder die Internet-Nachrichtendienste.

 

Als Vertreter vom Jugendamt, werde ich versuchen, Barbara zu gewinnen, sie kann aus ihrer Sicht unsere Arbeit darstellen und darüber berichten, dass auch die Jugendämter aus anderen Bundesländern unsere Ferienangebote für Kinder aus benachteiligten Familien nutzen wollen. Falls ihr noch weitere Ideen für die Präsentation der Stiftung und ihren Aufgaben haben solltet, seid ihr bei Werner und Armin bestens aufgehoben.“

 

Ich wartete auf weitere Kommentare oder Meinungen, aber da keiner etwas dazu sagte, setzte ich mit meiner Agenda fort: „Der letzte Punkt auf meiner Liste für heute, Allgemeines zur vereinten Stiftung. Ich werde euch dabei kurz die wichtigsten Punkte der ange­passten Satzung erläutern. Wir ihr alle wisst, habe ich mit meiner Mutter lang diskutiert, warum eine Zusammenführung der beiden Stiftungen notwendig ist.

 

Sie hat mir immer erklärt, dass sie einer zusammengelegten Stiftung nur zustimmt, wenn von vorneherein eine feste Größe für spanische Projekte festgelegt wird. Wir haben uns jetzt darauf geeinigt, dass jährlich mindestens dreißig Prozent des verwendbaren Förderbetrags in Spanien verwendet wird, egal in welchem Land er erwirtschaftet wurde, was derzeit bedeutet, dass wir etwas mehr Geld für die Förderung in Spanien ausgeben können.

 

Marion wird deshalb in etwa zwei Wochen nach Spanien fliegen und mit den Verantwortlichen der Hilfsorganisation vereinbaren, dass diesen Sommer fünfzig, statt der bisher geplanten vierzig Kinder und Jugendlichen auf dem Gutshof einen Teil ihrer Ferien verbringen werden. Fragen oder Anregungen hierzu?“

 

Philipp schaute mich zwar kurz an, sprach dann aber doch nichts, so setzte ich fort: „Mit Mutter und Gerhard haben wir ebenfalls besprochen, dass wir uns in Spanien, einschließlich der Inseln umschauen, ob wir nicht ein Objekt finden, dass uns ermöglicht, Kindern und Jugendlichen aus Deutschland einen Spanienurlaub zu ermöglichen und ganzjährig ähnlich wie unser Gesindehaus genutzt werden kann.

 

Dieses Haus wird die die Stiftung jedoch direkt betreiben, nicht wie hier am Gutshof, wo das Gebäude zur Gutsverwaltung gehört. Grundsätzlich gehe ich davon aus, dass wir frühestens im nächsten Jahr oder sogar noch viel später dort den Betrieb aufnehmen können.“

 

Dieses Mal nutzte Philipp meine Pause und fragte: „Soll das bedeuten, dass aus einer bisher deutschen Stiftung eine internationale Stiftung werden soll, die auch in weiteren Ländern agieren kann?“

 

Ich beeilte mich Philipps Frage zu beantworten: „Im Grunde genommen ja, wir starten aber vorerst nur in Deutschland und Spanien und können später in weiteren Ländern aktiv werden, eine Expansion macht nur Sinn, wenn wir im jeweiligen Land einen zuverlässigen Partner haben, der sich um alle Belange vor Ort kümmert. Wir haben uns überlegt, ob wir im Norden oder in der Mitte Deutschlands ein vergleichbares Objekt suchen, dazu ist im Stiftungsrat bisher noch keine endgültige Entscheidung getroffen worden, da es auch von den Finanzen der Stiftung abhängig ist.“

 

„Bevor wir jetzt unsere Besprechung beenden, habe ich noch ein paar rechtliche Details, warum die Zusammenlegung der beiden Stiftungen ohne größere Schwierigkeiten vollzogen werden konnte. Da die spanische Stiftung ihren endgültigen Status als Stiftung erst nach Mutters Tod erhalten hätte, haben wir die derzeit noch bestehende Gesellschaft in die bestehende Stiftung eingebracht. Dafür waren nur Mutters und meine Zustimmung erforderlich. Wäre die Stiftung bereits in Spanien eingetragen, wäre eine Zusammenlegung eine schwierigere Aufgabe gewesen.

 

Als letztes noch eine Vorabinformation, ich habe gestern einen Anruf von einem Nachlassverwalter erhalten, der mir mitgeteilt hat, dass unter bestimmten Voraussetzungen eine weitere Erbschaft der Stiftung übereignet wird. Ich habe morgen einen Termin in München, zu dem ich mit Gerhard hinfahren werde, um die Voraussetzungen zu klären.“

 

„So und nun viel Vergnügen mit den weiteren Planungen für die Zusammenführung der Daten der Stiftung und unserer bisherigen spanischen Firma, die Bestandteil der Stiftung wird.“

 

Während alle anderen bereits den Besprechungsraum verließen, blieben Ludwig und Benjamin noch sitzen. Ich schaute die Beiden an und fragte, was sie auf dem Herzen haben. Benjamin erklärte mir, als wir nur noch zu dritt im Zimmer saßen: „Peter, dir ist schon klar, dass wir auf längere Sicht gesehen die Aufgaben der Gesellschaft nicht im Zweierteam erledigen können, wenn ständig neue Immobilien und weitere Aufgaben auf uns zukommen.

 

Wir sollten uns überlegen, ob es Sinn macht jemanden einzustellen oder einen Auszubildenden zum Bürokaufmann, beziehungsweise eine Auszubildende zur Bürokauffrau für den kommenden September suchen, der oder die dann in diese Aufgabe hineinwachsen kann. Ich vermute, die neuen Objekte werden wie das Seminarhotel, als eigenständige Gesellschaften betrieben werden und damit weitere Buchhaltungen nach sich ziehen.“

 

Ich hatte darüber bisher nicht im Detail nachgedacht, dass die Arbeit für die beiden Jungs mehr werden würde, war schon bei mir angekommen, aber, dass es gewisse Konsequenzen haben würde, hatte ich bisher ausgeblendet.

 

Ich erklärte den Beiden: „Es spricht nichts dagegen, wenn wir uns in der Stiftungsverwaltung personell verstärken, aber wir brauchen eine Verstärkung, die zu uns passt. Hättet ihr schon jemand, der zu uns passen würde, dann sollte der- oder diejenige einfach ihre Bewerbungsunterlagen einreichen. Ansonsten meldet euch in der Personalabteilung und lasst die Stelle ausschreiben, sagt aber exakt, was ihr wollt, zur Ausbildung oder bereits ausgelernt.

 

Die beiden Jungs gingen in ihr Büro zurück und ich schaute kurz zu Petra ins Büro. Sie meinte, hättest du nicht zwei Minuten früher kommen können, es war eben ein junger Mann hier, der sich als Auszubildender bewerben wollte.

 

Hat er dir gesagt, wofür er sich bewerben will, wollte ich von ihr wissen. Sie meinte hier sind die Unterlagen. Ich warf einen kurzen Blick auf die Bewerbung und bat sie, den jungen Mann am Handy anzurufen und zu fragen, ob er noch einmal zurückkommen könne, ich könne mich jetzt sofort noch mit ihm unterhalten.

 

Während sie seine Nummer wählte, ging ich in mein Büro und setzte mich an meinen Schreibtisch. Sie rief durch die offene Tür, dass er gleich wieder hier wäre, er stünde noch auf dem Parkplatz und wollte eben wegfahren. Wenn er kommt, er soll sich schon mal in meine Besprechungsecke setzen, ich bin nur kurz bei Benjamin und Ludwig. Ich informierte die beiden, dass sie mit dem Anruf beim Personalbüro noch warten sollten, sie sollten sich bereithalten, dass ich sie eventuell innerhalb der nächsten zehn Minuten in mein Büro rufe.

 

Wieder zurück in meinem Büro saß der junge Mann bereits in der Besprechungsecke. Er stand auf und begrüßte mich. Ich meinte, wir beide hatten schon einmal das Vergnügen, du bist oder warst mit Marvin befreundet und bist der Sohn von Benjamin und Barbara Müller. Freut mich dich wiederzusehen.

 

Er schaute mich an und erklärte mir: „Ich hätte nicht gedacht, dass du mich sofort wiedererkennst, wir haben uns zuletzt bei der Beerdigung deines Vaters getroffen und miteinander gesprochen. Meine Eltern hatten dich gebeten, mir auf den Zahn zu fühlen, ob sie mit ihrer Vermutung, dass ich schwul sein könnte, richtig liegen. Marvin ist inzwischen Ge­schichte, er hat einen anderen Jungen gefunden, der seiner Meinung nach besser zu ihm passt. Ich werde meinen Traummann sicher auch irgendwann finden.“

 

Ich hatte mich zu ihm gesetzt und wollte als Erstes wissen, warum er sich gerade jetzt bei uns um eine Ausbildungsstelle bewirbt. Felix erzählte mir offen: „Ich habe mich bereits bei anderen Firmen um eine Ausbildungsstelle bemüht, habe aber immer nur Absagen erhalten, scheinbar waren entweder meine Zeugnisnoten nicht gut genug oder meine Herkunft aus einem Bestattungsunternehmen könnte der Grund gewesen sein. Mein Vater meinte, ich solle es doch bei euch versuchen und mich initiativ bewerben, auch wenn bei euch derzeit keine passende Ausbildungsstelle ausgeschrieben ist. Ansonsten könne ich notfalls auch bei ihm meine Ausbildung absolvieren.“

 

„Ich habe mir bisher deine Bewerbung nur schnell oberflächlich angesehen,“ erklärte ich Felix, „und dabei festgestellt, dass du dich für eine kaufmännische Ausbildung bewirbst. Wir hatten heute Vormittag eine größere Besprechung und da wurde an mich der Wunsch herangetragen, entweder eine neue Kollegin oder einen neuen Kollegen einzustellen oder alternativ einen Ausbildungsplatz auszuschreiben.

 

Als mir Petra mitteilte, dass ich nur um Haaresbreite deine Übergabe der Bewerbungsunterlagen verpasst hatte und feststellte, dass sich der Bewerber für eine kaufmännische Ausbildung interessiert, bat ich sie, dich zu einem kurzen Gespräch zurückzuholen. Ich hatte noch nicht einmal deine persönlichen Angaben in der Bewerbung gelesen, bis ich wieder ins Büro kam und dich hier vorfand.“

 

Felix lachte und meinte dazu: „Du wusstest nicht einmal wer sich bewirbt, nur, dass es um eine kaufmännische Ausbildung geht und da stehe ich plötzlich vor dir. Es ist immerhin rund zwei Jahre her, dass wir uns einmal gesehen haben und ich hatte nicht wirklich daran geglaubt, dass du mich sofort wiedererkennen würdest. Immerhin habe ich mich äußerlich doch ein wenig verändert in dieser Zeit.“

 

Um unser Bewerbungsgespräch wieder in die richtige Richtung zu lenken, bat ich Felix, mir mehr über seine Person zu erzählen und warum er eine kaufmännische Ausbildung anstrebe. Ich meinte noch, bevor du jetzt alles nur mir erzählst, soll er doch kurz warten, ich würde seine beiden zukünftigen Kollegen holen, bei denen er seine Ausbildung hauptsächlich absolvieren wird. Ich öffnete die Verbindungstür und bat Benjamin und Ludwig in mein Büro und stellte ihnen Felix Müller vor, wobei ich nicht erwähnte, dass wir uns bereits kannten.

 

Nachdem sich alle wieder gesetzt hatten, erzählte Felix: „Ich werde demnächst das Gymnasium mit Abitur verlassen, an einem Studium bin ich nicht interessiert und deshalb habe ich den Entschluss gefasst, einen Ausbildungsberuf zu ergreifen. Da ich mich schon immer mehr für kaufmännische Dinge interessiert habe, kam nur ein Büroberuf in Frage.

 

Ich habe Peter vorher schon erzählt, dass ich bereits mehrere Absagen erhalten habe, wobei ich mich auf verschiedene Berufsbilder beworben habe. Mein Vater hat von seinem Vater, also meinem Opa, ein stadtbekanntes Beerdigungsinstitut übernommen und ich sollte wohl auch der Nachfolger werden.

 

Inzwischen arbeitet meine ältere Schwester im elterlichen Betrieb mit und hat angekündigt, dass sie das Bestattungsunternehmen weiterführen möchte. Ich bin im Grunde genommen froh darüber, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass ich Bestatter sein will. Da ich schon früh angekündigt hatte, kein Interesse an der Firma zu haben, durfte meine Schwester in die Fußstapfen unserer Eltern treten.“

 

Er beobachtete die Beiden, während er eine kurze Pause einlegte und dann weitersprach: „Ich weiß von Peter, dass er schwul ist und gehe davon aus, dass ihr Zwei nicht hier arbeiten würdet, wenn ihr damit ein Problem haben solltet.“

 

Ich unterbrach ihn und erklärte: „Felix, das, was du uns jetzt sagen willst, hat in einem Vorstellungsgespräch überhaupt nichts zu suchen, denn es hat keinen Arbeitgeber zu interessieren, ob du eine Frau oder einen Mann liebst. Ich kann dir versichern, jeder der am Gutshof arbeitet, wird dich niemals schief anschauen, weil du einen Mann als Lebensgefährten möchtest“. Ich nutzte die Gelegenheit und erklärt ihnen noch: „Warum wir uns bereits mit Vornamen anreden, wird euch sicher wundern, Felix ist der Sohn eines alten Bekannten und war einige Zeit mit Marvin zusammen, einem Freund von Marcus und Philipp“.

 

Benjamin unterbrach mich und erklärte Felix: „Keine Sorge, wir werden dich sicher nie mobben, du sitzt zwei Jungs gegenüber, die genauso denken wie du, ich bin mit Bernhard von der IT-Abteilung verbandelt und Ludwig hat sich meinen Bruder Christian geangelt, der zurzeit seine Ausbildung im Gartenbaubetrieb absolviert. Wir wohnen drüben im Gesindehaus im Dachgeschoß in den zwei Appartements. Du kannst uns gerne mal besuchen, wenn du willst. Donnerstagabend triffst du uns im Gutshof Café beim Clubabend schwuler und lesbischer Jugendlicher.“

 

Ich bat Ludwig, unserem Bewerber zu erklären, auf was er sich in seiner Ausbildung und danach einstellen kann, wenn er den Ausbildungsvertrag unterschreiben sollte. Ludwig beschrieb sehr umfangreich, welche Arbeiten und Aufgaben auf ihn zukommen während seiner Ausbildung, er solle sich auch darauf einstellen, dass gelegentlich Dienstreisen anfallen, an denen er teilnehmen wird, wobei bei ihm während der Ausbildung nur die berufsschulfreie Zeit in Frage kommen wird.

 

Du wirst in der Stiftung Sonneneck deine Ausbildung machen, lernst die Buchhaltung für die Stiftung und die der Stiftung gehörenden Firmen. Dazu kommt die Verwaltung der Immobilien inklusive Vermietung von Wohnungen und Gewerbeflächen, mit Nebenkostenabrechnungen, aber auch Renovierungsmaßnahmen für einzelne Wohnungen oder Gebäude gehören zu den Aufgaben.

 

Die Beschaffung von weiteren Immobilien für die Stiftung, sofern es die Finanzen erlauben, gehört mit zu unseren Aufgaben. Peter hat heute Vormittag angedeutet, dass er morgen einen Termin bei einem Nachlassverwalter habe, der möglicherweise weitere Immobilien für die Stiftung bedeuten könne. Bei der Mietverwaltung werden wir von Florian Baumann unterstützt, der zusätzlich die komplette Mietverwaltung des Immobilienbesitzes des Gutshofes zusammen mit Michael Müller erledigt.“

 

Ich unterbrach ihn und meinte, wollt ihr ihn nicht zum Gespräch dazu holen, dann kann Felix ihn als einen seiner zukünftigen Kollegen kennenlernen. Benjamin stand auf und verließ mein Büro, um kurze Zeit später mit Florian zurückzukommen. Florian stellte sich kurz vor und erzählte kurz, wie er zum Gutshof gekommen ist. Felix staunte nicht schlecht, als er erzählte, dass sein früherer Chef seine Firma mehr oder weniger kostenlos an den Gutshof abgegeben hat, wenn sein einziger Mitarbeiter weiterbeschäftigt wird.

 

Ich meinte zu Felix, du hast jetzt die Leute kennengelernt, die dich hauptsächlich während deiner Ausbildung begleiten werden. Bevor die Drei wieder zu ihrer Arbeit zurückkehren oder in ihre Mittagspause verschwinden will ich von Ludwig und Benjamin wissen, ob sie sich eine Zusammenarbeit mit dir vorstellen können. Du kannst hierbleiben und dir anhören, was die zwei zu sagen haben.

 

Als Erster ergriff Benjamin das Wort und meinte, von seiner Seite aus, sehe er keine Gründe, warum Felix nicht seine Ausbildung bei uns machen kann, wenn er bei seiner Bewerbung bleibt. Ludwig grinste Felix frech an und sagte zu ihm: „Herzlich willkommen im Team und vergiss nicht, uns im Gesindehaus zu besuchen oder donnerstags zum Clubabend zu erscheinen“

 

Felix fragte mich, warum ich die Jungs jetzt weggeschickt habe und wir das Bewerbungsgespräch nur unter vier Augen weiterführen. Ich erklärte ihm: „Die Antwort ist ganz einfach, ich habe die Jungs zum Gespräch dazu geholt, dass du sie zum einen kennenlernst und sie dir etwas über die Aufgaben, die dich erwarten, erzählen. Wenn du bereits andere Bewerbungsgespräche geführt hast, ist dir dabei ein Unterschied zum heutigen Gespräch aufgefallen?“

 

Er schaute mich an, überlegte und erklärte mir dann: „Stimmt, wenn du es nicht angesprochen hättest, wäre mir das nicht so direkt aufgefallen, bisher habe ich immer nur mit einem Mitarbeiter der Personalabteilung oder mit dem Chef direkt gesprochen. Einen Mitarbeiter, mit dem ich später zusammenarbeiten soll, habe ich nirgends erlebt. Warum machst du es nicht wie die anderen, sondern gehst eigene Wege?“

 

Ich erzählte ihm, warum ich meine Bewerbungsgespräche anders führe: „Felix, ich will sehen, wie ein Bewerber auf seine zukünftigen Kollegen reagiert, aber auch, wie die Mitarbeiter auf den Bewerber reagieren. Zudem kann ich sehr schnell erkennen, ob es vielleicht während der Ausbildung oder bei einer Beschäftigung zu Problemen in der Zusammenarbeit kommen kann. Bei euch habe ich keine Anzeichen entdecken können, dass ich mir diesbezüglich große Sorgen machen müsste. Die entscheidende Frage für mich ist, wie du das einschätzt und das will ich jetzt von dir wissen.“

 

Felix offenbarte mir: „Ich war überrascht, dass meine beiden Kollegen, die mich ausbilden und mit den ich zusammenarbeite, kaum älter sind wie ich. Ich werde demnächst neunzehn und Benjamin ist sicher nicht viel älter als zwanzig. Bei Ludwig würde ich fast darauf tippen, dass er maximal ein oder zwei Jahre älter ist wie ich. Benjamin hat gut erklärt, was die hauptsächlichen Arbeiten und Aufgaben in einer Stiftung sind.

 

Was ich jedoch nicht so ganz verstanden habe, warum innerhalb der Stiftung mehrere Buchhaltungen existieren. Alles andere habe ich verstanden, worüber ich mich gewundert habe, dass es mit Dienstreisen verbunden ist, aber da eure Immobilien nicht nur in der Umgebung sind, ist das plausibel. Wenn ich das richtig verstanden habe, ist Florian derjenige der in der Hauptsache die Vermietung und Verwaltung der Immobilien bearbeitet, wobei er nicht nur die Immobilien der Stiftung verwaltet, sondern den gesamten Immobilienbesitz des Gutshofes.“

 

Ich versuchte seine Frage zu beantworten, vorher stellte ich jedoch Florians Aufgaben richtig: „Mit der Übernahme der Firma seines Chefs haben wir auch den Bereich der Verwaltung von Immobilien im Fremdbesitz übernommen und Florian führt diesen Bereich weiter und versucht ihn weiter auszubauen. Wenn die Entwickelung in diesem Teilbereich so weiter geht, werden wir in Kürze für diesen Bereich einen weiteren Mitarbeiter einstellen.

 

Aber zu deiner Frage, warum verschiedene Buchhaltungen, ist einfach zu beantworten, die Stiftung besteht nicht nur aus Immobilien, sie wird in Kürze ein Seminarhotel in der Nähe eröffnen. Es laufen bereits die Planungen für ein ähnliches Projekt wie unser Gesindehaus im Norden Deutschlands und auf Mallorca. Das sind Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die alle eine eigene Buchhaltung benötigen und für die wir eigene Jahresabschlüsse erstellen müssen. Da die Stiftung auch durch Erbschaften ausgeweitet wird, kann es vorkommen, dass dadurch weitere Gesellschaften zum Buchen hinzukommen.“

 

Felix meinte, jetzt hätte er es verstanden: „Die Stiftung ist der Eigentümer von Gesellschaften, die ihre eigene Buchhaltung brauchen und am Ende nur ihre Gewinne in die Stiftung ausschütten. Ich vermute, dass eine Stiftung keine kommerzielle Ausrichtung haben darf und deshalb dafür eigene Firmen erforderlich sind.“

 

„Sehr richtig“ meinte ich, „im Grunde sind es steuerliche Aspekte, warum eine gemeinnützige Stiftung kommerzielle Geschäfte nicht betreiben darf. Wenn du dazu detaillierte Fragen haben solltest, wendest du dich am besten an Klaus, unseren Chefbuchhalter und Steuerberater, er kann dir diese Auskünfte besser geben als ich.

 

Normalerweise haben alle Auszubildenden bei uns die Möglichkeit, im Rahmen ihrer Ausbildung auch die weiteren Betriebsteile kennenzulernen, sofern Interesse daran besteht. Da du als Abiturient eine kürzere Ausbildungszeit als die anderen hast, bleibt leider nicht so viel Zeit für dieses Kennenlernen.“

 

Ich legte eine kurze Pause ein und fragte ihn dann, ob er nach unserem bisherigen Gespräch seine Bewerbung aufrechterhalten oder lieber an dieser Stelle das Gespräch abbrechen will.

 

Felix antwortete mir: „Du glaubst doch nicht allen Ernstes, dass ich die Chance, die mir hier geboten wird, ablehnen werde. Die Art wie du mit mir als möglichen Auszubildenden umgehst, euch meine sexuelle Orientierung nicht interessiert, zeigt mir, dass Ausbildung scheinbar doch nicht gleich Ausbildung sein kann. Hier erlebe ich zum ersten Mal, dass ein Auszubildender ernst genommen wird und nicht nur als billige Arbeitskraft angesehen wird. Ich habe die drei Jungs beobachtet und mir ist aufgefallen, dass sie mit leuchtenden Augen von ihrer täglichen Arbeit berichtet haben, was für mich bedeutet, dass sie mit Spaß bei der Arbeit sind.“

 

Diese Aussage musste ich erst einmal einordnen, so etwas hatte ich nicht unbedingt erwartet, aber es zeigte mir, dass er ein guter Beobachter ist. Ich sagte zu ihm: „Felix, es freut mich, dass du dich entschieden hast, bei uns deine Ausbildung zu absolvieren. Die grundsätzlichen Voraussetzungen sind alle geklärt, wir müssen nur die Stiftung bei der Handelskammer als weiteren Ausbildungsbetrieb anmelden, dann kannst du im September deine Ausbildung beginnen. Den Vertrag können wir in einigen Tagen unterschreiben, da du volljährig bist, brauchst du keinen Erziehungsberechtigten, der den Vertrag mit dir zusammen unterschreibt.“

 

Ich überlegte noch weiter und fragte ihn, wie lange habt ihr noch Schule oder seid ihr bereits in den Ferien? Felix meinte, Ferien haben wir noch nicht, aber bis zur Zeugnisübergabe findet kein Unterricht mehr statt. So fragte ich ihn, ob er in den nächsten Tagen Zeit hat eine Schnupperlehre bei uns zu starten, damit könnte er auch praktisch sehen, was während der Ausbildung auf ihn zukommt. Du kannst dir das in Ruhe überlegen und mir dann Bescheid geben. Hast du Lust unser Kantinenessen kennenzulernen, ich hätte jetzt Hunger und möchte gerne etwas Essen. Du bist herzlich von mir dazu eingeladen.

 

Felix überlegte kurz, danach antwortete er mir: „Zu deiner Frage mit der Schnupperlehre und zur Einladung zum Mittagessen sage ich in beiden Fällen nicht nein, ich kann ab Morgen für eine Woche die Schnupperlehre bei euch machen und ob du es glaubst, ich bin auch hungrig.“

 

Wir gingen ins Gesindehaus in die Kantine und holten uns etwas zum Essen. Ich sah Ludwig und Benjamin noch beim Essen sitzen und fragte, ob wir uns zu ihnen setzen können. Da die beiden nichts dagegen hatte setzten wir uns zu ihnen. Während dem Essen erzählte ich den Beiden, dass Felix ab Morgen bei uns eine Schnupperlehre antreten wird für etwa eine Woche. Ludwig erklärte dazu, dass er das gut finde, wenn Felix die Schnupperlehre machen würde, weil er so auch viele der anderen Mitarbeiter bereits vorher kennenlernen würde und er bereits Einblicke in seinen Job bekommen kann.

 

Nach der Mittagspause verabschiedete ich mich von Felix und sagte noch, dass er morgen so gegen acht Uhr hier sein soll und ging anschließend mit den beiden Jungs zurück ins Gutshaus. Ich bat Benjamin alles Notwendige zu veranlassen, dass Felix morgen seine Schnupperlehre beginnen könne und die notwendigen Arbeitsmittel einschließlich eines Notebooks bereitstehen würden. Der dritte Arbeitsplatz in ihrem Zimmer war bisher nicht besetzt, so dass Felix sich dort niederlassen konnte. Außerdem dauert es sowieso nicht mehr lange, bis seine Ausbildung beginnen wird.

 

Mein erster Weg führte mich ins Büro von Petra, die ich fragte, ob es Neuigkeiten gibt. Sie meinte nur, der Anwalt hätte noch einmal angerufen und wollte wissen, ob es morgen bei dem Termin bleibe. Sie meinte zu mir, ich habe ihm noch einmal bestätigt, dass der Termin morgen stattfinden kann und dass ihr mit insgesamt drei Personen erscheinen werdet.

 

Ich schaute sie an und wollte von ihr wissen, wieso sie drei Personen zum Termin angemeldet hat, eigentlich wollte ich nur mit Gerhard zu diesem Termin fahren. Sie lachte mich an und meinte, Peter ich kenne dich und deine spontanen Entscheidungen lange genug und ging davon aus, dass du morgen spontan Felix mitnehmen wirst. Am besten du rufst ihn gleich noch an und berichtest ihm von deinem Attentat, dass du morgen auf ihn vorhast.

 

Ich wollte Petra schon für ihre eigenmächtige Entscheidung eine Rüge erteilen, aber überlegte noch einmal kurz. Ich meinte zu ihr, ich hätte zwar eher Benjamin mitgenommen, aber die Idee hat ihren eigenen Reiz. Ich sollte Felix mitnehmen, damit würde er von vornherein bei einem neuen Objekt oder Projekt von Anfang an mit dabei sein, sogar noch vor Ausbildungsbeginn.

 

In meinem Büro suchte ich die Mobilrufnummer von Felix aus seinen Bewerbungsunterlagen und bei unserem Gespräch erklärte ich ihm, dass er morgen früh nicht in den schlimmsten Lumpen erscheinen soll, da er uns zu einem Gespräch mit einem Rechtsanwalt nach München begleiten soll. Es reicht, wenn du ganz normal angezogen bist.

 

Felix meinte noch, das sei kein Problem für ihn, wann solle er denn spätestens im Büro sein. Ich erklärte ihm, dass Gerhard gegen acht Uhr hier sein wird und wir danach nach München zu unserem Termin fahren werden. Zum Abschluss meinte ich, er solle doch einen schönen Gruß an seine Eltern ausrichten.

 

Kaum hatte ich das Gespräch mit Felix beendet, klingelte meine Telefon im Büro. Marion meldete sich und erklärte mir, dass sie unsere Besprechung gerne im großen Besprechungszimmer abhalten würde, da die Runde größer ausfällt als ursprünglich geplant. Ich meinte, ich sehe da keine Schwierigkeiten, normalerweise sollte es heute Nachmittag frei sein.

 

Ich fragte sie, wer denn aller an der Besprechung teilnehmen wird. Barbara vom Jugendamt wird kommen als Vertretung für die neue Leitung des Jugendamtes, unsere beiden jungen Architekten Jennifer und Jason, die uns die neuen Pläne für die Gebäude im Gutshofgelände vorstellen wollen.

 

Gerhard hat sein erscheinen angekündigt, er will sich die Pläne ebenfalls anschauen. Ich habe noch Benjamin und Ludwig kurzfristig eingeladen, da sie die Verwaltung durchführen werden.

 

Ich informierte Marion davon, dass ab September das Team um einen Auszubildenden erweitert wird, der zukünftig für die Stiftung arbeiten wird. Felix wird morgen mit mir und Gerhard nach München fahren zum Termin mit dem Rechtsanwalt, der eine weitere Erbschaft für die Stiftung Sonneneck in Aussicht gestellt hat. Sie verabschiedete sich mit den Worten, Peter wir sehen uns gleich in der Besprechung. Michael ist schon auf dem Weg ins Besprechungszimmer, um alles vorzubereiten.

 

Beim Blick auf die Uhr stellte ich fest, dass die Besprechung schon in knapp einer halben Stunde stattfinden wird. Ich beschloss mich in der verbleibenden Zeit auf die Besprechung vorzubereiten. Ich studierte die Unterlagen, die ich bisher per Mail erhalten hatte.

 

Kurz vor Beginn der Besprechung tauchten Ludwig und Benjamin bei mir im Büro auf und fragten mich ganz erstaunt, wieso sie beide zu der Besprechung heute Nachmittag kurzfristig eingeladen wurden.

 

Ich meinte, da sollten sie lieber Marion befragen, die sie eingeladen hat. Ich denke, sie holt euch dazu, weil ihr später alles verwalten werdet und deshalb von vornherein über alles informiert sein solltet. Wenn ich das früher gewusst hätte, hätte ich Felix ebenfalls eingeladen, er fährt morgen mit mir und Gerhard nach München zum Termin beim Rechtsanwalt.

 

Ich ging zusammen mit den beiden Jungs ins Besprechungszimmer und dort trafen wir bereits unsere Architekten, Michael und Marion an. Marion meinte, alle anderen würden in kürze hier sein und wir könnten mit unserer Besprechung beginnen.

 

Ich fragte Jason, was es mit den Plänen auf sich hat, in einem fast leerstehenden Gebäude auf dem Gutshof Wohnungen einzurichten und wie weit die Planungen seien, in der Stadt ein weiteres Haus für Jugendliche zu errichten. Er erklärte mir, dass es mit den Planungen für ein Gebäude in der Stadt derzeit nicht voran gehe, da wegen Einsprüchen der Nachbarn ein Planungsstopp eingelegt wurde.

 

Die Stadt und das Jugendamt seien auf der Suche nach einem alternativen Bauplatz. Nach Rücksprache mit Marion und Michael haben sie sich noch einmal alle Gebäude auf dem Gutshof angeschaut und hätten hier eine Möglichkeit gefunden mindestens acht Wohnungen einzurichten.

 

Es gibt hier noch eine Reihe von alten Gebäuden, die nicht mehr genutzt werden, alte Stallungen und Schuppen sowie Gebäude für die landwirtschaftlichen Geräte. Wir haben hier viele Möglichkeiten und unsere Rückfrage beim Bauamt, hat ergeben, dass wir einen Teil der alten Gebäude abreißen dürfen, wenn wir dort Wohnungen bauen wollen. Ich erkläre das gleich allen in der Besprechung, meinte er.

 

Zwischenzeitlich waren auch Barbara und Gerhard eingetroffen und hatten sich zu uns gesetzt. Marion ergriff das Wort und begrüßte alle recht herzlich und freute sich, dass alle Eingeladenen anwesend sind.

 

Benjamin fragte sie, wie er und Ludwig zu der Ehre käme, an dieser Besprechung teilzunehmen. Marion meinte, dass wirst du im Laufe der Besprechung schon erkennen und verstehen, warum ihr eingeladen seid.

 

Sie startete ihren Vortrag: „Die meisten von euch wissen, dass die Stiftung plant, ein Haus für Jugendliche zu errichten, die in Heimen aufgewachsen sind und die dort mit Erreichen der Volljährigkeit untergebracht werden, da sie die Kinderheime mit achtzehn Jahren verlassen müssen. Viele davon sind noch in Ausbildung und können sich wegen ihres geringen Einkommens eigentlich noch keine eigene Wohnung leisten.

 

Für diese Gruppe von Jugendlichen werden solche Einrichtungen geschaffen, damit sie die gleichen Chancen erhalten wie andere Jugendliche, die noch von ihren Eltern unter­stützt werden. In fast allen Häusern, die sie kennt, gibt es eine Betreuerin oder einen Betreuer, die den Jugendlichen mit Rat und Tat zur Seite stehen. Langfristig wird die Stiftung nicht nur hier, sondern in anderen Städten und Landkreisen entsprechende Häuser errichten, wenn dort Bedarf besteht.“

 

Sie wechselte das Thema: „Wir haben mit unserem Gesindehaus einen Ort geschaffen, der benachteiligten Kindern und Jugendlichen mit und ohne Eltern einen Urlaub ermöglichen soll. In der Planung für die Stiftung stehen langfristig weitere Ferienzentren zu errichten, konkret suchen wir derzeit in Spanien auf der Insel Mallorca und im Norden Deutschland, entweder an der Nord- oder Ostsee.

 

Wir wollen in der Mitte Deutschland ebenfalls vertreten sein und langfristig, so hat Gerhard mir verraten, wären Zentren in Österreich, Frankreich, Tschechien, Polen und den Benelux-Ländern sicher eine große Bereicherung, um den Kindern und Jugendlichen auch Auslandsaufenthalte anzubieten.“

 

Ich erklärte weiter: „Soweit unsere Vorstellungen wie wir die Stiftung ausbauen wollen, wir brauchen für all diese Projekte teilweise unterschiedliche Konzepte, immerhin sollen sich diese Projekte zum größten Teil selbst tragen, durch Zuschüsse vom Staat, durch sonstige Einnahmen wie beim Gesindehaus und durch Zuschüsse aus den Stiftungsgeldern.

 

Das ist die größte Aufgabe, die uns bei allen Projekten erwartet. Ihr wisst, dass unser neues Seminarhotel in Form einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung geführt werden soll, dass seine Gewinne in die Stiftung ausschütten wird. Ähnliche Lösungen werden wir für alle unsere Projekte brauchen, sicher nicht immer eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung.“

 

Benjamin meinte: „Jetzt verstehe ich warum Ludwig und ich zur Besprechung eingeladen wurden, jedes neue Projekt bringt weitere Aufgaben für unsere Stiftungsverwaltung, in diesem Fall ist dann sogar Kreativität gefragt. Peter kann es sein, dass du das bereits alles gewusst hast und deshalb sofort unserem Wunsch nach Verstärkung in der Verwaltung zugestimmt hast.?“

Ich schaute Benjamin lange an, bevor ich antwortete: „Bei den ganzen Plänen ist mir schon vor einiger Zeit klar geworden, dass ihr langfristig gesehen mindestens eine weitere Kollegin oder einen Kollegen brauchen werdet. Nur, wenn du ehrlich bist, wenn ich euch diesen Vorschlag unterbreitet hätte, hätte euch vermutlich nur der Ehrgeiz gepackt und ihr hättet den Vorschlag abgelehnt. Ich beschloss deshalb abzuwarten bis bei euch beiden die Erkenntnis gereift ist, dass ihr Verstärkung braucht, wobei ich davon ausging, wenn euch alle Pläne bekannt sind, würdet ihr von euch aus auf mich zukommen und mich darum bitten.

 

Es war nicht geplant, dass ihr heute bei dieser Besprechung anwesend sein werdet, aber Marion und Michael waren scheinbar der Meinung, dass es Zeit wird euch über alle Pläne der Stiftung zu informieren. Dass ihr heute Vormittag bei mir angefragt habt, ob ihr einen neuen Kollegen für euer Team bekommt, kam etwas überraschend. Dass sich ausgerechnet Felix fast zeitgleich um eine Ausbildungsstelle bewerben würde, war wirklich ein Zufall.

 

Ich kenne Felix schon seit er ein kleines Kind ist. Ich habe ihn vor zwei Jahren zum letzten Mal gesehen auf der Beerdigung meines Vaters. Felix ist der Sohn des Bestattungsunternehmer Benjamin Müller, mit dem unsere Familie schon lange befreundet ist.

 

Nach unserem Gespräch am Vormittag wollte ich Petra beauftragen in der Personal­abteilung anzufragen ob noch Bewerbungen vorliegen, ansonsten sollten sie eine Stellenausschreibung durchführen. Petra meinte dann, es wäre gerade ein junger Mann dagewesen, der einen Ausbildungsplatz sucht. Ich bat sie ihn anzurufen und wenn möglich sofort zu einem Vorstellungsgespräch zu bitten, da er erst wenige Minuten vorher das Büro wieder verlassen hatte.

 

Da er noch auf dem Parkplatz stand, kam er sofort zurück und den Rest kennt ihr Beiden bereits, mit einer Ausnahme, ich habe nicht schlecht gestaunt, als plötzlich Felix vor mir stand und sich als der Bewerber herausstellte. Für euch alle zur Info, Felix gehört auch der Minderheit an, die in unserem Team stark vertreten ist. Aber jetzt wieder zurück zum Thema, die Pläne der Stiftung und ihre Umsetzung.“

 

Jason war der nächste, der uns berichtete: „Das Wohnhaus für die Jugendlichen war ursprünglich auf einem Grundstück der Stadt geplant. Durch mehrere Einsprüche von Anliegern, haben wir die weitere Planung vorläufig gestoppt und auf Wunsch von Marion und Michael überlegt ob auf dem Gelände des Gutshofes eine alternative Möglichkeit besteht. Bei den Gesprächen mit der Baugenehmigungsbehörde haben sich für uns ganz neue Möglichkeiten ergeben. Wir dürfen hier Wohnungen errichten, sofern sie an die vorhandene Bebauung angepasst und dort errichtet werden, wo bisher leerstehende Stallungen und alte Schuppen stehen.

 

Jennifer und ich haben uns daraufhin alle Pläne noch einmal genauer angeschaut und überlegt, wo wir Wohnraum verwirklichen könnten. Da Peter für die Mitarbeiter ebenfalls Wohnraum schaffen wollte, haben wir jetzt ein Konzept entwickelt, dass beides berücksichtigt und in ersten Vorgesprächen mit den Mitarbeitern des Landratsamtes und der Stadt positiv beurteilt wurde.“

 

Ich unterbrach Jason und fragte nach: „Warum habe ich bisher nichts von euren Aktivitäten erfahren? Sicher wollte ich weiteren Wohnraum schaffen, aber ich kann mich nicht entsinnen euch einen entsprechenden Auftrag erteilt zu haben.“

 

Jennifer antwortete mir: „Es hätte wenig Sinn gemacht mit dir über unsere Ideen zu sprechen, wenn von den Ämtern hinterher alles abgelehnt wird. Wir haben im Vorfeld alle Möglichkeiten überlegt und abgeklärt und können dir jetzt ein Konzept vorstellen, dass zumindest genehmigungsfähig ist.

 

Was davon und in welchem Zeitraum verwirklicht wird, bleibt selbstverständlich dir überlassen. Wir sind auf eigene Kosten in Vorleistungen gegangen, was für uns ein gewisses Risiko bedeutet hat, aber vor allem deswegen, weil wir, einschließlich Jasons Vater von deinem sozialen Engagement überzeugt sind.“

 

Jason erklärte danach: „Gewisse Probleme gibt es bei den ganzen Überlegungen noch, die wir besprechen müssen. Da der Boden auf dem gebaut werden soll im Eigentum des Gutshofes steht, würden die Wohnungen für die Jugendlichen nicht der Stiftung gehören, sondern dem Gutshof.

 

Es gibt zwei Möglichkeiten, um das benötigte Teilgrundstück in die Stiftung zu bekommen, eine Möglichkeit wäre, den benötigten Anteil herauszumessen und an die Stiftung zu verkaufen, der andere Weg ist eine langfristige Verpachtung nach dem Erbbaurecht an die Stiftung. Deshalb wurde auch Gerhard eingeladen, da er im Stiftungsrat sitzt und diesen Überlegungen zustimmen muss.“

 

Gerhard schaute uns alle an, er war zumindest genau so überrascht wie ich von den Vorschlägen, immerhin wusste er jetzt, warum sein Erscheinen nötig war. Nach langem Überlegen verkündete er: „Mir gefällt grundsätzlich die zweite Möglichkeit besser, da sie nicht sofort größere finanzielle Mittel erfordert, um das Projekt zu verwirklichen und das Grundstück bliebe beim Gutshof. Bevor ich mich endgültig entscheide, möchte ich jedoch erst einmal euer gesamtes Konzept kennenlernen.“

 

Jason schaltete unseren Großbildschirm ein und startete seine vorbereitete Präsentation des Projektes. Als erstes präsentierte er uns aus der Vogelperspektive den Bereich, den er und Jennifer für die Neubaupläne ausgewählt hatte. Er zeigte vor allem den Bereich, der bisher noch von allen Überlegungen ausgeschlossen war, da sich dort nur alte Stallungen und teilweise baufällige Gebäude befanden, die früher als Lagerräume und Wagenschuppen dienten und für die wir bisher keine Verwendung fanden.

 

Als nächstes zeigte er uns einen Übersichtsplan, in dem mehrere Gebäude eingezeichnet waren, die als Wohnhäuser errichtet werden sollten. Er erklärte, dass die gesamte zu bebauender Fläche mit einer Tiefgarage ausgestattet werden soll, um zusätzliche Parkmöglichkeiten für die Bewohner, aber auch für die Mitarbeiter und Gäste des Gutshofes zu schaffen. Über der Tiefgarage können nach den derzeitigen Entwürfen bis zu acht Häuser mit jeweils sieben bis zehn oder elf Wohnungen errichtet werden. Wir haben drei Typen von Etagen entwickelt, die Ein- bis Vier-Zimmer-Wohnungen beinhalten.

 

Das oder die Gebäude für die Jugendlichen würden nur aus Zwei-Zimmer-Wohnungen bestehen, was nach Barbaras Angaben ausreichend wäre und die Miete somit durch das Jugendamt bezuschusst werden kann. Im Dachgeschoß gibt es keine Wohnungen, dafür Gemeinschaftsräume, ansonsten stehen auf drei Etagen achtzehn Wohnungen zur Verfügung. In den restlichen Gebäuden wird das Dachgeschoß als Wohnraum genutzt.

 

Barbara erklärte: „Wenn ihr zwei Häuser baut mit den Zwei-Zimmer-Wohnungen, ergibt das sechsunddreißig Wohnungen. Diese Anzahl sollte für den Landkreis ausreichend sein. Wir könnten alle bisher angemieteten Wohnungen, die sich derzeit über das gesamte Stadtgebiet verteilen, nach und nach auflösen und zukünftig alle Jugendlichen hier unterbringen.

 

Sie könnten von Marion und Michael mitbetreut werden, dafür würde der Landkreis einen Teil der Lohnkosten übernehmen. In Gesprächen mit den Verkehrsbetrieben der Stadt haben wir erreicht, dass die derzeit am Rande des Gutshofes entlangführende Buslinie eine eigene Haltestelle im Gutshof erhalten würde, wenn wir bereit sind diese zu finanzieren. Damit wäre eine direkte Anbindung des Gutshofes verbunden, die ebenfalls euren Gästen, Besuchern und Bewohnern zugutekommen würde.“

 

Eine Menge Informationen, die da auf uns einstürmten und die erst eingeordnet werden mussten. Eines war mir sofort klar, alle bisher Beteiligten hatten sich sehr gut überlegt, wie das Projekt zum Erfolg geführt werden könne.

 

Gerhard sprach das aus, was ich mir selbst gedacht hatte: „Peter, jetzt verstehe ich endgültig, warum du auf so viele jüngere Mitarbeiter gesetzt hast, sie überlegen erst genau was für alle Seiten das Beste wäre und bringen zusätzlich frischen Wind in die angestaubte Gedankenwelt der Erwachsenen.

 

Dass sie dabei manchmal übers Ziel hinausschießen, stört dabei überhaupt nicht, du fängst sie notfalls wieder ein und gemeinsam wird dann ein Projekt durchgezogen. Was mich dabei fasziniert, ist die Tatsache, dass sie mit Feuereifer dabei sind, weil es im Grunde genommen ihre Ideen waren, die umgesetzt werden. Manches andere Unternehmen sollte deinem Beispiel folgen und den Jüngeren mehr Mitspracherecht einräumen, es würde der Entwickelung der Unternehmen sicher nicht schaden.“

 

Ich fragte Jason und Jennifer, ob es richtig sei, dass mit Gesamtbaukosten von mehr als zehn bis zwölf Millionen Euro zu rechnen sei für das gesamte Projekt, bei insgesamt etwa siebzig bis achtzig Wohneinheiten.

 

Jason antwortete uns und erklärte, dass die Zahl gut geschätzt sei, bei einer normalen Ausstattung der Wohnung haben wir Baukosten in Höhe von etwa elfeinhalb Millionen Euro ermittelt, wobei die beiden Gebäude mit den Wohnungen für die Jugendlichen bei etwa zweieinhalb Millionen liegen würden.

 

Ich rechnete kurz und erklärte: „Wenn wir zwei weitere Gebäude über die Stiftung als Sozialwohnungen errichten, können wir die Baukosten mit den Zuschüssen vom Staat weiter reduzieren. Ich schätze dann die Kosten auf rund fünf Millionen für die Stiftung und sechs Millionen für Gutshof. Das sind Größenordnungen, die wir innerhalb der nächsten fünfzehn Monate von beiden Seiten locker finanzieren könnten. Ich denke wir sollten das Projekt genau in dieser Form durchziehen.“

 

Gerhard meinte: „Die Aufteilung, die eine Hälfte der Wohnung durch den Gutshof zu errichten für Mitarbeiter oder zur Vermietung und die andere Hälfte durch die Stiftung für die Jugendlichen und mit Sozialwohnungen ist eine vernünftige Mischung. Falls damit andere Projekte vorübergehend aufgeschoben werden, ist das für mich okay, immerhin werden für die Stiftung über vierzig neue Wohnungen geschaffen.“

 

Jennifer versprach die Anträge für die beiden Gebäude mit den Sozialwohnungen vorzubereiten und einzureichen. Sie meinte, wir sollten auch für die Jugendwohnungen den Status von Sozialwohnungen beantrage. Peter wir werden uns in den nächsten Tagen mit dir zusammensetzen und die restlichen Details besprechen. Wir werden die Zweckentfremdungsanträge für den Abbruch der alten Gebäude stellen, die von dir zu unterschreiben sind.

 

Dann können wir rechtzeitig mit der Flächenfreimachung beginnen und nach der Baugenehmigung mit dem Aushub. Jasons Vater hat bereits Kontakte zu Baufirmen aufgenommen, um einen raschen Baubeginn zu realisieren.

 

Marion erklärte, dass wir damit den Teil mit dem erweiterten Team als beendet betrachten können. Peter, Barbara, Michael und ich werden uns jetzt in Peters Büro zusammensetzen und die Nutzungspläne für das Gesindehaus für die nächsten Monate abklären.

 

Jason und Jennifer verabschiedeten sich und meinten, wir telefonieren in den nächsten Tagen, um die weiteren Schritte abzustimmen. Benjamin und Ludwig gingen in ihr Büro zurück, wobei Ludwig zu mir sagte, wir wollen uns später noch mit dir unterhalten. Mit den Dreien ging ich in mein Büro, nachdem ich mich noch von Gerhard bis morgen früh verab­schiedet hatte.

 

Wir setzten uns in die Besprechungsecke und Marion erzählte uns, dass für die Sommer- und Herbstferien so viele Anfragen vorliegen, dass wir gar nicht alle Wünsche erfüllen können. Barbara hat jetzt den Vorschlag unterbreitet, ob es den nicht möglich sei, zumindest in den Sommerferien auf einem größeren freien Platz eine Zeltstadt zu errichten, um allen Kindern und Jugendlichen einen Urlaub zu ermöglichen. Ich habe schon mit Jonas und Tim gesprochen und angefragt, wo wir diesen Zeltplatz errichten könnten. Sie haben gemeint, die Flächen hinter dem Hofladen und dem Café könnten vielleicht genutzt werden, wenn du deine Zustimmung dazu gibst.

 

Ich fragte sie: „Habt ihr euch bereits Gedanken darüber gemacht, wie die Menge versorgt werden soll, wie dass mit den sanitären Bedürfnissen geregelt wird und wer die Verantwortung für die Zeltstadt übernimmt. Was meint Armin zu eurem Vorschlag, er hat immerhin die Aufgabe die Kinder zu bespaßen. Was mich interessieren würde, woher kommen die Schlafzelte für die Zeltstadt und worauf sollen die Kinder schlafen?“

 

Barbara erklärte, die Zelte, Betten und Decken sind überhaupt kein Problem, sie werden uns vom Roten Kreuz ausgeliehen aus ihren Beständen für Katastrophenfälle. Sie haben auch Sanitäreinrichtungen, die in Zelten eingerichtet werden. Die Verantwortung für die Kinder tragen die jeweiligen Begleiter, die Oberhoheit über die Zeltstadt übernimmt das Jugendamt, sie wollen mich extra für diese Zeit abstellen.

 

„Mit Sebastian haben ich schon gesprochen, im Gesindehaus könnten alle zum Essen gehen, notfalls in mehreren Gruppen nacheinander, wenn in der Zeltstadt ein Verpflegungszelt vorgesehen ist, können die Kinder auch dort essen,“ berichtete Michael. „Armin meinte, es ist egal wie viele Kinder hier sind, wir brauchen dann halt statt einem Bus eben zwei oder drei für die Ausflüge der Kinder. Wenn er es rechtzeitig weiß, ist es kein Problem, während der Ferienzeit weitere Busse zu beschaffen.“

 

Ich fühlte mich vor vollendete Tatsachen gestellt, obwohl die Ferienzeit noch nicht einmal begonnen hatte. Geplant war nur die Kinder und Jugendlichen im Gesindehaus unterzubringen, dass wir auf Grund der vielen Anfragen plötzlich restlos überbelegt sind, damit hatte keiner von uns wirklich gerechnet.

 

Ich erklärte: „Ich finde es nicht gut, was ihr hier plant, denn so war das nicht von uns gedacht. Immerhin habt ihr euch Gedanken gemacht, wie die starke Nachfrage anderweitig befriedigt werden kann. Ich stimme unter einer Bedingung dem Zeltlager zu, wenn ihr es schafft, nicht nur bedürftige Kinder und Jugendliche hierher zu bekommen, sondern auch Pfadfinder oder sonstige Gruppierungen, die in den Ferien solche Zeltlageraktionen veranstalten.“

 

Barbara schaute mich an und überlegte sich, was sie mir darauf antworten könne: „Peter, ich glaube, ich verstehe, worauf du mit deinem Vorschlag hinauswillst. Warum bin ich nicht selbst auf diese Idee gekommen, Inklusion von Kindern und Jugendlichen aus ärmeren Familien und dazu diejenigen, denen es besser geht. Das könnte zwar eine brisante Mischung ergeben, aber vielleicht ergibt sich auch für den Alltag ein besseres Verständnis untereinander.“

 

„Barbara, ich sehe das ähnlich“ meinte ich, „gerade die Pfadfinder mit ihrer Uniform, wo alle gleich aussehen, lässt die Grenzen zwischen den Kindern verschwinden. Wenn wir jetzt alle mit einheitlichen Shirts ausstatten, gibt es keinen großen Unterschied zwischen den Kindern.

 

Sprecht mit Armin, der kann die Shirts in einer Farbe besorgen, auch mit einheitlicher Aufschrift für alle. Wenn ihr vorher wisst, wie die Kinder und Jugendlichen heißen und welche Größe sie brauchen, kann man sie auch auf dem Rücken mit den jeweiligen Vornamen bedrucken und bei der Ankunft an die Kinder ausgeben.

 

Ich bin bereit auf Kosten des Gutshofes jeden mit drei Shirts auszustatten, das gilt natürlich auch für die Betreuer. Meinen Mitarbeitern, die mit euch zusammenarbeiten stelle ich es frei, sie können ebenfalls die gleichen Shirts erhalten.“

 

Nach einer kurzen Pause sprach ich weiter: „Ich fürchte nur, dann wird im Gesindehaus keiner übernachten wollen, sondern alle im Zeltlager. Wir sollten uns überlegen, ob wir im Gesindehaus zeitgleich Familien mit Kindern unterbringen, falls es so kommen sollte.“

 

Barbara, die für die Koordination mit den Jugendämtern zuständig war, erklärte uns: „Peter, ich denke du liegst richtig mit deiner Vermutung, ich werde das mit meinen Kollegen abklären. Vielleicht macht es Sinn, alle Verantwortlichen für übernächstes Wochenende hierher einzuladen, um mit ihnen die Details zu besprechen. Bis dahin kann ich auch versuchen, über die Kreisjugendringe die sonstigen Gruppierungen anzusprechen und ebenfalls einladen.“

 

Ich meinte, da die Zeit drängt, sollten wir uns Anfang nächster Woche treffen und das Meeting vorbereiten und nach Abklärung sofort mit den Vorbereitungen für das Zeltlager beginnen. Ich denke das Jugendamt wird dich bei den Vorbereitungen unterstützen, von meiner Seite kannst du nur auf Marion, Michael und Armin zählen. Vielleicht kann euch Petra etwas unterstützen, aber dazu will ich erst mit ihr reden. Wir beendeten unser Meeting und verabschiedeten uns voneinander. Michael blieb noch bei mir im Büro, da er noch etwas, wie er sagte, privates besprechen will.

 

Nachdem nur noch wir beide im Büro waren, fragte ich ihn, warum er vorher bei der Besprechung nichts gesagt hatte. Er meinte dazu, dass er auch gegen die Idee von Barbara und Marion gewesen sei und davon ausgegangen ist, dass ich sie ablehne.

 

Dass ich dann mit meinen eigenen Ideen dem Sommerzeltlager eine neue Bedeutung verschafft habe, kann er sich das Spektakel jetzt durchaus vorstellen. Vielleicht sollten wir versuchen auch von den schwulen und lesbischen Jugendgruppen, die eine oder andere davon überzeugen, am Zeltlager teilzunehmen, vielleicht auch nur als ehrenamtliche Helfer für die Organisation. Klar können nicht alle den gesamten Zeitraum abdecken, aber ein bis zwei Wochen wären vielleicht möglich.

 

Ich meinte, du kannst gerne einen Aufruf starten, dann werden eben die freiwilligen Helfer im Gesindehaus untergebracht. Wir können ihnen freie Kost und Logis anbieten, für ihre ehrenamtlich Tätigkeit. Du kannst am Donnerstag mit deiner Gruppe hier am Gutshof sprechen und dann sehen wir weiter. Er verabschiedete sich und versicherte mir, dass er hinter der von mir eingebrachten Idee stehe, da er sich sicher ist, dass mit diesem Konzept eine erfolgreiche Durchführung möglich wird.

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