Regenbogenfamilie Teil 63 – Baubeginn

Am nächsten Morgen meldeten sich Jennifer und Jason bei mir und erklärten, alle Baugenehmigungen für unsere Neu- und Umbauprojekte im Bereich des Gutshofgeländes sind mit sofortiger Wirkung genehmigt und wir können sofort loslegen, da die Detailpläne für den Umbau des Gebäudes, in dem die IT-Abteilung, das Rechenzentrum und die weiteren Büros untergebracht werden, bereits fix und fertig sind.

Der Aushub für die Tiefgarage, die unter den neuen Wohnungen entstehen soll, könne in gut einer Woche beginnen, der Termin sei bereits mit dem Bauunternehmen abgeklärt und die Einrichtung der Baustelle mit allen Absperrungen wird ab dem kommenden Montag durchgeführt.

Ich bat Jason, die fertigen Umbaupläne sofort Eddy und den beiden Jungs Dennis und Axel zu übermitteln, damit sie kurzfristig den Beginn der Umbaumaßnahmen in Angriff nehmen können.

Nachdem das Gespräch mit Jason und Jennifer beendet war, rief ich sofort bei Eddy im Büro an und erzählte ihm von den Baugenehmigungen und davon, dass die Detailpläne ebenfalls fertig seien und umgehend mit dem Umbau des neuen IT-Gebäudes gestartet werden kann.

Ich bat ihn um einen kurzfristigen Gesprächstermin zusammen mit Axel und Dennis, wobei ich anbot, in ihrem Büro vorbeizukommen. Eddy erklärte mir, er komme mit den beiden Jungs lieber zu uns auf den Gutshof, da bei ihnen derzeit wegen der Renovierung und Umgestaltung der einzelnen Büroräume ein mittleres Chaos herrsche. Wir verabredeten uns für elf Uhr in meinem Büro im Gutshof.

Als nächstes bat ich Philipp und Marcus zu mir ins Büro zu kommen, da dringender Gesprächsbedarf bestünde. Keine zwei Minuten später standen die beiden bei mir im Büro und wollten wissen, wo es Schwierigkeiten gebe, zumindest hätte sich mein Anruf so angehört. Ich lachte und erklärte: „Schwierigkeiten, nicht dass ich etwas davon wüsste, aber wichtige Neuigkeiten hätte ich schon für sie, aber nicht etwas, was ihr jetzt möglicherweise gleich wieder vermutet.

Ganz einfach die Baugenehmigungen für den Umbau des neuen IT-Domizils und die neuen Wohngebäude wurden von der Stadt erteilt und wir können sofort mit dem Umbau und den Neubauten beginnen. Für die neuen Wohnungen wird ab Montag die Baustelle eingerichtet und eine Woche später beginnen die Aushubarbeiten.

Ich treffe mich später mit Eddy, Dennis und Axel, um den Startschuss für den Umbau zu geben. Wenn ich Jason richtig verstanden habe und der Umbau planmäßig von unseren Handwerkern durchgeführt werden kann, könntet ihr bereits Anfang November das neue Rechenzentrum in Betrieb nehmen und spätestens Ende November in eure neuen Büroräume umziehen.“

Marcus schaute Philipp an und sagte zu ihm: „Dann sollten wir zwei kurzfristig die Ausstattung unseres Rechenzentrums zu Ende planen und die Neuanschaffungen bei den Servern und Datenspeichern in Auftrag zu geben, damit die Geräte rechtzeitig geliefert werden.

Der Umzug der vorhandenen IT-Infrastruktur in die neuen Räume sollte gut geplant sein, damit es nicht zu größeren Ausfällen während des Umzuges kommt. Vielleicht können wir einen Teil unseres Datenbestandes und der zentralen Dienste schon zu einem früheren Zeitpunkt umlagern.“

Philipp meinte: „Brauchst du uns nachher zu den Gesprächen mit den Handwerkern? Ansonsten würde ich vorschlagen, dass sich die ganze IT-Truppe zusammensetzt und wir sofort mit der endgültigen Planung beginnen, damit rechtzeitig alles bereitsteht. Wobei, den endgültigen Umzug des Rechenzentrums würde ich lieber auf Anfang Dezember verschieben, am besten mit dem Umzug in die neuen Büroräume. Damit hätten wir etwas Luft und die letzten Vorbereitungen für die Dreifach-Hochzeit würden dadurch nicht zu sehr gestört.“

Bevor Marcus sich dazu äußern konnte, sagte ich: „Beim Gespräch mit den Handwerkern brauche ich euch nicht, ihr könnt gerne euer Meeting abhalten. Über den endgültigen Termin für euren Umzug können wir zu einem späteren Zeitpunkt sprechen, wenn zum einen die voraussichtlichen Fertigstellungstermine feststehen und wir mit den Planungen für die Hochzeit vorangekommen sind.

Ich wollte euch nur davon in Kenntnis setzen, dass die Baugenehmigungen endlich durch sind und wir mit den Umbauarbeiten und dem Aushub für die Tiefgarage beginnen können. Wenn ihr unseren Konferenzraum nutzen wollt, ich treffe mich mit den Handwerkern in meinem Büro für unsere Besprechung.“

Die beiden verabschiedeten sich und beim Hinausgehen sagte Philipp: „Wir nehmen den Konferenzraum, ich bin dafür, dass alle Jungs aus dem IT-Bereich an der Besprechung teilnehmen, und möglicherweise werden wir weitere Besprechungsteilnehmer aus der Buchhaltung und der Wohnungsverwaltung hinzuholen, um deren Anregungen und Wünsche für unseren Umzug zu berücksichtigen.“

Überpünktlich, genau genommen sogar zehn Minuten vor dem vereinbarten Termin stand Eddy mit den beiden Jungs Axel und Dennis in meinem Büro. Ich bat sie, es sich in der Besprechungsecke bequem zu machen, da der Konferenzraum belegt sei. Ich meinte noch zu ihnen: „Dauert noch einen kleinen Moment, ich schreibe nur schnell die Mail zu Ende, dann bin ich bei euch.“

Kaum hatte ich mich zu den Dreien in die Besprechungsecke gesetzt fragte mich Axel: „Wieso ist die Baufreigabe für die Umbauprojekte und die Neubauten am Gutshof plötzlich so kurzfristig erfolgt? Noch letzter Woche hat Jason gemeint, dass es sicher noch drei bis vier Wochen, im ungünstigsten Fall sogar noch länger hinziehen könne, bis bei der Stadt eine endgültige Entscheidung gefällt wird.

Wir haben in den nächsten Wochen kaum noch freie Kapazitäten, um sofort mit dem Umbauarbeiten beginnen zu können. Unser größtes Problem liegt darin, dass wir bei der Einstellung neuer Mitarbeiter derzeit auf der Stelle treten.“

Ich schaute Axel an und erklärte: „Deine Frage kann ich dir nicht beantworten. Ich habe Jason nicht danach gefragt, als er vorher anrief und mir die freudige Nachricht überbracht hat. Das können wir aber sofort nachholen, wird uns aber nicht weiterhelfen bei der Suche nach zusätzlichen Mitarbeitern.

Vielleicht sollten wir versuchen über verschiedene Zeitarbeitsfirmen den kurzfristigen Bedarf an Mitarbeitern abzudecken. Eine weitere Möglichkeit wäre, mit anderen Handwerksbetrieben zusammen zu arbeiten, mit dem Ziel einer Vereinbarung sich gegenseitig Mitarbeiter auszuleihen, sofern es freie Kapazitäten gibt.“

Bevor einer der Drei antworten konnte hatte ich mir das Telefon geschnappt und die Nummer des Architekturbüros gewählt. Ich hatte sofort Jason in der Leitung und stellte ihm sofort die gleiche Frage, die mir Axel vorher gestellt hatte. Ich erklärte ihm, dass ich ihn auf Lautsprecher stellen werde, da die Handwerker bei mir im Büro sitzen und dies ebenso gerne gewusst hätten.

Ohne lange nachzudenken, kam von Jason: „Die Frage ist nicht gerade einfach zu beantworten. Noch letzte Woche erhielt ich die Auskunft, dass es sich noch einige Wochen hinziehen könne, bis die Baugenehmigung und damit die Baufreigabe erteilt werden kann. Als ich heute am frühen Morgen den Anruf von der Baubehörde erhielt, habe ich selbst nachgefragt, woher der kurzfristige Sinneswandel komme.

 

Mir wurde erklärt, dass es mit den Planungen der Stadt und den Verkehrsbetrieben zusammenhänge, die auf dem Gutshofgelände einen neuen Haltepunkt für ihre Busse vorgesehen haben. Um deren Planungen für den Betrieb der geänderten Verkehrsführung rechtzeitig starten zu können, war eine Zustimmung des Stadtrats erforderlich. Man hatte das Thema kurzfristig in die gestrige Versammlung des Stadtrats aufgenommen und dort wurde, auf Grund der Tatsache, dass auf die Stadt für die Errichtung des neuen Haltepunktes keine größeren Kosten zukommen, die Planungsfreigabe für den Verkehrsbetrieb erteilt.

 

Uns als Baugenehmigungsbehörde waren die Hände gebunden und wir durften unsererseits die Baufreigabe erst nach Klärung dieses Punktes erteilen, da die Gefahr bestand, dass ihr die Stadt verklagen könntet, wenn wir die Baugenehmigung einschließlich des neuen Haltepunktes erteilen und später doch keine Freigabe durch den Stadtrat für die Verkehrsbetriebe erteilt wird.“

 

„Jetzt verstehe ich, warum jetzt alles so schnell ging,“ meinte ich. „Ohne unsere Zusage, die Zufahrt und den Haltepunkt für die Busse auf unsere Kosten zu erstellen, hätte es noch längere Zeit dauern können, bis die endgültige Baugenehmigung für unsere Neubauten erteilt wird. Da die Verkehrsbetriebe jedoch kurzfristig Planungssicherheit brauchten, um spätestens im nächsten Jahr, die geänderte Streckenführung in Betrieb zu nehmen, wurde jetzt kurzfristig das notwendige Genehmigungsverfahren durchgezogen.“

 

Jason antwortete: „Ja, das war der Grund dafür, dass wir heute bereits die vollständige und endgültige Baugenehmigung, zumindest vorab bereits mündlich erhalten haben. Schriftlich wird sie uns in den nächsten Tagen nachgereicht.

 

Die Freigabe für die Erdarbeiten für die Tiefgarage liegt bereits seit gut einer Woche vor, so dass wir zumindest mit den Vorarbeiten für das Neubauvorhaben hätten beginnen können. Ich habe bereits mit dem Unternehmen gesprochen, das den Aushub vornehmen wird, sie werden am Montag mit den Aushubarbeiten beginnen. Noch in dieser Woche wird die Baustelle eingerichtet und abgesichert.“

 

Nach kurzer Pause fuhr er fort: „Die Pläne für die Umbauarbeiten an den beiden anderen Gebäuden habe ich inzwischen Axel und Dennis übermittelt, sie könnten sofort mit den Arbeiten beginnen. Gleichzeitig hat Jenny die gesamten aktuellen Planunterlagen auf den von Philipp und Bernhard neu eingerichteten Server für alle Baupläne hochgeladen.

 

Bei zukünftigen Änderungen wird von uns nur noch ein Mail verschickt, mit dem Inhalt welche Pläne geändert wurden und wo sie zu finden sind. Du kannst den beiden Jungs sagen, dass der Chef des Unternehmens für den Rohbau begeistert war, als ich ihm das Konzept vorgestellt habe und er hat der zentralen Verwaltung der Baupläne sofort zugestimmt.

 

Vor allem hat ihn das Sicherheitskonzept eurer IT-Jungs für den Zugriff auf die Planunterlagen überzeugt. Ihr solltet darüber nachdenken, ob das nicht eine gute und neue Geschäftsidee ist, die ihr anderen Architekten und Bauunternehmen anbieten könntet.“

 

Ich dankte Jason für seine Ausführungen und sagte: „Über deine Idee für ein Vermarktung dieses Konzepts werde ich mit den Jungs sprechen, jetzt werde ich jedoch mit meinen Handwerkern erst einmal die nächsten Schritte für die Umbauarbeiten klären.“

 

Nachdem ich aufgelegt hatte, sagte ich zu Eddy, Axel und Dennis: „Ich hoffe ihr habt Zugang zu den Plänen. Wenn nicht sollten wir das umgehend ändern.“

 

Axel grinste und erklärte mir: „Ist längst alles geklärt, nur dass wir ab sofort damit arbeiten können, ist dann doch noch neu für uns. Kann ich meinen Laptop auspacken, dann können wir uns sofort die fertigen Pläne anschauen und das weitere Vorgehen abstimmen.“

 

Nachdem das Notebook gestartet war und Axel sich eingeloggt hatte, zeigte er uns die Pläne für die Umbaumaßnahmen. Eddy sagte zu uns: „Wenn wir bis Ende November mit dem Umbau fertig werden sollen und gleichzeitig ab Mitte Oktober auf der Großbaustelle die Arbeiten aufnehmen sollen, brauchen wir dringend Verstärkung.

 

Ich werde mich bei meinen Kollegen umhören, ob wir insbesondere für den Sanitär- und Elektrobereich kurzfristig ihre Mitarbeiter ausleihen können. Ansonsten bliebe noch die Möglichkeit, dass wir mit einem Unternehmen einen Kooperationsvertrag abschließen, bei dem wir gemeinsam einzelne Bauabschnitte durchführen.“

 

Ich schaute Eddy an und versprach ihm, mich bei den Leiharbeitsfirmen umzuhören, ob wir von ihnen für die nächsten Monate Verstärkung oder wenigstens Bauhelfer erhalten können. Immerhin besteht dabei auch die Chance, dass wir den einen oder anderen Mitarbeiter fest übernehmen und damit unseren Personalbestand deutlich ausbauen können.

 

Diesmal war es Dennis, der sich laut bemerkbar machte und sprach: „Ich habe bisher von Mitarbeitern aus Zeitarbeitsfirmen keine gute Meinung. Dort findest du doch fast nur die Leute, die von den Handwerksbetrieben nicht fest eingestellt wurden, weil ihre Leistungen in den meisten Fällen nicht ausreichend waren. Ich glaube kaum, dass wir mit solchen Mitarbeitern die engen Terminpläne einhalten können.“

 

Ich schaute Dennis an und nach kurzem Überlegen, sagte ich zu ihm: „Deine Aussage von eben solltest du dir jetzt schnell und sehr gut überlegen. Du gehörst genau wie Axel und ich zu einer Personengruppe, die immer noch von Teilen der Gesellschaft schief angesehen werden.

 

Stell dir vor, du hättest einen Chef, der mit deinem schwul sein nicht klarkommt und dir deswegen kündigt. Sicher wird er es nicht mit damit begründen, dass er keinen Schwulen beschäftigen will, er wird dir mangelnde Leistung vorwerfen. Andere haben Probleme mit der Hautfarbe eines Bewerbers und lehnen ihn deshalb ab.

 

Wir haben hier am Gutshof einen Mitarbeiter, dem hat sein bisheriger Chef gekündigt, weil er schwul ist. Er hat lange keinen neuen Arbeitsplatz gefunden, da sein bisheriger Chef seine Kollegen erfolgreich vor einem schwulen Mitarbeiter gewarnt hat.  So kann ich dir noch jede Menge weiterer Beispiele zeigen, wenn du es darauf anlegen solltest.

 

Ich bin eigentlich davon ausgegangen, dass dir dies nach unserem Einstellungsgespräch auch klar war. Gerade du solltest dich von solchen Vorurteilen schnellstens befreien. Intoleranz werde ich in allen Unternehmen und Geschäftsbereichen des Gutshofes niemals dulden. Ansonsten kannst du dir jederzeit einen neuen Arbeitgeber suchen.“

 

Eddy und die beiden Jungs schauten mich an, wobei Eddy den weit weniger geschockten Eindruck hinterließ als die beiden Jungs. Axel schaute mehrmals zwischen mir und Dennis hin und her, bevor er uns erklärte: „Peter sieht das völlig richtig und so kenne ich dich normalerweise auch nicht. Was ist nur ….“

 

Weiter kam er mit seinen Ausführungen nicht, den Dennis brüllte dazwischen: „Halt die Klappe Axel.“ Nach kurzer Pause fing er an uns zu erklären: „Ich weiß auch nicht, was da eben mit mir los war. Peter, ich hoffe, ich habe mit dem, was ich eben von mir gegeben habe, nicht das gute Vertrauensverhältnis zerstört, dass wir zwischenzeitlich aufgebaut haben.

 

Es tut mir unendlich leid, sowas dürfte mir nicht passieren, da bin ich deiner Meinung. Ich habe mich, ohne vorher gründlich darüber nachzudenken, einfach aus der Schublade der Vorurteile gegenüber Leiharbeitnehmern bedient. Vor allem habe ich nicht bedacht, dass dort möglicherweise Menschen arbeiten, die wegen ihrer persönlichen Einstellung diskriminiert werden.“

 

Als Axel etwas zu ihm sagen wollte, deute ich ihm, er solle jetzt nichts dazu sagen. Ich schaute Dennis an und erklärte ihm: „Vielleicht solltest du dir ein schon etwas älteres Sprichwort zu Herzen nehmen.

 

Dort heißt es „Vor dem Benutzen der Sprechwerkzeuge, Gehirn einschalten.“ Ich bin mir sicher, du weißt wie verletzend für andere Menschen dumme Aussprüche sind. Selbst du wirst in deinem Leben schon mehrfach damit konfrontiert worden sein, vor allem wegen deines Schwul seins.“

 

Ich machte eine kurze Pause, bevor ich weitersprach: „Jeder Mensch macht manchmal Fehler, davon ist keiner ausgeschlossen, selbst ich nicht. Solange du aus deinen Fehlern lernst, besteht immer noch Hoffnung für dich. Unser sehr gutes Verhältnis ist vielleicht für den Moment etwas angeknackst, aber sicher nicht zerstört, denn dann würde ich mich ebenfalls aus den Schubladen der Vorurteile bedienen.

 

Unser gutes Verhältnis baut auf deinen guten Leistungen auf und wie du in den letzten Wochen vorbildlich versucht hast unsere gemeinsamen Ziele zu erreichen. Arbeite weiter so wie bisher und denke zukünftig vorher darüber nach, bevor du wieder in eine Schublade mit Vorurteilen greifst. Machen wir einen Haken an diesem Thema und widmen wir uns wieder den dringlicheren Problemen, um den Umbau schnellstmöglich in Angriff zu nehmen und die Räumlichkeiten für die IT-Abteilung kurzfristig fertigzustellen.“

 

Erleichtert schaute mich Dennis an und meinte nur: „Danke Peter.“ Eddy, der bis jetzt geschwiegen hatte, meinte: „Wir haben einige unserer Handwerker auf die Baustelle im Hotel in Österreich abgestellt, damit dort alles rechtzeitig für die Eröffnung des Jugendhauses fertig wird.

 

Wenn ich unseren Leuten Glauben schenken darf, läuft es dort derzeit hervorragend und die eine oder andere Truppe könnte dort früher fertig sein als geplant, vor allem weil der österreichische Architekt einen hervorragenden Arbeitsablaufplan ausgearbeitet hatte. Ich werde heute noch mit unseren Leuten und dem Architekten sprechen, wie unsere Chancen stehen, dort früher fertig zu sein oder eventuell weitere Gewerke durch dort ansässige Unternehmen durchführen zu lassen.“

 

„Gut“ meinte ich, „dann prüft, inwieweit wir auf unsere eigenen Mitarbeiter zurückgreifen können und parallel dazu sprecht mit euren Handwerkskollegen, welche Möglichkeiten einer Zusammenarbeit machbar sind. Fragt auch bei unseren Mitarbeitern nach, ob sie nicht ehemalige Kollegen wüssten, die eventuell ihren bisherigen Arbeitgeber wechseln wollen oder derzeit keinen festen Job haben.

 

Vor allem im nächsten Jahr, wenn es um die Fertigstellung der neuen Wohnungen geht, werden wir sicher einiges an Unterstützung benötigen, um den engen Zeitplan von Jason und Jenifer einzuhalten. Ihr solltet dabei immer im Hinterkopf behalten, dass wir nicht nur diese eine Baustelle haben, sondern auch immer wieder Renovierungs- oder Sanierungsmaßnahmen im gesamten Immobilienbestand anfallen können.“

 

Als ich geendet hatte fragte Dennis: „Peter, darf ich mich mit dir zusammen um die neuen Leiharbeiter kümmern?“ Ich überlegte nicht lange, sondern erklärte sofort: „Gute Idee, dann werden wir beide gemeinsam versuchen, fehlende Kräfte auf diesem Weg zu beschaffen.

 

Ihr solltet euch nur vorher gut überlegen, bei welchen Gewerken wir bevorzugt Hilfe benötigen, damit wir gezielt an die Leiharbeitsunternehmen mit unseren Wünschen herantreten können. Bitte auch hier immer daran denken, dass außerplanmäßige Arbeiten dazwischenkommen können.“

 

Nach kurzer Pause erklärte ich weiter: „Wenn ich die Planung für die ersten vierzehn Tag richtig im Kopf habe, benötigen wir vor allem Mitarbeiter, die das vorhandene Gebäude leerräumen und entkernen. Erst danach beginnen die Einbauten mit den Trockenbauarbeiten in dem Gebäude.

 

Dennis, du wirst ab morgen, spätestens jedoch ab Montag, vorübergehend ein Büro im Gutshof beziehen um als erster Ansprechpartner für alle Handerker vor Ort da zu sein. Außerdem erleichtert es uns beiden die Zusammenarbeit bei der Beschaffung und Überwachung der Leiharbeiter, wenn du nicht immer zwischen deinem derzeitigen Büro bei den Handwerkern und dem Gutshof pendeln musst.“

 

Ich rief nach Petra und als sie in mein Büro eintrat beauftragte ich sie für Dennis kurzfristig einen Arbeitsplatz am Gutshof zu finden, damit wir während der nächsten Monate einen direkten Ansprechpartner für alle Handwerker vor Ort haben. Sie versprach, sich sofort um diese Angelegenheit zu kümmern.

 

Da mit den Dreien alles wichtige besprochen war, erklärte ich die Besprechung offiziell für beendet und bat sie mich auf dem Laufenden zu halten. Eddy meinte, er würde gerne mit mir noch ein Gespräch unter vier Augen führen und so verabschiedeten sich die beiden Jungs und fuhren ohne Eddie zurück ins Büro der Handwerker.

 

Damit saß ich nun mit Eddy allein im Büro und er erklärte mir: „Ich bin überrascht, wie du mit der Situation vorher um Dennis umgegangen bist. Eigentlich hatte ich befürchtet, du setzt ihn vor die Tür. Deine Worte, die du an ihn gerichtet hattest, waren hart, aber trotzdem hast du dich fair gegenüber Dennis benommen.

 

Ich weiß nicht, ob ich das auch so souverän gemeistert hätte. Auch deine sofortige Reaktion auf sein Angebot, mit dir zusammen bei den Zeitarbeitsunternehmen nach Hilfskräften zu suchen war alles andere als ich erwartet hätte. Mehr noch hat mich verwundert, dass er vorübergehend in ein Büro auf den Gutshof umziehen soll um vor Ort für alle Handwerker als Ansprechpartner zu dienen.“

 

Ich schaute Eddie tief in die Augen und sagte zu ihm: „Daran wirst du dich gewöhnen müssen, ich reagiere in vielen Situationen immer so, wie es nicht unbedingt von mir erwartet wird. Ich gebe dir Recht, meine Wortwahl Dennis gegenüber war hart, aber so habe ich es auch gemeint. Er sollte sich für die Zukunft immer vor Augen halten, dass ich intolerantes Verhalten gegenüber Mitarbeitern oder Kollegen keinesfalls dulden werde.

 

Gerade von einem Vorgesetzten erwarte ich in dieser Hinsicht ein tadelfreies Benehmen. Mit seiner Bitte, mit mir zusammen bei den Leiharbeitsfirmen vorstellig zu werden, um fehlendes Personal zu beschaffen, hat er mir gezeigt, dass er seinen Fehler eingesehen hat. Mit meiner Zusage zu unserer Zusammenarbeit bekommt er die Chance zu erlernen, wie er mit zukünftigen Personalengpässen umgehen kann, zum Wohle der Firma.

 

Was seinen vorübergehenden Arbeitsplatz am Gutshof angeht, hätten wir über kurz oder lang sowieso einen Mitarbeiter bestimmen müssen, der vor Ort für alle anderen Handwerker und den Bauunternehmer der Ansprechpartner sein soll. Mit dieser Maßnahme will ich ihm nur zeigen, dass unsere gute Zusammenarbeit durch den heutigen Vorfall nicht nachhaltig beeinträchtigt ist und ich ihm weiterhin vertraue.“

 

Eddy lachte und meinte: „Deine Begründung habe ich verstanden, nur ob ich so reagiert hätte, daran zweifle ich weiterhin. Eigentlich hätte ich es wissen können, denn unsere Gespräche beim Verkauf meiner Firma, waren alles andere als die Unterhaltungen, die ich vorher bereits mit anderen Interessenten geführt hatte. Ich hatte zu keinem Zeitpunkt bei dir das Gefühl, dass du mich nur über den Tischen ziehen wolltest. Selbst heute kann ich immer noch sagen, dass du bisher nie versucht hast, die Handwerker zu benachteiligen.

 

Deine Ehrlichkeit, dass du aus finanziellen Gründen vorerst nur die Firma übernehmen willst und zu einem späteren das Grundstück dazukaufen willst, hat mich damals schon schwer beeindruckt. Ich werde dich jetzt auch verlassen und nach Hause fahren, du hast sicher noch andere Dinge zu erledigen und kannst dich nicht nur um die Umbaumaßnahmen und den Neubau kümmern.“

 

Nachdem Eddy mein Büro verlassen hatte, kam Petra zu mir und meinte: „Gar nicht so einfach am Gutshof noch ein Büro für Dennis zu finden, es wird Zeit, dass wir weitere Büroräume bekommen. Philipp hat angeboten, dass er Dennis für knapp vierzehn Tage bei sich in der Abteilung unterbringen könne, bis der Urlauber wieder zurück ist. Aber das ist sicher nicht die Lösung, die dir vorschwebt. Ich bat sie mich mit Jason zu verbinden, vielleicht konnte er mir weiterhelfen.

 

Im Gespräch mit Jason stellte sich sehr schnell heraus, dass er uns einen Büro-Container beschaffen könne, der bis zur endgültigen Fertigstellung der Neubauten bleiben würde. Ich bat ihm kurzfristig zu klären, wann der Container geliefert werden könne.

 

Danach rief ich Dennis im Büro an und meinte zu ihm, wir haben einen Platz für dich gefunden, Jason klärt gerade ab, wann ein passendes Bauleiterbüro geliefert werden könne. Bis zur Lieferung und Inbetriebnahme dieses Containers wird er mit einem Arbeitsplatz in meinem Büro vorliebnehmen müssen.

 

Ich beauftragte ihn sich mit Jason in Verbindung zu setzen, um den genauen Aufstellort zu klären und welche Anschlüsse erforderlich sind. Danach sollte er gleich die Planung für die notwendigen Anschlüsse erstellen und in Auftrag geben. Ich erklärte ihm noch, dass sein neues, wenn auch vorübergehendes Büro oberste Priorität hat und alles andere notfalls ein oder zwei Tage verschoben werden soll. Zum Schluss meinte ich, wir sehen uns morgen früh in meinem Büro.

 

Ich bat Petra, einen etwas kleineren Schreibtisch und eine Bürostuhl aus unseren Beständen zu organisieren, die spätestens heute Abend in meinem Büro stehen sollten. Sie versprach spätestens nach der Mittagspause mit Alejandro zu reden, damit bis heute Abend alles aufgebaut ist. Bevor ich in die Kantine zum Mittagessen verschwand, schaute ich noch kurz im Büro bei Philipp vorbei und bat ihn mit Bernhard so gegen vierzehn Uhr bei mir im Büro zu sein, wobei ich ihnen den Grund dafür vorsichtshalber noch nicht nannte.

 

Die beiden tauchten Punkt vierzehn Uhr in meinem Büro auf und wir setzten uns gemeinsam in die Besprechungsecke. Zuerst bat ich Bernhard mir kurz das neue Projekt mit den Bauplänen zu erklären, dass er mit Jason gestartet habe. Zu meiner Schande musste ich mir eingestehen, dass ich bisher keinen blassen Schimmer davon hatte, was meine IT-Truppe wieder ausgeheckt hatte.

 

Das sagte ich den Beiden auch deutlich. Philipp grinste und meinte: „Das kann dir Bernhard bestens erklären, ich sage nur so viel, die Idee, die er wieder einmal hatte, war so genial, dass wir sie gemeinsam mit Jason und Jennifer umgesetzt haben.“

 

Bernhard schien in diesem Moment etwas unsicher zu sein, was ihm deutlich anzusehen war. Immerhin hatte er mit Duldung von Philipp, aber ohne mich vorher zu informieren, eine geänderte Speicherung für Baupläne entwickelt.

 

Bevor er etwas äußern konnte, versuchte ich ihm die Unsicherheit zu nehmen und sagte: „Deinen Kopf wird es dich nicht kosten, Jason hat immerhin von deiner Entwicklung geschwärmt. Er hat sogar vorgeschlagen, daraus eine neue Geschäftsidee zu generieren. Er hat dein Projekt einem Kollegen und einem Bauunternehmer gezeigt und die waren sofort hellauf begeistert.“

 

Jetzt traute sich Bernhard doch und erklärte: „Hinter dem Projekt steht kein großer Aufwand, im Grunde genommen habe ich nur die bereits vorhandene Dokumentenverwaltung für Baupläne etwas umstrukturiert und erweiterte Zugriffsberechtigungen eingebaut, die es Dritten ermöglicht, beteiligten Partnern den Zugriff auf die abgelegten Pläne einzuräumen. Der gravierende Unterschied zu den bekannten Programmen liegt nur in der Speicherung der Daten in einer eigens gesicherten Umgebung.

 

Wenn daraus eine Geschäftsidee werden sollte, sehe ich kein Problem das auch anderen Handwerkern, Architekten oder Bauunternehmen anzubieten. Wir müssen nur reichlich Speicherplatz für die Daten bereitstellen und die Grundstrukturen für jeden Kunden einrichten. Dem Kunden obliegt es danach, seine Zugriffsstrukturen auf die Daten selbst zu regeln, wobei er umfangreiche Berechtigungsstrukturen aufbauen kann.“

 

Nach kurzer Pause erklärte er weiter: „In unserem Fall ist es jetzt so, dass Jason einen Mitarbeiter unseres Handwerksbetriebes eine Administrationsaccount angelegt hat und sämtliche Pläne, die mit diesem Account gespeichert sind, können von dieser Person für weitere Kollegen oder Personengruppen innerhalb des eigenen Unternehmens freigegeben werden. Dabei kann diese Freigabe wiederum einen Administrationsaccount enthalten für weitere Freigaben.“

 

Nachdem ich ihn fragend anschaute, meinte er: „Ich kann dir gerne ein Beispiel dazu geben. Angenommen Jason hat einen Plan fertiggestellt und stellt ihn für die Bauausführung einen Generalunternehmer zur Verfügung. Der entscheidet welcher Subunternehmer den Plan benötigt und vergibt diesem die Administrationsrechte an diesen Plänen für dessen Unternehmen.

 

Dem Subunternehmer trifft jetzt die Aufgabe seinen Mitarbeitern die Pläne zugängig zu machen, indem er innerhalb seines Unternehmens die Zugriffsberechtigungen an seine Mitarbeiter vergibt. Der große Vorteil liegt darin, dass jeder Berechtigte per Mail einen Hinweis bekommt, wenn neue oder aktualisierte Pläne hinterlegt werden und beim Zugriff immer der neueste Plan zuerst angezeigt wird.“

 

„Hinzu kommt noch ein besonderes Feature,“ fuhr er fort, „das auf Wunsch von Jason eingeführt wurde. Der ausführende Handwerker kann bei seinen Plänen eine sogenannte Planungssperre hinterlegen, wenn er mit der Ausführung der Arbeiten beginnt. Für den Architekten würde das bedeuten, dass er Rücksprache beim Handwerker nehmen muss und Änderungen an den Plänen zu besprechen sind, um zusätzliche Kosten und Ausführungsprobleme zu vermeiden.“

 

Ich schaute die beiden Jungs an und fragte: „Was meinte Jason damit, als er zu mir meinte, wir sollten das als neue Geschäftsidee verwirklichen? Ich frage mich, wer das bei uns Umsetzen kann und welche Investitionen dafür erforderlich sind. Mich würde auch interessieren, wie schnell unser neues Rechenzentrum damit wieder an seine Grenzen stoßen könnte. Wer übernimmt die Schulung und den Support bei den Kunden vor Ort vor, ich kann mir nicht vorstellen, dass dies so völlig ohne Hilfestellung laufen wird.“

 

Philipp erklärte mir: „Viele Fragen, die du da aufgeworfen hast und das sind bestimmt noch nicht alle, die sich bei so einem Projekt stellen werden. Ich würde mich gerne mit allen Mitarbeitern der IT zusammensetzen, damit wir gemeinsam eine vernünftige Lösung finden können. Zur Frage nach Problemen mit dem Rechenzentrum kann ich derzeit nur antworten mit der Feststellung, Platz ist in den neuen Räumlichkeiten ausreichend vorhanden, vor allem, auch weil die eingesetzten Speichermedien immer leistungsfähiger werden.

 

Was den Personalbedarf betrifft, werden wir sicher den einen oder anderen Mitarbeiter langfristig zusätzlich benötigen. Ich würde vorschlagen, langsam zu starten und je nachdem wie sich das entwickelt, weitere Schritte zu planen. Was wir aber sofort berücksichtigen sollten, wäre dabei die Tatsache, dass die Büros in dem neuen Gebäude nicht mehr für andere Bereiche zur Verfügung stünden.“

 

Ich schaute ihn an und erklärte den Beiden: „Wenn ich das richtig sehe, besteht die Möglichkeit, dass sich das relativ schnell, durch einen gewissen Schneeballeffekt ausbreiten kann. Hinzu kommt aus meiner Sicht, dass die Dienstleistungen innerhalb des Systems noch ausbaufähig wären. Ich könnte mir gut vorstellen, dass ich als Bauherr oder Architekt das gesamte Ausschreibungswesen über dieses System abwickeln möchte.

 

Ich bin mit deinem Vorschlag einverstanden, dass ihr euch erst einmal intern zusammensetzt und alles in aller Ruhe überlegt. Sprecht mit Jason über meinen Vorschlag und überlegt gemeinsam, welche weiteren Dienstleistungen in diesem Zusammenhang vorstellbar wären. Sprecht auch mit Eddy, Axel und Dennis, die aus der Sicht der Handwerker ihren Beitrag dazu leisten könnten. In zwei Wochen setzen wir uns in einer größeren Runde zusammen und diskutieren über das Projekt und seine Umsetzungsmöglichkeiten.“

 

Bernhard meldete sich wieder und sagte: „Was soll ich Jason antworten, der bei mir angefragt hat, ob wir den befreundeten österreichischen Architekten und seine Handwerker ab sofort in dieses Projekt einbinden können. Damit hätten wir alle Unterlagen des neuen Jugendhauses in Österreich sofort in unserem neuen System.

 

Es besteht die Gefahr, damit möglicherweise bereits eine erste Lawine loszutreten, von der wir kurzfristig überrollt werden könnten. Peter, bekomme ich deine Zustimmung, damit könnten wir auch feststellen, ob weitere Außenstehende, interessiert sein könnten.“

 

Ich überlegte kurz und antwortete Bernhard: „Für dieses Projekt hast du meine Zustimmung, immerhin liegt es zuerst in unserem eigenen Interesse, vollständige Planunterlagen von den Immobilien des Gutshofes und der Stiftung zu besitzen. Aber weitere potenzielle Interessenten werden vertröstet, bis wir in zwei Wochen unsere große Runde hatten und eine Entscheidung getroffen wurde.“

 

Philipp und Bernhard verabschiedeten sich und gingen in ihre Büros zurück. Ich widmete mich wieder meinen sonstigen Aufgaben und bearbeitete in aller Ruhe meine eingegangenen Mails ab. Ein Mail von Thomas weckte meine Aufmerksamkeit, er erinnerte mich an unser heutiges Treffen mit Philipp, Marcus, Manuel und Daniel wegen der Gäste, die sie zur Hochzeit einladen wollen.

 

Er fragte nach, ob er etwas zum Kochen einkaufen solle. Ich antwortete ihm, dass wir heute nur für uns kochen werden, und anschließend die Liste für die Einladungen erstellen werden. Danach rief ich bei Manuel an und erzählte ihm wie unser heutiges Treffen ablaufen sollte. Später ging ich noch ins Büro von Philipp und Marcus, um die Beiden von meinem Plan zu informieren.

 

Später am Nachmittag rief ich Werner, unseren Marketingspezialisten an, um mit ihm über mögliche Marketingaktionen für das Projekt Bauplanmanagement zu führen. Wir trafen uns kurze Zeit später in meinem Büro und ich erklärte ihm, so ausführlich wie möglich, was es mit diesem Projekt auf sich hat.

 

Da ich ihm nur das erklären konnte, was mir die Jungs bisher verraten hatte, meinte ich: „Für weitere Details müsstest du dich mit Bernhard und möglicherweise Philipp kurzschließen, Bernhard hat das zusammen mit Jason, unserem Architekten entwickelt. Außerdem habe ich sie gebeten, darüber nachzudenken, ob weitere sinnvolle Erweiterungen möglich sind.“

 

Werner dachte kurz nach, bevor er mir antwortete: „Aus Sicht einer Marketingabteilung kann jedes Produkt gepuscht werden. Nur wenn ich deinen bisherige Ausführungen Glauben schenken kann, könnte sich das Projekt wirklich als sogenannter Selbstläufer entwickeln und dann brauchst du keinerlei Marketingaktivitäten.

 

Du solltest dir aber vorher überlegen, ob du diese Aktivitäten nicht in eine eigene Firma auslagerst. Ich würde sogar empfehlen, dass Unternehmen als weitere Gesellschaft der Stiftung zu gründen. Mit einem Gewinnabführungsvertrag hätte die Stiftung weitere Einnahmen, die nicht aus Immobilien kommen würden.“

 

In Ruhe dachte ich über Werners Vorschlag nach und nach einer längeren Pause erklärte ich ihm: „Dass wir dafür eine eigene Gesellschaft gründen müssen, war mir von vornherein klar. Immerhin wäre es ein weiterer Geschäftszweig, den wir neu schaffen.

 

Deine Idee, das als Unternehmen zu gründen, bei dem die Stiftung Eigentümer wäre klingt so gut, dass sich intensives Nachdenken darüber lohnt. Warten wir aber erst einmal ab, zu welchem Ergebnis die Jungs kommen. Ich werde mir inzwischen Gedanken machen, wen ich als Geschäftsführer in der Firma einsetzen könnte.“

 

An Werner persönlich gerichtet sagte ich: „Du solltest dir, trotz deiner Überzeugung, dass es sich um einen Selbstläufer handelt, Gedanken darüber machen, wie wir gegebenenfalls das Produkt einer größeren Öffentlichkeit bekannt machen können, ohne gleich die große Werbetrommel anzuwerfen. Vergiss dabei nicht den Aspekt, dass die Gewinne der Gesellschaft einem gemeinnützigen Zweck zugutekommen.“ Danach verabschiedete ich mich von Werner und saß kurze Zeit später wieder allein in meinem Büro.

 

Dass ich Bernhard zum technischen Geschäftsführer des neuen Unternehmens bestellen wollte, darüber war ich mir schon nach kurzem Nachdenken klar geworden. Ich wollte bei ihm nur abwarten, bis er Anfang nächsten Jahres seine Ausbildung abgeschlossen hat. Für die kaufmännische Seite war ich mir nicht so sicher, ob ich ihn mit dieser Aufgabe betreuen konnte, immerhin ich wollte ihn nicht von vornherein überfordern.

 

Jason wäre eine Möglichkeit, die ich jedoch schnell wieder verwarf, da er vermutlich nicht die Zeit hatte, sich zusätzlich damit zu beschäftigen. Ich wollte ihn jedoch anstandshalber vorher befragen. Als nächster kam mir Ludwig in den Sinn, er arbeitet für die Stiftung. Ihn konnte ich mir in dieser Position verdammt gut vorstellen. Je mehr ich darüber nachdachte, desto besser gefiel mir die Kombination und ich verdrängte den Gedanken an Jason.

 

Ich telefonierte kurz mit Ludwig und bat ihn, wenn er Zeit hat in mein Büro zu kommen. Er meinte, im Augenblick sei es gerade günstig und er würde sofort bei mir vorbeikommen. Zwei Minuten später stand er bereits im Büro und ich bat ihn sich zu setzen.

 

Zuerst erklärte ich ihm, was ich in den letzten Stunden über das neue Projekt von Bernhard und Jason erfahren hatte und erzählte ihm von meinem Gespräch zu diesem Thema mit Werner. Bevor ich ihm von meinen Plänen, zum einen, mit Bernhard und ihm erzählen wollte und wie ich mir das vorstellte, bat ich ihn um seine Meinung zu der Idee von Jason, es war immerhin nicht Bernhards Einfall gewesen, daraus eine neue Geschäftsidee zu kreieren.

 

Er überlegte doch längere Zeit, bevor er mir antwortete: „Ich bin mir nicht sicher, ob das wirklich so ein genialer Einfall ist, ich denke da nur an die letzten Diskussionen, die im Übrigen noch nicht einmal sehr lange zurückliegen, wenn du die Jungs von der IT-Abteilung mit neuen Aufgaben konfrontiert hast.

 

Du hast Philipp versprochen den Expansionskurs herunterzufahren, damit sie die Integration der bisherigen Übernahmen und die Erbschaften der Stiftung in Ruhe über die Bühne bringen können. Wenn du jetzt mit diesem neuen Projekt an sie herantrittst, fürchte ich, dass es erneut zu größeren Diskussionen kommen wird. Willst du dir das und den Kollegen in der IT-Abteilung wirklich zumuten.“

 

Er schaute mich fragend an und ich erklärte ihm: „Ich bin mir sicher, dass von den Jungs, in diesem Fall, keine großen Einwände kommen werden, immerhin waren Philipp und Marcus bei dem Gespräch heute Mittag dabei. Wenn sie Einwände gehabt hätten, hätten sie es bereits zu diesem Zeitpunkt von sich gegeben.

 

Ich bin sogar überzeugt davon, da das neue Projekt aus ihrem Bereich stammt, werden sie nichts dagegen einwenden, weil ich sie ansonsten ausnahmsweise mit ihren eigenen Aussagen zum Thema Kürzertreten konfrontieren würde, und dass wäre den Jungs in diesem Fall wahrscheinlich äußerst unangenehm. Aber einmal davon abgesehen, wie findest du den Vorschlag von Jason, das Produkt zu vermarkten?“

 

Diesmal antwortete Ludwig, ohne weiter nachzudenken: „Grundsätzlich finde ich die Idee von Jason gar nicht so verkehrt, vor allem wenn sich die Vermutung bestätigen sollte, dass es sich zu einem Selbstläufer entwickeln kann. Mich würde eher interessieren, wie du das alles abwickeln willst und welche Rolle ich dabei übernehmen soll. Ich kann mir dabei keinen vernünftigen Grund vorstellen, warum du gerade mit mir über dieses Projekt sprichst.“

 

Er hatte also den Braten gerochen, das mehr hinter dem Gespräch stecken könne als nur eine harmlose Plauderei über ein neues Vorhaben. Ich schaute ihn mit einem verschmitzten Lächeln an und sagte: „Okay, ich merke schon, du wunderst dich, warum ich gerade mit dir darüber spreche, das werde ich dir jetzt Schritt für Schritt erklären und auch welche Aufgabe ich für dich dabei vorgesehen habe.“

 

Er unterbrach mich und sagte zu mir: „Habe ich also doch richtig vermutet, dass ich bei deinen Plänen eine Rolle spiele. Nur, was wenn ich die Aufgabe gar nicht übernehmen will. Hast du dann eine Alternative, die du umsetzen kannst. So wie ich dich kenne, hast du dir sicher bereits darüber Gedanken gemacht.“

 

Ich lachte und meinte: „Du solltest dir erst einmal mein Konzept anhören und dann entscheiden, ob du überhaupt ablehnen willst oder kannst.“ Mit dieser Aussage hatte ich ihn sicher jetzt noch mehr verwirrt, aber da musste er jetzt durch.

 

Ich gab ihm keine Gelegenheit darauf zu antworten und erklärte ihm meine Vorstellungen: „Für dieses Projekt werden wir eine eigene Gesellschaft mit beschränkter Haftung gründen. Gesellschafter dieses Unternehmens wird die Stiftung sein, so wie es Werner mir vorgeschlagen hatte, mit der Begründung, damit eine weitere Einnahmequelle für die Stiftung zu generieren. Ab dem Zeitpunkt bist du bereits in die Sache verwickelt, weil du Mitarbeiter der Stiftung bist. Das meinte ich eben, als ich dir ankündigte, ob du überhaupt ablehnen kannst.“

 

Bernhard lachte laut auf und als er sich wieder beruhigt hatte sagte er zu mir: „Okay, ich jetzt habe ich deine Aussage von eben verstanden, aus der Nummer komme ich zumindest nicht mit einer einfachen Ablehnung heraus, das ist bei mir eindeutig angekommen.“

 

Nachdem er sich wieder beruhigt hatte, setzte ich fort: „Ich habe mir dabei vorgestellt zwei Geschäftsführer oder Prokuristen in dieser neuen Gesellschaft einzusetzen, nicht wie bei den bisherigen Gesellschaften mit einem Geschäftsführer und einem oder mehreren Prokuristen. Ich würde gerne Bernhard nach Abschluss seiner Ausbildung als technischen Geschäftsführer für die Weiterentwickelung der Software und den technischen Betrieb der Hardware einsetzen und du sollst die kaufmännische Geschäftsführung dabei übernehmen.

 

Ich bin mir sicher, die Firma wird nicht nur aus euch beiden bestehen, denn gerade im technischen Bereich werden wir weitere Mitarbeiter einstellen als Programmierer und Mitarbeiter für den Support und für die Einrichtung der Strukturen der neuen Kunden. Allein wird das Bernhard auf Dauer nicht erledigen können. Zu deinen Aufgaben würde die Personalbeschaffung, das Vertragswesen und alle sonstigen kaufmännischen Aufgaben gehören. Dazu wirst du Mitarbeiter für die Abwickelung der Verträge benötigen.

 

Die Buchhaltung wird sicher im Bereich von Klaus angesiedelt werden. Mein einziges Problem ist derzeit nur, wo ich die Mitarbeiter der neuen Firma unterbringen kann. Spätesten im Sommer nächsten Jahres werden riesige Probleme auftauchen, wenn bis dahin keine vernünftige Lösung gefunden wird.

 

Zusätzlich sehe ich Schwierigkeiten bei unserem Handwerksbetrieb, für den die Büro- und Lagerräume im bisherigen Gebäude langfristig nicht ausreichend sind. Vermutlich werden wir dort um einen Erweiterungsbau nicht herumkommen.“

 

Damit hatte ich meine Ausführungen beendet und wartete jetzt auf die Reaktion von Ludwig. Er überlegte längere Zeit, bevor er mir erklärte: „Ich hätte immer noch mit der Stiftung zu tun, aber die neuen Aufgaben unterscheiden sich doch gewaltig von dem, mit dem ich mich derzeit beschäftige. Wer soll in der Stiftung meine Aufgaben übernehmen, wenn ich dir meine Zusage gebe?“

 

Ich schaute ihn an und erwiderte: „Anfänglich bleibst du noch bei der Stiftung, bis das neue Projekt richtig anläuft und du nach und nach in der Stiftung deine Aufgabengebiete abgibst. Deine Aufgaben kann Felix nach und nach übernehmen, auch wenn er noch in der Ausbildung steckt. Langfristig werden wir noch eine oder zwei Auszubildende oder Auszubildenden suchen, zur Verstärkung der Stiftung. Möglicherweise kann auch ein Münchner Kollege aus der Immobilienverwaltung in der Stiftungsverwaltung einsteigen.

 

Ich brauche deine Zusage nicht sofort, aber in den nächsten vierzehn Tagen solltest du dich doch entscheiden, dann findet unser erstes Treffen für dieses Projekt statt. Diese Zeit habe ich den Jungs von der IT-Abteilung eingeräumt, um ein vernünftiges Konzept zu erarbeiten. Noch eine Bitte, keine Information an irgendwen über unser geführtes Gespräch, ich will allen Beteiligten selbst von meinen Plänen erzählen.“

 

„Kein Problem,“ meinte Ludwig, „von mir erfährt vorher keiner etwas. Im Grunde genommen habe ich mich bereits entschieden, mich reizt die neue Aufgabe und da die Verbundenheit zur Stiftung bleibt, fiel mir die Entscheidung nicht schwer. Die Zusammenarbeit mit Bernhard dürfte keine Probleme bereiten, wir verstehen uns hervorragend. Bei deinen Überlegungen zu den Raumproblemen werde ich mir Gedanken machen und dir demnächst meine persönlichen Überlegungen vorstellen.“

 

Ich verabschiedete mich von Ludwig und meinte: „Ich freue mich, dass du die neue Aufgabe übernehmen willst, willkommen im Kreis der Führungsriege der Gutshofunternehmen. Damit bist du zukünftig bei allen Gesprächen zur neuen Firma mit dabei und ab dem neuen Jahr auch bei den vierteljährlichen stattfindenden Treffen aller Geschäftsführer und Prokuristen. Wenn du zur Unterbringung der Mitarbeiter eine gute Idee haben solltest, setzen wir uns gerne zu einem Gespräch zusammen, gemeinsam werden wir sicher eine Lösung finden.“

 

Ludwig hatte mein Büro verlassen und in diesem Moment fiel mir ein, dass ich heute eigentlich mit Barbara vom Jugendamt sprechen wollte, wegen eines Termins. Ich schnappte mir mein Telefon und wählte ihre Nummer. Nach mehrmaligem Anklingeln meldete sie sich mit „Hallo Peter“.

 

Ich begrüßte sie und erzählte ihr von meinem Anliegen: „Barbara, ich brauche jemand, der mir für die schwulen Jungs eine To-Do-Liste erstellt, wie sie sich verhalten sollen, wenn sie als schwules Pärchen Kinder adoptieren wollen, wobei ich nicht nur an meinen Sohn und seinen Freund dabei denke, sondern allgemein. Ich habe mir überlegt, dass auch bei unserer Jugendgruppe und bei unserem Stammtisch der Angehörigen vorzustellen, da ich davon ausgehe, dass es auch für sie ein interessantes Thema sein könne“.

 

Barbara lachte und antwortete mir: „Peter sei doch ehrlich, du und Thomas wollt doch Kinder adoptieren und deswegen sprichst du mich an“.

 

Ich lachte laut auf und als ich mich etwas beruhigt hatte erklärte ich ihr: „Keine Sorge, Thomas und ich werden sicher keine Kleinkinder adoptieren wollen, mit uns könntest du eher darüber reden, wenn du einen schwulen jungen Mann hast, für den du einen Pflegeplatz suchen würdest. Diesmal geht es mir um schwule und lesbische Jugendliche, die gerne ein Kind in ihre Familie aufnehmen wollen, wobei die Mädchen da sicher weniger Probleme haben, da sie auf natürliche Weise, Mutter eines Kindes, werden können“.

 

Jetzt lachte Barbara und erklärte mir; „Ich bin deiner Meinung, was die Mädchen anbetrifft. Für sie ist es sicher einfacher eigene Kinder zu bekommen. Aber weil du gerade das Thema Pflegschaft angesprochen hast, ich hätte da einen Fall, wo unsere Münchner Kollegen unter anderem bei uns angefragt haben, ob wir vielleicht ein Paar wüssten die einen fünfzehnjährigen schwulen Jungen aufnehmen könnten, der bereits mehrmals von der Polizei auf dem Münchner Straßenstrich aufgegriffen wurde.

 

Seine Eltern wollen wegen seiner Veranlagung nichts mehr mit ihm zu tun haben und haben ihn vor die Tür gesetzt. Die Kollegen in München sind der Meinung, dass eine weitere Unterbringung in einem Kinderheim in München auf Dauer nicht sinnvoll ist, da er dort immer wieder das Heim verlassen und auf dem Straßenstrich auftauchen würde. Ich hatte da sofort an euch beide gedacht, da aber von euch kein Pflegschaftsantrag vorliegt habe ich es sofort wieder verworfen“.

 

Ich antwortete ihr: „Wenn wir euch und dem Jungen damit helfen können, kläre ich das Thema heute Abend mit Thomas ab und wir können uns morgen Abend treffen und die Angelegenheit besprechen. Gleichzeitig können wir uns ausführlicher über das angesprochene Thema, Adoption von schwulen und lesbischen Pärchen austauschen“.

 

Barbara meinte: „Okay dann bin ich morgen so gegen achtzehn Uhr bei euch, eine Stunde sollte für unser Gespräch reichen und ich bin danach nicht zu spät zu Hause“.

 

Inzwischen war es so spät geworden, dass ich mich von Petra für heute verabschiedete und nach oben in die Wohnung ging, um das Abendessen für Thomas und mich vorzubereiten. Ich war kaum fertig mit den Vorbereitungen stand Thomas in der Küche und fragte: „Wann kommen die Jungs zu unserer Gesprächsrunde, wen sie zur Hochzeitsfeier einladen wollen.“ Ich antwortete ihm: „Keine Sorge, wir können in aller Ruhe zu Abend essen und dann bleibt uns noch genügend Zeit, um wieder Ordnung zu schaffen.“

 

Thomas nahm mich in den Arm und sagte: „Dann habe wir jetzt sicher noch ein paar Minuten nur für uns zwei,“ und fing an mit mir zu knutschen. Er drückte mich noch fester an sich und unsere Zungen kämpften miteinander. Eigentlich war ich so eine Begrüßung von ihm nicht gewohnt, gewöhnlich verhielten wir uns eher wie ein in die Jahre gekommenes Ehepaar.

 

Mir gefiel die Situation und so ließ ich mich von unserer Leidenschaft minutenlang mitreißen, bis ich schließlich zu ihm meinte, „Wir sollten das später am Abend noch vertiefen, aber für den Moment sollten wir doch besser versuchen mit dem Essen fertig zu sein, wenn die Jungs nachher zu uns kommen. Ich kann ansonsten für nichts garantieren, wenn wir so weiter machen wie in den letzten Minuten.“

 

Thomas lachte und erklärte mir: „Prinzipiell hätte ich nichts dagegen einzuwenden,“ zog mich näher zu sich heran und setzte fort: „aber im Prinzip muss ich dir recht geben. Wir sollten lieber unser Abendessen hinter uns bringen, für alles andere haben wir später auch noch Zeit, hoffe ich zumindest. Wäre schon peinlich, wenn die Jungs hier auftauchen und wir wären noch immer mit Zungenzweikampf oder ähnlichem beschäftigt.“

 

Wir blieben zum Essen gleich in der Küche, ich hatte für uns den kleinen Tisch gedeckt. Während wir aßen, unterhielten wir uns über unsere Ideen zur Dreifach-Hochzeit und über unsere Liste der einzuladenden Gäste. Thomas erklärte mir, dass er heute die Gästeliste in eine neue Form gebracht hatte, in die nachher die Wünsche der Jungs mit eingetragen werden.

 

Er habe sie so umgestellt, dass wir sofort sehen, wo es gemeinsame Hochzeitsgäste geben wird und welche Personen von den Jungs zusätzlich hinzukommen, beziehungsweise nur von uns eingeladen werden. Ich antwortete ihm, dass wir uns zuerst mit der Liste beschäftigen sollten und anschließend den Ablauf des Tages planen sollten, vor allem da die Einladungen rechtzeitig zu verschicken sind.

 

Da das Thema damit erst einmal abgehandelt war berichtete ich ihm über mein Gespräch mit Barbara und erzählte ihm, dass wir morgen um achtzehn Uhr einen Termin, bei uns zuhause, mit ihr hätten. Sie will mit uns über das Thema Adoption bei schwulen und lesbischen Paaren sprechen und was wir uns dabei so gedacht hätten.

 

Bei meinem Gespräch hat sie so nebenbei anklingen lassen, dass sie von ihren Kollegen vom Münchner Jugendamt angesprochen wurde, ob sich in ihrem Bezirk ein Paar befände, die einen fünfzehnjährigen schwulen Jungen in Pflege aufnehmen könne, da er inzwischen mehrfach in München auf dem Straßenstrich aufgegriffen wurde.

 

Sie hätte da schon an uns beide gedacht, aber sich nicht getraut, von ihrer Seite das Thema bei uns anzusprechen, weil von uns kein Antrag vorliegen würde, eine Pflegschaft für ein Kind zu übernehmen. Bei meiner Anfrage wegen Adoptionsbestimmungen für schwule Pärchen, hat sie zuerst gemeint, wir würden ein Kind adoptieren wollen.

 

Erst als ich zu ihr sagte, für eine Adoption seien wir beide wohl doch schon etwas zu alt und ich könnte mir eher eine Pflegschaft für einen schwulen Jungen vorstellen, hat sie mir die Geschichte des Jungen erzählt. Ich habe mit ihr vereinbart, dass wir heute miteinander reden und morgen bei unserem Gespräch mit ihr die Angelegenheit klären könnten.

 

Thomas erklärte mir dazu: „Prinzipiell kann ich mir das schon vorstellen und den Platz für einen Jungen hätten wir auch. Da er hier nicht nur uns zwei Alte als Ansprechpartner für seine Probleme hätte, immerhin gibt es genug schwule Jungs, die uns und ihn unterstützen könnten. Lass uns morgen mit Barbara zu diesem Thema weiterreden, wenn sie bei uns zu Besuch ist“.

 

Wir hatten kaum zu Ende gegessen und die Küche wieder aufgeräumt hinterlassen, als die vier Jungs auftauchten. Wir setzten uns in die Essecke, die Platz für mehr als sechs Personen bot und Thomas erklärte den Jungs, dass wir uns heute zuerst um die einzuladenden Gäste kümmern wollen. Wenn danach noch Zeit verbliebe, könnten wir weitere Themen ansprechen.

 

Thomas startete sein Notebook, dass er schon vorher am Esstisch aufgebaut hatte und erklärte nebenbei den Jungs, dass er unsere bisherige Liste umgearbeitet hätte, zum einen, dass die Hochzeitsgäste der Jungs eingetragen werden können und wir gleichzeitig vermerken, welche Gäste sowohl von uns als auch von den beiden anderen Hochzeitspaaren vorgesehen sind.

 

Wir gehen davon aus, dass es einige Überschneidungen geben wird. Als ein Beispiel nannte er Philipps Schwester, die sowohl bei uns beiden, aber auch bei Philipp und Marcus auf der Liste stehen würden.

 

Ich blickte zu Manuel und Daniel und sagte: „Ich gehe davon aus, dass Manuels Eltern auf eurer Liste stehen, die beiden sind auf unserer Liste bereits vorhanden. Ich gehe weiter davon aus, da Philipp und Marcus wenig Kontakt mit deinen Eltern haben, werden sie wahrscheinlich nicht auf ihrer Liste zu finden sein. Ich vermute jedoch sehr stark, dass einige von unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf allen Listen zu finden sind. Vor allem bei den Jungs gehe ich davon aus.“

 

Manuel schaute mich an und erklärte: „Wir haben verstanden, was ihr meint, es wird Gäste geben, die nur einem Paar zuzuordnen sind. Es wird auch Personen geben, die von zwei oder sogar von allen drei Hochzeitspaaren eingeladen werden. Ich denke, bei der Zusammenstellung werden wir sicher noch feststellen, dass wir in der Kürze der Zeit, den einen oder anderen übersehen haben und der nicht auf unserer vorläufigen Liste steht.“

 

Die nächsten gut zwei Stunden waren wir intensiv damit beschäftigt, die Namen in die Einladungsliste einzutragen und zu vermerken, von wem sie eingeladen werden. Dabei stellten wir fest, dass sehr viele Hochzeitsgäste auf allen drei Listen anzutreffen waren.

 

Als wir fast fertig waren meinte ich: „Manuel, wie wäre es, wenn du deinen Onkel Richard mit seinem Lebenspartner Hans ebenfalls einladen würdest und nicht nur deine sonstigen Tanten und Onkels mit ihren Familien. In diesem Fall wären sie auch meine und Thomas Gäste.“

 

Er schaute mich kurz an, bevor er antwortete: „Ich habe schon kurz daran gedacht, nur konnte ich mich nicht dafür entscheiden, auch mit Rücksicht auf meinen Vater. Er kann inzwischen gut mit meiner sexuellen Ausrichtung umgehen, aber beim Umgang mit seinem Bruder bin ich mir da noch immer nicht so sicher.“

 

Thomas schaute in die Runde und nachdem keiner etwas zu diesem Thema von sich geben wollte, meinte er: „Du solltest ihn auf alle Fälle einladen und nicht wegen deiner Bedenken ausschließen. Gerade er hat doch bewiesen, dass zwei Männer ein Leben lang glücklich zusammenleben können, gegen alle Widerstände aus ihrer Umgebung, vor allem wenn du bedenkst, dass in der Zeit, wo beide noch ganz jung waren, schwule Verbindungen noch mit Gefängnisstrafen geahndet wurden.“

 

Marcus meinte dazu: „Ich denke Thomas sieht das vollkommen korrekt, du kannst das Pärchen ohne Probleme zur Hochzeit einladen. Philipp und ich sehen sie ebenso als ein Vorbild dafür, dass Partnerschaften unter Männern nicht nur von kurzer Dauer sein müssen oder aus One-Night-Stands besteht, sondern ein Leben lang halten können. Wir würden uns jedenfalls freuen, wenn die zwei Oldies mit dabei sind.“

 

Endlich traute sich auch Daniel und sagte zu Manuel: „Du kennst meine Meinung dazu, ich war von Anfang an der Meinung, dass wir die Zwei einladen sollten. Ich kenne deine Bedenken und kann sie verstehen, trotzdem finde ich es richtig, deinen schwulen Onkel und seinen langjährigen Lebenspartner zu unserer Hochzeit einzuladen. Was willst du dagegen unternehmen, wenn Thomas und Peter ihn zu ihrer Hochzeit einladen? Vor allem solltest du bedenken, wie sich dein Onkel fühlen würde, wenn er von den anderen beiden Hochzeitspaaren eingeladen wird, von uns aber nicht?

 

Manuel knickte ein und erklärte uns: „Okay, ihr habt mich überzeugt. Setzen wir meinen Onkel Richard und seinen Lebenspartner Hans auf die Liste der Hochzeitsgäste. Ursprünglich wollte ich die Beiden bei meiner Hochzeit dabeihaben, aber meine Bedenken waren einfach zu groß, um diesen Schritt wirklich zu vollziehen. Vielleicht ist es möglich, dass mein Vater endlich den Mut findet, um mit seinem älteren Bruder über alles zu sprechen. Wünschen würde ich es mir jedenfalls.“

 

Thomas antwortete ihm: „Ich kann verstehen, wenn dir dieser Schritt nicht leichtgefallen ist, immerhin siehst du die Chance, dass die beiden Brüder aufeinandertreffen und endlich ausführlicher miteinander reden könnten. Wenn ich mich richtig erinnere, wurde an Peters fünfzigsten Geburtstag endlich Versöhnung mit Peters Schwiegereltern aus seiner Ehe mit Gabi gefeiert.

 

Sie hatten sich von ihm abgewandt als er vor der ganzen Familie erzählte, dass er sich in einen Mann verliebt habe. Ich habe jahrelang dieses Drama mitverfolgen können, immerhin war ich derjenige gewesen, der ihm damals den Kopf verdreht hatte.“

 

Wir überlegten danach noch eine Weile, ob wir vielleicht den einen oder anderen vergessen haben, aber als alle signalisierten, dass sie aus ihrer Sicht keine weiteren Gäste hinzukommen, meinte ich: „Damit können wir die Liste der Hochzeitsgäste vorerst abschließen. Für den Fall, dass uns doch noch Gäste einfallen, die uns durchgerutscht sind, können wir diese nachträglich auf die Liste setzen.

 

Als nächstes sollten wir uns um die Auswahl und den Druck der Einladungskarten kümmern, wobei, ich bin der Meinung, wir sollten für heute ein Ende finden und uns in den nächsten Tagen erneut zusammensetzen und nach und nach den Ablauf der Hochzeitsfeierlichkeiten planen. Für das Hochzeits-Menü werde ich Sebastian zu einer unserer Gesprächsrunden einladen.

 

Wir werden noch darüber sprechen müssen, wer bei der Trauung auf dem Standesamt dabei sein soll, alle Gäste werden dort kaum Platz finden. Ich favorisiere dort eher eine kleinere Gesellschaft, die vor allem aus Trauzeugen sowie Eltern und Geschwistern der jeweiligen Paare bestehen soll.

 

Apropos Trauzeugen, ihr solltet euch zumindest bis übermorgen überlegen, wer jeweils euer Trauzeuge sein soll. Thomas und ich haben bereits unsere Wahl getroffen, da unsere beiden Väter nicht mehr leben, sollen unsere Mütter als Trauzeugen fungieren. Wir haben das auch bereits mit den Beiden besprochen und sie haben uns zugesagt.“

 

Die Jungs versprachen, sich um ihre Trauzeugen zu kümmern und uns in den nächsten Tagen vom Ergebnis ihrer Überlegungen und Bemühungen zu unterrichten. Philipp blieb noch sitzen, nachdem sich die anderen Jungs bereits verabschiedet hatten und wartete geduldig bis Marcus, Manuel und Daniel den Raum verlassen hatten, bevor er sich an mich wandte: „Papa, ich habe mit Marcus bereits über das Thema gesprochen und er würde gerne seinen Vater als seinen Trauzeugen haben.

 

Du hast sicher mitbekommen, dass sich das Verhältnis zwischen ihm und seinen Eltern in den letzten Monaten endlich etwas verbessert hat, so dass er der Meinung ist, dass sein Vater sich sicher darüber freuen würde, wenn er ihn als seinen Trauzeugen benennt. In diesem Fall würde ich dich gerne als meinen Trauzeugen haben wollen, sofern das überhaupt möglich ist. Im Übrigen gehe ich davon aus, dass Manuel und Daniel ebenso auf ihre Väter als Trauzeugen zurückgreifen werden.“

 

Thomas schaute mich lange an, bevor er seine Meinung dazu äußerte: „Ich kann deinen Wunsch verstehen und Peter wird sicher nicht nein dazu sagen. Du solltest dir nur überlegen, wen du als Trauzeugen haben willst, wenn das nicht möglich ist. Vor allem brauchst du eine Alternative, wenn Marcus Vater den Wunsch seines Sohnes nicht nachkommt und Marcus sich einen Dritten suchen darf.

 

Dann wäre es besser, wenn du ebenfalls eine andere Person als deinen Trauzeugen benennen würdest, vor allem im Hinblick darauf, dass Marcus sich damit möglicherweise nicht wohl fühlen würde. Ihr solltet das bitte kurzfristig mit seinen Eltern besprechen und klären. Peter wird sich darum kümmern, ob aus standesamtlicher Sicht etwas dagegenspricht, gleichzeitig selbst zu heiraten und zusätzlich der Trauzeuge seines Sohnes zu sein.“

 

Philipp überlegte einige Minuten bevor er zu uns sagte: „Okay, dein Vorschlag klingt vernünftig. Ich werde das gleich noch mit Marcus besprechen. Ich habe da so eine Idee, wie wir das mit seinen Eltern besprechen können. Ich hoffe wir haben noch ein paar Tage Zeit bis zur Klärung. Mein Plan wäre, seine Eltern am Wochenende zu uns zu Kaffee und Kuchen und zum Abendessen einzuladen und in diesem Rahmen die Angelegenheit mit ihnen zu besprechen. Danach gehe ich davon aus, dass eine Entscheidung gefallen ist.“

 

Ich schaute die Beiden nur an und als ich etwas darüber nachgedacht hatte meinte ich zu ihnen: „Ich denke wir sollten es so ablaufen lassen, ihr klärt das mit Marcus seinen Eltern und parallel frage ich beim Standesamt ab, ob es Bedenken gegen die Doppelfunktion als Trauzeuge und Eheschließender gibt. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass es ein Hinderungsgrund dafür gibt, immerhin werden wir nicht gleichzeitig, sondern nacheinander befragt, ob wir die Ehe eingehen wollen. Wo sollte es dabei ein Problem geben.“

 

Wir verabschiedeten uns noch einmal von Philipp und als der bereits einige Minuten aus dem Zimmer war meinte Thomas: „Ich sehe das genauso wie du, warum solltest du nicht gleichzeitig als mein Partner und als Trauzeuge deines Sohnes vor dem Standesbeamten stehen. Eher skeptisch sehe ich das Marcus seinen Vater von der Rolle des Trauzeugen überzeugen kann, vor allem nachdem, was sich in den letzten Jahren ereignet hat.

 

Ich lasse mich jedoch gerne vom Gegenteil überraschen. Wir beide sollten jetzt doch in unser Schlafzimmer verschwinden, morgen wird es zumindest bei mir wieder ein anstrengender Tag werden. Bei dir Peter wird es wohl kaum anders sein, ich habe mitbekommen, dass ihr inzwischen sämtliche Baugenehmigungen für die Neubau- und Umbauprojekte rund um den Gutshof erhalten habt.“

 

Ich erwiderte ihm: „Ich bin genauso skeptisch, was Marcus Vater als Trauzeugen angeht, aber vielleicht hat er doch aus der Vergangenheit gelernt und übernimmt die Rolle des Trauzeugen bei seinem Sohn, immerhin ist die Situation zwischen den beiden weitaus entspannter als noch vor einigen Jahren.

 

In Sachen Baugenehmigungen war ich heute Morgen doch etwas überrascht, als mich Jason und Jennifer anriefen und mitteilten, dass für sämtliche Pläne die Baufreigabe vorliegt und die Bauarbeiten kurzfristig beginnen können. Ich habe mich vormittags noch mit Eddy, Dennis und Axel wegen der anstehenden Umbaumaßnahmen besprochen. Dennis wird die Leitung der Baumaßnahmen am Gutshof übernehmen und vorerst aus seinem Büro bei den Handwerkern abgezogen.

 

Er erhält in den nächsten Tagen einen Baucontainer, von dem aus er alles erledigen und überwachen kann. Bis zur Bezugsfertigkeit des Containers wird er für ein paar Tage in meinem Büro mit untergebracht, da wir ansonsten derzeit keine freien Arbeitsplätze anbieten können. Es ist an der Zeit, dass der Umbau beginnt und neue Kapazitäten geschaffen werden.

 

In diesem Moment fing unser Telefon zu bimmeln an und ich wunderte mich, wer so spät noch bei uns anruft. Normalerweise kommen um diese Zeit nur Anrufe, wenn irgendwo eine Katastrophensituation herrschte. Ich ging zum Telefon und erkannte, dass Barbara jetzt noch bei uns stören wollte.

 

Ich hob ab und begrüßte sie und meinte, ich würde auf Lautsprecher schalten, damit Thomas gleich mithören könne. Bevor ich umschalten konnte, wollte sie wissen, ob ich Thomas schon in unser Gespräch eingeweiht hätte. Ich bejahte ihre Frage und stellte auf Lautsprecher.

 

Nachdem sie auch Thomas begrüßt hatte, erklärte sie uns: „Ich habe mich nach unserem Gespräch sofort mit den Kollegen in München in Verbindung gesetzt und ihnen erklärt, dass ich eventuell ein Pärchen für den Jungen in Aussicht hätte und wir morgen Abend alles endgültig klären würden.

 

Vor etwa einer halben Stunde erhielt ich einen Anruf vom Münchner Jugendnotdienst, dass unser Ausreißer wieder einmal auf dem Straßenstrich aufgegriffen wurde. Die Münchner Kollegin meinte, dass sie ihn gleich bei der Polizei einsammeln würde und ihn ins Kinderheim zurückbringen werde. Ich bat sie darum, den jungen Mann dieses Mal nicht sofort abzuholen, sondern ihm möglicherweise eine Nacht in einer Münchner Gefängniszelle zu gönnen.

 

Inzwischen habe ich bereits abgeklärt, dass er von der Münchner Polizei noch in dieser Nacht nach Rosenheim verlegt werden könnte. Sie fahren jetzt in das Kinderheim und holen dort seine persönlichen Sachen und anschließend geht es direkt weiter nach Rosenheim in eine Polizei-Gefängniszelle.“

 

Ich schaute kurz auf die Uhr und dann zu Thomas, der nur nickt und unterbrach Barbara. Ich sagte zu ihr: „Kannst du dir vorstellen noch heute Nacht mit dem jungen Mann bei uns aufzutauchen, am besten in Begleitung der Polizei und wir kümmern uns sofort um diese Angelegenheit. Wenn ich das richtig sehe, sollten sie spätestens in einer Stunde hier bei uns ankommen. In eine Zelle bei der Polizei könnte er danach immer noch eingesperrt werden, wenn sich keine für beide Seiten brauchbare Lösung abzeichnet“.

 

Barbara lachte und meinte: „So kenne ich dich, wenn sofortiges Eingreifen erforderlich ist, bist du ein Mann von schnellen Entschlüssen, aber was sagt deine bessere Hälfte Thomas zu deinem Vorhaben“?

 

Thomas antwortete ihr: „Wir haben uns bereits darüber verständigt und sind grundsätzlich einer Meinung, dem Jungen eine Chance zu geben, sofern er sie annehmen will. Hoffentlich stört es nicht, wenn Dennis und Felix dabei sind, die beiden nächtigen in unserem Gästezimmer, sind aber derzeit noch beim Jugendtreff. Wenn ich Peters Zeichen richtig verstehe, ist er auch der Meinung, die beiden Jungs mit in die Verantwortung zu nehmen.“

 

Barbara antwortete uns: „Okay, ich werde mich gleich darum kümmern und bin spätestens mit der Polizei und dem jungen Mann bei euch. Rechnet so in einer dreiviertel Stunde mit meinem Auftauchen bei euch.“ Danach legte Barbara auf und ich legte den Telefonapparat zurück in die Ladeschale.

 

Thomas meinte zu mir: „Dann sollten wir aber die beiden Jungs schnellstmöglich einweihen, damit sie nicht von dem Auftritt der Polizei bei uns überrascht werden“. Ich schnappte mir wieder das Telefon und rief im Jugendtreff im Gesindehaus an.

 

Es meldete sich Michael und ich bat ihn Felix und Dennis sofort zu uns zu schicken, da wir mit den beiden dringend eine Angelegenheit zu besprechen hätten. Er meinte, die beiden hätten sich bereits vor zwei Minuten verabschiedet und würden wohl gleich bei uns erscheinen. Ich bat ihn in etwa einer dreiviertel Stunde ebenfalls bei uns vorbeizukommen, da Barbara Wegmann vom Jugendamt noch mit einem Problemkind bei uns auftauchen würde. Er sagte mir zu und wir beendeten das Gespräch.

 

Keine Minuten später hörte ich wie die beiden Jungs die Wohnung betraten und bat sie für ein wichtiges und dringliches Gespräch zu uns ins Wohnzimmer. Beide schauten mich verwirrt aber auch fragend an, ich vermutete, sie glaubten sie hatten einen Fehler gemacht und es gäbe von uns einen Tadel.

 

Nachdem sich die beiden gesetzt hatten, erzählte ich ihnen in Kürze von meinem Gespräch am Nachmittag und dem vorher erfolgtem Anruf von Barbara. Sie erfuhren von mir auch, dass die Münchner Polizei mit dem jungen Mann auf dem Weg nach Rosenheim sei und Barbara gleich noch mit dem Jungen und den beiden Polizisten bei uns erscheinen würden.

 

Nach dem Gespräch fällt die Entscheidung, ob er bei uns bleiben wird und als Pflegekind in die Familie aufgenommen wird, oder er die Nacht in einer Gefängniszelle der Rosenheimer Polizei verbringen darf und morgen in ein Rosenheimer Kinderheim kommt. Ich bat die beiden Jungs, wenn er bleibt, ein Auge auf ihn zu werfen und uns bei der Integration in unsere Familie zu unterstützen, deshalb solltet ihr auch bei dem Gespräch mit dabei sein.

 

Ich merkte ihnen sofort an, dass sie erleichtert waren, dass wir sie nicht wegen eines Fehlers tadeln würden.

 

Dennis und Felix waren der Meinung, dass sie so gar keine Ahnung hätten, wie sie dabei vorgehen sollten. Thomas erklärte ihnen, dass sie nicht seinen Aufpasser spielen müssten, sondern ihm zeigen, dass er hier als schwuler Junge nichts zu befürchten hat. Wenn er in den nächsten Tagen mitbekommt, dass hier weitere schwule Jungs wohnen und leben, dürfte es kaum zu größeren nennenswerten Schwierigkeiten kommen.

 

Es klingelte und bei einem Blick auf die Uhr ging ich davon aus, dass Barbara angekommen so. Thomas ging zur Wohnungstür und wollte sie hereinbeten. Er betrat jedoch das Wohnzimmer nicht mit Barbara, sondern Michael war vor der Türe gestanden. Während ich ihm versuchte die wichtigsten Informationen zu geben, klingelte es erneut, diesmal war es Barbara, die zusammen mit Felix ins Zimmer kam.

 

Nachdem sich alle gesetzt hatten, meinte Barbara: „So wir haben jetzt noch etwa fünfzehn Minuten, bis die beiden Polizisten mit dem Sorgenkind eintreffen würden. Ich will euch kurz auf den neusten Stand bringen, ich hoffe ihr wisst inzwischen um was es geht“. Sie schaute Michael an und sagte zu ihm: „Gut, dass du auch da bist, ich hätte dich ansonsten spätestens morgen kontaktiert und in den Vorgang eingebunden“.

 

Bis die beiden Polizisten mit dem Fünfzehnjährigen bei uns eintraf erzählte uns Barbara die wichtigsten Daten zu unserem Sorgenkind, Sie blickte dabei immer wieder in ihre Akte, die sie mitgebracht hatte. Vorher hatte sie uns noch erklärt, dass sie von ihrer Kollegin vom Jugendnotdienst in München noch die Daten und Fakten zu unserem Problemfall abgerufen hatte.

 

Es dauerte dann doch ein paar Minuten länger, bis die Polizisten mit dem jungen Mann auf dem Gutshof eintraf. Barbara nahm die beiden Polizisten und den Ausreißer an der Wohnungstüre in Empfang und erklärte ihnen, dass sie nicht überrascht sein sollten, wenn sie gleich mit fünf weiteren Anwesenden konfrontiert werden.

 

Danach betraten sie das Wohnzimmer und stellte uns erst einmal die drei Neuen vor. Als erstes die beiden Polizeihauptwachmeister Huber und Bergmann, danach den Jungen, David Politovsky. Im Anschluss daran stellte sie uns vor und begann mit Michael, der als Sozialarbeiter in die Angelegenheit involviert sei, danach die beiden Jungs, Dennis und Felix, die derzeit bei uns eines der beiden Gästezimmer belegen, bis im kommenden Jahr für sie eine eigene Wohnung zur Verfügung steht.

 

Zu guter Letzt, Thomas und meine Wenigkeit, wobei sie nicht verschwieg, dass Thomas und ich ein Paar wären. Ich hatte ihn während der Vorstellung genau beobachtet und merkte sehr schnell, dass er sehr skeptisch schien, vor allem, nachdem Barbara erklärt hatte, dass Thomas und ich ein Paar wären.

 

Als sich alle gesetzt hatten wandte sie sich an David und erklärte ihm: „David, du bekommst hier die einmalige und vermutlich letzte Chance, dein verkorkstes Leben wieder in den Griff zu bekommen. Thomas und Peter haben angeboten, dich als Pflegekind aufzunehmen, bis du volljährig bist. Als einzige Bedingung, erwarten sie von dir, dass du einen ordentlichen Schulabschluss erzielst und anschließend deine Ausbildung beendest. Ich kann dir nur eines dazu sagen, hier findest du genügend Gleichgesinnte, die dich bei deinem Vorhaben unterstützen und dir helfen würden. Es liegt jetzt einzig und allein an dir, den Vorschlag anzunehmen oder abzulehnen“.

 

Ich ließ David keine Chance darauf eine Antwort zu geben und bat Barbara mir ein Sechs-Augen-Gespräch mit David zu ermöglichen. Sie überlegte kurz und meinte, grundsätzlich hätte sie damit kein Problem. Um jedoch einer möglichen Fluchtgefahr zuvorzukommen würden sich die beiden Polizisten vor der Wohnungstüre aufhalten.

 

Ich sagte zu David; „Bist du bereit, mit mir und einem weiteren der hier Anwesenden ein Gespräch unter sechs Augen zu führen“? Er zögerte etwas, entschloss sich dann doch sich auf dieses Gespräch einzulassen. Ich bat Dennis und David mir zu folgen, was bei allen Anwesenden zur Verwunderung führte, einschließlich David, der wohl eher davon ausgegangen ist, dass ich an Thomas als dritte Person gedacht hatte.

 

Thomas erzählte mir später, dass er sich nur gewundert habe, dass ich gerade Dennis gewählt hätte, ihm sei von Anfang an klar gewesen, dass er an diesem Gespräch nicht beteiligt sei.

 

Die beiden folgten mir und wir gingen ins zweite Gästezimmer, das auch Davids neue Heimat werden sollte, was ich ihm kurz erklärte, wenn er sich für den angebotenen Weg entscheiden sollte. Zuerst bat ich die beiden sich zu setzen und nachdem ich bemerkt hatte, dass Dennis verunsichert war, bat ich ihn, sich kurz David etwas näher vorzustellen, unter anderem wie alt er sei und warum er hier am Gutshof ist. Er solle dabei nicht auslassen, wie er zu Felix steht.

 

Dennis schluckte kurz und erzählte dann: „Meinen Namen hast du ja bereits mitbekommen, ich bin siebzehn Jahre alt und mache hier im Gesindehaus und Seminarhotel eine Ausbildung zum Hotelkaufmann. Eigentlich wollte ich meine Ausbildung in München absolvieren, aber nachdem sich meine Familie entschlossen hat im kommenden Jahr, eine der neuen Wohnungen am Gutshof zu beziehen, weil Papas neuer Arbeitgeber die Arbeitsplätze von München hierher verlegt, habe ich beschlossen heuer schon meine Ausbildung hier anzufangen, denn sonst hätte ich nach dem Umzug meiner Familie allein in München bleiben müssen.

 

Peter und Thomas haben mir angeboten, dass ich vorübergehend bei ihnen wohnen kann, bis im neuen Seminarhotel die Personalzimmer fertiggestellt sind. Wir hatten hier auf dem Gelände während der Sommerferien eine riesige Zeltstadt für Kinder und Jugendliche aus benachteiligten Familien, aber auch Kindern aus ganz normalen Verhältnissen.

 

Ich hatte mich entschlossen mit einem Freund und Mitschüler, der ebenfalls seine Lehre als Koch hier zusammen mit mir begonnen hat, als Ehrenamtliche mitzuarbeiten und mitzuhelfen. Mir ist bekannt, dass du schwul bist und damit nicht der Einzige, der hier wohnen wird. Ich gehöre ebenfalls dazu und habe mich in den Sommerferien in Felix verknallt, der hier am Gutshof seit Anfang September seine Ausbildung absolviert.

 

Nahe gekommen sind wir uns als wir beim Zeltstadtprojekt zusammengearbeitet haben. Eigentlich könnten Felix und ich auch bei seinen Eltern wohnen, aber da wir teilweise zu unterschiedlichen Zeiten arbeiten, ich habe ja Schichtdienst, haben Peter und Thomas angeboten, dass wir in einem ihrer Gästezimmer einziehen dürfen, bis die neuen Wohnungen fertig sind.

 

Wir gehören hier schon fast mit zur Familie, obwohl wir beide unsere eigenen Familien haben. Einen kleinen Tipp habe ich noch für dich, einmal wöchentlich trifft sich eine große Gruppe schwuler Jugendlicher drüben im Gesindehaus und die würden sich sicher freuen einen neuen Gesinnungsgenossen kennenzulernen“.

 

Bevor ich David aufforderte von sich zu berichten, erklärte ich ihm, dass Michael, den er bereits als Sozialarbeiter kennengelernt hatte ebenfalls hier am Gutshof zusammen mit seinem Lebenspartner wohnt und gleichzeitig der Leiter des Gruppentreffs der schwulen Jungs sei. Danach forderte ich ihn auf, uns beiden etwas über sich und sein Leben zu erzählen.

 

Es dauerte einen kurzen Moment, bevor er zu sprechen anfing: „Meinen Namen und mein Alter kennt ihr ja bereits, vermutlich auch, dass ich von zu Hause ausgeflogen bin, nachdem ich mich vor einigen Monaten bei meinen Eltern als Schwuler geoutet habe. Danach habe ich einige Zeit auf der Straße gelebt und um mich über Wasser zu halten habe ich irgendwann angefangen, anschaffen zu gehen und habe meinen Körper an fremde Männer verkauft.

 

Vor einigen Monaten hat mich ein ebenfalls auf der Straße lebender Stricher-Kollege an die Polizei verpfiffen, vermutlich wegen meines Alters. Ich wurde vom Jugendamt in ein Kinderheim gesteckt. Meine anfängliche Hoffnung dort neu anfangen zu können, wurde schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgebracht.

 

Ich fühlte mich nicht mehr wohl im Kinderheim und bin mehrfach ausgebüxt, um wieder Anschaffen zu gehen. Inzwischen wurde ich noch mehrere Male aufgegriffen und mit Hilfe des Jugendamtes zurück ins Kinderheim befördert“.

 

Er machte eine kurze Pause und sprach weiter: „Anfangs habe ich mich schon gewundert, dass ich heute, nachdem ich wieder aufgegriffen wurde, nicht sofort ins Kinderheim zurückgebracht wurde. Zuerst sagte man mir, ich müsste eine Nacht in der Gefängniszelle in München verbringen, später hieß es dann, dass ich heute noch nach Rosenheim verlegt werde.

 

Die beiden Bullen sind dann mit mir ins Kinderheim gefahren und haben dort meine wenigen Habseligkeiten abgeholt. Wohin ich genau gebracht werden sollte und was weiter mit mir geschieht, darüber wurde ich im Unklaren gelassen. Ich hatte schon die Befürchtung, dass ich jetzt in einem Jugendknast landen werde“.

 

Wieder legte er eine kurze Pause ein, bevor er wieder zu reden anfing: „Dann komme ich hier an und die Tussi vom Jugendamt erzählt mir in eurem Beisein etwas von, ich soll hier bei euch in die Familie integriert werden, meinen Schulabschluss nachholen und dass es sich bei meinen Pflegeeltern um ein schwules Paar handelt.

 

Dennis, jetzt erzählst du mir, dass du ebenfalls schwul bist und mit Felix liiert bist und hier wohnst. Hast du keine Angst, dass sich die beiden schwulen alten Knacker an euch heranmachen wollen, wenn sie es nicht schon getan haben“.

 

Dennis lacht und erklärte ihm: „Nein, die Befürchtung hatte ich zu keinem Zeitpunkt und ich werde dir auch sagen warum. Hier leben einige schwule Jungs bis fünfundzwanzig Jahre, unter anderem auch Peters Neffe, der ebenfalls wegen seiner Neigung auf Männer zu stehen, zuhause von seiner Mutter rausgeworfen wurde. Er lebt mit seinem Partner hier am Gutshof, die beiden studieren in Weihenstephan und sind für den landwirtschaftlichen Betrieb verantwortlich.

 

Dann gibt es noch Manuel und Daniel, die beiden hier mitarbeiten, Manuel sogar als Betriebsleiter, in der Gärtnerei die einst Manuels Vater gehörte. Manuels Vater hat die Gärtnerei verkauft, weil er seinem schwulen Sohn die Gärtnerei nicht übergeben wollte. Dummerweise hat er die Gärtnerei an Peter verkauft, der Manuel sofort als Betriebsleiter eingesetzt hat.

 

Wenn du einige Tage hier leben solltest, wirst du dich noch wundern wie viele schwule Mitarbeiter und Pärchen dir hier über den Weg laufen werden und keiner hat bisher davon berichtet, dass Peter oder Thomas irgendeine Gegenleistung für ihre Hilfe verlangt hätten. Falls du dich gegen die Chance entscheidest, die dir gerade angeboten wird, kann ich dir nur sagen, du machst den vermutlich größten Fehler deines Lebens“.

 

Jetzt mischte ich mich wieder ein und meinte zu David: „Erst einmal danke für den alten Knacker, aber ich fühle mich bei weitem noch nicht so alt wie ich auf dem Papier bin. Das liegt auch daran, dass ich im Gutshof und in der Stiftungsverwaltung vor allem auf jüngere Mitarbeiter und Vorgesetzte Wert lege.

 

Sie haben zusammen mit mir, nach dem Tod meines Vaters, das Unternehmen zu dem gemacht, was es heute ist, vor allem mit ihren frischen Ideen und weniger verstaubten Ansichten. Im Übrigen war ich nicht immer schwul oder bisexuell, ich war verheiratet, habe zwei Kinder, einen Sohn und eine Tochter, die ebenfalls im Unternehmen mitarbeiten. Meine Frau, mit der ich immer sehr glücklich war, bis sie mir vor mehr als fünfzehn Jahren vom Krebs genommen wurde.“

 

„Dass ich heute mit Thomas zusammenlebe, ist eher durch Zufall entstanden, er war derjenige, den ich und meine beiden Kinder an sich herangelassen haben, wenn wir wieder einmal eine Krise hatten. Gut, Thomas kannte mich schon etwas länger und er hatte sich in mich verknallt, aber er war sich nicht sicher, ob ich ihn jemals lieben würde.

 

Frag mich nicht, warum wir aneinander hängengeblieben sind, er war immer für mich da und ich fühlte mich wohl in seiner Nähe. Für meine beiden Kinder war es kein Problem als Thomas und ich uns nähergekommen sind. Mein Sohn meinte nur, dann hätte er eben jetzt zwei Väter, was kein anderer aus seiner Klasse behaupten könne“.

 

Ich machte eine kurze Pause, bevor ich weitersprach: „Ich habe es zur Kenntnis genommen, dass du dir nicht sicher bist, ob du unser Angebot annehmen willst. Wenn du damit einverstanden bist, werde ich gleich allen verkünden, dass du bisher keinen Entschluss fassen konntest. Damit tritt Plan B in Kraft, die beiden Polizisten werden dich bei der Polizei in Rosenheim abliefern, wo du in einer Zelle übernachten darfst.

 

Damit ist auch das Jugendamt in Rosenheim für deinen weiteren Lebensweg zuständig. Vermutlich werden wir uns spätestens in zwei oder drei Jahren wieder über den Weg laufen, wenn du mit achtzehn in einer Wohnung, hier auf dem Gutshofgelände untergebracht wirst, weil du für ein Kinderheim zu alt bist.

 

Du hast noch bis morgen Vormittag die Gelegenheit dich anders zu entscheiden, ansonsten kannst du jederzeit zur schwulen Jugendgruppe kommen, um mit Michael über deine Probleme zu sprechen. Er wird immer versuchen dir bei der Lösung deiner Probleme zu helfen, er ist vom Jugendamt als Ansprechpartner für alle schwulen und lesbischen Jugendlichen im Landkreis Rosenheim zuständig.

 

So nun lasst uns zu den anderen zurückkehren, damit wir für heute einen Schlussstrich ziehen können. Die Tussi vom Jugendamt, also Barbara Wegmann, war diejenige, die nach dem Tod meiner Frau für mich und meine Kinder zuständig war und sie hatte kein Problem meine Kinder bei mir zu belassen, selbst als ich mit Thomas zusammenlebte.

 

Wir gingen zurück ins Wohnzimmer und alle starrten uns an. Bevor ich den vorher bereits David vorgetragenen Vorschlag loswerden konnte, meinte David, er hätte uns allen etwas zu sagen. Barbara meinte dann, er solle doch einfach sagen, was er gerne loswerden will.

 

Es dauerte kurz bevor er loslegte: „Bis vor wenigen Minuten war ich mir nicht darüber klar, was heute abgelaufen ist. Nicht mehr zurück ins Kinderheim, Überstellung nach Rosenheim. Zuerst befürchtete ich, dass ich in einen Jugendknast gehen soll. Dann treffe ich hier auf eine größere Ansammlung von Menschen und von der Dame vom Jugendamt bekomme ich erzählt, dass ich hier in eine Familie integriert werden soll, die aus einem schwulen Pärchen besteht.

 

Erst im Gespräch mit Dennis und auch mit Peter ist mir so langsam klar geworden, dass sich für mich möglicherweise doch ein Lichtblick für mein verkorkstes Leben ergibt. Am Ende unserer Gesprächsrunde, als mir Peter erklärte, dass zukünftig das Jugendamt in Rosenheim für mich zuständig ist, habe ich zumindest verstanden, ich muss weg aus München, um ein neues Leben beginnen zu können.

 

Eigentlich sollte euch Peter jetzt erklären, dass mich die beiden Polizeibeamten zur Polizeistation nach Rosenheim bringen und ich bis morgen noch über den Vorschlag nachdenken will. Auf dem Weg vom Gästezimmer hierher ist mir jedoch endgültig klar geworden, dass ich diese Zeit doch nicht mehr benötige, ich will hierbleiben und hier ein komplett neues Leben anfangen.

 

Den letzten Ausschlag hat dabei Peters letzte Aussage gegeben, als er mir erklärte, dass du Barbara nach dem Tod seiner Frau für ihn und seine beiden Kinder zuständig warst und ihm seine Kinder gelassen hast, obwohl er irgendwann mit einem Mann zusammengelebt hat.

 

Nachdem David geendet hatte, meinte ich: „Dann dürfen die beiden Herren von der Polizei ihren Rückweg nach München antreten. Du David holst mit Dennis und / oder Felix vorher noch deine persönlichen Dinge aus dem Polizeiauto.

 

Die beiden werden dir noch kurz dein Zimmer zeigen, du kennst es ja bereits, und dir erklären, wo du in der Wohnung alles findest, danach treffen wir uns noch einmal kurz hier im Wohnzimmer und besprechen, wie es jetzt weitergeht“.

 

David entschied sich mit Dennis seine persönlichen Habseligkeiten aus dem Polizeiauto zu holen und zusammen mit Barbara gingen sie zu den vor der Wohnungstür wartenden Polizisten. Barbara erklärte den Beamten, dass alles geklärt ist und David hierbleiben wird. Sie sollten ihm doch seine persönlichen Dinge aushändigen, die noch im Auto sind und können danach den Rückweg nach München antreten.

 

David, Dennis und die beiden Beamten gingen nach unten zum Fahrzeug, um Davids persönliche Sachen hochzutragen. Barbara kam zu uns wollte wissen, was in dem Sechs-Augen-Gespräch abgelaufen sei.

 

Ich erklärte ihr, dass ich zuerst Dennis gebeten habe, etwas über sich zu berichten und warum er derzeit zusammen mit Felix bei uns wohnt. Anschließend sollte David uns über sein bisheriges Leben berichten. Er erzählte uns, dass er von seinen Eltern aus dem Haus geworfen wurde, nachdem er sich als schwuler Sohn geoutet hat. Weiter berichtete er davon, wie er versuchte auf der Straße zu überleben, bis er von der Polizei zum ersten Mal aufgegriffen wurde.

 

Danach schilderte er welche Hoffnungen er hatte, als er im Kinderheim untergebracht wurde und wie diese wieder enttäuscht wurden. Die Geschichte endete mit dem heutigen Tag, an dem er nicht mehr ins Kinderheim zurückgebracht wurde und seine Sorgen und Ängste als er von den Polizisten hier abgeliefert wurde. Er befürchtete, dass Thomas und ich ihn nur aufnehmen würden, wenn er uns sexuelle Gefälligkeiten erweisen würde.

 

Diese Sorge konnte Dennis zerstreuen, als er ihm erklärte, dass weder von ihm noch von den anderen schwulen Jungs, die hier leben, jemals irgendwelche sexuellen Gefälligkeiten für unsere Hilfe gefordert wurde. Abschließend erklärte ich ihm noch meinen Standpunkt und erzählte etwas aus meinem Leben, unter anderem eben die Geschichte von Barbara und unserer Familie, sowie wie es jetzt weitergehen würde.

 

Da ich bemerkte, dass er sich zu keiner Entscheidung durchringen konnte, meinte ich er könne gerne in einer Rosenheimer Gefängniszelle eine Nacht verbringen und darüber nachdenken. Auf alle Fälle würde er in Rosenheim bleiben und im Kinderheim landen.

 

Ich war ebenso überrascht, als er hier plötzlich erklärte, dass er nun doch hierbleiben will. Ich bin mir nicht sicher, ob das wirklich seine endgültige Entscheidung war oder er nur versuchen will Zeit zu gewinnen und sich dann bei Gelegenheit wieder abzusetzen.

 

Ich hatte kaum mit meinem Bericht geendet als die drei Jungs wieder ins Wohnzimmer traten.

 

Barbara wandte sich an David und erklärte ihm: „Da du dich vorläufig entschieden hast hier zu bleiben, ist meine Aufgabe für heute Nacht erledigt, ich werde jetzt zu meiner Familie nach Hause fahren. Ich komme in den nächsten Tagen wieder vorbei und dann klären wir die Frage wegen deines Schulabschlusses und alle sonstigen Fragen, die von deiner Seite bestehen.

 

Natürlich kannst du jederzeit mit deinen Problemen auch zu Michael oder Peter oder Thomas gehen, die gerne bereit sind, mit dir zusammen die auftretenden Schwierigkeiten aus dem Weg zu räumen. Ich wünsche euch allen noch einen schönen Abend“.

 

Barbara stand auf und ich begleitete sie noch bis zur Wohnungstüre, wo ich mich noch einmal von ihr verabschiedet und ihr einen guten Nachhauseweg wünschte. Ich versprach mich sofort bei ihr zu melden, falls es zu Schwierigkeiten mit David kommen sollte.

 

Michael hatte zwischenzeitlich mit David gesprochen und ich hörte noch, wie er meinte, tagsüber sei er meist im Büro im Gesindehaus zu finden, ansonsten könne er ebenso mit Marion, einer weiteren Sozialarbeiterin sprechen, die ebenso wie er im Gesindehaus mit ihrer Familie wohnt und arbeitet. Damit verabschiedete er sich von uns und ging zurück zu seinem Andreas.

 

Damit waren alle Besucher, mit Ausnahme von David, aus der Wohnung und als wir es uns gemütlich gemacht hatten fragte Thomas, was er zum Trinken anbieten darf. Dennis und Felix meinten, sie würden uns unterstützen und wir könnten gemeinsam die angebrochene Weinflasche leeren.

 

David meinte, er würde ebenso gerne den Wein probieren, würde sich aber auch mit einer Cola begnügen. Nachdem ich ihn angeschaut hatte, erklärte er uns, dass er in der Vergangenheit schon des Öfteren mit alkoholischen Getränken in Kontakt gekommen sei, sehr häufig bei seinen Freiern, die ihn damit gefügiger machen wollten und dabei habe es sich nicht nur um Bier oder Wein gehandelt.

 

Bevor ich ihm antworten konnte, erklärte Thomas: „Ich würde sagen, ausnahmsweise darfst du ein kleines Glas mittrinken, was aber keinesfalls bedeuten soll, dass wir dich damit gefügiger machen wollen. Eines kann ich dir jetzt schon versprechen, du kannst jederzeit zu uns kommen und mit einem von uns kuscheln, wenn dir danach sein sollte.

 

Solltest du jedoch versuchen einen von uns beiden anzubaggern, musst du dir auch über mögliche Konsequenzen daraus im Klaren sein. Du würdest keinesfalls bei uns im Bett landen, sondern eher aus der Wohngemeinschaft ausgeschlossen werden“.

 

David antwortete: „Ich habe es schon verstanden, Geborgenheit ja, Sex nein. Aber eine andere Frage, ich würde gerne die nächsten Tage nicht in meinem angedachten Zimmer schlafen wollen und habe deshalb Dennis und Felix gefragt, ob ich in den ersten Tagen, bis ich mich etwas eingewöhnt hätte, zusammen mit den Beiden in einem Zimmer schlafen kann. Sie haben nicht grundsätzlich abgelehnt, eher gemeint, wenn ich mich danebenbenehmen würde, würden sie mich sofort aus ihrem Zimmer werfen“.

 

Diesmal war ich es der lachte und ihm antwortete: „Wenn die beiden Jungs kein Problem damit haben, warum sollten Thomas oder ich uns dagegenstellen. Für uns ist das Wichtigste, dass du dich hier wohlfühlst. Denk aber bitte daran, dass Dennis manchmal morgens früher aufstehen muss, um seinen Ausbildungsverpflichtungen nachzukommen und du damit früher geweckt werden wirst.

 

Thomas und ich stehen meist gegen halb sieben Uhr auf und ab sieben Uhr findest du uns in der Küche oder im Esszimmer beim Frühstück, je nachdem wie viele Leute wir sind. Wenn du demnächst wieder zur Schule gehst, sollte das für dich zur werktäglichen Routine werden.

 

Morgen fängt Dennis später an und damit verlegen wir die große Runde unseres gemeinsamen Frühstücks in die Essecke. Thomas fährt zwischen sieben und halb acht ins Büro in die Stadt und mich findest du ab diesem Zeitpunkt in meinem Büro im Erdgeschoß, sofern ich nicht Außentermine habe.

 

Felix kommt meist eine halbe Stunde später in sein Büro. Dennis triffst du derzeit eher im Restaurant oder drüben im Gesindehaus, je nachdem welche Aufgaben gerade anstehen. Ich schlage vor, du begleitest mich morgen durch meinen Arbeitstag und lernst nach und nach die Bewohner und Mitarbeiter des Gutshofes kennen.

 

Morgen Abend wird nicht gekocht, da gehen wir Essen mit dir zusammen ins Restaurant im Gutshof, wo du wahrscheinlich auch Dennis im Service antreffen wirst. Falls Felix Lust hat, kann er sich gerne unserem Restaurantbesuch anschließen“.

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1 Kommentar

    • Christian Haselberger auf 8. Juli 2023 bei 08:20
    • Antworten

    Hallo, Sonntagskind55,

    ich möchte dir für Deine regelmäßig erscheinenden Kapitel der „Regenbogenfamilie“ danken, die ich regelrecht „verschlinge“. Finde den Ansatz der Story toll, und dass dermaßen viele Kapitel erscheinen würden, hätte ich anfangs niemals gedacht.

    Schönes Wochenende und sehr gerne „Weiter so…“😉

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