Eric Einarson – Der versprochene Mann – Tür 10

Das Gesicht von Kim war köstlich und ich fing an zu lachen.

„Ja unser Ari hat sich in Alexander verknallt.“

„Ari…? …ich dachte… Ari ist der Frauenwelt verfallen!“

„Da seid ihr Ari allen auf den Leim gegangen, Ari ist genauso schwul wie ich!“

Dass es in Kims Kopf zu arbeiten schien, sah ich an seinem leeren Blick und dem Kopf schütteln. Ich wurde wieder ernst.

„Nein Ari traute sich nicht, es euch zu sagen.“

„Aber warum hat er vor uns Angst, wir wissen, dass du schwul bist…“

„Er dachte wohl, ihr seid von ihm enttäuscht.“

„Deswegen hast du gefragt, weil du wissen willst, ob Alexander vielleicht auch schwul ist?“

„Ich…, nein da bin ich mir fast sicher, dass er es nicht ist.“

„Weil er dich am Anfang so angegangen hat?“

„Nein nicht deswegen, eher wegen dem Vorfall mit seinem Vater.“

Hatte ich jetzt schon zu viel gesagt? Ich hatte Alexander versprochen, dass ich nicht darüber reden würde. Entsetzt schaute mich Kim an.

„Du meinst er hat ihn…“

„Gar nichts mein ich, … ich habe schon zu viel gesagt, entschuldige.“

„Du musst dich doch nicht entschuldigen.“

„Ich habe Alexander versprochen, nicht darüber zu reden.“

„Du meinst die Narben auf seinem Rücken?“, fragte Kim.

„Du hast sie auch gesehen?“, fragte ich erstaunt.

„Ja und mir meinen Teil gedacht. Ich wollte ihn nur nicht fragen und ihn unnötig damit belasten.“

„Sein Vater scheint ihn misshandelt zu haben, von vergewaltigen hat er nichts gesagt. Er hat extra betont, nichts gegen mein Schwulsein zu haben.“

„Was hat das eine, mit dem anderen zu tun?“

„Dass er, falls er auch vergewaltigt worden ist, sicher Schwule hassen würde.“

„Kann, muss aber nicht sein!“

„Reden wir nicht weiter darüber und du sagst bitte nicht, dass du darüber ‚Bescheid weißt. Ich will Alexanders Vertrauen zu mir, wenn er denn welches hat, nicht damit zerstören.“

„Von mir wird sicher nichts erfahren. Worüber wir hier beide reden, verlässt die Wohnung nicht, versprochen!“

„Danke“, meinte ich und gab ihm einen Kuss.

„Was hast du den Morgen über gemacht?“

„Mir Gedanken gemacht und Möbel angeschaut, mir ging unser Gespräch nicht mehr aus dem Kopf.“

„Aber nicht dass du wieder Kopfschmerzen bekommst!“

„Nein, dass hält sich in Grenzen, nur muss ich ruckartige Bewegungen vermeiden.“

„Und was hast du dir angeschaut?“

„So allgemein, ich kenne ja deinen Geschmack nicht.“

„Wieso meinen Geschmack?“

„Es ist deine Wohnung!“

„… bald unsere Wohnung Kim!“

Kims Augenbrauen gingen nach oben.

„Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass du die gesamte Wohnung japanisch einrichten möchtest.“

„Nein das nicht“, lachte ich, „aber da gibt es sicher auch Sachen, die mir gefallen würden. Aber, um ehrlich zu sein, Gedanken habe ich mir noch nicht gemacht. Außer vielleicht diese Couch hier. Für dich mag sie vielleicht die richtige Größe zu haben, aber für mich ist sie eindeutig zu klein und unbequem.“

„Du magst etwas zum kuscheln, oder?“

„Schuldig in allen Punkten“, lächelte ich ihn an.

Kim nahm sein Tablet in die Hand und öffnete es. Mit fiel Geschick zeichnete er angedeutet, die Umrisse des Zimmers auf, dann wanderte sein Blick zu mir.

„Hast du ungefähr eine Vorstellung, wie du diesen Raum gestalten wollen würdest, also ich meine, was für Möbel du haben möchtest?“

„Große Couch!“, grinste ich.

„Eine übers Eck?“, fragte er und begann Linien zu ziehen.

„Das ist eine gute Idee und dazu einen kleinen Tisch davor…“

Grob zeichnete Kim meine Wünsche auf,

„Der Fernseher soll dort bleiben?“

„Denke schon, auch wenn ich bisher noch nicht so viel geschaut habe.“

Ich schaute im Zimmer herum, dass durch seine geringfügige Einrichtung recht groß wirkte. Mir fiel der Besuch bei Anna ein, als wir alle zum ersten Mal privat zusammen saßen.

„Einen großen Tisch…“, murmelte ich.

„Wieso einen großen Tisch?“

„Wenn wir uns alle mal treffen wollen, außerhalb der Polizeistation…“

„So wie bei Anna?“

„Ja, denn ich denke, die Nähe zur Station, würde sich das anbieten.“

„Bist du dir da sicher?“

„Was meinst du?“, fragte ich verwundert.

„Es handelt sich hier um deine privaten Räume, deine Wohnung. Sie vielleicht für irgendwelche Ermittlungen außerhalb der Station zu nutzen… es wäre deine Privatsphäre, die dadurch gestört wird.“

„… und deine…, Entschuldigung, daran habe ich nicht gedacht, ob dir das überhaupt recht ist?“

„Lass mich mal außen vor…“

„Nein! Das wäre nicht ich, Kim. Wenn du hier zukünftig wohnst, sollst du auch mitreden können, ich will das dann nicht mehr alleine entscheiden müssen.“

Ich hielt kurz inne und schaute ihn an.

„Ich weiß, dass ist alles etwas schnell…, wie kennen uns ja auch erst ein paar Wochen…“

„Aber wie du auch schon gesagt hast, ist dies für uns beide so etwas wie ein Neuanfang. Auch wenn mich die ganze Sache etwas nervös macht, habe ich mich noch nie so schnell für etwas Neues entschieden, dass ich mit dir zusammen ziehen möchte.“

„… und das ist etwas Besonderes?“

Kim nickte.

„Eigentlich bin ich ein Mensch, bei dem alles genau durchdacht sein soll, aber diese Entscheidung war schnell getroffen.“

„Hast du deiner Mutter schon Bescheid gegeben, dass du zu Hause ausziehst?“

„Nein, darüber denke ich schon die ganze Zeit nach.“

„Warum? Hast du Angst davor?“

„Nein das nicht, ich weiß aber nicht, wie sie es auffassen wird!“

„Es ist nicht normal, dass die Kinder irgendwann ausziehen?“

„Das meinte ich auch nicht, es geht darum, dass ich zu einem Mann ziehen möchte, mit dem ich zukünftig mein Leben teilen möchte. Wenn man meine Mangas, die Mode und die Boylovewelle sieht, könnte man meinen in Japan, Homosexualität wäre dort etwas Normales.“

„Ich bin ehrlich, ich weiß zwar wo Japan liegt, aber sonst ist mir nicht viel über das Land bekannt, außer dass es dort sehr schöne Landstriche gibt.“

„Wie überall. Nein, Japan kann man zwar nicht als Schwulen feindlich bezeichnen, es gibt nur wenige Übergriffe und so, aber Homosexuelle haben dort keinerlei Rechte, dieses Thema gibt es im japanischen Rechtssystem einfach nicht.“

„Also keine Verbote…, warst du schon oft dort?“

Kim schüttelte den Kopf.

„Ich war erst drei mal dort gewesen, um meine Verwandtschaft dort kennen zu lernen. Aber wie hier, werde ich dort als Fremder angesehen.“

Diese Worte am Schluss kamen sehr traurig herüber. Ich griff nach seiner Hand.

„He, du bist hier geboren!“

„Aber du bist trotzdem mehr Isländer als ich!“

„So darfst du nicht denken! Fühlst du dich hier nicht heimisch?“

„Seit dem Vorfall…, … vielleicht denke ich auch zu viel darüber nach…, es macht mir halt zu schaffen.“

Klar wirft einen so etwas aus der Bahn, aber sich deswegen als Fremder vor zu kommen? Gut, ich war hier geboren, aber dennoch fühlte ich mich mehr als Engländer. Bei Kim kam halt noch sein Aussehen dazu.

Das asiatische Aussehen konnte er nicht verstecken, so verstand ich ihn auch ein wenig.

„Wir schaffen dass irgendwie, okay?“

Kim nickte und schaute wieder auf sein Tablet.

*-*-*

Während ich am Küchentisch saß und mir über das Abendessen Gedanken machte, hatte sich Kim ins Schlafzimmer zurück gezogen und war eingeschlafen. Natürlich machte ich mir Gedanken, über das, was Kim am Mittag gesagt hatte.

Aber so richtig Rat wusste ich auch nicht, wie ich damit umgehen sollte. Außer Anna fiel mir niemand ein, mit dem ich darüber reden konnte. Früher war meine Mutter erste Anlaufstelle, wenn es etwas für mich unlösbares gab.

Aber die Möglichkeit war weggefallen, seit dem abrupten Kontaktabbruches, wegen meines Vaters. Ich war mir nicht mal sicher, ob sie mitbekommen hatten, dass ich gar nicht mehr in England war.

Ich war schon ein paar Mal dran gewesen, ihr eine Nachricht zukommen zu lassen, aber verwarf es dann immer wieder, weil mir unsere letzte Zusammenkunft einfiel, vor allem der Streit mit meinem Vater.

Es krampfte mir immer noch das Herz zusammen, wenn ich an die Worte meines Erzeugers dachte, mit denen er mich betitelte. Man konnte das mit dem Mobbing der Kollegen fast gleichstellen.

Ich schloss die Augen, schüttelte den Kopf und atmete tief durch. Mein Blick fiel auf meine Laptop und ich musste schmunzelnd feststellen, dass ich bei japanischen Gerichten gelandet war.

Klar hatte ich in England des öfteren asiatische Gerichte gegessen, aber ob da etwas Japanisches dabei war, daran konnte ich mich nicht erinnern. Was ich da sah, war alles irgendwie lecker.

Ob man das hier kochen konnte, war eine ganz andere Sache, da musste ich mich mit Kim kurz schließen. Da fiel mir ein, dass ich wirklich noch nicht viel über Kim wusste. Bisher haben wir uns immer über mich unterhalten.

Mochte er hier die einheimischen Gerichte, er war schließlich hier aufgewachsen, oder hatte seine Mutter zu Hause auch japanisches Essen gekocht. Wenn ich an seinen Vater dachte, konnte ich mir das aber irgendwie nicht vorstellen.

Der Mann war komisch, anders konnte ich es nicht bezeichnen.

„Was schaust du nach? Grübelst du immer noch über die Wohnungseinrichtung?“

Ich hatte Kim nicht bemerkt und zuckte etwas zusammen.

„Nein, ich habe überlegt, was wir heute Abend essen sollen.“

„Japanisch?“, fragte Kim, als er die Seite auf dem Laptop sah.

„Ja, irgendwie bin ich dort gelandet. Kann man hier überhaupt japanisch Essen gehen?“

Kim fing breit an zu grinsen.

„Ich sagte dir schon, du würdest dich wundern, was man hier alles bekommt. In der Stadt und dem Umland gibt es mindestens zwanzig Restaurant, die japanisches Essen anbieten.“

„So viel?“, fragte ich erstaunt, „dass hätte ich jetzt nicht gedacht… und wie steht es mit Kochen? Braucht man da nicht besondere Zutaten?“

„Also meine Mutter hatte nie Probleme, Gerichte von zu Hause zu kochen, sie tat sich er schwer mit den typisch einheimischen Essen.“

„Hat das deinem Vater überhaupt geschmeckt?“

„Mein Vater aß alles, was man ihm vorgesetzt hat. Aber er hat sich auch nicht geäußert, ob es ihm schmeckt.“

„Dann wirst du mich wohl in die japanische Küche einführen müssen“, grinste ich Kim an.

„Ich?“, kam es laut von Kim, „da muss ich dich enttäuschen, so gut bin ich nicht beim Kochen.“

„Dann lernen wir es gemeinsam!“

*-*-*

Ich hatte zwar gut geschlafen, aber trotzdem war es ungewohnt für mich, dass da jemand neben mir lag, wenn ich erwachte. Ich drehte mich vorsichtig zu Kim, der sich noch tief in Odins Reich befand.

Das sagte mir auf alle Fälle sein ruhiger und gleichmäßiger Atem. Mit seinem einfachen Haarschnitt wirkte er schlafend eher als Jugendlicher. Sein Alter konnte man wirklich schlecht einschätzen.

Ein Jahr jünger war er, aber so wie jetzt da vor mir lag und ihn nicht kennen würde, hätte ich ihn für sechzehn oder siebzehn gehalten. Schmunzelnd versuchte ich alles zu speichern, was ich entdecken konnte.

Leider machte mir mein Handy einen Strich durch meine Rechnung. Der morgendliche Weckruf stellte sich ein und mein Gegenüber begann sich zu regen. Schnell wollte ich den Alarm abschalten, doch ich war zu langsam.

Kim streckte sich ein wenig und zwinkerte mit den Augen.

„Ohio!“, grinste ich ihn an.

Kim zog seine Augenbraun nach oben und plötzlich waren seine Augen riesen groß.

„Woher weißt du, wie man in Japan guten Morgen sagt?“

„Ach, da gibt es so ein kleines Gerät namens Handy…“

„Ohio!“, lächelte mich Kim an, „schon was Neues von den Flüchtigen?“

„Woher soll ich das wissen?“

„Wenn du nach dem Wort „Ohio“ geschaut hast, bist du doch sicher auch die Informationen unserer Abteilung durchgegangen.“

Ich merkte mal wieder, was Kim für ein schlaues Bürschchen war, aber auch, dass er fit zu sein schien.

„Ari und Alexander konnten leider nichts Neues in Erfahrung bekommen, nur die Mädels, die das Lager besuchten, haben heraus gefunden, dass beide Familien mehrmals am Tag regelmäßig sich ins Dorf begeben.“

„Dann war eure Vermutung, dass sie die Brüder und die Frau so unterstützen, anscheinend richtig.“

„Wissen wir erst, wenn sie auf frischer Tat erwischt werden und wir sie endlich eingebuchtet haben.

„Fährst du mich bevor du ins Büro gehst, noch ins Krankenhaus?“

„Geht es dir wieder schlechter?“, fragte ich besorgt und setzt mich auf.

„Nein, ich möchte endlich dieses große Pflaster abbekommen! Es zieht und juckt, ich könnte nur noch kratzen… ich muss endlich mal wieder unter die Dusche.“

„Vielleicht ist es besser, es drauf zu lassen, wenn du da kratzen willst.“

„Nein, das Ding muss runter, auch wenn ich wieder die Gegenwart von dieser Tinna ertragen muss.“

 

„Du magst sie nicht?“

„Das habe ich nicht gesagt, aber sie redet mit zu viel.“

Ich grinste ihn breit an.

„Vielleicht lässt du dich von diesen jungen Arzt, der sich um Mohammed kümmert… wie hieß er… ah Magnus behandeln.“

„Wieso von dem?“

„Mir schien, als hätte er ein besonderes Interesse an dir.“

„Das ist dir auch auf gefallen?“

„Klar doch.“

„Du bist jetzt aber nicht eifersüchtig?“

Ich fing an zu lachen.

„Wieso sollte ich eifersüchtig sein?“

„Ich mein nur…“

„Du gehst ins Bad und ich richte uns ein kleines Frühstück, …Kaffee oder Tee?.“

Ich wollte einfach das Thema wechseln. Natürlich war ich etwas angepisst, weil dieser Magnus Interesse an meinem Kim zeigte, aber zugeben wollte ich es trotzdem nicht. Ich schob die Decke weg und stand auf.

„An den Anblick könnte ich mich gewöhnen“, grinste mich Kim an.

Nur mit langer Jogginghose und nacktem Oberkörper, drehte ich mich wieder zu ihm. Ich posierte etwas und ließ meine wenig vorhandenen Muskeln spielen. Aber schnell wurde mir bewusst, wie kalt es im Raum war und mir lief es kalt den Rücken hinunter.

„Ist dir kalt?“, lächelte Kim, dem sicher meine Gänsehaut nicht entgangen war.

Ich rieb mir über die Arme und verließ das Schlafzimmer.

*-*-*

Im Krankenhaus hatten wir Glück und trafen keinen der beiden Ärzte an. So saß Kim wieder neben mir im Auto und man sah nur noch den kleinen Riss an der Stirn, der so viele Blut hervorbrachte.

Auch hatte Kim die Erlaubnis wieder zu arbeiten, aber alles mit Bedacht. Würden die Kopfschmerzen wieder aufdrehte, sollte er sich aber wieder im Krankenhaus melden. Da wir recht schnell gewesen waren, kamen wir noch pünktlich zum Dienstbeginn auf der Dienststelle an.

Oben im Büro angekommen, wurde noch etwas Smalltalk über Kims befinden geführt, bevor sich alle wieder ihrer Arbeit widmeten. Es dauerte auch nicht lange und Anna traf ein.

„Guten Morgen zusammen!“

Ich war schon versucht „Ohio“ zu sagen, aber begrüßte sie dann auch wie die anderen in der Landessprache.

Sie ließ gerade ihren Mantel von der Schulter rutschen, als sie in meiner Höhe war.

„Ich hätte da noch eine Mitteilung aus England für dich?“

„Für mich, von wem?“

„Schau selber…!“

Ich stand auf und folgte ihr ins Büro.

„Das kam gestern Mittag“, meinte sie und reichte mir einen Umschlag.

„Danke“, meinte ich und nahm die Briefhülle entgegen.

Verwundert lief ich an meinem Arbeitsplatz zurück. Deputy Chief Constable Gordon Fisher stand dort Absender. War etwas in England geschehen? Ich ließ mich auf meinen Stuhl nieder und riss den Umschlag auf.

Ich entnahm einen kleinen handgeschriebenen Zettel und ein weiteres Couvert. Dieser war an mich in der Dienststelle adressiert und als Absender war meine… Mutter. Fassungslos schaute ich zu Anna.

 

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