Eric Einarson – Der versprochene Mann – Tür 21

Dass mein Vater so gut wie leer ausging, wunderte mich nun nicht mehr. Er schien schon damals ein unfreundlicher Zeitgenosse gewesen zu sein. Dieser Meinung folgte wohl mein Großvater, schon alleine, weil mein Vater nicht in der Schreinerei arbeitete.

Im Testament, das uns später Onkel Armsgard zeigte, war verfasst worden, dass zu gleichen Teilen die Kinder alles erben, sprich Mikael, Freyja und ich. Je ein Wohnhaus und die Hälfte der Firma.

So wie es mir Mum am Telefon erzählt hatte. Es war auch kein Wunder, dass es dann zum Streit kam und meinen Vater veranlasste, das elterliche Gut zu verlassen. Dies hatte zur Folge,  dass auch Großmutter kurz darauf ihrem Mann folgte, weil sie die ganze Sache nicht ertrug.

Man kann fast behaupten, mein Erzeuger hatte seine eigene Mutter auf dem Gewissen .An das alles, hatte ich natürlich keinerlei Erinnerungen, dafür war ich wirklich noch zu klein. Es stimmte mich trotzdem traurig, um was mich alles mein Vater gebracht hatte.

„Dann beziehst du das Haus neben an?“, fragte Mikael.

„Nein!“

„Bitte Eric“, begann Tante Maria, „das war wirklich nicht…“

„Die Entscheidung hat nichts mit dir zu tun!“, fiel ich ihr ins Wort, „ich habe bereits Kim hier und auch meiner Chefin gesagt, die das gleiche fragten, das ich gerne in meiner Wohnung in der Nähe der Station bleiben würde.“

„… und wer zieht dann in dein Haus, willst du es vermieten?“

Mikael natürlich.

„Nicht vermieten, aber ich weiß da jemand, der da vielleicht wohnen möchte.“

„Wer?“

„Jetzt sei doch nicht so neugierig, Mikael“, beschwerte sich sein Vater.

„Meine Mutter!“, antwortete ich.

„Hanna?“, fragte Tante Maria und ich nickte.

„Wie kommst du darauf?“, wollte Onkel Armsgard wissen.

„Wir haben vor ein paar Tagen, lange telefoniert und sie hat selbst gesagt, ihr Herz hängt nach wie vor an Island.“

„… und warum ist sie dann nach England gegangen?“, fragte Tante Maria.

„Sie ist ihrem Mann gefolgt! Aber nachdem die Streitereien in den letzten Jahren immer heftiger wurden, entschied sie sich, dass sie sich scheiden lassen wollte.“

„Sie wollte sich  auch scheiden lassen?“

Diese überraschte Frage kam nun von Kim und ich nickte.

„… und dass er mich rausschmiss, hat sie wohl in ihren Entscheidung nur bestärkt.“

„Das tut mir alles so leid…“, fing Tante Maria wieder an.

„Was wird jetzt aus deinem Vater“, überging mein Onkel sie einfach, „also ich meine, will sie ihn hier her überführen und beerdigen lassen?“

„Nein, sie hat sich für ein anonymes Grab entschieden, sie will einen Schlussstrich ziehen!“

Erstaunt schauten mich die anderen an und irgendwie war ich es jetzt auch leid, noch weiter über dieses Thema zu reden.

„Was anderes, du hast gesagt, ihr baut auch Möbel“, wechselte ich einfach das Thema.

„Ja, warum fragst du?“, wollte Onkel Armsgard wissen.

„Wie gesagt, ich mag meine Wohnung, muss sie aber noch vollständig einrichten!

„Das ist kein Problem.“

„Es hat aber Zeit, erst muss sich mein Konto wieder füllen, der Umzug nach Island hat es ziemlich geschröpft.“

„Auch das sollte kein Problem sein…“

„Ähm ich will nichts geschenkt, ich zahle für die Möbel“, fiel ich meinem Onkel ins Wort.

„Nein, dass meinte ich nicht…, es ist genug Geld da!“

„Wie… genug…?“

„Um sämtlichen Rechtsstreitigkeiten aus dem Weg zu gehen, haben wir gleich damals, als dein Vater uns… verlassen hat und sämtliche Gewinne geteilt. Das Geld liegt unangerührt auf der Bank.“

Jetzt war ich der erstaunt schaute.

„Der Umbau?“, fragte nun Tante Maria.

„Ach so, wir haben vor ein paar Jahren, das Firmengebäude erneuert und die Hälfte davon von dem Geld bezahlt. Es wurde über alles genau Buch geführt, du kannst dir das alles gerne ansehen!“

Abwehrend hob ich meine Hände.

„Ich glaube euch auch so! Aber es ist gut zu wissen, falls meine Mum in irgendwelche Geldschwierigkeiten kommt, wenn sie umziehen will.“

*-*-*

„Dann bist du ja eine richtig gute Partie!“, grinste Kim neben mir.

Darauf sagte ich nicht, sondern schaute nur den anderen Lichter hinter her. Natürlich war es schon dunkel und noch bis zum 21. Dezember würde sich das Tageslicht auf vier Stunden verringern.

„He, das war Spaß!“

„Ich weiß Kim…, sorry wenn ich so nachdenklich bin. Heute Morgen war ich noch der arme Polizist und jetzt bin ich Hausbesitzer und Teilhaber einer Schreiberei.“

„Arm? Du hast doch alles… eine Wohnung einen Job und ich habe zwei Autos, naja, falls du einen eigenen Wagen willst, haben wir drei!“

„Und ich habe dich, hast du vergessen!“

Wieder zuckten Kims Mundwinkel leicht nach oben.

„Und was ein Auto betrifft…“, ich zuckte mit der Schulter, „ich bin mit dem wie es ist zufrieden.“

„Wie geht es jetzt weiter?“

„Was meinst du?“, fragte ich.

„Ändert sich irgendetwas, weil du das jetzt alles weißt?“

„Das kann ich dir nicht einmal sagen. Das ist schon ein großer Batzen, den ich da erst verarbeiten muss.“

„Hat deine Mutter irgendetwas gesagt, wann sie nach Island kommen will?“

„Sie war sich nicht ganz sicher, aber sie würde Weihnachten gerne mit mir verbringen.“

„Verständlich!“

„Meinst du, man könnte deine Mutter noch mal dazu bewegen, auch über die Weihnachtstage zu kommen?“

„Dazu müsste ich sie erst fragen, aber warum willst du das wissen?“

„Weihnachten, mit unseren Müttern feiern?“

„Ähm, bist du dir da sicher? Du hast schon mitbekommen, wie viele Belehrungen ich über mich habe ergehen lassen.“

Kim schien also nicht so sehr von dieser Idee angetan zu sein.

„Nein, habe ich nicht vergessen. War auch nur so eine Idee.“

„Eine verrückte Idee!“

„Oh, es fängt an zu schneien“, meinte ich und schaute wieder nach draußen.

Der Schnee dieses Jahr hatte lange auf sich warten lassen.

„War ja gemeldet…“, meckerte Kim neben mir.

Mein Blick wandert wieder zurück zu ihm.

„Was denn, bis du jetzt wegen meines Vorschlag eingeschnappt?“

„Nein, ich hasse Schnee… es ist rutschig…, kalt und nass!“

„Eben! Richtig schön!“

*-*-*

Bis wir unsere Wohnung erreicht hatten, war bereits alles weiß. Mürrisch stampfte Kim zum Hauseingang.

„Bah, jetzt meine Schuhe nass!“, meinte er und drückte die Eingangstür auf.

„Das trocknet wieder“, grinste ich an und schloss die Tür hinter uns wieder.

Sofort drang die warme Luft des Hauses zu uns. Im Aufzug und bis zur Wohnung hielt ich besser meine Klappe, denn Kim sah richtig sauer aus. Als wir unsere Bleibe dann betraten, zog er  sofort die Schuhe und Strümpfe aus und lief wie gewohnt barfuß weiter.

Auch ich hatte mich meiner Außenhaut und der Schuhe entledigt und ging gleich weiter ins Schlafzimmer.

„Möchtest du noch etwas essen?“, rief Kim aus seinem Zimmer.

„Nein, ich denke, ich habe für heute genug.“

Wir waren natürlich noch zum Abendessen eingeladen worden, wo ich die Familie noch ein bisschen näher kennen lernen konnte. Wie immer hatte ich zu viel gegessen, weil alles so gut geschmeckt hatte.

Deswegen hatte ich auch keinen Hunger mehr. Aber etwas Warmes zu trinken, wollte ich noch und Kim war sicher nicht abgeneigt, auch einen Tee zu trinken.

„Ich geh duschen“, hörte ich Kim rufen.

„Willst du auch einen Tee, Schatz?“

Ich hatte schon den Wasserkocher in der Hand, als Kim nur in Shorts in der Tür erschien.

„Wie hast du mich gerade genannt?“

Leicht verwirrt schaute ich ihn an und meine Stirne legte sich in Falten. Hatte ich etwas Falsches gesagt? Er kam auf mich zu und drückte mir einen Kuss auf dem Mund.

„Du hast gerade Schatz gesagt…“, grinste mich Kim an.

„So… habe ich…?“

Kim nickte.

„Ähm… das stört dich?“, fragte ich leicht verlegen.

„Nein! Das heißt, ich Büro solltest du es vielleicht nicht verwenden…“

Die schlechte Laune von eben schien verflogen. Er nahm mir den Wasserkocher ab und zog mich dann Richtung Bad.

*-*-*

Nur mit Handtuch um die Hüften stand ich nun in der Küche und startete den zweiten Versuch einen Tee zu kochen.

„Kim, hast du irgendeinen speziellen Wunsch, was die Sorte angeht?“

Wenige Augenblicke später erschien Kim in der Küche. Im Gegensatz zu mir, hatte er seine Schlafsachen schon an, sprich Shirt und Shorts. An den Füssen trug er dicke Socken.

„Moment…“, meinte er nahm mir seine kleine Holzkiste ab, …irgendwo habe ich noch diese Weihnachtsmischung.

Er zog fast jedes Päckchen hervor und lass die Aufschrift.

„Weihnachtsmischung?“

„Ja, ich habe mir das letztes Jahr mal gekauft, aber nie probiert. Da ist es ja!“

Er zog den kleinen Plastikbeutel heraus.

„Ich dachte du favorisierst grünen Tee mit etwas drin.“

Beim Umzug hatte ich gelernt, dass Tee nicht einfach Tee ist und Kim sogar mehrere Teeservices besaß.

„Da ist grüner Tee mit drin, aber auch Kräuter, die stark an Weihnachten erinnern sollen.“

„Okay, dann zieh ich mir mal etwas an.“

„Wieso? Ich finde, das sieht lecker aus“, meinte Kim und schielte auf das knappe Handtuch, das nur das Nötigste bedeckte.

Ich grinste und lief ins Schlafzimmer. Schnell hatte ich mir den gleichen Kleidungsstil wie Kim übergezogen. Als ich zurück kam, war Kim bereits im Wohnzimmer. Die Glaskaraffe auf dem Tisch färbte sich bereits tief rot.

Daneben standen zwei Tassen. Kim selbst schaute sich im Wohnzimmer um.

„Suchst du etwas?“, fragte und ließ mich neben ihm nieder.

„Nein, aber das ist das erste Mal, wo ich Lust habe, einen Raum festlich zu schmücken.“

„Du meinst den Tannenbaum?“

Kim nickte.

„Hast du das bisher nicht gemacht?“

„Meine Mutter hat ein bisschen dekoriert, für meinen Vater, mehr nicht.“

„Da ist meine Mutter etwas verrückter, dass sie nicht noch eine rot weiße Hülle für den offenen Kamin gestrickt hat, wundert mich bis heute. Es wird alles weihnachtlich eingepackt, was geht.“

„… und deine Wohnung.“

„Eher wenig…, ein Gesteck mit einer Kerze…, dafür war ich einfach zu faul.“

„Sollen wir morgen Weihnachtssachen kaufen gehen?“

„Morgen, am Samstag? Da ist es doch sicher recht voll überall.“

„Auch nicht voller als sonst.“

„Können wir das morgen entscheiden? Mein Kopf ist viel zu voll…“

„Dir macht das Ganze zu schaffen? Also ich meine mit deiner Familie und der Erbschaft.“

„Wenn ich nein sagen würde, wäre es gelogen, aber unbedingt ja würde ich auch nicht sagen, es ist einfach zu viel auf einmal.“

Kim lehnte sich an mich und griff nach meiner Hand.

„Du musst da nicht alleine durch, das weißt du.“

Ich nickte, obwohl ich mir nicht sicher war, ob mein Hirn ebenso dachte, oder dort angekommen war. Dafür kam ein anderer Gedanke auf.

„Kennst du dich hier mir Saunen und so aus?“

„Nicht so, ich kenne da nur die blaue Lagune.“

„Was ist das?“

„Eine große Seenplatte…“

„…draußen?“

„Ja, aber gespeist mit natürlichem warmen Wasser von unten und die besonderen Mineralien, lassen das Wasser Türkis schimmern.

„Also eine riesige Badewanne!“

„Im weitesten Sinne und total überlaufen, du musst im Internet Tickets buchen, um überhaupt hinein zukommen.“

„Hört sich gut an, sollten wir mal irgendwann machen.“

„Da… gibt es nur ein klitze kleines Problem…!“

„Was für ein Problem?“

„Die blaue Lagune liegt in der Nähe des Vulkans, der zurzeit ein bisschen brodelt.“

„Ein bisschen…“, ich atmete tief durch, „dann sollten wir das zurückstellen, aber im Auge behalten.“

„Stimmt, dass läuft uns ja nicht weg. Vielleicht finden wir bis dahin noch jemand, der uns begleitet.“

„Ähm… wer?“

„Wir haben noch andere Kollegen, falls du dies vergessen hast.“

„Nein, das habe ich nicht vergessen! Aber ich weiß nicht, ob ich mich vor dem Rest der Bande im Adamskostüm zeigen möchte.“

Kim fing laut an zu lachen und griff nach der Kanne Tee.

„Da kann ich dich beruhigen, dort herrscht Kleidungszwang, also ohne eine Badehose oder Shorts darfst du da gar nicht hinein.“

Kim goss mir den Tee ein, bevor er seine eigene Tasse füllte.

„Danke“, meinte ich und die Aromen, die Weihnachten zugedacht waren, begannen mich zu umkreisen, „dann können wir die anderen mitnehmen…“

Ich nahm vorsichtig einen Schluck und schmeckte Zimt und Spekulatius heraus.

„Der ist gut“, meinte ich und stellte die Tasse ab.

Da Kim wie immer ein Kissen auf seinem Schoss liegen hatte, drehte ich meinen Kopf zu ihm und machte mich lang.

„He, was gibt das“, fragte Kim und hielt seinen Tee in die Höhe, um nichts zu verschütten.

„Das ist so schön bequem!“, grinste ich und drückte mein Gesicht noch mehr in Kims Kissen.

Auch er begann nun zu grinsen und ließ seine Arme langsam sinken.

„Dir scheint es etwas besser zu gehen“, meinte er, beugte sich etwas vor und stellte nun seinerseits die Tasse ab.

„Ja…, mich wundert nur, dass es dieses Mal nicht so weh tut, nach dem ich alles erfahren habe.“

„Hat dich deine Mutter am Telefon nicht schon vorgewarnt?“

„Schon, aber es gab genug Sachen, die ich nicht wusste.“

„So wie das Geld auf der Bank.“

Ich schaute in Kims funkelnden Augen.

„Um ehrlich zu sein, so wichtig ist mir das Geld nicht, bisher bin ich auch immer über die Runden gekommen. Es hat halt nur länger gedauert, bis ich mir etwas leisten konnte, was mir gefiel. Ändern möchte ich da nicht!“

„Noble Worte“, lächelte Kim.

„So findest du?“, meinte ich, setzte mich auf und mein Gesicht war plötzlich ganz nah bei Kim.

Das war für Kim wahrscheinlich etwas zu schnell gegangen, denn er zuckte zusammen. Ich griff nach ihm und hob ihn hoch.

„Eh, was hast du vor?“

„Der noble Mann vernascht jetzt seinen kleinen Japaner!“

 

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