Manny 4 – Türchen 8

Anfang der Woche ist… mir ein Typ aufgefallen…“, ich rang nach Luft, „… der als Ella von der Schule heimkam auf der anderen Straßenseite stand. Ich dachte, ich mach mir zu viel Sorgen und bilde mir das nur ein und der steht dort zufällig.“

Ich atmete noch mal tief durch.

„Ja und?“, wollte Mike wissen.

„ich hab das dann wieder vergessen, aber genau der Typ, mit dunkler Hose, grauer Sweater mit Kapuze und Basecap, stand eben bei uns im Flur!“

„Bist du sicher?“

Ich nickte.

„Komm lass uns zurück gehen! Wir rufen diesen Capitän Davis an!“

Als wir etwas später wieder am Haus eintrafen, standen Sofia mit Levi und Noah auf der Schwelle.

„Was ist passiert?“, fragte Levi.

Mittlerweile meiner normalen Atmung mächtig, erzählte ich auch ihm, was ich Mike vorher gesagt hatte.

Erschrocken hielt Sofia ihre Hand vor den Mund.

„Es war aber nicht Jacob, oder?“, fragte Levi.

„Nein, den hätte ich auch mit Verkleidung erkannt.“

„Ich rufe Davis an!“

„Das habe ich auch vorgeschlagen“, meinte Mike.

*-*-*

Die zwei frisch abgezogenen Polizisten in Zivil wurden wieder eingesetzt, mit einer Liste der Mitarbeiter von den Firmen, die gerade im und am Haus tätig waren. Ansonsten wies Capitän Davis seine Kollegen an, in der Nachbarschaft nach Dashcams in den Fahrzeugen zu forschen, ob vielleicht dort etwas aufgenommen wurde.

Um mich von dem Ganzen abzulenken, hatte mir Noah geschnappt, um den Platz neben der Treppe vor dem Haus einer Grundreinigung zu unterziehen. Noah machte es sichtlich Spaß, mit dem Schrupper über die Bodenplatten zu schruppern.

„Alles klar mit dir?“

Diese Frage kam von Levi, der auf der Treppe, ans Geländer gelehnt stand. Ich schaute zu ihm hinauf, atmete tief durch und wischte mir mit dem Arm über meine Stirn. Kopfnickend bejahte ich seine Frage.

„Du weißt, es gibt auch Hochdruckreiniger!“, meinte darauf Levi.

„So lenkt es aber meine Gedanken ab und wie du siehst, macht es deinem Bruder Spaß.“

Levi lief die Treppe hinunter und nahm mich in den Arm.

„Lass dich von dem Typen ja nicht mürbe machen! Das ist genau was Jakob will!“

„Nicht mürbe, ich habe etwas Angst. Der Typ stand in unserem Hausflur, wie weit werden die noch gehen?“

„Ja ich weiß und das wird aber nicht mehr vorkommen!“

„Was macht dich da so sicher? Ich habe  Angst, irgendwer könnte Noah oder Ella was antun!“

„Soweit lasse ich es nicht kommen, hörst du?“

Ich atmete tief durch und versuchte nicht zu weinen.

„Ich bin fertig, was soll ich jetzt machen?“

Noah riss mich aus meinen Gedanken und Levi lies mich los.

„Das machst du gut“, meinte Levi und wuschelte seinem Bruder über den Kopf.

Dieser strahlte voll Stolz.

„Und wie geht es weiter?“, wollte mein Schatz wissen.

„Marcus meinte, wir stellen da zwei Holzkisten hin, machen Sand rein und ich darf dann die Blumen aussuchen, die da reinkommen!“

„Holzkisten?“, schaute Levi mich fragend an.

„Zwei längliche Holzkübel…“

Levi verstand und nickte.

„… und da stellen wir eine Bank hin, da kann Noah mit Levi abends hinsitzen und den Leuten zuschauen.“

„Die Nachbarschaft beobachten“, flüsterte ich Levi zu.

„Wenn du schon alles weißt, was gibt es heute Abend zum Essen?“

Noahs Stirn kräuselte sich, dann zuckte er mit der Schulter.

„Noah kann nicht kochen, dass musst du machen“, sagte Noah und zeigte auf seinen Bruder.

Levi ging auf seinen Bruder zu und begann ihn zu pieken.

„So, ich muss das.“

„Hör auf…, das kitzelt.“

Levi grinste und machte weiter.

„Das kitzelt…?“

„Jaaahaa… aaahh…“

Levi packte seinen Bruder, hob ihn etwas hoch und wirbelte ihn herum. Noah quickte und lachte vor Freude. Dann setzte Levi Noah wieder ab, ließ ihn aber nicht los.

„Hab dich lieb!“, hauchte mein Schatz, drückte ihm einen Kuss auf die Wange und erneut wuschelte er dem Kleinen durchs Haar.

*-*-*.

Während Noah schon im Bett lag und Ella noch über ihren Hausaufgaben brütete, saß Levi in seinem Büro. Ich selbst war noch ein Stockwerk höher gegangen und schaute die Fortschritte an, die mein Bruder gemacht hatte.

Die Wände waren eingezogen, dort wo später einmal Schalter oder Steckdosen die Wand zieren sollten, hingen nun Stromkabel heraus. Vom Dach selbst war nichts mehr zu sehen, komplett mit Holztafeln verleidet.

Da hatten sich mein Bruder und seine Mitarbeiter wirklich ins Zeug gelegt. Dem baldigen Einzug von Ella würde nichts im Weg stehen. Ich schaltete das Baulicht aus und schloss hinter mir die Speichertür.

„Alles zu deiner Zufriedenheit?“, grinste mich Levi an.

Er stand unten an der Treppe und hatte seine Klamotten gegen Shorts, Shirt und Wollsocken eingetauscht.

„Ich hätte nicht gedacht, dass das alles so schnell geht“, meinte ich und lief die Treppe hinunter.

„Da hast du Recht, sie legen sich richtig ins Zeug.“

„Bist du mit dem Büro schon fertig?“

„Fertig nicht, aber ich habe einfach keine Lust mehr. Den Rest, es ist nicht viel, kann ich auch morgen machen.“

„Dann können wir ja zum gemütlichen Teil des Abends übergehen, ich habe zufällig auch gerade Feierabend“, grinste ich breit.

Mittlerweile war ich unten bei ihm angekommen. Levi schaute mich an, sagte aber nichts.

„Was?“

Levi lehnte sich verträumt an den Treppenpfosten.

„Ich kann noch immer nicht fassen, was da gerade läuft! Der Umbau, der Garten… und…“

„Und?“

„…, dass mit uns.“

Bei diesen Worten zog mich Levi zu sich heran. Seine Hand wanderte zu meinem Nacken und ich spürte einen leichten Druck, damit sich unsere Gesichter sich noch  näher kamen.

„Ist dir zu viel?“, fragte ich mit sanfter Stimme.

Levi schüttelte den Kopf.

„Es ist eben neu und du weißt, der Mensch ist ein Gewohnheitstier.“

Ich atmete tief durch.

„Da gebe ich dir Recht, es geht alles irgendwie etwas schnell und dich trifft es am meisten.

„Damit komme ich schon klar und mit dir an meiner Seite, kommt es mir vor, alles zu schaffen!“

Unsere Stimmen waren nur noch ein Flüstern.

„Du sagst aber, wenn es dir zu viel wird“, hauchte ich und unsere Münder waren nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt.

Ein leises Tapsen ließ uns aber inne halten.

„Noah?“, flüsterte ich.

Levi zuckte mit den Schultern und beide schauten wir zum anderen Ende der Treppe, wo plötzlich Ella auftauchte.

„Ella? Alles in Ordnung?“, fragte ich.

„Sorry wenn ich störe…“

„Du störst doch nie“, grinste Levi und lehnte sich gegen die Reling der Treppe

„Marcus meinte, ob ich mehr Leute zum Geburtstag einladen möchte…“

Ich nickte.

„… und da habe ich mich mit Elijah und Evelyn kurzgeschlossen, denn es soll ja jemand sein, die Noah schon kennt…“

Alles Achtung, ich hätte nicht gedacht, dass sie so um ihren Bruder sorgt.

„… und weil Marcus meinte, es wäre Platz, da wollte ich fragen…, kann ich zehn Leute einladen?“

„Zehn?“, fragte Levi verwundert.

Ella Gesichtsausdruck war plötzlich von Enttäuschung gezeichnet.

„Ich dacht mir schon, dass das zu viel ist…“

„Öhm, also der Platz wäre da“, meinte ich und schaute zu Levi.

„Wird dir das nicht zu viel, ich meine wegen dem Essen und Getränken?“, fragte Levi besorgt.

„Ich habe eine Cateringfirma gefunden, die alles übernimmt.“

„Eine Cateringfirma?“

„Ja, oder willst du, dass Sofia, deine Tante oder gar meine Mutter, darauf würde es nämlich hinauslaufen, ständig in der Küche stehen?“

Levi schüttelte den Kopf.

„Also an mir soll es nicht liegen, wenn du die einladen möchtest, gebe ich meine hochoffizielle Erlaubnis dazu.“

Ohne etwas zu sagen, sprang Ella ihrem Bruder um den Hals.

„Danke…, danke!“

Sie ließ ihren Bruder los und wandte sich wieder an mich.

„Danke Marcus, ich habe auch eine Namensliste aufgeschrieben, damit du weißt wer kommt.“

Wie aus dem Nichts, zauberte sie ein Blatt Papier hervor. Levi griff sich die Notiz und überflog sie.

„Die kenne ich alle bis auf den einen… Robert Brixton…, wer ist das?“

„…der, …der ist auch aus meiner Klasse“, antwortete Ella verlegen.“

Ella benahm sich plötzlich komisch.

„…und warum kenne ich den dann nicht?“, wollte Levi wissen.

„Können wir das morgen diskutieren? Es ist spät und Ella sollte ins Bett“, unterbrach ich die beiden und schob Ella wieder Richtung Treppe.

„Aber…“, kam es von Levi.

Auf Ellas Gesicht machte sich Erleichterung breit. Ich entriss Levi die Notiz.

„Ich werde jetzt Ella runter bringen und du kannst ja schon den Rotwein einfüllen“, fiel ich Levi ins Wort.

Ohne auf ein weiteres Wort von Levi zu warten, schob ich Ella weiter vor mir her nach unten.

*-*-*

Als ich in Levis Bereich zurückkehrte, war schon alles dunkel, nur ein schwacher Schein drang aus seinem Zimmer. Levi selbst saß auf der Couch, hatte die Beine angezogen und starrte mit dem Glas Wein in der Hand, ins Leere.

Ich schloss die Tür hinter mir und gesellte mich zu ihm.

„Ist mein Schatz jetzt beleidigt?“, fragte ich und setzte mich.

Aus dem Gedanken gerissen schaute er auf.

„Nein…, nein bin ich nicht…, mir fällt nur auf, wie wenig ich um mich herum mitbekomme. Mir kommt der Gedanke auf, ich verpasse irgendwie etwas.“

Diesen Gedanken hatte ich bis jetzt noch nicht, denn es passierte einfach zu viel in dieser Familie. Ich nahm einen Schluck vom Rotwein.

„Ich denke nicht, dass du etwas verpasst, es passiert einfach zu viel… und leider jede Menge Veränderungen auf einmal.“

„Du denkst, ich habe mir zu viel vorgenommen?“

„Nein, das denke ich nicht, du korrigierst nur gerade Dinge, die in der Vergangenheit nicht so gut gelaufen sind und wie du schon sagtest, der Mensch ist ein Gewohnheitstier und das Neue reist dich aus deiner Komfortzone, die du bisher gewohnt warst.“

„Konfortzone, wie sich das anhört… So gesehen ist das hier“, er zeigte mit der Hand ins Zimmer, „mein kleines Reich…“

„… und selbst da bist du nicht mehr alleine für dich“, widersprach ich ihn.

Er schaute mich lange an.

„… aber du störst nicht, ich fühle mich wohl in deiner Gegenwart“, meinte er leise.

Ich zog ich langsam an mich heran.

„Trotzdem ist es neu für dich! Du meintest die Tage, ich solle meinen Krempel packen und zu dir hoch ziehen.“

Er nickte.

„Ich denke…, wir lassen alles so wie es ist!“

„Aber…“

„…Lass mich bitte ausreden!“

Ich wartete einen Augenblick, aber er sagte nichts mehr.

„Auf lange Zeit gesehen, würden wir denselben Fehler begehen, wie er jetzt besteht.“

„Das verstehe ich nicht.“

„Du siehst jetzt schon wie sich Ella und Noah in die Quere kommen, wenn es ums Bad geht und das wäre bei uns morgens nichts anders. Klar ist es schön mit dir zu duschen, aber nicht wenn ein neuer Tag ansteht. Ich kann gerne ein paar Dinge hier oben deponieren, aber ich denke, es ist besser, ich behalte mein Zimmer.“

Levi schien zu überlegen.

„So gesehen, ist es mein kleines Büro und Gästezimmer, falls jemand übernachten will…“

Dass ich da auf Mike anspielte, konnte sich Levi wahrscheinlich denken.

„… und es stört mich nicht, abends die paar Schritte zu dir hoch zu laufen.“

Levi kuschelte sich dichter an mich heran.

„Ich wollte dich doch nur bei mir haben.“

„Hast du doch! Ich bin immer bei dir und auch für dich da.“

Plötzlich setzte er sich auf.

„Oh, da fällt mir etwas ein, das hatte ich schon wieder fast vergessen. Hast du am Sonntag, an deinem freien Tag schon etwas vor?“

„Nein, wieso fragst du?“

„Vanessa hat angerufen, dass Oma Frida spät am Samstagabend ankommt und wollte mit uns am Sonntag essen gehen.“

„Sie will mich dabei haben? Also ich habe Zeit! Wann genau kommt der Flieger denn an?“

„Kurz vor elf…, wieso fragst du?“

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1 Kommentar

  1. Lieber Pit,

    vielen Dank für den tollen Adventkalender, ich freue mich sehr, dass es wieder eine Fortsetzung von Manny gibt. 🙂
    Ich wünsche Dir/Euch auch einen schönen 2. Advent.

    LG Leo

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