Gone, but not forgotten – Teil 3

3. Kuss mit Folgen

Drew

„Hier wohnst du, Drew?“

Marc betrachtete neugierig die Blockhütte aus Holz, die sich unauffällig in den Bergwald schmiegte. Mein eigenes Heim. Immerhin 70qm Wohnfläche verbargen sich hinter dem hölzernen Kleid. Der ganze Bau war eher pragmatischer Natur, robust, einfach, aber mit dem nötigen Komfort versehen, natürlich auch mit Strom und fließendem Wasser.

„Ja, komm rein.“ Ich schloss die Tür auf und lud ihn mit einer Geste ein hereinzukommen. „Fühl dich wie zu Hause.“

„Danke, Drew.“ Marcs Lächeln war aufrichtig und herzlich.

„Magst du ein Bier?“

„Gern.“

Seinem Wunsch folgend besorgte ich aus der Küche zwei Flaschen, öffnete sie und reichte eine davon Marc.

„Komm, ich zeige dir die Aussicht“, lud ich ihn ein.

Hinten am Wohnbereich schloss sich ein großer Balkon an, der Berghang fiel in diese Richtung ab und ermöglichte den Blick auf ein wunderschönes Panorama: die Berglandschaft, durchzogen von Wald und herrlichen Tälern.

„Wow“, war das einzige, was Marc hervorbrachte.

„Im Winter ist es auch sehr schön, alles eingehüllt in weißen Schnee und totale Stille.“

Plötzlich fiel mir wieder der frisch gepflanzte Baum ein und ich musste herzlich lachen.

„Marc, also Gärtner oder etwas in der Art bist du sicher nicht von Beruf, wenn ich mir anschaue, wie du den Baum eingesetzt hast. Bestimmt bist du so was wie Buchhalter oder dergleichen.“

„Buchhalter? Na danke.“ Marc schien wenig begeistert.

„Na ja, du hast auch die Hände danach.“

„Hände danach?“, wiederholte er.

„Ja, schau sie dir an, sie sind weich, du hast sicher kaum bisher körperlich gearbeitet.“ Ich nahm seine Hände in meine und fuhr darüber. „Vergleich mal, wie sich meine anfühlen, eher rau und mit Schwielen.“

Die Berührung erregte mich zugegebenermaßen und unsere Blicke trafen sich in völliger Harmonie.

Es klopfte an der Haustür. Beide zuckten wir zusammen und hastig zog Marc seine Hand zurück. Ich lief nach vorn, um zu öffnen. Paul stand draußen.

„Hier sind die Sachen von Marc. Nancy hat sie gewaschen.“

Marc war hinter mich getreten und nahm sie dankbar entgegen: „Das wäre wirklich nicht nötig gewesen.“

„Ist Drew ein guter Gastgeber?“, fragte Paul in lockerem Plauderton.

„Ja, doch, wirklich“, beteuerte Marc hastig, „und er hat mir etwas die Umgebung gezeigt.“

„Na schön…“

Spannung lag in der Luft, Marc und ich warfen uns fragende Blicke zu.

„Magst du auch ein Bier, Paul?“ Mein Bruder spürte sicher, dass ich die Frage nur der Höflichkeit halber gestellt hatte. Offen gesagt, ich wünschte, er würde verschwinden.

„Nein, Nancy wartet. – Komm morgen pünktlich, Drew, der Kanal muss gereinigt werden.“

„Okay, ich werde rechtzeitig da sein.“

„Schönen Abend noch“, und schon war Paul wieder verschwunden.

***

Marc

„Du kannst hier unten das Schlafzimmer haben. Komm, ich zeig es dir“, bot Drew mir an, „und das Bad ist gleich nebenan.“

Er ging voraus, ich nahm meine Tasche und folgte ihm. Der ungefähr 15qm große Raum gefiel mir sofort. Ein weicher Teppich überdeckte einen Großteil des Holzbodens, das Bett war sicher 1,40m breit und dann gab es noch einen vierflügeligen Schrank, einen Tisch mit zwei Stühlen und eine antike Truhe unter dem Fenster.

Drew ließ mich allein. Nun verräumte ich erst einmal meine wenigen Besitztümer und brachte meinen Kulturbeutel ins Bad. Lange betrachtete ich mich im Spiegel. Wer war ich wirklich?

Dann zog ich mir Hemd und Krawatte an. Pauls Frau hatte die Sachen netterweise für mich hergerichtet, ich hatte sie am Tag des Unfalls getragen. Wie automatisch glättete ich meine Haare, die ich bisher strubbelig getragen hatte, und kämmte sie zu einem Seitenscheitel. Erneut musterte ich einige Zeit schweigend mein Spiegelbild.

Nein, damit konnte ich nichts anfangen, verwuschelte meine Haare wie zuvor und zog mich aus, um eine Dusche zu nehmen.

Drew

Gerade legte ich in der oberen Etage – dort befand sich mein Schlafraum – meine Kleidung für den morgigen Tag zurecht, da stand plötzlich Marc vor mir, nur mit einem Handtuch um die Hüften.

Der Anblick ließ mich ins Schwitzen kommen, denn Marc machte eine ausgezeichnete Figur, seine Muskeln traten wohl definiert hervor und kein Gramm Fett war zuviel an ihm. Zu gern hätte ich seine nackte Haut liebkost und gestreichelt. Schon versank ich in einem Tagtraum, da unterbrach mich mein Gast:

„Ähm, entschuldige, ich habe keinen Schlafanzug, das haben wir wohl vergessen. Hier ist es vielleicht schon etwas kühl, um ohne zu schlafen, könntest du mir aushelfen?“

„Klar“, beeilte ich mich zu sagen und errötete leicht, da ich ihn dermaßen gemustert und angestarrt hatte.

Hastig wühlte ich in meinen Sachen und übergab ihm einen dunkelblauen Pyjama.

„Danke“, Marc lächelte mich an und wir schauten uns einen Moment länger in die Augen als es notwendig gewesen wäre. Dann verließ er mit einem „Gute Nacht, Drew“ den Raum.

Traurig und verwirrt setzte ich mich aufs Bett und vergrub den Kopf in den Händen. Längst hatte ich begonnen, mich in Marc zu verlieben. Wo würde das enden? Was empfand er für mich? War er schwul? War das nicht zu schön um wahr zu sein? Lange grübelte ich vor mich, bevor ich mich ins Bett legte. Schlafen konnte ich jedoch nicht. Schließlich stand ich noch einmal auf und setzte mich mit einem Buch und drei oder vier Flaschen Bier unten ins Wohnzimmer.

 

Marc

Es regnete in Strömen, der Himmel grau verhangen. Ich saß am Steuer meines Volvo Kombi und jagte den Wagen den engen Weg entlang. Plötzlich stand der Wagen und ich krampfte meine Hände um das Lenkrad. Verzweiflung übermannte mich. Mit weichen Knien stand ich dann auf dem Felsen…

Schweißgebadet erwachte ich wie schon so oft aus einem Albtraum. In diesem Moment hielt ich es im Bett nicht aus und wollte nur weg hier. So stand ich auf und verließ das Zimmer. Ich bemerkte, dass die Tür zum Wohnraum ein Stück weit offen stand und dort Licht brannte.

Zögerlich steckte ich meinen Kopf zur Tür hinein. Drew saß dort. Als er mich bemerkte, trat ein besorgter Ausdruck auf sein Gesicht:

„Ist alles okay?“

„Ich hab mal wieder schlecht geträumt“, seufzte ich.

„Kann ich irgendetwas für dich tun?“

„Nein, danke, mir geht’s gut“, erwiderte ich knapp.

Spontan setzte ich mich zu Drew und nahm ihn in den Arm. Das Gefühl, nichts zu wissen von meinem Leben als bloss den Vornamen, und dann diese bedrückenden Alpträume, all das zermürbte mich und ich fühlte mich einsam und allein. Die Nähe dieses Mannes tat mir gut und ich fühlte mich ein wenig geborgen.

Drew erwiderte die Umarmung sehr innig und flüsterte mir ins Ohr: „Wenn du reden willst, ich bin für dich da.“

Es gelang mir nur sehr schwer, Ordnung in dieses Gefühlschaos zu bringen.

„Weißt du, meine ganze Existenz besteht aus dem Namen Marc, alles, was ich sonst habe, sind ein paar Gefühle aus diesen Träumen, mich ängstigt das, denn … es scheint mir, als wäre mein Leben so … vorhersehbar gewesen, geplant, ich kann es nicht besser beschreiben. Mich überkommt dann eine gähnende Leere und extreme Müdigkeit, als ob ich mich gar nicht erinnern WILL.“

„Wer sagt denn, dass du dich erinnern MUSST?“, fragte Drew vorsichtig. „Die Vergangenheit ist eh gelaufen.“

„Du findest sie unwichtig?“ Ich war erstaunt.

„Mann kann es nicht mehr ändern, nicht einmal wenn du wolltest“, ließ Drew geheimnisvoll verlauten.

„Ich weiß aber nicht mal wer ich bin, was für ein Mensch ich bin.“

„Das einzige, was zählt, ist, wer du jetzt bist.“

„Du kennst mich doch gar nicht, Drew.“

„Doch, ich kenne dich genug.“

Schweigen.

„Ich möchte dir für alles danken, was du für mich getan hast und tust.“

„Ach, Marc, mach dir keine Gedanken darüber.“

Wir schauten uns an, und dann küsste mich Drew sehr zärtlich auf den Mund. Ja, ich erwiderte den Kuss, und doch kam eine unglaubliche Panik in mir hoch, ich sprang auf und flüchtete zurück in mein Zimmer.

Drew ließ ich traurig zurück, er wirkte bestürzt und erschüttert.

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