Gone, but not forgotten – Teil 7

7. Eskalation

Drew

Paul zitierte mich zu sich ins Büro, er schien ziemlich aufgebracht zu sein.

„Tom Diller hat mich angerufen. Persönlich. Am Crow’s Peak sollen sich zwei Männer geküsst haben.“

„Ist das verboten?“ Ich musste lachen.

„Hattest du die Uniform an?“, fragte Paul in scharfem Ton.

„Ja, klar.“ Paul wusste ganz genau, dass ich die während der Arbeitszeiten zu tragen hatte.

„Verdammt noch mal, Drew“, schimpfte mein Bruder und knallte eine Akte mit voller Wucht auf den Schreibtisch.

„Was soll der Aufstand?“ Langsam wurde ich wütend.

„Ich muss dich eine Woche suspendieren“, verkündete Paul mit kühler Stimme.

„Wieso denn das???“

„Das weißt du verdammt noch mal genau, Drew.“

„Oh ja, ich weiß wieso.“ Das ganze war so lächerlich.

„Jetzt labere nicht rum. Eine Woche und damit Schluss, ist das klar?“ Pauls Blick war in diesem Moment eiskalt.

Wutschnaubend verließ ich das Büro und knallte die Tür hinter mir zu. Frustriert setzte ich mich ins Auto und fuhr heim, hin zu dem Mann, in den ich mich verliebt hatte.

Zu allem Überfluss reagierte Marc ähnlich, als ich ihm von dem Vorfall berichtete.

„Was, man hat uns gesehen? Wer?“, fragte er aufgebracht.

„Warum regst du dich auf?“ Ich war enttäuscht und verletzt, dass er so reagierte.

„Wer … hat … uns … gesehen?“ Jedes Wort betonte Marc gefährlich.

„Wen kümmert’s?“ Störrisch ignorierte ich seine Nachfrage.

„Mich! Ich will nämlich kein Aufsehen erregen!“

„Es ist mir so was von egal, was Paul denkt!“ Wir stritten zum ersten Mal.

„Und deine Arbeit?“

„Das ist mir auch völlig egal, früher oder später wäre so etwas in der Art eh passiert. Ich werde mich nicht verstecken.“

„Du brauchst eine Arbeit“, insistierte Marc.

„Du verstehst mich nicht. Pauls Erwartungen kann ich eh nicht erfüllen. Ich werde es ihm wohl nie recht machen.“

„Wir sollten uns nicht so oft sehen in nächster Zeit.“ Marc wandte sich von mir ab und schaute aus dem Fenster.

„Was soll das bitteschön jetzt werden?“

„Ich kann nicht ewig vor meinem Leben davonlaufen. Es ist doch klar, dass ich zurück muss. Dann ist das hier vorbei, ist dir das klar?“

Er brach mir das Herz, seine Worte verletzten mich zutiefst, schlimmer hätte es nicht kommen können.

„Raus!“, schrie ich ihn an. Ich würde das nicht ertragen: ein Schrecken ohne Ende; wenn dann sollte es schnell vorbei sein. Umso eher würden die Wunden wieder verheilen.

„Tu das nicht, Drew“, Marcs Stimme klang jetzt flehentlich.

„Raus mit dir, los, nimm deine paar Sachen und verschwinde, dann haben wir es hinter uns. RAUS“, brüllte ich ihn an.

Wie ein geprügelter Hund verschwand er aus meinem Leben. Das war’s. Ich würde ihn nie wieder sehen und begann hemmungslos zu weinen.

Marc

Ein furchtbares Gefühl bemächtigte sich meiner. Ich wusste, ich hatte einen Fehler begangen. Und doch konnte ich es nicht ändern. Mit aller Kraft verdrängte ich jede Emotion und dachte verbissen daran, dass ich zurückkehren musste, zurück nach Hause.

Hastig stopfte ich meine paar Sachen, die ich besaß in die Tasche. Fortwährend kämpfte ich gegen die Tränen an, eine unsägliche Traurigkeit drohte sich meiner zu bemächtigen. Kopflos eilte ich aus dem Haus und rang um meine Fassung. Den Weg zu Paul lief ich zu Fuß, zum Glück war es nicht sehr weit. Er brachte mich netterweise ins Krankenhaus, denn es stand der vermutlich letzte Termin bei Frau Dr. Williams an. Der Abschied von ihr war herzlich. Dann fuhren Paul und ich dorthin, wo ich früher gewohnt hatte. Alles erschien mir fremd und ich konnte mich quasi an nichts erinnern.

Drew

Natürlich bereute ich meine Reaktion Marc gegenüber. So durften wir nicht auseinander gehen. Er hatte noch einen Termin im Krankenhaus.

Spontan fuhr ich hin. Doch er war fort, und dann explodierte das Pulverfass.

„Hallo Doc, wo ist denn Marc, ist er noch hier?“

„Drew, schön Sie zu sehen“, begrüßte mich Frau Dr. Williams in ihrer gewohnt herzlichen Art. „Nein, er ist nicht mehr hier, Paul hat ihn vorhin nach Hause gebracht zu seiner Frau.“

„Seine FRAU???“ Dieses Wort durchbohrte wie ein Dolch mein Herz. Ich hatte mich in ihn verliebt… Das durfte nicht wahr sein.

„Wusste Paul davon?“

„Ja, sicher…“

„Und warum sagt mir das keiner???“ Ich fiel Doc Williams ins Wort und schrie sie förmlich an.

„Drew, nun beruhigen Sie sich doch, er hat versucht sie zu erreichen…“

Ohne noch etwas zu sagen, drehte ich mich auf dem Absatz um und verließ das Hospital. Um mich herum sah und hörte ich nichts weiter. Tränen schossen mir erneut in die Augen, aber weder schämte ich mich ihrer noch versuchte ich sie wegzuwischen. Frau Dr. Williams hatte mir noch etwas hinterher gerufen, aber ich hörte es nicht mehr. Es war vorbei, aus der Traum, die Seifenblase war geplatzt.

Paul hätte mich informieren müssen, dieser Gedanke vergiftete mein Herz und benebelte meine Sinne. Auf direktem Wege fuhr ich zu ihm nach Hause. Ich klopfte wie wild, Nancy öffnete die Tür.

„Wo ist Paul?“, schimpfte ich aufgebracht.

„Er ist nicht da“, kam es ein wenig gereizt von Nancy zurück.

„Wo ist er? Ich muss ihn unbedingt sprechen!“

„Er hat dich ständig angefunkt, weil er dir irgendetwas mitteilen wollte.“

„Sehr überzeugend, Nancy, und wer bitteschön soll das glauben???“ Meine Stimme triefte vor Sarkasmus.

„Jetzt reicht’s aber, Drew! In diesem Ton lasse ich nicht mit mir reden, nicht in meinem eigenen Haus!“, fauchte sie zurück.

„Willst du mich etwa rausschmeißen?“ Natürlich provozierte ich sie.

„Wenn du dich so aufführst, dann ja!“, kam es von ihr in einem gefährlich ruhigen Ton.

„Warum will Paul mir unbedingt wehtun?“ Auf der Stelle hätte ich erneut heulen können.

„Er will dir doch gar nicht wehtun, Drew Siehst du nicht, was er alles für dich tut und getan hat? Und weißt du überhaupt, wer das ist, dem du da hinterherläufst? Du kennst ihn nicht mal richtig.“

„Ich liebe Marc“, stellte ich müde fest.

„Willst du dafür alles aufs Spiel setzen, deine Familie, alles was du noch hast?“

„DU hast doch geheiratet, um deinen Eltern zu entkommen und dich hier ins gemachte Nest zu setzen.“ Ich war einfach nur wütend und enttäuscht.

Klatsch! Schon hatte Nancy mir eine Ohrfeige verpasst.

„Eins will ich dir sagen, Drew: Passiert so etwas auch nur einmal, wenn das Baby da ist, kommst du mir nicht mehr ins Haus, ist das klar?“ Sie war den Tränen nahe, vermutlich hatte ich sie sehr getroffen.

„Baby?“ Inzwischen entglitt mir die Situation und ich verstand gar nichts mehr.

„Hat Paul dir denn gar nichts erzählt?“

„Scheiße!“ Schon wieder stiegen mir Tränen in die Augen, ich wollte nur noch weg, und verschwand von hier.

***

Ich saß am See und hatte mich kräftig betrunken. Die leeren Flaschen schwammen vor mir im Wasser. Allen Ärger und Kummer hatte ich versucht, mit Alkohol wegzuspülen. Immerhin betäubte es ein wenig.

Plötzlich hörte ich ein Auto heranfahren. Mit einem Blick wusste ich, wer es war: Paul. Schnell sprang ich ins Wasser und entfernte mich ein wenig vom Ufer.

„Na toll, die Bullen!“, lallte ich lautstark.

„Drew…“ Paul lief in meine Richtung.

„Verschwinde!“

„Was machst du da, Drew?“

„Ich betrinke mich, hast du auch Durst?“

„Komm sofort aus dem Wasser raus.“

„Geh zu deiner Frau und deinem Kind.“

„Ich wollte es dir sagen, bestimmt“, bekräftigte er.

„Ist mir scheißegal.“ Albern kicherte ich vor mich hin.

„Ich komme rein, wenn’s sein muss und hol dich da raus!“. Paul wirkte ein wenig besorgt, und ich hatte schon das Gefühl, dass es ihm ernst war.

„Nur zu, komm rein.“

„Willst du da drin ertrinken? Bist du dann glücklich?“

„Ich und glücklich? Wen interessiert das schon“, bemerkte ich bitter.

„Spar dir dein Selbstmitleid und werd endlich erwachsen, Drew!“ Seine Stimme klang traurig.

„Bist du gekommen, um mir Vorträge zu halten? Darüber, wie toll und erwachsen DU bist?“

„Das hier gehört zu meinem Job.“ Er ging auf meinen Angriff gar nicht ein. „Du weißt, dass ich dich verhaften könnte für das, was du hier verzapfst?“

„Ja, klar weiß ich das.“

„Geh nach Hause Drew, und sieh zu, dass du dich nicht erkältest. Schlaf dich aus.“ Ich blickte in seine müden Augen und merkte, wie niedergeschlagen er war. Dann drehte er sich um und ging zu seinem Auto. Ich stapfte derweil aus dem Wasser.

„Fühlst du dich jetzt besser, Paul?“ Vieles hatte mich verletzt, ich konnte nicht aufhören, meiner Bitterkeit Luft zu verschaffen. „Fühlst du dich besser, wenn du mich fertig machst?“

„Die Welt hat sich nicht gegen dich verschworen, begreif das endlich. Marc hat sein Leben, wie wir alle. Die Welt dreht sich nicht nur um dich! Du bist ein erwachsener Mann, also fang an, dich auch so zu benehmen.“ Langsam verlor Paul die Geduld, bemühte sich aber darum, die Fassung zu bewahren.

„Ich hab unsere Eltern nicht umgebracht. Meinst du, ich hab das gewollt?“ Eine weitere meiner tiefen Wunden offenbarte sich aus den Tiefen meiner Seele.

„Niemand macht dir Vorwürfe deswegen“, kam es erregt von Paul.

„Natürlich! Du tust es, jeden Tag! Du trampelst ständig auf mir rum.“

„Sie sind tot, ein für allemal, Drew.“ Paul hatte seine Ruhe wieder gefunden.

„Wir können dem nicht gerecht werden…“, wehrte ich mich verzweifelt.

„Geh nach Hause, Bruder.“ Wieder machte sich diese Müdigkeit in seiner Stimme bemerkbar.

„Vielleicht sollte ich besser zu Mom und Dad.“ Dabei zeigte ich hinaus auf den See und war dem Heulen nahe. „Wie fändest du das?“

Paul kam auf mich zu, erhob seine Hand und schlug mir mit aller Kraft ins Gesicht. Ich taumelte nach hinten und stürzte zu Boden.

„Drew, hast du sie noch alle? Du würdest bereit sein, mein ganzes Leben aus reinem Trotz zunichte zu machen? Mum und Dad sind tot. Mehr als dich habe ich nicht mehr. Und dein einziger Ehrgeiz ist es, das ständig aufs Spiel zu setzen?“ Seine Stimme brach, er war den Tränen nah, klang total verzweifelt. „Und eines Tages, Drew, wird dich die Welt mal beim Wort nehmen. Du wirst aus der Tür gehen und nicht mehr wiederkommen. Und du glaubst allen Ernstes, das würde mich glücklich machen??? Was für eine Familie ist das denn bitte, die ich habe? Was für ein Bruder bist du nur?“ Die letzten Worte hatte Paul nur mit Überwindung und Mühe hervorgebracht.

Dann stieg er ins Auto und fuhr davon.

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