Boston, here I come – Teil 4 Niagara

Rundreisen sind nichts für Langschläfer. Ich hatte den allgemeinen Weckruf zu 7 Uhr bestellt, damit das Tagesprogramm anderthalb Stunden später beginnen konnte. Diese 90 Minuten sind zwar knapp bemessen, aber sie reichen aus, um aufzustehen, sich zu duschen, sich anzuziehen, seinen Koffer zu packen und zu frühstücken, außerdem muss das Gepäck ja auch noch verladen werden.

Um 8.45 Uhr begann der Stadtrundgang durch die Geburtsstadt von Stephen King, der gerne Teile seiner Geschichten hier spielen lässt. Portland ist zwar die größte Stadt des 23.sten Bundesstaates der USA und verfügt über eine, für amerikanische Verhältnisse ziemlich lange Geschichte, die Siedlung wurde 1623 an der Casco Bucht gegründet, ist aber doch eher eine provinzielle Kleinstadt, bei knapp 64.000 Einwohnern kann man noch nicht von Metropole reden.

Auf der Fahrt nach Vermont, Rutland war ja für die meisten Mitglieder der Gruppe das Tagesziel, passierte eigentlich nichts Weltbewegendes. Auf dem Highway 202 fuhren wir erst südwärts nach New Hampshire. Kurz nach Sanford erzählte ich die Geschichte über die kuriose Gründung von Maine, war es bis 1820 doch nur der nördliche Teil von Massachusetts gewesen. Der Kiefern-Staat, wie er auch genannt wird, verdankt seine Existenz eigentlich dem Staat Missouri, der in die Union aufgenommen werden wollte. Um das Stimmengleichgewicht zwischen sklavenhaltenden und nicht-sklavenhaltenden Staaten weiterhin zu gewährleisten, wurde die Staatswerdung beschlossen.

Die Mittagspause machten wir in Glendale am Ufer des Lake Winnipesaukee, des größten Sees von New Hampshire und seit mehr als 100 Jahren Urlaubsziel von Ostküstenbewohnern, die der dortigen Sommerhitze entgehen wollen. Das Lokal liegt idyllisch in einem Waldstück, direkt am Wasser, es verfügt sogar über einen eigenen Anleger, um auch schippernde Gäste bewirten zu können. Zu dieser Jahreszeit dümpelte jedoch dort nur eine Jolle und auch der Bootsverleih wirkte verlassen.

 

Nach der Nahrungsaufnahme suchte ich Blickkontakt zu Jost, der bei seinen Eltern am Tisch saß. Als Reiseleiter steht man nämlich unter permanenter Beobachtung, wie viel Zeit man mit einem Gast verbringt. Eifersüchteleien diesbezüglich sind nicht unüblich und vergiften nur das Klima im Bus, von daher sollte man ab ovo seine Aufmerksamkeit gleichmäßig auf alle seine Schäfchen verteilen.

Ich deutete mit dem Kopf in Richtung der Seeterrasse. Er nickte grinsend. Rauchend lehnte ich am Geländer, als er sich, wie zufällig, neben mich stellte. „Hallo, du schöner Mann!“

 

„Meinst du mich?“ Ich grinste.

 

„Nein, den Typ auf dem Boot da hinten.“ Er frotzelte. „Natürlich meine ich dich!“

 

„Will ich dir auch geraten haben!“ Ich schnippte die Zigarette weg.

 

„Und? Wie geht es jetzt weiter?“ Er hatte wieder diesen fragenden Blick in seinen Augen.

 

„Wir haben jetzt noch knapp drei Stunden Fahrt vor uns, einschließlich Kaffeepause im Calvin Coolidge State Park, dann Zimmerbezug, beziehungsweise Fahrt zum Flughafen und ab in den Flieger nach Niagara Falls.“ Ich lachte ihn an. „Komm mal mit.“

 

„Wohin?“ Seine Augen leuchteten mich an.

 

„Nicht fragen, einfach folgen!“ Ich verließ die Terrasse und stürmte die Treppe runter in Richtung See. Erst als ich die Holzhütte des Bootsverleihs im Wald erreicht hatte, verlangsamte ich meine Schritte. Ich lehnte mich lässig an die Ecke und wartete auf den angehenden Studenten.

 

„Was machen wir hier?“ Manche Fragen sind überflüssig.

 

Ich zog ihn um die Ecke und nahm ihn in die Arme. „Das!“ Meine Lippen senkten sich und meine Zunge begehrte Einlass, den er, nach einem kurzen Moment des Zögerns, auch gewährte. Mir wurde heiß und kalt zugleich. „Das wollte ich den ganzen Vormittag schon machen!“

 

Er grinste und leckte mir über die Nasenspitze. „Und warum hast du es dann nicht getan?“

 

„Erstens muss ich arbeiten, ich bin ja nicht zum Vergnügen hier. Zweitens könnte der Typ aus Frankfurt eifersüchtig werden, der scheint mir auch verzaubert zu sein, und drittens …“ Ich blickte ihm tief in die Augen. „… soll ich dich vor den Augen deiner Eltern ablecken? Nicht, dass ich es nicht gerne machen würde, aber …“

 

Er stöhnte. „Das ist die nächste Baustelle, die …“

 

Ich legte meinen Zeigefinger auf seinen Mund. „Keine Bange, wir werden das Kind schon schaukeln, mein Schatz!“ Hatte ich gerade Schatz gesagt?

 

„Wir?“ Fragezeichen leuchteten in seinen smaragdgrünen Augen. „Hast du gerade wir gesagt?“

 

Ich nickte. „Habe ich! Es gibt zwar noch einige … Baustellen, aber … die kann abarbeiten. Ich finde, wir passen sehr, sehr gut zusammen. Ober bist du etwa anderer Meinung?“

 

Anstatt zu antworten, küsste er mich und unsere Zungen tanzten minutenlang Salsa. Plötzlich ging er ins Hohlkreuz und blickte mich an. „Ich glaube, wir sollten langsam wieder zurück, sonst fährt man noch ohne den Reiseleiter los.“

 

„Keine Angst, eher lässt Jenny einen Gast stehen, als sich ohne mich in Bewegung zu setzen.“ Ich lachte und küsste seine Sommersprossen. „Zeit für eine Zigarette haben wir noch.“

 

„Du rauchst zu viel, mein Süßer!“ War das eine Ermahnung?

 

Ich musste husten. „Ja, Mama! Ich verspreche, ich will mich bessern!“

 

Er funkelte mich an. „Mama? … Sag mal, hast du eigentlich einen Spitznamen?“

 

Ich stutzte. „In der Schule nannte man mich Kraut. Ansonsten …“ Ich schüttelte den Kopf. „Und du?“

 

„Auch Keinen, es sei denn, man würde Jo gelten lassen.“ Er lachte. „Aber wie kommt man auf Kraut?“

 

„Bei uns zuhause wird nur Deutsch gesprochen, … als ich in die Schule kam, war mein Englisch entsprechend. Von daher war ich für meine Mitschüler nur der Deutsche, halt der Kraut.“ Ich sog den Rauch tief ein. „Aber … alle meine Brüder wurden auch so genannt, von daher …“ Ich zuckte mit den Schultern zu und schaute ihn intensiv an.

 

„Dann muss ich mir ja noch was einfallen lassen für dich, du Kraut!“ Er lachte und ging in Richtung Terrasse. „Kommst du endlich? … Oder soll ich mich in den Wäldern hier verirren?“

 

„Ich würde dich retten und …“ Ich gluckste. „… und in meiner Waldhütte hegen und pflegen.“

 

„Du denkst auch nur an das eine!“ War das ein Vorwurf?

 

„Ja, Mama! Ich verspreche, ich will mich bessern!“ Sein Lachen war Musik in meinen Ohren.

 

 

Das Intermezzo vom See konnten wir bei der Kaffeepause leider nicht wiederholen, denn die Damen aus dem Ruhrgebiet hatten mich mit Beschlag belegt. Ich hatte sie gerade abgefrühstückt, da kamen die Herren Plassenhagen und Kaltenberg, die im Bus hinter mir saßen, auf mich zu.

„Herr Gordon, der Park ist doch nach dem Präsidenten benannt?“ Plassenhagen plusterte sich auf.

 

Ich nickte. „Ja, der ist in Vermont geboren, in Plymouth Notch. Warum fragen sie?“

 

„Es geht um eine Wette!“ Er blickte mich Hilfe suchend an. „Ich habe mit meinem Kollegen Kaltenberg hier um ein Bier gewettet, dass der nichts mit dem Coolidge-Effekt zu tun hat.“

 

Ich war überfragt, den Effekt kannte ich nicht. Lars Kaltenberg, der Mann aus Frankfurt, grinste. „Sie wissen schon, der wachsende Widerwillen von Männern, immer nur mit der gleichen Frau …“

 

Ich musste lachen. „Ich glaube, Herr Plassenhagen, sie werden das Bier übernehmen müssen! Von Silent Cal ist folgende Anekdote überliefert: Seine Frau, die First Lady, besuchte eines Tages eine Musterfarm und war erstaunt, dass es dort nur einen einzigen Hahn gab. Als man ihr sagte, man bräuchte nur einen Hahn, der würde bis zu zwölf Mal am Tag die Hennen … sie wissen schon … soll sie geantwortet haben: ‚Sagen Sie das meinem Mann.‘ Als der Präsident das dann hörte, fragte er nach, ob der Hahn immer mit der gleichen Henne … die Antwort ist klar, es waren immer verschiedene … darauf der Präsident: ‚Sagen Sie das meiner Frau!‘ … Wie gesagt: Ein Histörchen, ich übernehme keine Gewähr.“

 

„Was habe ich dir gesagt?“ Triumph lag in der Stimme von Kaltenberg, als sie zum Bus gingen.

 

 

Kurz vor Mendon griff ich mir das Mikrofon. „Meine Damen und Herren, wir sind jetzt in den Green Mountains, den Nationalpark werden sie ja morgen mit örtlichen Führen selbst erkunden. Abfahrt vom Hotel ist um halb neun, die genauen Details finden sie in ihrem Programm.“ Ich schaute mich um, die meisten nickten. „Für die, die den Ausflug zu den Niagarafällen gebucht haben, gilt, den Reisepass nicht vergessen, wir besuchen Kanada. … Ihr Gepäck muss aus dem Bus, der darf sonst nicht in den Nationalpark.“ Ein paar Leute schauten ungläubig. „Sie müssen ihre Koffer also im Hotel deponieren, es geht leider nicht anders. Für den Ausflug zu den Fällen reicht ja eine kleine Reisetasche mit Sachen für eine Nacht. Falls sie noch nicht umgepackt haben sollten, machen sie sich keine Sorgen, wir liegen gut in der Zeit. Im Hotel können sie sich nötigenfalls einen Rucksack leihen, der Flieger hat leider kein großes Gepäckvolumen. Bei Fragen stehe ich ihnen gerne zur Verfügung. Ich danke für ihre Aufmerksamkeit.“

 

Ein kurzer Applaus übertönte die Musik und ich setzte mich wieder neben Jenny. Sie warf mir einen Blick zu. „Du siehst aus, als ob du was auf dem Herzen hast. Was ist los?“

 

„Ich muss auch noch umpacken. Kann ich dein Zimmer …?“ Ich wollte nicht in der Öffentlichkeit.

 

„Kein Problem, ich mach sowieso erst den Bus fertig, wenn ihr drinnen seid.“ Sie lachte. „Ich bewahr dein Gepäck dann auch für dich auf.“

 

„Danke dir und jetzt wünsch mir Glück, dass sich keine Fragen mehr ergeben.“ Ich stand auf.

 

„Wirst das schon machen, kleiner Chef!“ Sie grinste mich. „Und jetzt ab!“

 

Ich hatte es wohl mit Reiseprofis zu tun, denn nur bei den Stuttgartern ergab sich das Problem des noch fehlenden Kurzreisegepäcks. Die Damen aus dem Ruhrgebiet, die eine Reihe vor den Schwaben saßen, boten sofort ihr Zimmer für die Packaktion an, man müsse sich ja gegenseitig helfen.

Als ich zu den Sitzen der Jacobsens kam, grinste mich Jost an. „Ich hab ja eh nur meine Reisetasche.“

 

Ich grinste zurück. „Die würde ich gleich brauchen. Mein Rucksack … liegt in meiner Wohnung in New York, ich hab ihn einfach vergessen.“ Ich blickte ihn Hilfe suchend an. „Da ich die Sachen schlecht in den Aktenkoffer packen kann … wäre ich dir dankbar, wenn …“

 

„Was willst du?“ Mütter stellen manchmal dumme Fragen.

 

Ich blickte sie leicht irritiert an. „Sylvia, darf ich meine Sachen, also Jeans und Hemd und so, die ich morgen brauche, in die Reisetasche deines Sohnes legen?“

 

„Wenn du nichts anderes verpacken willst, …“ Sie zwinkerte mir zu. „… dann ja!“

 

„Danke!“ Wieso wechselte Jost die Gesichtsfarbe?

 

 

Für das Umpacken brauchte ich keine fünf Minuten, die Sachen wanderten einfach aus dem Koffer in die Reisetasche, Daniels Geschenke aus der Aktentasche in den Koffer. Das gerahmte Porträt gefiel mir, trotz normalen Outfits knisterte eine gewisse Erotik durch. Das Bild musste ein Profifotograf gemacht haben, auf der Rückseite war ein Aufkleber mit dem Aufdruck ‚Fotostudios Plange‘. Seinen Brief mit der Einladung zur Sylvesterfeier in Bad Tölz, romantisch urig in einer Berghütte, ließ ich bei meinen Unterlagen.

Hatte ich auch alles? Ich überlegte kurz, ging die gepackten Sachen noch einmal im Geiste durch und grinste: Meinen Einkauf von Hilfinger warf ich in den Aktenkoffer. Jetzt hatte ich alles.

 

 

Teile der Truppe, die mit zu den Niagarafällen flog, hatte sich in der Zwischenzeit an der Rezeption versammelt, Jost stand etwas abseits und wirkte erleichtert, als er mich auf sich zukommen sah. „Na du! Sachen gepackt?“

 

Ich nickte. „Alles, was wir brauchen, haben wir. Aber … ich muss dir noch was Schlimmes beichten.“

 

„Schlechte Nachrichten?“ Jost erstarrte. „Gordon! Was ist los?“

 

„Ich hab kein Einzelzimmer mehr für dich gekriegt.“ Ich blickte ihn an.

 

Er wirkte verstört. „Wie? Ich kann jetzt nicht mit? Willst du mir das sagen? Ich muss hier bleiben?“

 

„Das habe ich nicht gesagt!“ Ich grinste ihn an. „Du … müsstest dir … mit mir … ein Zimmer teilen!“

 

Er stöhnte. „Du Idiot! Und das soll schlimm sein?“

 

„Hätte ja sein können, dass du lieber alleine … schlafen möchtest.“ Mein Grinsen wurde breiter.

 

Er verzog sein Gesicht. „Nur, wenn du schnarchst!“

 

„Ich höre mir so selten dabei zu, wenn ich schlafe.“ Ich lachte. „Aber ich kann dich beruhigen, bisher hat sich noch niemand beschwert, der mein Bett geteilt hat.“

 

„Einmal ist immer das erste Mal!“ Er grummelte. „Das werde ich dir noch heimzahlen, du Kraut!“

 

 

Privatmaschinen und kleine Flughäfen haben den Vorteil, man erspart sich die Sicherheitskontrollen, wenn man ein Flugzeug besteigen möchte. Die gecharterte Challenger 850 stand schon abflugbereit auf dem Rollfeld. Während ein Mitarbeiter des Bodenpersonals und der Kopilot sich um das Gepäck kümmerten, begrüßte der Kapitän jeden Reisenden mit Handschlag.

Pünktlich um 18 Uhr hob der Sonderflug nach Niagara Falls ab. Für die knapp 500 Kilometer Luftlinie brauchten wir eine Stunde, kaum hatten wir die Gipfelhöhe erreicht, begann auch schon wieder der Sinkflug. Die Zeit reichte gerade einmal dazu, um den Drink zu sich zu nehmen, den der Kopilot uns eingeschenkt hatte.

Nachdem jeder ein echtes Glas, auch ein Vorteil von Privatmaschinen, in der Hand hielt, räusperte ich mich. „So, ich werde ihnen gleich die Stadtpläne von Niagara Falls mit den wichtigsten Informationen aushändigen. Wundern sie sich bitte nicht, die Stadt trägt auf beiden Seiten den gleichen Namen, obwohl es eigentlich zwei Städte sind. Heute Abend steht ja nichts mehr auf den Programm, sie können einen Spaziergang zur amerikanischen Seite der Fälle machen, etwas Essen, ins Kasino gehen oder auf der anderen Seite der Grenze, in Kanada, einkaufen. Einiges ist dort erheblich günstiger zu bekommen als hier in den Staaten.“ Ich blickte in die Runde.

„Abfahrt morgen ist dann um 9 Uhr. Die Tour dauert inklusive Weinprobe und Essen ungefähr sechs Stunden, danach geht es zum Flughafen und zurück nach Rutland, wo wir ungefähr um fünf wieder eintreffen werden. Ihr Gepäck müssen sie mitnehmen, da wir nicht mehr zum Hotel zurückfahren. Während der Tour bleibt es im Bus. In diesem Sinne lassen sie mich das Glas erheben und auf einen schönen Tag morgen anstoßen. Cheers!“

Applaus er folgte zwar keiner, dafür erfüllte der Klang der Kristallgläser die Kabine. „Ach, ehe ich es vergesse: Sie sollten ihren Reisepass immer am Mann beziehungsweise an der Frau haben, sie sind manchmal schneller in Kanada, als sie es wollen.“

 

Die Landung verlief ohne Probleme, die Maschine rollte aus und nahm ihre Parkposition ein. Auf dem Vorfeld wartete schon ein Kleinbus auf uns. Der Fahrer, der sich als Charles Webber vorstellte, half dem Kopiloten bei der Gepäckentladung und bat uns anschließen in sein Gefährt.

Die Sicherheitsmaßnahmen beim Verlassen des Airport, wir wurden einfach nur durchgewunken, kamen mir etwas lasch vor, bedenkt man, dass ein Teil des Flughafens militärisch genutzt wird. Pünktlich auf die Minute um7:15pm setzte uns Charles am Hampton Inn ab. Das Hotel am Rainbow Boulevard gehört zur Hilton-Gruppe, ist also keine schlechte Herberge.

 

Nach dem jeder mit Gepäck den Bus verlassen hatte, Jost spielte meinen Kofferträger, ich hatte schließlich meine Aktentasche in der Hand, betraten wir die Halle. Ich stutzte, als ich den Mann an der Rezeption. „Hallo Gerd!“

 

Die Überraschung war nicht nur auf meiner Seite. „Gordon! Was machst du denn wieder hier?“

 

„Ich musste eine Sondertour für meinen Bruder übernehmen.“ Ich grinste ihn an. „Und was machst du hier? Du hast mir doch vorletzte Woche gesagt, du wolltest endlich mal Urlaub machen!“

 

„Wollte ich auch! Aber meine Frau musste zu ihrer Mutter fliegen, die hat irgendwas mit der Bandscheibe. Das ist Urlaub genug für mich.“ Das Fränkisch, dass der Fünfzigjährige sprach, hatte zwar einen amerikanischen Einschlag, man konnte es aber durchaus noch als solches erkennen. „Mit meinen Jungs hab ich ja keine Probleme, was will ein Mann also mehr?“

 

„Nichts.“ Ich grinste den leicht beleibten Schnauzbartträger an. „Checkst du dann meine Gäste ein?“

 

„Aber selbstverständlich, Herr Lensing.“ Er grinste. „Ich mache doch fast alles, was du willst.“ Die Formalitäten wurden in deutscher Gründlichkeit schnell erledigt. Nachdem meine Truppe ihre Schlüsselkarten erhalten hatte und längst in die Aufzüge verschwunden war, blickte er verwundert auf Jost, der hinter mir stand. „Und sie junger Mann? Wie kann ich Ihnen helfen?“

 

Ich blickte den braunäugigen Familienvater an und grinste. „Der junge Mann gehört zum mir, eure King Size Betten sind ja groß genug für zwei.“

 

„Aha!“ Er tippte auf seiner Tastatur. „Einen guten Geschmack hast du ja, das muss man dir lassen.“ Er griff sich eine Karte und zog sie durch ein Schreibgerät. „Gordon, wie immer, Raucher mit … Das Frühstück für deine Begleitung geht in Ordnung.“ Warum grinste er so breit? „Weckruf wie immer für dich und deine Leute?“

 

Ich nickte. „Weckruf wie immer!“

 

„Zimmer 201.“ Er reichte mir das Stück Plastik. „Kann ich sonst noch was für dich tun?“

 

Ich kratzte mich am Kinn. „Kannst du! Würdest du mal bitte im Skylon Tower anrufen und fragen, ob die heute Abend noch einen Tisch frei haben? Ich würde gerne mit Jost da hin zum Essen.“

 

Er lachte. „Das geht aber schnell bei dir! Seid ihr in den Flitterwochen?“

 

„So in etwa!“ Auch ich hatte ein breites Grinsen auf den Lippen.

 

„Wird erledigt, ich melde mich gleich!“ Er zog die Augenbrauen hoch. „Wenn ich dann nicht störe.“

 

Wir gingen zu den Aufzügen und Jost zog mich am Ärmel. „Was war das denn für ein Typ?“

 

„Das war Gerd, vor 15 Jahren aus Nürnberg in die USA ausgewandert. Unheimlich netter Typ, auch wenn er bi ist.“ Ich flüsterte, auch wenn wir alleine im Lift waren.

 

„Hattest du mal was …“ Jost wirkte verschüchtert. „… mit ihm?“

 

Ich schüttelte den Kopf. „Nein, außer einer netten Unterhaltung in der Sauna und dem einen oder anderen Bier hatten wir nichts miteinander. Er würde zwar wollen, aber wollen würde ich nicht.“

 

„Dann ist ja gut!“ Wieso wirkte er erleichtert?

 

Ich öffnete die Tür. „Hereinspaziert.“

 

„Whow, das Zimmer ist ja riesig.“ Er warf seine Reisetasche aufs Bett. „Und hier sollen wir …“

 

„Du kannst ja auch gerne im Sessel oder auf dem Boden schlafen, aber …“ Ich grinste ihn an. „… aber ich glaube, im Bett ist es bequemer.“

 

Wenn Blicke töten könnten! „Ich bin mal kurz im Badezimmer.“

 

„Mach das!“ Ich stellte meinen Aktenkoffer ab, in dem Moment klingelte das Telefon. „Lensing.“

 

„Gerd hier. Der Maître freut sich, den neuen Tourdirektor von Lensing Travel samt Assistenten um neun begrüßen zu können.“ Er lachte. „Ein Wagen wird euch um kurz nach halb von ihr abholen.“

 

„Gerd, du bist ein Schatz!“ Ich freute mich. „Hast einen gut bei mir!“

 

„Was sagt denn deine Begleitung dazu? Außerdem … du könntest glatt unter mir durchbrechen.“ Er lachte herzhaft. „Viel Vergnügen euch beiden, ihr habt jetzt also fast eine Stunde … bis zum Essen.“

 

Schmunzelnd legte ich auf und blickte auf Jost, der wieder vor mir stand.. „Wer war das denn?“

 

„Gerd, wir haben einen Tisch.“ Ich blickte ihn an. „Er hat mir gerade die Daten durchgegeben.“

 

„Ah ja, aber … kriegen wir nicht überall was zu essen?“ Seine Augen!

 

„Das ja, aber wo wir essen werden, muss man normalerweise ein halbes Jahr im Voraus bestellen.“ Ich grinste. „Und Gerd macht manchmal Unmögliches möglich.“

 

„Dann schließe ich ihn in mein Nachtgebet ein.“ Er lachte mich an. „Hast du gewusst, wir haben einen Whirlpool im Zimmer?“

 

„Yepp, habe ich.“ Ich blickte ihn an. „Auch ein Vorteil, wenn man den Rezeptionisten kennt. Normalerweise hätte ich … äh … hätten wir … nur ein Zimmer mit Dusche.“

 

„Wäre mit auch egal, aber sollen wir …?“ Er wirkte plötzlich schüchtern.

 

„Du meinst, du und ich … wir gemeinsam …“ Ich zog die Augenbrauen hoch. „… nackt im Whirlpool?“

 

„Du kannst ja deine Schwimm-Shorts tragen …“ In sein Lachen allein hätte man sich verlieben können.

 

„Damit du wieder auf Klo rennst und dir einen …“ Auch ich musste lachen.

 

„Arsch! Wer zuerst im Bad ist, fängt an, den anderen auszuziehen!“ Sagte, sprachs und flitzte.

 

Grinsend folgte ich ihm. Er hantierte an den Hebeln des Pools, als ich die Wasserspiele betrat. „Jost, ich gebe mich geschlagen. Du hast gewonnen, zwar wieder mit unlauteren Mitteln, aber gewonnen.“

 

Er kam auf mich zu, küsste mich und streifte mir die Jacke, die ich immer noch trug, von den Schultern. „Sieg ist Sieg!“ Während das Wasser langsam stieg, zog er mich und ich ihn aus. Kleidungsstück um Kleidungsstück landete auf dem gefliesten Boden, immer wieder von heftigen Zungenspielen und Streicheleinheiten unterbrochen. Irgendwann standen wir uns, nur noch in Unterhosen bekleidet, gegenüber. Regungslos verharrten wir voreinander, sagten minutenlang kein Wort, sondern blickten uns nur liebevoll an.

„Ich … ich … ich glaube, jetzt ist genug Wasser … in … in der Wanne.“ Sein Stottern war süß.

 

Jost wandte sich wieder den Armaturen zu, musste sich deshalb umdrehen. Ich nutzte die sich mir bietende Gelegenheit, griff in seinen Bund und zog das Stück Stoff nach unten. Darunter offenbarte sich der schönste Hintern der Welt, nein, des Sonnensystems oder gar der Milchstraße. „Strike!“

 

„Ihr Amis seid schlechte Verlierer!“ Schmollte er etwa? „Aber ich verzeihe dir!“ Er riss an meiner Retro, bis sie mir in den Knien hing. „Jetzt passt es wieder.“

 

Da standen wir nun nackt, wie Gott uns erschaffen, voreinander. Seine Augen tasteten mich ab, ich tat es ihm gleich. Er war einfach nur begehrenswert, fast makellos. Ich ging auf ihn zu, umarmte ihn, Haut auf Haut, welch großartiges Gefühl! Dass zwei Versteifungen zwischen uns standen, störte eigentlich niemanden. Ich sog einfach nur seinen göttlichen Geruch, seinen Schweiß, seine Aura in mich ein. Eng umschlungen standen wir in dem von Wasserdampf geschwängerten Raum.

„Ich … ich glaube, wir … wir sollten … in die Wanne.“ Wo war meine Sicherheit? Weit, weit weg!

 

„Wenn du … wenn du meinst.“ Er blickte mich verunsichert an. „Aber … aber dann, … dann müssten wir … uns … trennen.“

 

„Nur für eine Minute, mein Engel!“ Ich küsste ihn und wollte ihn eigentlich nie mehr loslassen.

 

Irgendwie schafften wir es aber dann doch noch, das Sprudelbad zu besteigen. Außer Stöhnlauten waren wir zu keiner Äußerung mehr fähig, jeder war damit beschäftigt, den Körper des anderen zu ertasten, zu erfahren, zu erfühlen. Es war einfach unbeschreiblich, er war so schön, der Inbegriff von Anmut. Hätte mir das jemand vor einer Woche erzählt, ich würde heute mit meinen Traumtypen nackt im Whirlpool liegen, ich hätte denjenigen zum Psychiater geschickt.

Dass jeder an den Kronjuwelen des anderen spielte, war klar wie Kloßbrühe. Aber, und das war das Merkwürdige an der Sache, es lag in der Spielerei nichts Forderndes, keiner wollte Besitz vom anderen ergreifen, es war einfach nur Neugier auf den Körper des Partners. Sein bestes Teil war ungefähr genauso groß wie mein Zepter. Es passte einfach zu ihm. Das Einzige, was mir negativ auffiel, war der dichte Urwald, der sich um seinen Maibaum breit machte. Er würde bestimmt besser ohne diese störende Behaarung aussehen, aber dieser Makel war mir in dem Moment mehr als egal.

Inmitten einer der unzähligen Erkundungstouren klingelte plötzlich das Telefon. Aufgrund der Tatsache, dass ich kein gewöhnliches Zimmer mein Eigen nannte, verfügte ich auch über einen Apparat im Badezimmer. Nur mühsam konnte ich mich von meinem Liebsten loseisen und ergriff den Hörer. „Wer stört da?“

 

Ein Lachen war am anderen Ende der Leitung zu vernehmen. „Ich bin es, Gerd!“

 

„Und was willst du?“ Ich stöhnte ins Telefon, die Störung kam mehr als ungelegen.

 

„Dich nur über die Tatsache informieren, dass in einer Viertelstunde euer Wagen kommt.“ Er war wieder der geschäftsmäßige Rezeptionist. „Ich hoffe, ich habe dich bei nichts Wesentlichem gestört.“

 

„Hast du! Aber danke für die Info.“ Ich legte auf und blickte meinen Schatz an. „Ich glaube, wir müssen … jetzt … raus. Wir werden gleich abgeholt.“

 

Er blickte mich an. „Können wir nicht hier essen?“

 

„Können könnten wir schon, aber Sollen sollten wir nicht.“ Ich küsste ihn auf seine Nase. „Ich möchte dich zu einem der schönsten Orte der Welt entführen.“ Ich atmete tief durch. „Aber dafür müssten wir jetzt aus der Wanne!“

 

Liebevoll blickte er mich an. „Dann machen wir das.“ Er stieg aus dem warmen Nass, griff sich ein Handtuch und begann, sich abzutrocknen. Er grinste breit, als er mir ein Badelaken zuwarf. „Nun komm schon, du Faulpelz. … Du wolltest doch auswärts essen.“

Nur unwillig erhob ich mich, hätte ich doch gerne den Augenblick länger ausgekostet. Das Frotteeteil um die Hüften geschwungen, betrat ich den Hauptraum. Jost war mit der Reisetasche beschäftigt. Er blickte mich mit seinen smaragdgrünen Augen an. „Was hältst du davon, wenn wir in Partnerlook zum Essen gehen?“

 

Ich spielte an meinem Kinn. „Keine schlechte Idee! Was schlägst du vor?“

 

„Hier!“ Er warf mir die schwarze Jeans, eines meiner weißen T-Shirts und ein Hemd entgegen. Ich betrachtete das Oberteil und musste grinsen, er hatte also zwei gleiche Oberhemden in dem Outlet-Store gekauft. Er selbst stand schon in einer seiner neuen Unterhosen vor mir.

 

„Du willst wirklich Partnerlook?“ Ich blickte den angehenden Studenten an, er nickte und ich grinste. „Dann aber bitte komplett! Unterhose aus!“

 

Er blickte mich an wie ein neues Auto. „Was soll ich?“

 

Ich ging an meinen Koffer. „Zieh deine Boxer aus.“ Er schälte sich aus seiner Unterkleidung, stand leicht fragend vor mir. Ich warf ihm eine der beiden Jocks, die ich gekauft hatte, zu. „Wenn, dann tragen wir auch die gleiche Unterhose!“

 

„Was ist das?“ Jost betrachtete das Teil in Rot. „So etwas habe ich noch nie getragen.“

 

„Ein Jock-Strap, so etwas wie eine Sportunterhose, nur das Suspensorium fehlt.“ Ich grinste ihn an. „Damit kommt der süßesten Hintern der Welt noch besser zu Geltung, will ja mit dir angeben!“

 

„Dann spiele ich halt deine Lady in Red.“ Er lachte herzergreifend. „Und du bist meine!“

 

„Ich bin alles, was ich für dich sein soll!“ Ich grinste ihn an und wir machten uns fertig.

 

 

Als wir die Lobby betraten, wartete an der Rezeption ein livrierter Fahrer. Gerd tippte ihn an und wies in unsere Richtung. Der Herr mit der Mütze in der Hand trabte auf uns zu. „Mr. Lensing?“ Ich nickte, er grüßte erneut. „Please fellow me.“

 

Ich glaube, es war ein Lincoln, den wir bestiegen, aber eigentlich war es auch egal, der Wagen, in dem wir fuhren, war auf alle Fälle schwarz lackiert. Die Grenzformalitäten waren schnell erledigt, anscheinend war das Fahrzeug mit dem kanadischen Nummernschild bekannt. Die Fahrt dauerte, inklusive Grenzübertritt, keine Viertelstunde, dann hielten wir an dem hexagonalen Skylon-Komplex mit dem über 160 Meter hohem Aussichtsturm.

Ich wollte dem Fahrer schon ein Trinkgeld geben, aber der Mann in Livree lehnte dankend ab. Ich sollte doch dem Maître bescheid geben, wenn seine Dienste wieder benötigt würden. Er deutete uns den Weg zum Eingang und zog sich zurück.

 

„Wo sind wir hier?“ Jost blickte mich fragend an.

 

„In Kanada und kurz vor einem der besten Ausblicke deines Lebens!“ Ich hätte ihn küssen können. „Vertrau mir einfach und folge mir!“

 

Gemeinsam schlenderten wir in Richtung der Aufzüge und fuhren in einer der gelb gestrichenen Außenkabinen in die Höhe. Allein der Ausblick bei der Fahrt war atemberaubend, lag doch der Eingang des Gebäudes schon 230 Meter über den Niagarafällen. Während wir in die Höhe fuhren, hielten wir nur Händchen. Ok, ich gebe es zu: Zwei oder drei Küsse wurden auch ausgetauscht.

Im Restaurant angekommen, verließen wir den Aufzug und steuerten das Pult des Empfangskellners an. Ein Herr im schwarzen Anzug begrüßte uns freundlich. „May I help you?“

 

Ich nickte, griff in die Innentasche meiner Jacke und reichte ihm meine Karte. „Gordon Lensing from Lensing Travel. There is a reservation for us .“

 

Der Herr, ich schätzte ihn auf Mitte 40, betrachtete den Pappkarton und nickte. Mit Bedauern teilte er uns mit, dass der für uns reservierte Tisch noch nicht frei sei, wir mögen doch derweil an der Bar einen Drink zu uns nehmen. Er ging vor uns in den Saal und deutete dezent elegant auf den Tresen. „For your convenience.“

 

Jost blickte mich ungläubig an. „Wo sind wir hier?“

 

Ich lachte. „Im Drehrestaurant über den Fällen. Der Ausblick ist himmlisch. Warte ab, mein Schatz!“

 

„Mag ja sein, aber hier kostet doch einmal Husten schon fünf Euro!“ Erwirkte verstört.

 

„Egal, jetzt trinken wir erst mal etwas.“ Ich deutete auf den Hocker. „Setz dich und sei locker!“

 

„Ja, Papa!“ Ich musste grinsen.

 

Der Barkeeper fragte nach unseren Wünschen und mixte mir dann einen Long Island Ice Tea und für Jost eine Pina Collada. Auf die Rechnung angesprochen, schüttelte er nur mit dem Kopf, wir müssten ja auf unseren Tisch warten. Dessen Trotz legte ich eine Fünfdollarnote unter meinen Untersetzer.

„Prost mein Engel! Auf einen schönen Abend.“ Zu Klaviermusik stießen wir an und schauten uns tief in die Augen. Dass sie faszinierend waren und sind, sagte ich ja schon, oder?

 

Der Inhalt unsere Gläser war maximal zu einem Drittel geleert, der kam der Anzugträger vom Empfang erneut auf uns zu. „Would you please be so kind and fellow me?“ Er deutete in den Raum und ging voran, wir folgten ihm mit den Gläsern in der Hand.

Er rückte erst mir den Stuhl zurecht, dann durfte sich Jost auch setzen. Er entschuldigte sich noch einmal, dass er nicht sofort einen Tisch für uns gehabt hätte. „Sorry for your inconvenience.“

 

Die Augen meines Liebsten wurden immer größer. „Wo sind wir eigentlich? Im Buckingham Palast?“

 

Ich musste grinsen. „Staatsoberhaupt in Kanada ist zwar die Queen, aber wir sind nur in einem vier oder fünf Sterne Lokal. Also genieße es einfach!“

 

Antworten konnte er nicht, ein anderer Kellner brachte uns die Speisekarten. Nach einem Blick ließ er den ledergebundenen Karton sinken. „Hast du dir einmal die Preise angeschaut?“

 

Ich grinste ihn an. „Jost! Ich habe im letzten halben Jahr kein Geld ausgeben können, war immer nur unterwegs. Jetzt gönne ich mir mit meinen Freund ein tolles Essen. Wen kümmern da die Kosten?“

 

„Mich!“ Er wirkte resolut. „Das Essen geht auf mich. Ich hab ja noch Paps Kreditkarte.“

 

„Was hast du?“ Ich blickte ihn an. „Das … das … das kannst du nicht machen.“

 

„Wieso kann ich das nicht?“ Er blickte mich an. „Ich habe heute im Bus mit Mama geredet. Sag jetzt bitte nichts Falsches, aber ich glaube, sie will mich mit dir verkuppeln. Ich weiß zwar nicht, was ihr genau besprochen habt, … aber das wirst du mir noch erzählen, hoffe ich einmal!“ Er trank einen Schluck. „Wenn mich meine Eltern denn schon unter die Haube bringen wollen, dann sollen sie dafür auch zahlen! Also hab dich nicht so.“

 

„Ja, Mama!“ Ich blickte ihn ernst an. „Ich habe mit deiner Mutter ein intensives Gespräch geführt.“

 

„Wessen Inhalts?“ Wurde er streng?

 

Ich entschied mich für absolute Offenheit. „Nun, Sylvia macht sich Sorgen um dich. Irgendetwas muss um den Geburtstag deines Bruders passiert sein, das dich vollkommen aus der Bahn warf. Sie weiß einfach keine Antwort.“ Jetzt brauchte auch ich einen Schluck zu trinken. „Als sie gesehen hatte, wie ich auf dich reagierte, hat sie … mich einfach … ins Vertrauen gezogen. Sie vermutet übrigens, dass du schwul bist. Dein Vater ahnt wohl was, also von der Seite brauchst du keine Angst zu haben.“

 

Er blickte mich fragend an. „Und?“

 

„Was die beiden allerdings nicht verstehen, ist das Warum! Warum hast du dich ihnen nicht schon früher offenbart?“ Ich versuchte, einen Blick von ihm zu erheischen, aber es gelang mir nicht. „Und was hat der Unfall am Badesee zu bedeuten?“

 

„Habt ihr Spekulationen angestellt?“ Es sammelte wohl die Informationen zusammen.

 

Ich zuckte mit den Schultern. „Wie kann ich? Ich kenne weder den See noch die näheren Umstände. Das Einzige, was sich aus den Schilderungen deiner Mutter wirklich entnehmen konnte, war, dass du vielleicht der Typ Mann bist, der gerne Nägel mit Köpfen macht.“

 

Er schluckte. „Du kennst mich besser als ich dachte!“

 

Ich blickte ihn liebevoll an. „Danke … deine Eltern haben sich Sorgen gemacht, du könntest dir was antun. Von daher kam es zu der Nachbuchung und dem Theater mit Sven und seiner Schule.“

 

„Ich war auch kurz davor!“ Seine Stimme wurde tonlos.

 

Richtig erschrocken war ich nicht, ich hatte mit so etwas gerechnet. „Willst du mir sagen, warum?“

 

„Später!“ Er blickte mir in die Augen. „Jetzt lass uns erst Paps Kreditkarte plündern.“ Er blickte wieder in die Karte und grübelte. „Gordon, was heißt PST und GST? Die Abkürzungen sagen mir nichts.“

 

„Das ist die kanadische Mehrwertsteuer.“ Ich lachte ihn an. „Wie bei uns in den Staaten werden hier auch nur die Nettopreise ausgewiesen. GST ist die Goods and Service Tax und beträgt 5% und geht an den Staat, PST steht für Provincial Sales Tax, geht also an die Provinz. Hier in Ontario werden 8% erhoben, 10% auf Alkohol in Restaurants.“

 

„Aha! Wieder was gelernt.“ Er grinste. „Was nimmst du?“

 

„Zwiebelsuppe und Pfeffersteak, beim Nachtisch schwanke ich noch.“ Ich hatte wirklich Hunger.

 

Er war noch einen Blick in die Karte. „Ich nehme den Meereseintopf und die Lammkoteletts. Und was trinken wir? Rot- oder Weißwein oder, wie der typische Deutsche, Bier?“

 

„Bei diesem Ausblick willst du Gerstensaft?“ Ich schüttelte grinsend den Kopf. „Entweder wir nehmen zwei halbe Flaschen oder den 2002er Merlot Reserve vom Colio Estate. Passt zwar nicht so gut zur Vorspeise, aber an die uralte Regel: Weißer Wein zu hellem Fleisch und roter Wein zu dunklem Fleisch …, an die braucht man sich eh nicht mehr zu halten.“

 

„Und wir sind ja sowieso unkonventionell.“ Er hatte sein Lachen wieder gefunden.

 

„Gaynau!“ Unsere Hände berührten sich an den Fingerspitzen, ein Blitz durchzuckte mich.

 

Wir gaben die Bestellung auf, der Wein sollte erst zum Hauptgang serviert werden. Jost lehnte sich zurück und blickte mich an. „Was hat dir Mama alles über mich erzählt?“

 

Was sollte ich ihm sagen? Ich entschied mich für die Wahrheit, denn die ist immer am besten. „Nun, dass du mit 15 von Bremen nach Hamburg gezogen bist und dort zum Eigenbrötler wurdest. Erst dieser … der Chefredakteur der Schülerzeitung …“

 

„Peter Krolljohann.“ Er blickte mich starr an.

 

Ich nickte. „Genau der! Dieser Peter hätte dich aus deiner Lethargie befreit und wäre dein bester Freund geworden.“

 

„Er war nicht nur mein bester Freund, er war mein Freund!“ Traurigkeit lag in seinem Blick. „Aber bleiben wir mal in der Zeitleiste.“ Er räusperte sich leicht. „Bis zur achten oder neunten Klasse hatte ich immer eine Freundin. Gut, ab und an haben wir auch nur unter uns Jungs Doktor gespielt, … hat ja wohl jeder. Dann hab ich in einem Zeltlager vom CVJM Malte Brauer kennen gelernt und … Wie soll ich es sagen? Verliebt ist das falsche Wort, ich war beeindruckt, er … er war so männlich, so stark. Als wir im Zeltlager zusammen gewichst haben, war es irgendwie anders, schöner, intensiver … Ich … ich war hin und her gerissen, war ziemlich unsicher, also …“ Er lachte gekünstelt. „… also ob Fisch oder Fleisch, du weist schon, was ich meine.“

Er nippte an seinem Glas. „Nach dem Urlaub haben wir dann weitergemacht. Aber das Wahre? Das Wahre war es nicht. Ich durfte ihm einen blasen und für ihn die Beine breitmachen, er hat mir maximal einen runter geholt. Küssen und Streicheln kamen für ihn nicht infrage, er war ja offiziell nicht schwul. Ich war nur sein Ventil, ein Spielzeug, wenn er anderweitig nicht zum Zuge kam! Und ich Idiot bin auch immer brav hin gedackelt, wenn er mich gerufen hat. Ich dachte, er liebt mich.“

Jost atmete tief durch. „Tja, und als er dann Tina kennen lernte, war ich ganz abgemeldet. ‚Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen‘. Ich kam mir echt beschissen vor, ausgenutzt, … irgendwie missbraucht. Ich dachte, wenn das Schwulsein heißt, dann willst du es nicht sein. Ich war Mama und Papa echt nicht böse, als wir dann nach Norderstedt gezogen sind. Eigentlich war ich froh, von dem Kerl wegzukommen, so weit wie möglich.“ Er trank den Rest der Pina Collada in einem Zug aus.

 

Der Kellner brachte die Suppen. Ich blickte ihn an. „Dann mal einen Guten!“

 

„Wünsche ich dir auch Gordon.“ Er nahm einen Löffel. „Verdammt! Ist das heiß!“

 

„Ist ja auch kein Gazpacho, sondern …“ Ich grinste ihn an. „… sondern ein Gumbo.“

 

„Ja Papa!“ Er hatte sein Lachen wieder. Während der Suppe ruhte das Gespräch. Erst als der Kellner abgeräumt hatte und der Wein serviert worden war, nahm er den Faden wieder auf.

„Die neue Schule war echt der Horror! Keine Eliteschule, aber man benahm sich so, überall nur Gucci, Prada, Versace … Schickimicki hoch zehn! Cliquen wie ein Kastenwesen und als Neuer? … Als Neuer warst du der Parier, der Unberührbare! Du konntest froh sein, wenn überhaupt ein Lehrer mit dir gesprochen hat.“

Er spielte mit dem Weinglas. „Und … da ich weder Golf noch Hockey spiele, Schach und Bridge hasse, und auch mit Pferden und mit Pfeil und Bogen nicht umgehen kann, konnte ich die tollen Freizeitangebote vergessen.“ Er rollte mit den Augen. „Aber Paps Job brachte dann die Wendung, die Leute von der Schülerzeitung kamen auf mich zu, sie standen ja auch nur eine Kaste höher. Ich hab denen eine Führung durch Verlag und Redaktion besorgt … tja, und so hab ich Peter kennen gelernt.“

 

Ich blickte ihn an. „War es … war es Liebe auf den ersten Blick?“

 

Er schüttelte mit dem Kopf. „Wo denkst du hin? Erstens wollte ich nicht mehr schwul sein, … und zweitens war er da mit Sonja zusammen. Erst nach über einem halben Jahr habe ich dann durch Zufall erfahren, dass sie nur seine Alibifrau ist. … Ich hab ihn beim Wichsen erwischt, er schaute sich im Radaktionsraum einen schwulen Porno an! … Leugnen war also zwecklos.“

 

Ich musste grinsen. „Und da bist du wieder auf den Geschmack gekommen?“

 

Er zuckte mit den Schultern. „Wir haben uns dann den Rest des Bildungsfilms bei mir angesehen und dann zusammen … Da es dann ja klar war, dass wir beide so sind, wie wir sind, … sind wir immer näher und stärker zusammengewachsen; man nannte uns hinterher die ‚Schreibenden Zwei‘, wir waren das dynamische Reporterduo. … Es lief damals bei uns im Fernsehen die Serie Queer as Folk und wir wollten es so machen wie Brian und Justin, uns auf meinem Abiball outen vor all den Heuchlern in der Schule.“

Er seufzte. „Aber dazu kam es nicht mehr. Er musste ja unbedingt allein sein Meisterstück schreiben: illegale Autorennen! Da geht er einmal ohne mich los und …“ Es fiel ihm sichtlich schwer, darüber zu reden. „Naja, das Loch, in das ich fiel, war tief, denn … den Tipp für die Geschichte hatte er von mir! Ich hab dann mit dem Schreiben aufgehört. Da hat man jemand gefunden, mit dem man alt werden möchte, mit dem man sein restliches Leben verbringen will … und dann das! Aus in einer Minute!“

 

Ich legte meine Hand auf seine. „Tut mir leid.“

 

„Du kannst doch nichts dafür.“ Dankbarkeit lag in seinen Augen. „Tja, und dann kam lange nichts, nur Öde und Einsamkeit. Ab und an bin ich dann mal in ein Pornokino oder zum Parkplatz gefahren, irgendwie musste ich ja Druck ablassen. Als ich im April von der Bundeswehr wieder nach Hause kam und erfahren habe, dass ich erst zu Oktober meinen Studienplatz kriegen würde, fiel mir die Decke auf den Kopf. Ich bin dann wieder mit Volleyball angefangen. Lustige Thekenmannschaft.“

Er trank einen Schluck. „Und da habe ich Jurek kennen gelernt. Netter Kerl, studierte Germanistik. Wir haben ziemlich schnell festgestellt, dass wir auf ein und derselben Welle schwimmen. Wir sind dann auch ein paar Mal in der Kiste gelandet.“

 

Ich legte meine Hand auf seinen Arm, er zitterte. „Du musst nicht weiter erzählen.“

 

„Lass mich bitte, … es muss raus!“ Sein Blick hatte etwas Flehentliches. „Es machte Spaß, wir lernten uns langsam besser kennen. Aber Jurek … seine Familie ist streng katholisch, seine Schwester Nonne und ein Onkel Weihbischof oder so was in der Art. … Es wusste keiner, dass er … verzaubert … ist, weder seine Eltern noch seine polnischen Freunde. Ein paar Kommilitonen, … aber sonst ahnte es niemand.“ Er atmete tief durch. „Am Samstag vor Svens Geburtstag … an dem Baggersee, … da … da wollte er mich … einem Teil seiner Freunde vorstellen.“

Er hatte eine Träne in den Augen. „Sie hatten sich zum Schwimmen verabredet und wollten hinterher grillen … ich sollte dazukommen … Ich kam an der Kiesgrube an, sah Feuerwehr, Polizei, Notarzt und Rettungswagen. … Ich wusste gar nicht, was passiert war.“ Er starrte aus dem Fenster. „Ich habe ihn gesucht … und dann habe ich gesehen, wie sie … sie ihn aus dem Wasser zogen.“

Jost strich sich die Tränen weg und blickte mich an. „Er wollte wohl mit seinen Leuten zu der kleinen Insel im See schwimmen. In der Zeitung stand, er ist vor den Augen seiner Freunde ertrunken, ihn hätten wohl die Kräfte verlassen.“

 

Ich legte meine Hand auf die Seine. „Ich kann mir vorstellen, wie du dich gefühlt hast.“

 

„Bist du dir sicher?“ Er suchte nach seinem Taschentuch. „Es war das zweite Mal, dass ein Mensch, der sich mit mir outen wollte, starb.“ Er schniefte hinein. „Wegen mir!“

 

„Red doch keinen Unsinn!“ Ich blickte ihn scharf an. „Dich trifft keine Schuld!“

 

„Doch! Verstehst du es nicht?“ Die schiere Verzweiflung lag in seinem Blick. „Ich bin verflucht, ich darf nicht glücklich sein. Ich bringe nur Tod und Verderben für andere!“

 

„Wer sagt das denn?“ Ich griff an sein Kinn und schob seinen Kopf in meine Richtung. „Das ist der größte Unsinn seid Clintons Aussage, er hätte keinen Sex mit der Lewinsky gehabt. Ich würde mir das mit der Journalistik noch einmal überlegen.“

 

Erschrocken blickte er mich an. „Wie … wie meinst du das denn jetzt?“

 

„Betrachten wir einmal die Fakten, dass macht ihr Schreiberlinge ja so gerne. Peter kam bei einem illegalen Rennen, über das er berichten wollte, ums Leben.“ Ich trank einen Schluck. „Dass der starb, ist tragisch, aber derjenige, der ihm den Hinweis für diese Geschichte gegeben hat, ist nicht schuld an seinem Tod, weder juristisch noch moralisch oder ethisch. Hast du ihn gesagt, er soll recherchieren? Hast du ihm Zeit und Ort des Rennens genannt? Hast du ihn aufgefordert, sich ins Auto zu setzen?“

 

„Nein, aber …“ Er wirkte leicht verstört. „Wenn ich nichts gesagt hätte, dann …“

 

Ich zog meine Augenbrauen hoch. „Was hast du ihm denn genau gesagt?“

 

„Es gab damals Berichte über private Wettfahrten auf der A 7 in Richtung Neumünster.“ Er suchte wohl nach Worten. „In einem der Artikel wurde eines der Fahrzeuge näher beschrieben, ein Audi-Roadster in Mintgrün mit HSV-Aufkleber. Ich … ich habe … ihm gesagt, dass Thorsten Gundlach, ein Mitschüler von mir, so einen Wagen fährt.“

 

Ich schaute ihn intensiv an. „Mehr nicht?“

 

Er blickte fragend zurück. „Nein! Ich habe das auch eher im Spaß gesagt. Hätte ich geahnt, dass er so darauf anspringt, ich hätte meine Klappe gehalten!“

 

„Hat er dich über seine Recherchen informiert? Dir seine Ergebnisse mitgeteilt?“

 

„Nein!“ Er schüttelte den Kopf. „Peter machte immer ein großes Geheimnis darum. Er meinte nur, ich hätte es als designierter Nachfolger von ihm schwer, er würde eine Bombe zünden, es noch einmal so richtig knallen lassen, so zum Abschied!“

 

Das mit dem Knallen hätte er besser nicht so wörtlich nehmen sollen. „Schatz, auch wenn Peter deine flapsige Äußerung zum Ausgangspunkt seiner Nachforschungen genommen hat, was wir beide nicht wissen, so ist er nur alleine für das, was schlussendlich passierte, verantwortlich und nicht du!“ Ich blickte ihn liebevoll an. „Er wollte an die große Story, nicht du. Er hat Informationen gesammelt, Recherchen betrieben, nicht du. Es gibt also keinen nachvollziehbaren Grund, sich die Schuld an seinen Tod zu geben.“

 

„Aber … unser geplantes … unser Outing. Das ist doch ein Zeichen!“ Er wirkte hilflos.

 

Ich lachte ihn an. „Jost, ein guter Bekannter von mir, … fast ein Freund, hat mich zu Silvester eingeladen. Ich soll den Jahreswechsel mit ihm und einigen seiner Freunde in den Bergen vollbringen. Wenn ich ihm jetzt eine Zusage gebe, ist das ein Zeichen dafür, dass das Flugzeug, was mich zu dieser Feier bringen soll, abstürzen wird?“

 

Große Augen blickten mich an. „Das ist doch Quatsch!“

 

Ich grinste. „Und genau so hirnrissig ist der Gedanke, dass euer Outing Schuld an Peters Tod ist.“

 

„Aber … aber was ist mit Jurek?“ Hektik lag in seiner Stimme. „Das war … das war doch ein Zeichen!“

 

„Schatz, sei mir bitte nicht böse, aber nachdem, was du mir gerade erzählt hast, muss die Ursache andere Gründe haben.“ Ich griff seine Hand. „Er war Sportler und ertrank, das ist schlimm. Aber es war August, vermutlich ziemlich heiß, man will grillen, hat gute Laune, trinkt vielleicht ein Bier zu viel, der Kreislauf bricht zusammen … Exitus. Es kann aber auch eine angeborene Herzschwäche gewesen sein, die ursächlich war. Oder … in Baggerseen sind oftmals Algen! Du sagtest, er wollte mit seinen Bekannten zu einer Insel schwimmen. Wettschwimmen, er verfängt sich in den Algen, kriegt Panik und ertrinkt.“ Ich blickte ihn an. „Du bräuchtest das Obduktionsergebnis, …“

 

„Aber, er wollte sich doch auch outen!“ Verzweiflung pur blickte mich an.

 

„Wollte er das wirklich? Hat er dir das explizit gesagt? Wollte er dich als einen oder …“ Ich malte Anführungszeichen in die Luft. „… seinen Freund vorstellen? Der Unterschied ist erheblich.“

 

„Äh, er wollte mit seinen Leuten grillen und ich sollte dazukommen.“ Er blickte mich mehr als irritiert an. „So war es abgesprochen.“

 

„Ok, aber welche Variante der Vorstellung hätte er gewählt?“ Ich funkelte ihn an. „Variante eins: ‚Hallo Jost, alter Volleyballkumpel. Das sind A, B, C und D, wir wollen gleich grillen. Willst du ein Würstchen mit uns mitessen? Setz dich und nimm dir ein Bier!‘ oder, zweite Möglichkeit: ‚A, B, C und D! Das ist Jost, der Mann meines Herzens! Ich liebe ihn und ihr könnt jetzt gehen oder bleiben!‘ Welche Möglichkeit dir lieber?“ Er war wieder unsicher. „Glaube mir einfach, man outet sich in der Regel vor nur einer Person, maximal einem befreundeten Paar, aber nie vor einer Gruppe, es sei denn, man ist schwuler Romanheld mit riesen Penthaus und Millionen auf dem Konto.“

 

„Du meinst also, ich habe mir umsonst Sorgen …“ Hoffentlich bricht er mir nicht zusammen.

 

„Umsonst sind Sorgen nie! Sie zeigen nur, dass du dir Gedanken um deine Umgebung machst.“ Ich blickte ihm in die Augen. „Manche Gedanken sind aber auch nur reine Hirngespinste.“

 

Der Kellner servierte den Hauptgang. „Any further wishes?“

 

Jost winkte ab. „We are fine, thanks.“ Er blickte mich an. „Lass uns essen!“

 

Mein Steak war exquisit, aber richtig genießen konnte ich es nicht, ich blickte immer wieder auf den Mann meiner Begierde. So, wie mein Gegenüber in seinem Lamm herumstocherte, schienen ihm etliche Gedanken gleichzeitig durch den Kopf zu gehen.

Jost legte plötzlich das Besteck beiseite. „Du meinst also, ich … ich bin nicht verflucht?“

 

Ich stutzte. „Wieso solltest du? Du bist eher ein Glückspilz!“

 

„Wie meinst du das denn jetzt?“ Er hatte wieder Fragezeichen in seinen smaragdgrünen Augen.

 

„Du hast mich kennen gelernt!“ Ich strahlte ihn an. „Und ehe du jetzt wieder mit ominösen Geistern anfängst und irgendwelche Hirngespinste sich breitmachen, ich bin geoutet! Von daher besteht bei mir jedenfalls keinerlei Gefahr, dass mir gleich der Himmel auf den Kopf fallen wird.“

 

„Auch ein Asterix-Leser!“ Er grinste.

 

„Yepp, die habe ich mir immer aus Deutschland schicken lassen.“ Ich hätte ihn fressen können.

 

Der Rest der Mahlzeit verlief harmonisch und gelöst, die Spannung, die sich ihn ihm aufgebaut hatte, schien, wenn auch Bröckchenweise, jetzt abzufallen. Wir genossen das Essen, den Ausblick auf die beleuchteten Fälle und vor allem, wir genossen uns. Der Ober räumte ab und erkundigte sich nach unseren Dessertwünschen.

 

Jost bestellte zweimal Käsekuchen und Kaffee mit Schuss. „Ich hoffe, du wolltest jetzt nicht etwas anderes.“ Er blickte mich verzeihend an. „Da war ich wohl mal wieder zu schnell!“

 

Ich schüttelte den Kopf. „Nein, Mama! Ich will nur dich.“

 

„Bist du dir da sicher?“ Er schaute mich fragend an. „Wir hätten als Paar ja etliche Probleme?“

 

Ich war baff erstaunt. „Wieso hätten wir Schwierigkeiten?“

 

„Du hier in den Staaten und ich in Deutschland?“ Er schaute mich traurig an. „Wie soll das gehen?

 

„Erstens, mein Schatz, wir sind hier in Kanada, und zweitens: Probleme sind dazu da, gelöst zu werden und nicht an ihnen zu verzweifeln.“

 

„Ja Papa!“ Er grinste.

 

Wir genossen den frischgebackenen Kuchen und den Kaffee, der eigentlich ein Cognac mit etwas braunem Wasser war. Als ich die Rechnung verlangte, wir hatten fast elf, kam jedoch nicht der Kellner, sondern gleich der Maître an unseren Tisch. Anstelle der Rechnung überreichte er Jost ein reichhaltiges Informationspaket und bedankte sich bei mir, dass Lensing Travel den Skylon Tower künftig in sein Programm aufnehmen würde. Was hatte Gerd ihm erzählt? Die Rechnung würde aufs Haus gehen und der Fahrer für uns bereitstehen. Er geleitete uns zu den Aufzügen und wünschte uns noch einen schönen Abend.

Ich griff in meine Tasche, suchte nach einem Bild von Ulysses S. Grant in Grün auf Papier. „Thank you for a wonderfull evening. Here!“ Ich reichte ihm den Schein. „For the staff“

 

Im Aufzug schaute mich Jost fragend an. „Was war das denn? Wir mussten nichts zahlen?“

 

Ich nickte. „Ich werde wohl mit Gerd mal ein ernstes Wort reden müssen.“

 

„Aber … aber ich wollte dich doch einladen!“ Er wirkte fassungslos. „Und was machen wir jetzt?“

 

Ich lachte ihn an. „Jetzt? … Jetzt fahren wir ins Hotel und gehen ins Bett! Papa ist müde!“

 

„Mama auch!“

 

 

 

Der Fahrer holte uns am Eingang ab und geleitete uns zum Wagen. Als wir über die Rainbow Bridge fuhren und ich auf meinen Nebenmann blickte, musste ich grinsen. Sein Kopf lag auf seiner Schulter und ich hörte regelmäßige Atemzüge, Jost war eingeschlafen. Die Grenzformalitäten bei der Einreise verließen kurz und schmerzlos.

Als der Wagen am Hotel hielt, stupste ich ihn sanft in die Seite. Der angehende Student zuckte leicht zusammen und drehte sich zu mir um. „Ich habe nicht geschlafen!“

 

Mit hochgezogenen Wangen nickte ich nur. „Ja Mama!“

 

„Nein, wirklich nicht.“ Etwas Schmollendes lag in seinem Gesicht. „Ach, wir sind ja schon da!“

 

Diesmal wehrte sich der Fahrer nicht, als ich ihm einen Andrew Jackson in die Hand drückte. Er wünschte uns noch eine angenehme Nacht und trat dann seinen Rückweg an. Wir standen noch unter dem Vordach, da lachte Jost mich an. „Sollen wir vielleicht irgendwo noch etwas trinken?“

 

Ich schmunzelte. „Wolltest du nicht gerade eben noch ins Bett?“

 

„Schon, aber …“ Er setzte einen Dackelblick auf. „… ich war hier noch in keinem schwulen Laden.“

 

„Tja, auf diesen Genuss wirst du wohl noch ein paar Tage verzichten müssen, in Rutland ist auch nichts.“ Ich strich ihm sanft über die Wange. „Wir müssten entweder zurück nach Kanada, denn im amerikanischen Teil gibt es keine Szene, ich kenne jedenfalls keinen Laden, oder wir mieten uns jetzt noch einen Wagen und fahren nach Rochester oder Buffalo. Die Fahrt dauert fast eine Stunde.“

 

„Nein, dann nicht, … das ist mir alles zu umständlich.“ Er grinste mich an. „Papa! Wir bleiben hier.“

 

In der Lobby nickte ich mit dem Nachtportier hinter seinem vertäfelten Schalter freundlich zu, die Standpauke für Gerd würde also warten müssen. Im Zimmer angekommen, erlebte ich eine kleine Überraschung. Auf dem Schreibtisch dümpelten in einem Sektkühler zwei Piccolos, zwei Sektgläser standen daneben, eine Karte lag davor.

Ich las und musste grinsen. „Schatz, hör mal: ‚Ich hoffe, Ihr hattet bis jetzt einen tollen Abend. Auf das es auch eine prickelnde Nacht wird. Liebe Grüße – Gerd‘. So ein Schlawiner!“

 

„Ist doch aber nett.“ Er stand hinter mir, legte seine Hand auf meine Schulter und biss mich zärtlich in den Nacken, seine Zunge leckte meinen Hals entlang. Abertausende Elektronen rasten in wildem Tempo meine Nervenleitungen auf und ab.

 

Langsam drehte ich mich um und unsere Münder suchten und fanden sich. Mit meiner Rechten hielt ich seinen Kopf, meine linke Hand fuhr über seinen Rücken und versuchte, unter seinem Hosenbund zum Liegen zu kommen. Leider klappte das nicht, mehr als ein Finger ließ der Gürtel nicht zu, so begnügte ich mich, den süßesten Hintern der Welt durch den Stoff zu massieren.

Langsam lösten wir uns voneinander und ich versuchte mit zittrigen Händen, die Knöpfe seines Hemdes zu öffnen. Viel Erfolg hatte ich dabei auch nicht, ich war einfach zu fahrig. Jost schien es ebenso zu gehen, die Nervosität übermannte auch ihn. Nach drei Anläufen gab er auf. Verliebt blickten wir uns die Augen und lächelten verlegen.

 

Ich ging ins Hohlkreuz. „Ich glaube, wir sollten erst einmal einen Schluck trinken.“

 

„Gute Idee.“ Er grinste.

 

Als ich mich dem Sektkühler zuwandte, umschlangen seine Hände mich von hinten und landeten in Höhe meines Bauchnabels. Er hantierte an meinem Gürtel und es gelang ihm, diesmal brauchte er nur einen Versuch, ihn zu öffnen. Bei den Hosenknöpfen wurde es dann doch wieder schwieriger.

„Wie soll ich denn den Sekt einschütten, wenn du …“ Ich stöhnte, denn seine Finger umspielten mein Paket. „… mich so berührst? … Mhm! … Ja! … Mach weiter!“

 

„Besser nicht!“ Ein Lachen lag in seiner Stimme, als er einen Schritt zurücktrat. „Ich will ja nicht gleich noch Putzfrau spielen müssen, falls was daneben geht.“

 

Ich schüttete den Sekt, der ziemlich schäumte, ein. Es dauerte gefühlte Stunden, bis der Inhalt einer der Flaschen in die Gläser gelangte. Als das Werk endlich vollendet war, drehte ich mich um und erlebte die zweite Überraschung. Bis auf seine roten Jocks stand er nackt vor mir. Wie er sich fast lautlos ausziehen konnte, war mir ein Rätsel, aber der Anblick war mehr als angenehm.

Ich leckte mir lasziv über die Lippen. „Mir gefällt, was ich sehe!“

 

„Aber mir noch nicht!“ Er kam auf mich zu und diesmal schafften seine Finger das, wozu sie vor Minuten noch nicht imstande waren. Kurze Zeit später stand auch ich nur noch in dem roten Stück Stoff vor ihm. „So, jetzt ist es besser!“

 

Ich reichte ihm ein Glas. „Hier, mein Engel.“

 

„Auf uns und eine prickelnde Nacht.“ Wir stießen an und er kam wieder einen Schritt näher, drückte mich an den Schreibtisch. „Möge es nicht die Einzige bleiben!“

 

Ich konnte mein Glas gerade noch abstellen, da hatte ich auch schon wieder seine Zunge im Hals. Küssen konnte er, mir wurde ganz schwummerig. Meine Hände wanderten auf seinem Rücken auf und ab, endlich konnte ich seine Apfelhälften ohne den störenden Stoff spüren. Jost, der zwischen meinen Beinen stand, bewegte sich langsam auf und ab, sein hartes, aber immer noch verborgenes, Teil drückte auf meine Bauchdecke. Als er dann noch anfing, an meinem Ohrläppchen zu knabbern, war es endgültig um mich geschehen.

Ich fuhr mit der Hand von hinten durch seine Beine, tastete nach seinem Beutel. Wollüstiges Stöhnen drang an mein Ohr. Die rote Baumwolle war mehr als feucht. „Da saftet ja einer ganz schön!“

 

„Wundert dich das?“ Jost lachte und ließ seine Hand unter meinen Stoff gleiten. Er umschloss Klein-Gordon, zog ihn aus seiner Hülle und klemmte das Bündchen unter meinen Sack. „Du aber auch!“

 

Ich drückte ihn etwas von mir ab, saß ich ja immer noch mit meinem Hinterteil auf dem Schreibtisch. Meine Hände spielten nun auf seiner Vorderseite, erst an seinen harten, abstehenden Nippeln, dann wanderten sie tiefer. Ich schob die Stoffhülle beiseite, befreite so sein Szepter, das nun links neben dem Stoff in die Freiheit lugte, und spielte mit seiner Vorhaut. „Geil!“

 

Er stutzte leicht. „Was?“

 

„Deine Vorhaut! Ich wollte, ich hätte noch eine.“ Ich war wirklich neidisch auf ihn.

 

Er blickte mich liebevoll an. „Echt? Ich wollte meine immer schon loswerden.“

 

„Untersteh dich!“ Ich leckte mir erneut die Lippen. „Sei froh, dass du sie hast.“

 

„Wieso?“ Seine Frage klang so unschuldig.

 

„Ich brauch zum Wichsen, wenn ich es richtig genießen will, immer Unmengen an Bodylotion, wenn meine Kuppe danach nicht schmerzen soll.“ Ich grinste. „Du ja wohl nicht, wie es aussieht.“

 

„Stimmt, ich hab ja genug davon. Reicht eigentlich für Zwei.“ Wie zum Beweis zog er das Stück Haut ganz zurück und dirigierte seine Spitze zu meiner Eichel und bedeckte meine Kuppe fast ganz. Ich war einfach nur hin und weg, ich spürte seine Haut auf meiner. Langsam begann er, uns beide sacht zu stimulieren, ich hätte fast abheben können.

 

Ich stöhnte vor Lust. „Wenn … wenn … wenn du so … so weitermachst … dann … dann …“

 

„Was ist dann?“ Eine gewisse Häme lag in seiner Stimme.

 

„Dann garantiere ich für nichts mehr!“ Wahrheit muss ja Wahrheit bleiben.

 

„Das wollen wir doch nicht!“ Er grinste leicht gehässig, „Noch nicht!“

 

„Pause?“ Noch eine Bewegung mehr und ich hätte meinen Torpedos den Abschussbefehl erteilt.

 

„Pause!“ Er lachte und ging in den kleinen Flur. „Deine Zigaretten sind in deiner Jacke?“

 

„Yepp, rechte Außentasche.“ Ich schraubte den Verschluss der zweiten Flasche auf und verteilte den Inhalt wieder auf die beiden Gläser.

 

„Hier!“ Er reichte mir eine der angesteckten Zigaretten, die er im Mund hatte.

 

„Danke.“ Ich nahm einen Zug und reichte ihm sein Glas. „Hier!“

 

„Danke, mein Engel.“ Wir stießen an und schauten uns tief in die Augen. „Aber sag mal, war das gerade dein Ernst? Magst du echt unbeschnittene Schwänze?“

 

„Ich liebe sie, man kann so schön mit der Vorhaut spielen.“ Warum stammelte ich eigentlich? „In den Staaten ist es ja immer noch üblich, dass die Knaben beschnitten werden. Zwar ist der Trend rückläufig, aber ich wurde damals nicht gefragt, ob ich meine behalten will oder nicht. Ich war ja auch erst eine Woche alt, als sie …“ War die Geschichte so langweilig? Er gähnte.

 

„Das wusste ich nicht. Aber ich hab ja genug für uns beide und, wenn dir soviel daran liegt, dann …“ Er grinste mich frech an. „… dann bleibt sie halt dran!“

 

Ich küsste ihn zärtlich. „Dann ist das ja auch geklärt.“

 

„Du sagst es.“ Er wollte mich erneut fressen. „Ich glaube, Gordon, wir sollten so langsam …“

 

„Deck schon mal ab und wärm das Bett vor.“ Ich grinste ihn an und warf ihm einen Luftkuss zu. „Ich komme gleich nach, putze mir nur noch die Zähne und geh mal für Königstiger.“ Ich verschwand ins Badezimmer und reinigte meine Kauleiste. Wenn ich eins hasse, dann ist es, am Morgen mit dem Mundgeruch der letzten 12 Stunden aufzustehen.

Als ich zurück ins Zimmer, indem nur noch die Nachttischlampe brannte, kam, sah ich ihn, wie er auf seiner linken Schulter im Bett lag. „Hallo Engel!“ Keine Antwort. Ich ging auf ihn zu und betrachte die liegende Schönheit. „Schatz?“ Immer noch keine Antwort.

Ich stutzte, aber musste zugleich grinsen; er war innerhalb einer Minute eingeschlafen. Sollte ich jetzt sauer auf ihn sein? Auf ihn, den Mann meiner Träume? Ich umrundete das Bett und schob mich zu ihm unter die Decke, kuschelte mich eng an ihn. Klein-Gordon legte ich in seiner Apfelspalte ab, und wanderte, seinem regelmäßigen Atem lauschend, schließlich auch in Morpheus Reich.

 

 

 

Der Wecker kam in Form seiner Zunge, die mir sanft über die Augen leckte. Ich blinzelte, schaute in sein Gesicht. „Guten morgen, mein Engel!“

 

„Wünsche ich dir auch!“ Er biss mich leicht in die Nase. „Weißt du eigentlich, dass du geil aussiehst, wenn du schläfst? So richtig zum Anbeißen?“

 

„Danke für die Blumen. Wie spät ist es eigentlich?“ Ich suchte den Wecker.

 

„Kurz nach sieben.“ Ich sank zurück in das Kissen; es war eine halbe Stunde vor dem Aufstehen! Wie kann man am frühen Morgen schon so munter sein? „Ich bin schon über eine halbe Stunde wach und habe dich beobachtet. Du sahst so schön aus, … ich habe jede Minute genossen, denn …“

 

Ich suchte seinen Blick. „Denn was?“

 

„Wer weiß, wann ich diesen Anblick wieder genießen kann.“ Schwermut lag in seiner Stimme.

 

„Von mir aus jeden Tag …“ Ich schaute ihn liebevoll an. „… bis an unser selig Ende.“

 

„Wäre zwar schön, aber…“ Traurigkeit machte sich breit. „… aber wie soll das gehen?“

 

Ich setzte mich auf. „Was hältst du eigentlich davon, nicht in Hamburg, sondern hier in den Staaten zu studieren? Am besten bei mir in New York?“

 

Irritiert blickte er mich an. „Das wäre zwar schön, aber leider … leider ist das nur Wunschdenken. Du wirst lachen, ich habe, nach der Sache mit Peter damals, ernsthaft darüber nachgedacht, irgendwo anders einen Neuanfang zu machen, ganz für mich alleine. Aber außer lauter Absagen habe ich nichts bekommen, leider Gottes. Außerdem … außerdem ist mein Abitur mit 2,7 nicht gerade dazu geeignet, sich an einer Eliteuni einzuschreiben.“

 

„Und was wäre, wenn du doch einen Platz bekommen würdest?“ Ich blickte ihn sanft an.

 

„Das wäre zwar schön, aber realistisch? Realistisch ist das nicht!“ Melancholie machte sich wieder breit. „Du brauchst nach der Zusage von der Uni noch knapp ein halbes Jahr, ehe man dir eins der begehrten Studentenvisa ausstellt; es sei denn, du bist Albert Einstein Junior.“

 

Ich schüttelte den Kopf. „Stimmt, ein Einstein bist du nicht! Du siehst nämlich viel, viel besser aus!“

 

„Danke!“ Ein sarkastisches Lachen war zu hören. „Aber im Ernst! Auch wenn es etwas hätte, jeden Morgen neben dir aufzuwachen, ich könnte frühestens zum nächsten Wintersemester hier anfangen und würde ein ganzes Jahr verlieren. Von daher … ist das Ganze nur ein Wunschtraum.“

 

„Manchmal werden Wünsche wahr.“ Ich küsste ihn auf die Nasenspitze. „Man muss nur fest genug daran glauben. Und der Glaube versetzt bekanntlicherweise auch manchmal Berge.“

 

„Aber nicht in meinem Leben! So viel Glück habe ich nicht.“ Er stöhnte. „So! Und nun lass mich mal vorbei, ich müsste mal ins Bad.“

 

Ich setzte ein spitzbübisches Lächeln auf. „Was willst du denn machen? Druck ablassen?“

 

Er grinste. „Gaynau! Aber nur den auf der Blase.“

 

„Darf ich mitkommen?“ Ich blickte ihn fragend an.

 

Der angehende Student zog seine Augenbrauen hoch. „Du willst also zuschauen, wie ich …?“

 

„Wenn ich darf?“ Ich strich über seine Wange. „Schlimm?“

 

„Nein. Ein kleiner Voyeur bin ich ja auch.“ Jost lachte und sprang aus dem Bett. „Dann folge er mir.“

 

„Ich eile, Madam, ich eile!“ Grinsend stieg ich aus dem Bett und ließ mich von ihm ins Bad ziehen.

 

Er stellte sich an die Schüssel, klappte den Deckel hoch. „Willst du nur zusehen oder …“

 

Neugierig schaute ich ihn an. „Oder?“

 

„Oder würdest du dich lieber in die Wanne legen?“ Ein hämisches Grinsen machte sich breit.

 

„Dann die Wanne.“ Ich legte mich in die kalte Emaille und harrte der Dinge, die da kommen sollten.

 

Jost trat an den Whirlpool heran, blickte auf mich herab, sah, wie ich meinen Mund geöffnet hatte. „Du bist ja ein ganz durchtriebenes Bürschchen. Willst mich wohl trinken, oder?“

 

Ich nickte. „Schlimm?“

 

„Nein, überhaupt nicht. Nichts Natürliches ist mir fremd!“ Er grinste mich an. „Jurek hat mich auf den Geschmack gebracht, was Natursekt anbelangt. Hat mich zwar erst einige Überwindung gekostet, aber dann … dann war etwas, was man auch mal in der Öffentlichkeit machen konnte.“

 

„Wie?“ Mir kamen die Szenen mit Ian ins Gedächtnis; ich war ja relativer Neuling auf dem Gebiet.

 

Er lachte. „Wir hatten uns mal bei ihm verabredet, aber einige seiner Kommilitonen waren noch da, die haben an einem Referat gearbeitet. Er ging dann mal eben ins Bad und reichte mir dann ein Bier … selbst abgefüllt.“

 

„Und du … du … hast es getrunken?“ Ich wurde mehr als rattig.

 

„Mit Freuden!“ Er krabbelte zu mir in die Wanne und platzierte sich über mich, meine Oberarme lagen auf seinen Knien, an Flucht war also nicht mehr zu denken. „Aber ich bin ja anscheinend nicht der Einzige hier im Raum, der gerne mal gelbe Spiele spielt, wie es aussieht!“

 

Nachdem der erste Schwall auf meinem Gesicht geprasselt war, griff ich mir sein Teil und ließ es zwischen meine Lippen gleiten, versuchte, es zu umschließen. Sein warmer Saft füllte meinen Mund, ich musste schlucken. Es schmeckte göttlich, nur, so schnell, wie der Nachschub kam, konnte ich ihn nicht trinken.

Aufgrund meiner eingeschränkten Bewegungsfreiheit konnte ich nicht selbst an meinen Stab greifen. Jost, immer noch Sekt spendend, erkannte wohl mein Ungemach, seine Linke umgriff Klein-Gordon und begann, ihn mit Hubbewegungen zu traktieren. Ich hätte sterben können, so geil war ich. Als der Druck in meiner Mundhöhle nachließ, schluckte ich den Rest hinunter und begann das Teil, was ich im Mund hatte, mit der Zunge zu bearbeiten. Ich saugte, wie ein Ertrinkender, an seinem Strohhalm und, je tiefer ich seinen göttlichen Spender aufnahm, desto fester wurde der Griff um mein Zepter.

Seine Kuppe wollte gerade meinen Zäpfchen wohl ‚Guten Morgen‘ sagen, als das dämliche Telefon klingelte. Jost tastete mit seiner Rechten danach und griff sich den Hörer. „Bei Lensing.“

 

Womit habe ich das verdient? Wie oft wollte man uns beide bei der schönsten Nebensache der Welt denn noch stören? Ich war der Verzweiflung nahe und blickte nach oben. „Welcher Idiot ruft denn um diese unchristliche Uhrzeit an?“

 

„Werde ich ausrichten.“ Mein Angebeteter legte auf und grinste mich von oben herab hämisch an. „Schöne Grüße von Gerd, er ist untröstlich, uns bei … unserer Morgengymnastik gestört zu haben, aber …“ Jost kicherte wie ein Schulmädchen. „… aber er meinte, wir sollten jetzt aufstehen und dann zum Frühstück, um uns etwas zwischen die Kiemen zu schieben.“

 

„Das, was ich dazwischen hatte, reicht mir vollkommen.“ Resigniert ließ ich meinen Kopf sinken.

 

„Sind zwar auch Proteine, aber ich glaube, ein Croissant mit Butter und Marmelade ist dann doch nahrhafter!“ Er lachte. „Komm, lass uns duschen. Ich habe allmählich auch Hunger!“ Er erhob sich. „Nicht nur auf dich, sondern auf Frühstück.“

 

Während er schon in die Duschkabine taperte, säuberte ich die Wanne noch von den Spuren des morgendlichen Sektbades. „Scheiß Telefon!“

 

„Beeil dich! Ich brauche jemanden, der mich einseift.“ Er lachte. „Oder soll ich Gerd rufen?“

 

„Ich warne dich!“ Gerd, du wirst noch was zu hören kriegen!

 

 

Auf das Duschen folgte das Anziehen, auf das Anziehen der Gang in den Speisesaal zum Frühstück. Nach der Nahrungsaufnahme rafften wir im Zimmer unsere Sachen zusammen, küssten uns noch einmal intensiv und machten uns auf in Richtung Lobby. Das Tagesprogramm konnte beginnen.

Gerd empfing mich mit einem breiten Grinsen. „Guten Morgen, Herr Lensing. Ich hoffe, sie hatten einen angenehmen Aufenthalt.“

 

Ich blickte ihn scharf an. „Den hatte ich, nur ein Idiot hat mich gestört!“

 

„Das tut mir leid.“ Er zwinkerte mir zu. „Aber ich hoffe, es lag nicht an der kleinen Überraschung.“

 

„An der ganz bestimmt nicht!“ Ich funkelte ihn an. „Aber jetzt verrate mir mal, wieso du mich im Skylon als neuen Tourdirektor von Lensing angekündigt hast?“

 

„Erstens, mein Lieber, hat mir das eine Kollegin von dir gezwitschert, dass du nun auf Gregs Posten sitzt, und …“ Er schaute mich ganz unschuldig an. „… zweitens, steht das auch mittlerweile auf eurer Webseite. Ich bin also unschuldig, jedenfalls … was das betrifft.“

 

Konnte ich ihm böse sein? „Wir reden ein anderes Mal darüber!“

 

„Aber selbstverständlich, Mister Lensing.“ Nur mit Mühe gelang es ihm, ein Grinsen zu unterdrücken.

 

 

Der Bus wartete schon, ich zählte durch und musste feststellen, ich hatte alle Tassen im Schrank, sprich alle Gäste waren da. Ich wünschte allseits einen guten Morgen und gab dem Fahrer das Startsignal, nachdem der die Rucksäcke in einer der Ladeluken des Kleinbusses verstaut hatte.

„Ich hoffe, ihr Abend gestern war so angenehm wie meiner und sie haben alle ihre Pässe griffbereit. Wir müssen nämlich auf die andere Seite der Grenze, denn dort sind die Fälle am schönsten.“ Den Rest der Ansprache, die ich hielt, erspare ich mir, es soll er kein Reisebericht werden.

 

Zuerst betrachteten wir uns die Fälle von hinten, die ‚Journey behind the Falls‘ ist wirklich nur zu empfehlen. Man bekommt, um nicht zu nass zu werden, einen Poncho übergestülpt, der ist, typisch kanadisch, biologisch abbaubar.

Auf dem Weg zur Anlegestelle der ‚Maid of the Mist‘ konnten meine Gäste wieder trocknen, um dann, in einem neuen Poncho, sich erneut dem Wasser und der Gischt auszuliefern. Diesmal galt es, die Niagarafälle von vorne zu betrachten. Zwar fährt ein gleichnamiges Boot, nur mit einer anderen Nummer, auch von amerikanischen Seite aus, aber das kanadische Hufeisen ist nun einmal erheblich imposanter und mehr als doppelt so groß wie die amerikanischen Fälle. Auch die Fallhöhe unterscheidet sich erheblich. Während auf kanadischer Seite das Wasser 58 Meter frei in die Tiefe stürzt, landet es auf der anderen Seite der Ziegeninsel nach nur 21 Metern auf einer Schutthalde, entstanden bei einem Felssturz im Jahre 1954.

Mit nassen Haaren, aber dafür umso mehr eindrucksvollen Bildern in den Kameras, bestiegen wir nach einem kurzen Fußmarsch erneut den Bus und fuhren ein Stück die kanadische Weinstraße entlang. Nach etwas über einer halben Stunde erreichten wir Pellers Weingut in Niagara on the Lake, dort übergab ich meine Gäste in die Hände von Claudia, der Dame des Hauses.

Claudia Peller stammt ursprünglich aus der Pfalz und hatte irgendwann, weit vor meiner Zeit, den jüngsten Spross der Weinbausippe der Pellers geehelicht. Sie übernahm die Leitung bei der Führung durch die ausgedehnten Weinkeller und auch die anschließende Weinprobe. Meine Ahnung von Rebensaft reicht gerade aus, um zu beurteilen, ob er mir schmeckt oder nicht.

Sie hatte ihre Begrüßungsansprache beendet und blickte mich an. „Kommst du mit?“

 

Ich schüttelte mit dem Kopf. „Heute nicht. … Claudia, … ich müsste mal telefonieren.“

 

„Bedien dich. Telefon ist im Büro!“ Sie blickte auf die kleine Truppe. „Wenn sie mir dann folgen …“

 

 

Ich betrat den kleinen Bürotrakt, griff mir ein Telefon und wählte eine Nummer in New York. Es dauerte Ewigkeiten, bis sich am anderen Ende der Leitung jemand meldete. Der Einfachheit halber werde ich mal wieder das Deutsche bemühen, um das Gespräch wieder zu geben.

 

„Miles!“ Chester klang auch schon mal freundlicher.

 

„Hallo hoher Vorsitzender, …“ Höflichkeit muss sein, ich sprach ja mit dem Präsidenten der LIGA!

 

„Gordon, du bist es! Ich dachte schon, wer ruft mich denn vom Ausland an!“ Er lachte. „Ich hab nur die Nummer gesehen! Wo steckst du? Was machst du bei den Canucken?“

 

„Ich musste für meinen Bruder eine Tour übernehmen und bin gerade auf einem Weingut.“ Sollte ich ihm die ganze Geschichte erzählen? „Die genauen Umstände erkläre ich dir später! Ich brauche jetzt dringend deine Hilfe!“

 

„Was kann ich für dich tun? Sollen wir die Schmach von Frenchman’s Creek rächen?“ Er lachte.

 

„Nein, du musst nicht die Truppen mobilisieren.“ Chester übertreibt gerne, auch seinen Patriotismus, der manchmal schon krampfhafte Züge annehmen kann. „Chester … ich bin verliebt!“

 

„Glückwunsch, mein Lieber. Wer ist denn der Glückliche?“ Sein Grinsen konnte ich förmlich sehen. „Sag mir jetzt aber bitte nicht, du hast dein Herz an einen kanadischen Winzersohn verschenkt! Das wäre Verschwendung! So gut ist deren Zeug nämlich auch nicht, auch wenn sie so tun, sie hätten den Weinbau erfunden, nur weil ein paar Franzosen …“

 

Ich versuchte, seinen Redeschwall zu unterbrechen. „Nein, kein Kanadier. Jost ist Deutscher und …“

 

„Wenigstens ein Verbündeter, auf den man sich verlassen kann! … Wie kann ich dir nun helfen?“

 

„Also, ich bräuchte für Jost … ein Studentenvisum und einen Studienplatz. Er will Journalistik studieren und das möglichst schnell.“ Das waren ja, zusammengefasst, seine Wünsche gewesen.

 

„Du verlangst Sachen! Wo soll er denn studieren und ab wann?“ Er schien zu überlegen. „Das Semester hat ja schon wieder begonnen.“

 

„Das Wo ist ja wohl klar, an der Columbia natürlich!“ Etwas Honig musste ich ihm ja um den Bart schmieren. „Oder meinst du etwa, ich gebe mich mit einem Studenten der NYU oder gar der CU zufrieden?“ Auch unter Universitäten gibt es eine Hackordnung. „Wer bin ich denn?“

 

„Sorry, die Frage war dumm. Die Antwort auf die zweite Frage hast du mir ja auch schon gegeben!“ Eine Pause entstand. „Gordon! Ist er es wirklich wert? Bist du dir wirklich sicher?“

 

Die Frage saß! Ohne zu überlegen, ließ ich meinem Herzen freien Lauf. „Ja, ist er und ich bin es! Jost ist das, wonach ich in den letzten Jahren immer gesucht habe!“ Ich seufzte. „Chester, ich … ich war noch nie so verliebt in jemanden, wie in ihn. Es kommt mir vor, als wäre er ein Geschenk des Himmels, eine Antwort auf all mein Flehen.“

 

„Mann, dich scheint es ja echt erwischt zu haben.“ Er atmete tief durch. „Pass auf, ich muss jetzt wohl einige Telefonate für dich führen. Du willst die Antwort ja so schnell wie möglich haben, nehme ich mal an.“

 

„Da liegst du vollkommen richtig.“ Mein Gesicht, noch eben von Anspannung gezeichnet, erleichterte sich. „Am besten bis gestern!“

 

„Mann, den Knaben will ich sofort kennen lernen. Wann seid ihr wieder in der Stadt?“ Hatte ich ihn nervös gemacht? „Ihr kommt sofort zum Essen zu mir. Hast du mich verstanden?“

 

„Wir sind nächsten Mittwoch wieder in New York. Am Freitag soll er eigentlich wieder nach Hause fliegen.“ Warum geriet ich wieder ins Stammeln?

 

„Also, ich telefonier jetzt etwas und melde mich dann bei dir. Einverstanden?“

 

„Besser wäre es, ich melde mich bei dir, wenn ich wieder in Vermont bin.“ Der Flug könnte ja auch Verspätung haben und verpassen wollte ich seinen Anruf um keinen Preis. „Das dürfte so gegen sechs sein. Wenn du dann zu Hause bist, werde ich durchklingeln.“

 

„Ich bin da! Und grüß ihn mir schön.“ Er lachte. „Dann bis später.“

 

 

Als ich den Hörer aufgelegt hatte, hätte ich Luftsprünge machen können. Erst nach drei Zigaretten in Folge hatte ich mich einigermaßen wieder unter Kontrolle. Ich wartete im Restaurant, wo das Essen und die Weinprobe stattfinden sollten, auf den Mann meiner Begierde und meine Gäste, die im Moment noch von der Dame des Hauses im kühlen Weinkeller bespaßt wurden.

 

Als meine Leute wieder an die Sonne kamen, schüttelten sich fast alle. Freudestrahlend blickte ich auf Jost, aber die Herren Kaltenberg und Plassenhagen und das Ehepaar aus Stuttgart nahm mich in Beschlag. Resigniert konnte ich nur mit den Schultern zucken. Schließlich war ich ja nicht zum Vergnügen hier. Der Mann meiner Träume saß am anderen Ende des Tisches, umringt von den beiden Damen aus dem Ruhrgebiet und dem Paar aus Hannover.

Die Verkostung verlief wie immer, man begann mit dem Weißwein, erst ein trockener Riesling, dann ein vollmundiger, leicht nach Walnüssen schmeckender Chardonnay. Nach einem Zwischenstopp bei Rose, reichte man die Roten, einen Cabernet Franc und einen fruchtigeren Merlot. Vor dem Höhepunkt, einem Sekt Ice Cuvée, kredenzte man einen Eiswein, ebenfalls Riesling. Wie üblich wurden während der Probe Brot und Wasser gereicht, um den Geschmack zu neutralisieren.

Zum Essen, einem Schinkenbraten mit Bratkartoffeln, wurde ein frischer und fruchtiger Sauvignon Blanc gereicht. Das Mahl war reichlich und gut.

 

Satt und leicht angetrunken bestiegen meine Gäste, nach der obligatorischen Verdauungszigarette versteht sich, den Minibus. Ich bedankte mich noch mal bei Claudia und fragte sie, was sie für das Telefonat kriegen würde. Sie winkte nur ab.

 

Die letzte Station auf kanadischen Boden bildete die Fahrt mit der Seilbahn über den so genannten Whirlpool, der 4 Kilometer stromabwärts der Fälle liegt. Beide Enden der AeroCar liegen zwar auf kanadischen Grund und Boden, jedoch überfährt man, aufgrund der Biegung des Flusses, amerikanisches Territorium, Grenzformalitäten entfallen jedoch.

Aufgrund der Winde, die dort herrschen, verließen einige Mitglieder meiner Gruppe die Gondel blasser, als sie sie betreten hatten. Beide Stationen liegen zwar auf 86 Meter Höhe über dem Fluss, in der Mitte der 530 Meter langen Strecke nähert man sich jedoch auf nur noch 42 Meter dem Wasser, man schaukelt halt etwas hin und her. Man konnte die Abgase der Powerboote, der neuen Art, die extrem starken Stromschnellen und Strudel des Niagaraflusses zu besichtigen, fast riechen. Die Seilbahn, in Betrieb seit 1913, ist mit ihrer Höchstgeschwindigkeit von 7km/h ein Relikt aus dem letzten Jahrtausend. Meine Leute waren froh, nur die einfache Fahrt gemacht zu haben.

Jost stand während der Fahrt vor mir. Ich konnte mich gar nicht an seinem Hinterteil satt sehen, so geil sah er in seiner Jeans aus.

 

In gemächlichem Tempo ging es dann zurück zum Flughafen, die Formalitäten bei der Wiedereinreise in die USA dauerten diesmal etwas länger. Dennoch erreichten wir 20 Minuten vor der Zeit unsere Maschine, der Bus wurde wieder ohne Kontrolle einfach durchgewunken.

Nach Gepäckverladung wurden die Turbinen angelassen und das Flugzeug setzte sich in Bewegung. Ich hatte zwar Jenny angerufen, um ihr diese Verfrühung mitzuteilen, erreichte jedoch nur ihre Mailbox. Von daher konnte ich nur hoffen, dass sie ihren Anrufbeantworter bald abhören würde, sie musste uns ja schließlich vom Rutland Southern Vermont Regional Airport wieder abholen. Nach der Landung sah ich, dass meine Befürchtungen umsonst waren, der Bus stand schon auf dem Vorfeld.

 

 

Die kurze Fahrt verlief ohne Vorkommnisse, am Hotel hielt sie einfach und ließ uns samt Gepäck, das wir mit dem Bus genommen hatten, aussteigen. „Chef, wir sehen uns dann heute Abend beim Essen.“ Mehr sagte sie nicht, dann war sie auch schon wieder verschwunden, sie musste ja die anderen Gäste aus dem Nationalpark noch abholen. Sie gab mir aber ihre Schlüsselkarte, mein Gepäck hatte sie ja eingelagert.

 

 

Das Einchecken verlief problemlos, ich stürmte erst in Jennys Zimmer, holte meinen Koffer, und schloss dann meine eigene Tür auf. Aktentasche und Koffer flogen aufs Bett. Ich griff zum Telefon.

 

„Miles!“ Wie immer fiel bei Chester die Begrüßung knapp aus.

 

„Hallo, hoher Vorsitzender, …“ Höflichkeit muss ja sein, ich sprach mit dem Präsidenten der LIGA!

 

„Gordon, …“ Er gluckste. „… da kann es wohl einer kaum abwarten, was? Dann will ich mal dich und deinen Jost nicht allzu lange auf die Folter spannen. Für das Visum brauche ich seinen Pass.“

 

„Im Original oder reicht dir für die Daten erst einmal eine Kopie?“

 

„Kopie reicht, ihr müsst den Pass dann nur bei irgendeinem Immigrationsbüro vorlegen. Da kommt dann einfach der Stempel rein und fertig ist der Lack.“ Er lachte. „Wohnen wird er ja wohl bei dir, … ich frage ja nur wegen der Adresse in den Staaten, die angegeben werden muss.“

 

„Worauf du einen lassen kannst!“ Wie konnte er diese Frage überhaupt stellen? „Ich kann dir gleich eine Kopie seines Reisepasses und seines Personalausweises durchfaxen.“

 

„Woher hast du das denn?“ Neugierig war er überhaupt nicht.

 

„Sein Gepäck landete nicht mit ihm in Boston, sondern irgendwo in Afrika. Hab sie mir zur Sicherheit kopiert, wegen der Verlustanzeige.“ Entsprach ja auch der Wahrheit.

 

„Gut! Jetzt kommen wir zum etwas komplizierteren Teil der Angelegenheit.“ Er räusperte sich. „Ich habe mit einem der stellvertretenden Dekane gesprochen, auch einem Mitglied der LIGA. Der gute Jonathan hat zwar noch einige Bauchschmerzen, aber wir werden gleich miteinander zu Abend essen, also mach dir mal keine Sorgen.“

 

Mir fiel ein Stein vom Herzen, wenn Chester etwas machte, dann machte er es gründlich. „Ok!“

 

„Wir brauchen von deinem Liebsten baldmöglichst Lebenslauf, Zeugnisse, Beurteilungen und den ganzen Mist. Und zwei Bilder, einmal seinen Kopf für den vorläufigen Studentenausweis und einmal seinen nackten Body für mich.“ Chesters lachte hämisch. „Spaß beiseite … ach ja, er müsste dann übernächsten Montag sofort anfangen und sich verpflichten, den Stoff selbstständig nachzuholen.“

 

Mir fielen noch mehr Steine von der Pumpe. „Das dürfte auch kein Problem werden.“

 

„Und ehe du fragst, es reichen erst einmal die Unterlagen in elektronischer Form, die Originale müssten dann irgendwann später einmal vorgelegt werden. … Papier ist ja geduldig!“

 

Das Gebirge war nun endgültig abgetragen. „Chester, ich danke dir!“

 

„Gern geschehen, … und Gordon, eigentlich muss ich dir danken!“ Wieso wurde er verlegen?

 

„Wieso das denn?“ Ich war mehr als überrascht.

 

„Für das Date mit Jonathan, der ist einfach nur nett. Ohne deinen Jost hätte er nie eingewilligt, sich mit mir zu treffen, so außerhalb der Clubtreffen!“

 

„Dann haben wir ja beide was davon!“ Ich musste grinsen. „So, ich faxe dir gleich die Unterlagen durch und der Rest kommt später. Wir bleiben in Kontakt!“

 

Er klang wie ein Teenager vor dem ersten Rendezvous. „Will ich mal hoffen, mein lieber Gordon!“

 

Ich nahm die Kopien aus meinem Koffer und die Füße in die Hand, es galt, ein Fax abzusetzen.

 

 

In aller Ruhe packte ich dann aus, die Anspannung hatte sich gelegt, ich hätte am liebsten die ganze Welt umarmt. Plötzlich ging die Türglocke. Besuch erwartete ich eigentlich keinen, Jenny dürfte frühestens in einer Stunde hier aufschlagen. Es konnte also nur Jost sein. Ich öffnete und tatsächlich stand der Mann meiner Träume vor der Tür. „Hallo, du schöner Mann! Komm rein, oder willst du im Flur stehen bleiben?“

Er schüttelte den Kopf, ich zog ihn ins Zimmer und drückte ihm einen Kuss auf den Mund. Er öffnete seinen Lippen und lud meine Zunge ein, die Seine zu besuchen. Es wurde aber ein ausgedehnter Staatsbesuch, den unsere Geschmacksorgane da absolvierten. „Das hab ich heute so vermisst!“

 

„Hat da jemand Appetit?“ Er grinste mich frech an.

 

„Auf dich?“ Ich leckte ihm über seine süße Stupsnase. „Immer!“

 

„Ich bräuchte mal deine Hilfe.“ Wieso wirkte er verschüchtert?

 

„Was kann ich dir denn Gutes tun?“ Ich blickte ihn an. „Und warum rennst du noch mit deiner Reisetasche rum?“

 

„Ich war vorhin schon mal bei dir, aber da hat mir keiner aufgemacht.“ Er blickte auf den Boden.

 

„Ich musste wichtige Unterlagen nach New York faxen.“ Ich grinste ihn an, war ja nicht gelogen!

 

„Ich komme nicht in mein Zimmer.“ Er atmete tief durch. „Sven hat die Karte mitgenommen und der Portier unten braucht die Hauptkarte, um die Zweitkarte auszustellen.“

 

„Kein Problem! Setz dich einfach und mach es dir bequem!“ Ich deutete auf den Sessel.

 

„Und dann müsste ich …“ Wieso war er wieder verlegen? „Ich müsste mal meine Sachen wechseln. Auf dem Klo unten wollte ich das nicht, es hätte ja jemand reinkommen können.“

 

Ich stutze. „Was willst du denn wechseln? Du siehst doch zum Anbeißen aus.“

 

„Das hier.“ Er öffnete seine Jeans, zog sie runter und deutete auf den Stoff zwischen seinen Beinen. Er trug wieder die Jocks. „Wenn Sven die sieht, ist Holland in Not!“

 

Ich lachte. „Ich sagte doch, du siehst zum Anbeißen aus! Aber warte, ich helfe dir.“

 

„Äh, … wobei?“ Er streifte seine Turnschuhe ab.

 

„Dabei!“ Ich ging vor ihm auf die Knie und wiegte mein Gesicht in seinem Schritt. Er roch einfach herrlich, ganz nach Mann. Ich versuchte, mit meiner Zunge den Stoff beiseite zu zeihen, aber erst als ich die Zähne zu Hilfe nahm, gelang es mir. Sein Lustspender schoss mir entgegen, er schien nicht nur äußerlich gespannt zu sein.

 

„Was … machst … du … denn … da … mit … mir?“ Warum stotterte er? Es war doch offensichtlich!

 

„Das, wozu ich heute Morgen nicht gekommen bin!“ Meine Geschmacksknospen drangen durch unendliche Meter Vorhaut. Als ich endlich die Öffnung an seiner verdeckten Spitze erreicht hatte und den leicht herben Geschmack auf meiner Zunge spürte, musste ich stöhnen. Seine Hände wuselten durch meine Haare, drückten mich stärker an ihn und auf seinen Freudenspender.

Ich zog seine Vorhaut nach hinten, küsste die nun freie Eichel, umspeichelte sie und verleibte sie mir in Gänze ein. Er schmeckte einfach nur herrlich. Seinen süßen Lolly entließ ich nur kurz aus meinem Mund, um ihm aus Jeans, Socken und Jocks zu helfen. Sobald der elastische Bund unterhalb seines strammen Beutels war, nahm ich seinen Stab wieder gefangen. Das rote Etwas warf ich aufs Bett.

Meine Hände umklammerten seine Apfelhälften und begannen, sie leicht zu kneten. Auch er stöhnte. Seine Hände spürte ich auf meinem Rücken, er versuchte augenscheinlich, mir das Hemd aus der Hose zu ziehen. Er schaffte es, denn seine Fingernägel spürte ich plötzlich auf meiner Haut, Schauer der Wollust und Begierde durchflossen mich.

Hektisch ließ ich seine Lutschstange aus meinem Mund gleiten, nur um mir das Hemd vom Leibe zu reißen. Kaum lag es auf dem Boden, war ich auch schon wieder an seiner Ladestation und tankte seine Energie. Meine Hände glitten nach oben, versuchten das Shirt, das er trug, hochzuschieben. Wie von Geisterhand war es jäh verschwunden, ich spürte, wie Baumwolle meinen Rücken streifte.

Jost zog mich zu sich hoch, um seine Zunge in meinem Ohr zu versenken. Während er mich oben mit Küssen und anderen Lippenliebkosungen bedeckte, hantierten seine Hände an meinem Hosenbund, versuchten hektisch, auch Klein-Gordon zu befreien. Erst die dritte oder vierte Fluchthilfe gelang, ich strampelte meine Hose zu Boden und endlich drückte sich Becken an Becken.

 

„Du … du … bist so … geil! Ich …“ Der Rest seiner Laute war nur wohliges Gestöhne. Seine Zunge leckte meinen Hals entlang, suchte meine Schulter. Plötzlich drückte er meinen Arm nach oben und begann, sich in meiner Achselhöhle festzusaugen. Schauer der Geilheit durchzuckten mich, ich wollte, ich hätte die Zeit anhalten können. „Du … du … schmeckst … so gut!“

Mit meiner rechten Hand fuhr ich über seine Wirbelsäule. Kurz vor dem Apfelansatz bog ich ab, ließ meine Finger auf seiner linken Seite spielen. Er zuckte, nach Luft japsend, zusammen. „Aufhören! … Ich … ich … ich bin da … kitzlig. Gordon … nein!“ Das hätte er besser nicht sagen sollen, denn wenn linke Seite schon empfindlich ist, dürfte es die Rechte auch sein. Sie war es auch, denn er zuckte immer wieder zusammen, wenn ich ihn kurz oberhalb seiner Hüftknochen berührte. Je stärker ich meine Fingernägel zum Einsatz brachte, desto heftiger war seine Reaktion.

„Hilfe! Aufhören, ich … ich kann … ich kann nicht mehr!“ Halb lachend, halb flehend blickte er mich an. „Friede?“

 

„Wir Amerikaner sind ja eigentlich das friedliebendste Volk auf Gottes weitem Erdenrund, … nur das merkt kaum einer! Ich nehme deine Kapitulation gnädigerweise an!“ Ich küsste ihn auf seine süße Nasenspitze. „Und? Was bietest du als Reparationsleistung an?“

 

Ein schelmisches Lachen umspielte seinen Mund. „Wie wäre es damit?“ Er leckte über meinen Hals, ließ seine Zunge tiefer wandern, sie umrundete auf dem Weg nach unten meine Nippel. Langsam ging er tiefer, glitt nahezu mühelos auf den Boden, stülpte seinen Mund über meinen Bauchnabel, spielte mit seiner Zunge in der Vertiefung und erzeugte einen Überdruck. Brabbelnd entwich die Luft. Die Elektronen meines Nervensystems fuhren allesamt Amok.

Jost, mittlerweile hockte er vor mir, liebkoste sanft meinen Stab, seine Zunge versuchte, so tief wie möglich in die Öffnung einzudringen. Eine Hand umspielte meine Hoden, die andere wanderte, den Damm massierend, langsam nach oben in Richtung Öffnung. Ehe ich mich versah, verschwand Klein-Gordon immer tiefer in seine Mundhöhle. Die Wellen der Lust wurden größer und größer, der Geilheitsorkan würde wohl bald losbrechen.

Der Mann meiner Träume entließ seinen Gefangenen, blickte mich verträumt an, rückte sich zurecht. Augenscheinlich wollte er wieder auf Verbrecherjagd gehen. Plötzlich spürte ich, wie seine Nase mein weiches Fleisch unterhalb des Nabels berührte und seine Zähne am Fundament meines Leuchtturms knabberten. Er hatte mich ganz in sich aufgenommen. Ich verharrte regungslos, ob vor Erstaunen oder Geilheit, kann ich heute nicht mehr sagen. Er sog die Luft hörbar durch seine Nase ein und massierte mit seinem Schlund meine Kuppe.

 

„Wenn … wenn … du … so … Ja … geil!“ Ich war keines klaren Gedankens mehr fähig.

 

Er zog seinen Kopf nach hinten, um dann wieder pfeilschnell nach vorne zu schießen.

 

„Jost … bitte … bitte … wenn du … so … ich garantiere … für nichts.“ Ich konnte nur noch hecheln.

 

Nach drei oder vier weiteren Aktionen dieser Art bohrte sich seine Nase fast in mein Fleisch.

 

„Wenn du jetzt nicht … ich … ich … explodiere gleich.“ Ich würde es nicht mehr lange halten können.

 

Plötzlich kündigte die Glocke, dröhnend wie eine Alarmsirene, einen Besucher vor der Tür an. Ich erschrak fast zu Tode. Panik erfasste auch Jost. Er rannte ins Bad, stieß sich dabei an der Tür. „Scheiße!“

 

Ein erneutes Klingeln. „Chef, bist du da?“ Jetzt klopfte es auch noch an der Tür. Jenny!

 

Blind schnappte ich mir die nächstgelegene Unterhose, um meine Scham zu bedecken. Erst als ich sie schon halb hochgezogen hatte, merkte ich, es war Josts Jockstrap; es war mir egal! Mit Müh und Not stolperte ich nach vorne und öffnete die Tür! „Bin ja schon da.“

 

Die Busfahrerin starrte mich an. „Wolltest du gerade duschen?“

 

„Äh, ja.“ Ich konnte nur Nicken.

 

Sie grinste. „Aha, ich wollte eigentlich nur meine Zimmerkarte abholen, damit ich mich auch zum Essen fertig machen kann.“ Sie versuchte an mir vorbei ins Zimmer zu schielen, sah wohl die Kleider am Boden liegen. „Du wolltest also duschen?“

 

„Wollte ich!“ Ich schaute sie zwar an, nahm sie aber nicht wahr. „Warte.“ Ich ging zum Schreibtisch, dort lag ja ihr Plastikteil. „Hier!“

 

Grinsend nahm sie die Karte entgegen. „Danke. Viel Spaß im Bad und Chef …“

 

„Was?“ Merkte sie eigentlich nicht, dass sie störte?

 

„Knackiger Hintern!“ Sie lachte und verschwand im Flur.

 

Ich warf die Tür ins Schloss. Warum hatte sich die ganze Welt gegen mich und meinen Liebsten verschworen? Würden wir je zusammen auf den Wellen von Lust und Geilheit zum gemeinsamen Höhepunkt reiten können? Warum wurden wir immer gestört? Die Welt war ungerecht und gemein!

 

„Ist sie weg?“ Jost saß auf dem Klo und hielt sich das Bein, der Zusammenstoß mit dem Türrahmen zeichnete sich auf seinem linken Unterschenkel ab.

 

„Ja, wir sind wieder allein.“ Ich ging auf ihn zu, streichelte sanft über seinen Kopf.

 

Er umschlang meine Hüften, leckte noch einmal über meinen Bauchnabel, ehe er aufstand und ins Zimmer humpelte. „Ich muss mich beeilen. Wenn Jenny wieder da ist, sind Mama und Papa es auch. Die werden mich sicherlich schon suchen.“ Er wirkte ängstlich wie ein kleiner Junge. „Ob sie mich wohl gesehen hat?“

 

„Ich denke mal nicht, es sei denn, sie kann durch Wände schauen.“ Ich versuchte ein Lachen, aber es misslang mir. „Aber sie ahnt wohl, dass ich nicht alleine war, sie hat deine Klamotten gesehen.“

 

„Mist.“ Langsam zog er sich an und, nach einem intensiven Kuss, schlich er sich wie ein Dieb aus meinem Zimmer.

 

 

Ich duschte extra lange und betrat als einer der letzten Gäste den Speisesaal. Viel bekam ich von der Unterhaltung am Tisch nicht mit, mir saß der Schreck doch mehr in den Knochen, als ich gedacht hatte. Ich blickte zu Jost hinüber, er saß auch wie ein Häufchen Elend am Tisch seiner Eltern.

Bei meinen Tischnachbarn, die allesamt noch von den Eindrücken der Wanderungen schwärmten, entschuldigte ich mich für mein abwesendes Verhalten, meine letzte Nacht wäre einfach zu kurz gewesen. Der kurz vor der Rente stehende Redakteur aus Göttingen meinte nur: „Jaja, diese Jugend!“, worauf seine Frau ihn an seine eigne erinnerte.

 

Ich verließ den Speisesaal, wollte nach draußen, ein Lungenbrötchen zu mir neben, als die Dame von der Rezeption mich rief. „Herr Lensing, ich habe hier eine Nachricht für sie!

 

Sie reichte mir einen Zettel. Ich las: ‚Hallo Schatz, sei bitte um neun auf deinem Zimmer, ich muss dir was zeigen. Dicken Kuss – Jost‘. Ich lies das Blatt sinken. Was wollte er mir zeigen?

 

 

Lange konnte ich darüber nicht nachdenken, Sylvia Jacobsen steuerte auf die Rezeption zu. Sie wirkte leicht nervös, schaute sich mehrmals um. „Und? Wie war es?“

 

Ich steckte die Nachricht ihres Sohnes ein. „Gut, die Fälle sind doch immer eine Reise wert! Aber man merkt, die Saison geht langsam zu Ende, war längst nicht mehr so voll wie noch vor zwei Wochen.“

 

„Das meine ich nicht!“ Sie funkelte mich an. „Den Reisebericht hat Jost schon uns schon geliefert.“

 

„Dann weiß du ja schon, wie nass dein Sohn auf dem Boot geworden ist.“ Was stellt er sich auch direkt an die Reling? Ich grinste. „Ich wollte jetzt eine rauchen, du kannst mich gerne begleiten.“

 

„Männer!“ Grummelnd folgte sie mir dann doch und, sobald wir draußen auf dem Hof standen, wiederholte sie ihre Frage. „Also was hat er gesagt?“

 

„Es ist so, wie wir schon vermutet hatten; er würde gerne Nägel mit Köpfen machen.“ Ich blickte Sylvia intensiv an. „Wie sieht es bei euch eigentlich mit Aberglauben aus?“

 

Ihr Blick hatte mehr als ein Fragezeichen. „Wie meinst du das denn jetzt?“

 

„Der Badesee!“ Ich steckte mir die Zigarette an. „Jost kannte den Ertrunkenen.“

 

„Er kannte ihn?“ Sie schien jetzt endgültig überfragt zu sein. „Aber woher?“

 

„Von seiner Thekenmannschaft, die beiden haben zusammen Volleyball gespielt und …“ Ich nahm einen tiefen Zug. „… nicht nur Volleyball. Sie waren auf dem Weg, sich näher kennenzulernen. Aus den beiden wäre vielleicht ein Paar geworden, wenn dieser tragische Unfall nicht passiert wäre.“

 

Auch bei der spärlichen Beleuchtung des Außengeländes konnte ich erkennen, dass ihr Gesicht an Farbe verlor. „Aber was hat das mit Mystizismus zu tun?“

 

„Alles!“ Ich blickte sie an. „Die depressive Stimmung von Jost kam daher, weil er meinte, den zweiten Menschen verloren zu haben, nur weil der sich mit ihm outen wollte.“

 

„Äh, halte mich bitte nicht für gefühllos, aber was hat ein Outing damit zu tun.“ In ihrer Stimme lag Verzweiflung. „Gordon, du bist … ja selbst … verzaubert. Vielleicht kannst du mir das erklären! Ich bin mit meinem Latein am Ende!“

 

„Das hat eigentlich nichts mit Homosexualität zu tun und wenn, dann nur indirekt: Einen Freund zu verlieren, ist immer schlimm.“ Ich atmete tief durch, sie nickte zustimmend. „Jost und dieser Peter waren tatsächlich ein Paar, sie wollten sich auf Josts Abiball öffentlich outen, wie er mir erzählt hat. Peter kommt aber bei einem Unfall zu Tode.“ Ich blickte sie an. „Jetzt passiert es! Jost lernt den Studenten Jurek kennen, ebenso ungeoutet wie Peter damals. Der Pole will sich nun mit Freunden an diesem Baggersee treffen, grillen, etwas Spaß haben … und dein Sohn soll auch daran teilnehmen. Jurek kommt aber bei dem Badeunfall ums Leben.“ Ich trat die Zigarette aus. „Jost meint nun, der Student wollte sich bei diesem Grillen outen. Er zählt nun eins und ein zusammen und kommt zu dem Ergebnis, er sei verflucht, denn jeder, der sich mit ihm outen will, ist dem Tode geweiht.“

 

„Warte mal, damit ich das auf die Reihe kriege!“ Sie blickte mich starr an. „Mein Sohn ist der festen Ansicht, er wäre schuld an den Todesfällen? Und Auslöser wäre das geplante Outing?“

 

Ich nickte. „Genau! Allerdings spielte das Outing bei Peter zuerst eine untergeordnetere Rolle. Die beiden wollten mit dem Gang in die Öffentlichkeit warten, bis Jost sein Abitur in der Tasche hatte. Sie wollten ihr Umfeld vor vollendete Tatsachen stellen: Hier sind wir, wir sind ein Paar!“

 

„Das hat er von seinem Vater, Günni ist auch so!“ Sie schüttelte mit dem Kopf. „Er hatte den Job in Hamburg schon längst angenommen, uns aber kein Sterbenswort gesagt. Drei Wochen vor der Angst, packte er uns ins Auto und zeigte uns einen Bungalow in Norderstedt. Im Garten sagte er dann: ‚So, das ist ab nächsten Monat unser neues Zuhause!‘ Wir konnten gar nichts mehr sagen!“

 

„Dann wissen wir ja, woher er das hat!“ Ich konnte mich eines Schmunzelns nicht erwehren. „Aber zurück zum Thema. Bei Peter fühlte er sich aus einem anderen Grund schuldig: Er gab ihm den Tipp für die Geschichte über diese illegalen Rennen. Daran hatte er in der 13 und bei der Bundeswehr zu knabbern, sich dann aber langsam gefangen, … bis zu der Sache mit Jurek.“

 

„Und was sollen wir jetzt machen?“ Sie blickte mich fragend an. „Müssen wir jetzt wieder zwei Jahre auf einen neuen Anlauf von ihm warten?“

 

„Ich denke nicht! Aber gebt ihm noch etwas Zeit, ich habe ihm einiges zum Nachdenken gegeben.“ Ich werde langsam zum Kettenraucher. „Ich habe seine Geschichte nämlich komplett zerlegt und aus einem anderen Blickwinkel wieder zusammengesetzt. Ich will, dass er endlich von diesen dämlichen Schuldgefühlen loskommt! … Es wäre hilfreich, wenn dein Mann den Polizeibericht über den Unfall bekommen könnte. Vielleicht kann der die letzten Zweifel deines Sohnes zerstreuen, wer weiß?“

 

Wir schwiegen. Während ich rauchte, schien sie zu überlegen. Wären wir in einem Comic, man hätte Gedankenblasen mit großen Fragezeichen aus ihrem Kopf aufsteigen gesehen. Unvermittelt blickte sie mich an. „Gordon? Kann es sein, dass du in Jost verliebt bist?“

 

Mein ‚Ja‘ kam ohne Zögern, ohne großes Nachdenken. „… aus tiefstem Herzen!“

 

„Meinen Segen hast du!“ Sie nahm mich in den Arm. „Und jetzt? Jetzt müssen wir Jost nur noch davon überzeugen, endlich zu seinen Gefühlen zu stehen … und zu dir. Ich habe doch gesehen, wie ihr euch quer durch den Speisesaal beim Essen angeschmachtet habt!“

 

 

Um 8.45 Uhr war ich bei mir auf dem Zimmer. Auf Lukes Zettel mit der Adresse von Eric stand auch eine Telefonnummer. Ich wählte den Anschluss in Springfield, es läutete, aber niemand ging an den Apparat. Ich wollte schon auflegen, da sprang der Anrufbeantworter an, ich erkannte Erics Stimme. Wie sollte ich meine Nachricht formulieren? Ich hatte zehn Sekunden zum Überlegen! „Hallo Eric, ich bin es, Gordon, dein kleiner Cousin. Ich hab deine Adresse und die Nummer von Luke und würde dich gerne einmal wiedersehen. Ich bin morgen in Springfield und, wenn du um 9pm Zeit hast, könnte ich bei dir vorbeikommen. Wäre echt toll, dich mal wieder zu sehen.“ Ich gab ihm noch meine Mobilnummer für den Fall, dass er Zeit oder Ort oder die Sache als Ganzes ändern wollte.

 

 

Zwei Minuten vor dem genannten Zeitpunkt klingelte es; diesmal erschrak ich nicht, ich war ja vorbereitet. Der Mann meiner Träume stand vor der Tür, seinen Laptop hatte er unter den Arm geklemmt und schaute mich leicht verlegen an, als ich ihm öffnete. „Hallo Gordon!“

 

Ich blickte kurz in den Gang, es war niemand zu sehen. Ich zog ihn ins Zimmer, warf die Tür in die Angeln und drückte ihm erst einmal einen filmreifen Kuss auf die Lippen. „Endlich hab ich dich wieder!“ Ich tauchte in seine smaragdgrünen Augen ab. „Du hast mir gefehlt!“

 

Er japste nach Luft. „Bist du … eigentlich immer so stürmisch?“

 

„Meistens!“ Ich grinste. „Kommt aber immer auf die Person an, die vor der Tür steht.“

 

„Ohne den Nachsatz, wäre ich …“ Er küsste mich. „… echt sauer geworden.“ Ein erneuter Kuss. „So bin ich nur …“ Unsere Lippen trafen sich erneut. „… halbsauer!“

 

„Wieso halbsauer?“ Gibt es das Wort eigentlich?

 

Er grinste. „Na, fremde Männer in dein Zimmer ziehen und sie zu Tode knutschen?“

 

„Du bist doch kein Fremder!“ Ich lachte. „Und außerdem … küsse ich ja nicht jeden so!“

 

„Sondern?“ Er setzte ein spitzbübisches Lächeln auf. „Raus mit der Sprache!“

 

„Nur ganz besondere Männer!“ Ich blickte ihn liebevoll an. „Die ich sehr, sehr gerne habe!“

 

„Dann ist ja gut.“ Verschmitzt schaute er mich an. „Jetzt bin ich nicht mehr sauer!“

 

Ich stieß hörbar Luft aus. „Mann, da bin ich aber froh! Was wolltest du mir zeigen, mein Süßer?“

 

„Warte!“ Er stellte seinen Laptop auf den Schreibtisch und fuhr ihn hoch. „Setzt du dich zu mir?“

 

Brav, wie ich nun einmal bin, folgte ich seinen Worten. Am liebsten hätte ich mich auf seinen Schoss gesetzt, aber mit der Hälfte der Sitzfläche konnte ich mich auch zufriedengeben. „Und? Was gibt es denn nun zu sehen?“

 

„Ich habe die ersten Bilder überspielt!“ Die Zwischenzeit nutzten wir zu einem längeren Lippenspiel, manchmal hat die Startdauer von Winzigweich auch ihre Vorteile. Der Rechner war wohl älteren Baujahrs, denn als Betriebssystem lief noch XP.

„So, gleich kann die Diashow starten.“ Er schaute mich entschuldigend an. „Das ist mein alter Laptop, der neue Rechner ist schon bestellt. Deshalb hatte ich ihn auch im Koffer …“

 

„Ach! Du hast endlich dein Gepäck wieder?“ Ich grinste ihn an. „Eigentlich schade …“

 

Irritiert blickte er mich an. „Wie meinst du das denn jetzt?“

 

Ich lachte. „Na, jetzt hast du ja keinen Grund mehr, dir Unterhosen von mir zu leihen.“

 

Er umarmte mich und streichelte mir über den Kopf. „Rate mal, was ich jetzt trage?“

 

„Keine Jocks, so viel ist sicher, die hatte ich ja bei Jennys Überraschungsbesuch an.“ Ich zeigte ihm meine Lachfältchen. „Nachdem sie wieder weg war, hast du dich angezogen. Warte mal kurz, … ich musste mir eine neue aus dem Koffer nehmen, habe keine auf dem Bett gefunden. Hast du etwa?“

 

„Stimmt!“ Er grinste schelmisch. „So hat meiner wenigstens etwas von deinem … bin ich pervers?“

 

„Ach wo! Abartig wäre, wenn du Strapse oder Tangas tragen würdest.“ Ich küsste ihn. „Aber Retros?“

 

„Dann bin ich ja beruhigt. So, wir können.“ Jost öffnete den Ordner mit den eigenen Dateien, der Rechner arbeitete, der schnellste war er nicht mehr. Die normale Struktur wie auf jedem Rechner, aber was sahen meine dunklen Augen? Einen Ordner Bewerbung_USA, ich grinste. In Ermangelung einer Maus klickte er sich umständlich via Touchpad erst zu seinem Bilderordner und von dort dann zu Boston09 durch, die Dia-Show konnte beginnen.

Wäre Kameraquälerei ein Straftatbestand, Jost wäre eindeutig schuldig im Sinne der Anklage und würde wahrscheinlich zur Höchststrafe verurteilt werden. Knapp 800 Bilder in fünf Tagen sind schon eine recht ordentliche Leistung. Gut, ab und an habe ich ihn mit seiner Digitalknipse gesehen, aber dass es so eine Menge Bilder war, überraschte mich dann doch. Neben Sehenswürdigkeiten, wie sie wohl jeder Reisende aufnimmt, war auffällig, wie oft er mich abgelichtet hatte, egal ob im Bus oder bei Erklärungen im Freien und wir waren noch nicht einmal mit der Stadtrundfahrt in Boston durch.

 

„Sag mal, wie viel Speicherkarten hast du denn schon verbraucht?“ Ich war neugierig.

 

„Nicht mal eine.“ Er wirkte fast verlegen. „Meine hat eine Kapazität vom 16GB.“

 

Ich musste grinsen. „Dann bin ich mal gespannt, wie viel Bilder du am Ende der Reise auf Festplatte haben wirst. Aber … ich bin froh, dass meine Mutter die Bilder nicht sieht!“

 

„Wieso? Du eignest dich hervorragend als Modell!“ Er schenkte mir ein Zahnpastalächeln.

 

„Danke für die Blumen, mein Engel. Mum würde von allen Bildern, auf denen ich zu sehen bin, einen Abzug bestellen.“ Ich verdrehte die Augen. „Das würde ihre Haushaltskasse sprengen.“

 

„Ich kann sie dir ja brennen, aber …“ Wieso schaute er plötzlich wieder betreten? „… ohne Rohling?“

 

„Daran soll es nicht scheitern!“ Ein breites Grinsen lag auf meinem Gesicht. Ich stand auf und ging an meinen Aktenkoffer, holte eine der Silberscheiben heraus. „Hier! … Aber sag mal, hast du die Bilder eigentlich noch auf der Karte?“

 

Erstaunen lag in seinen smaragdgrünen Augen. „Ja, ich habe sie eher wegen der Datensicherheit überspielt und damit man sie sich auch besser anschauen kann, das Display der Cam ist ja etwas klein. Wieso fragst du?“

 

Ich griff mir meinen eigenen Laptop und drückte die Starttaste. „Mein Teil verfügt über einen Kartenleser. Ich könnte sie direkt auf Festplatte ziehen.“

 

„Dann müsste ich zurück in mein Zimmer, die Kamera holen …“ Große Lust schien er nicht zu haben.

 

„Würdest du?“ Auch ich kann einen Dackelblick aufsetzen. „Bitte, mein Engel.“

 

„Na gut, aber nicht weglaufen, bin gleich wieder da.“ Er küsste mich und verließ mein Zimmer.

 

Jetzt war Schnelligkeit gefragt. Ein Blick in den Bewerbungsordner, lauter PDF-Dateien. Ich steckte meinen Memorystick in den einzigen USB-Anschluss, der wurde auch als Festplatte erkannt, und ich kopierte den gesamten Inhalt des Ordners auf meinen mobilen Datentransporteur. Es war zwar nicht die feine Englische, aber ich musste ja unserem Glück nachhelfen und, wie sagt man, in der Liebe und im Krieg sind ja bekanntlich alle Mittel erlaubt.

Als der Rechner das Ende des Kopiervorganges verkündete, klingelte es auch schon wieder. Ich zog den Stick ab und eilte zur Tür. Diesmal zog ich Jost direkt ins Zimmer und knutschte ihn heftig ab. Jedwede Versuche seinerseits, zu reden, unterband ich mit meinen Lippen. „Schatz, endlich bist du wieder da! Habe dich vermisst!“

 

Er japste nach Luft. „Wenn du mich nach fünf Minuten schon so vermisst, was machst du dann, wenn ich mal eine Stunde weg bin?“

 

„Dich vergewaltigen?“ Ich grinste ihn an und ließ meiner Hand, die auf seinem Schritt lag, freien Lauf.

 

„Ferkel!“ Er drückte meine Hand weg und hantierte an der Cam. „Hier, die Karte!“

 

„Danke!“ Ich küsste ihn erneut und führte das Plastikteil in den passenden Schlitz. Die Bilderkennung verlief automatisch und zwei, drei Mausklicks später, ratterte mein Rechner los. „Und was machen wir in der Zwischenzeit?“

 

„Äh, was schlägst du vor?“ Fragen beantwortet man nicht mit Gegenfragen.

 

„Wir könnten eine Runde spazieren gehen, nur wir beide, Hand in Hand.“ Ich küsste ihn. „Wir könnten aber auch an der Bar einen Drink nehmen, allerdings dürfte das Händchenhalten dort etwas schwerer sein.“ Ich warf einen lasziven im Blick auf ihn. „Wir könnten aber auch hier im Zimmer bleiben und uns gegenseitig trinken.“ Unsere Lippen vereinigten sich erneut. „Oder wir gehen noch eine Runde schwimmen, die haben einen Pool hier im Hotel.“

 

Er grübelte. „Mhm, da ich dich fühlen will, scheidet Möglichkeit zwei schon einmal aus. Die dritte Variante ist auch reizvoll, aber mein Bruder …“

 

Ich stutzte. „Was hat denn dein Bruder damit zu tun, wenn wir …“

 

„Jeden morgen berichtet er Mama und Papa brühwarm, wann und wie ich ins Bett ging. Der Kleine nervt einfach!“ Er stöhnte. „Und ich glaube, es würde länger dauern, wenn wir … endlich …“

 

Ich küsste ihn sanft auf die Augen. „Ich bin auch kein Freund von Fünf-Minuten-Nummern.“

 

„Da haben wir was gemeinsam.“ Er grinste. „Und … für einen Quickie bist du mir echt viel zu schade! Außerdem … will … will ich … das Zusammensein mit dir genießen, von der ersten bis zur letzten Minute, mein Großer!“

 

Ich streichelte sanft durch seine Haare und hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen. „Ich doch auch!“

 

„Blieben also Spaziergang oder Schwimmen übrig. Mhm? … Da ich keine Lust habe, jetzt noch kreuz und quer durch die Pampa …“ Er grinste. „Ab in den Pool! Außerdem … hab ich da auch mehr fürs Auge … und … wir dürften um diese Uhrzeit das Schwimmbad ja nur für uns haben.“

 

„Stimmt … man kann Wasserschlachten veranstalten, ohne das sich alte Damen gestört fühlen.“ Ich kramte grinsend meine Schwimm-Shorts hervor. „Und später … kann man sich trocken rubbeln, …“

 

„… nach der gemeinsamen Dusche.“ Jost lachte mich an und fuhr seinen Rechner runter. „In zehn Minuten an der Rezeption?“

 

„In zehn Minuten an der Rezeption!“ Wir küssten uns zum Abschied und in Windeseile hatte ich die Sachen, die ich gleich benötigen würde, in Baumwollbeutel gepackt. Fröhlich pfeiffend verließ ich mein Zimmer und lenkte meine Schritte in Richtung Lobby.

 

Die Rezeptionistin schaute zwar etwas irritiert, als ich von ihr den Schlüssel zum Schwimmbad haben wollte, aber nach einem kurzen Gespräch händigte sie ihn mir dann doch aus. Sie hatte mit mir, dem Langschläfer, Verständnis. Ich sollte mich aber nicht zu lange in die Fluten stürzen, spätestens um Zwölf würde das Licht automatisch gelöscht werden. Ich lachte, denn ein Mitternachtsschwimmen wollte ich nun wirklich nicht veranstalten.

Ich schaute mich um, suchte meinen Schwimmpartner. Jost kam schnellen Schrittes um die Ecke gestürmt. Wieso sah er wütend aus? Ich blickte erneut in seine Richtung und sah dann den Grund seiner plötzlichen Übellaunigkeit: Sven folgte ihm. Wem im Himmel hatte ich etwas getan? Wieso hatten sich die Götter gegen mich verschworen? Musste ich jetzt für die Sünden eines früheren Lebens jetzt büßen? Ich verschraubte die Augen und war der Verzweiflung nahe.

Jost legte mir seine Hand auf die Schulter. „Schatz, rede mir in Zukunft dumme Ideen aus! Als ich meine Klamotten packte, wollte er unbedingt mit, machte einen richtigen Affenaufstand.“ Er stöhnte laut. „Wären wir besser spazieren gegangen!“

 

 

 

Das Farbspektrum der ausgedehnten Ahornwälder, durch das wir fuhren, wurde, je weiter wir nach Süden kamen, immer spektakulärer. Erstes Ziel auf den heutigen knapp 300 Kilometern war die Kleinstadt Manchester. Neben etlichen Antiquitätenleben findet man in dem Touristenzentrum das eine oder andere Outlet, aber sehr zur Freude der Kreditkarten blieb es bei einer dreiviertel Stunde Aufenthalt. Ausgedehntes Einkaufen war also nicht möglich.

Nach einem Zwischenstopp am Bennington Battle Monument, ging es weiter zum Mittagessen. Das Denkmal besteht aus einem knapp hundert Meter hohen Obelisken, von dessen Aussichtsplattform man gleich drei Staaten, New York, Vermont und Massachusetts, betrachten kann, und erinnert an eine der siegreichen Entscheidungsschlachten des Unabhängigkeitskrieges. Dass der eigentliche Ort des Geschehens jedoch 10 Kilometer entfernt im Staate New York liegt, ist nur eine Marginalie.

Nach einem typisch amerikanischen Essen, Burger und Fritten, ging es weiter auf der New York State Route 22 in Richtung Süden. Wären wir nach Lebanon Springs nicht auf die US Route 20 abgebogen, wir wären in der Bronx herausgekommen.

Den größten Teil des Nachmittags verbrachten wir im Hancock Shaker Village, einer Art Freilichtmuseum für die Shaker. Die aus dem Quäkertum hervorgegangene Freikirche, die Arbeit als Gottesdienst ansieht und für die Fleiß, Erfindergeist und handwerkliche Qualität die Grundvoraussetzungen für ein gottgefälliges und freudvolles Leben sind, ist fast untergegangen. Man spricht von nur noch vier Gemeindemitgliedern. Der Grund für das Aussterben liegt in der Ehelosigkeit der Shaker, es gab keinen Nachwuchs aus den eigenen Reihen, obwohl Männer und Frauen unter einem Dach lebten.

 

Ich schlenderte mit einigen meiner Gäste über das Freigelände, Oma Magda sah mich fragend an. „Herr Gordon, helfen sie mir mal: Shake heißt doch schütteln?“ Ich nickte. „Ist das nicht ein komischer Name für eine Kirche? Die Schüttler!“

 

Ich musste schmunzeln. „Die eigentliche Übersetzung lautet die Zitterer, aber der Name leitet sich von einem rituellen Schütteltanz ab. Die Leute haben in ihren Gottesdiensten getanzt, auch eine Form von Gottesverehrung.“

 

Die weißhaarige Frau grinste. „Besser tanzen als der Weihrauch in der katholischen Kirche, da kriege ich immer Kopfschmerzen.“

 

„Nicht nur sie, mir ist das Auf und Nieder auch zu viel!“ Sylvia Jacobsen hatte die weißhaarige Dame untergehakt. „Da ist Tanzen als Bewegung doch besser.“

 

„Apropos Tanzen, Sylvia, wir haben ja Samstag. Jost und ich wollten heute Abend eigentlich auf die Piste. Ich hoffe, ihr habt für Sven einen Babysitter.“ Ich grinste sie an. „Dein Jüngster kann ganz schön anstrengend sein, besonders wenn er seinen Willen nicht kriegt.“

 

„Wie?“ Sie kniff mir ein Auge zu. „Ich hätte dich für sportlicher gehalten.“

 

„Danke! Wir wollten schwimmen und keine Stunde Wasserball spielen!“ Ich funkelte sie an.

 

Sie lachte. „Keine Sorge, wir gehen zu dritt zu einem Basketballspiel, also ihr Zwei seid draußen. Ich werde mich zwar langweilen, aber meine Männer haben mich überstimmt.“

 

Oma Magda stoppte abrupt. „Sagen sie mal, wäre ihnen eine Vorpremiere lieber? Fritzemann wollte mir was Gutes tun und hat Karten für das Symphonie Orchester besorgt, aber sobald das Licht im Saal ausgeht, schläft er ein. Beim letzten Klavierkonzert in München hat er sogar geschnarcht!“

 

Sylvia lachte. „Das könnte mein Günni sein! Von mir aus gerne.“

 

Magda suchte ihren Gatten. „Fritz! Komm mal her, dein Abendprogramm hat sich gerade geändert.“

 

 

Nach einer kurzen Zigarettenpause an einer typisch amerikanischen Autobahnraststätte erreichten wir gegen sechs das Etappenziel, das Sheraton in Springfield. Nachdem Jenny und ich den Bus gesäubert hatten, konnten auch wir unsere Zimmer beziehen. Wir hatten uns zum gemeinsamen Abendessen um sieben verabredet.

Die Zeit bis dahin nutzte ich für eine Dusche, einige Telefonate und für eine wichtige Mail an Chester Edward Miles III. Ich hatte mir doch gestern Nacht noch den Inhalt des Sticks genauer angeschaut und die gewünschten Dateien herausgesucht. Ok, ich habe in Josts Privatleben geschnüffelt, aber es diente einem höheren Ziel. Oder war das der Grund, diese leichte Unaufrichtigkeit, die uns nie zusammen zusammenkommen ließ?

Den Mann meiner Träume würde ich um kurz nach acht treffen, wir hatten uns an der Rezeption für Viertel nach verabredet, wir wollten endlich einen ganzen Abend für uns haben. Aber vor dem Vergnügen haben die Götter ja den Schweiß gesetzt; ich musste erst noch einmal in Familie machen.

 

Als wir aus dem Hotel kamen, freute sich Jost wie ein Schneekönig. „Wir gehen in die Szene!“

 

Ich musste grinsen, denn so großartig unterscheiden sich schwule Läden in der Provinz nicht voneinander, egal ob sie nun im Münsterland oder im westlichen Massachusetts liegen. Gut, der Großraum Springfield, mit seinen knapp 700.000 Einwohnern, könnte als Großstadt bezeichnet werden, aber, nach New Yorkern Maßstäben, war ich in der Provinz, wenn auch nicht in der Tiefsten.

„Schatz, bevor wir uns hier in das ach so tolle Nachtleben stürzen, muss ich erst noch bei meinem Cousin vorbei.“

 

„Jetzt lerne ich schon das zweite Familienmitglied von dir kennen.“ Er lachte.

 

„Wohl eher das verlorene Schaf.“ Ich wurde nachdenklich. „Das letzte Mal, dass ich ihn gesehen habe, war Thanksgiving 2003, da war er 19 und ich 17. Seitdem habe ich von ihm nichts mehr gehört, nur das, was Onkel Ethan, sein Vater, uns erzählt hat. Und das war nicht gerade angenehm.“

 

„Was hat er den angestellt?“ Er blickte mich neugierig an.

 

„Drogen, Knast, wieder Drogen … laut Ethan sollte er eigentlich in einem Therapiezentrum am Mount Baker im Staate Washington sein, aber Omas Briefe kamen immer unbeantwortet zurück. Von daher dachten wir, er wäre verschwunden.“ Ich suchte nach meinen Zigaretten. „Was meinst du, wie verwundert ich war, als Luke mir sagte, Eric würde jetzt in Springfield leben.“

 

„Merkwürdig ist das schon …“ Mein Angebeteter wurde nachdenklich.

 

Rauchend gingen wir die Harrison Avenue entlang und bogen dann links in die Dwight Street ein. „Wir müssten eigentlich gleich da sein. Nur noch über die Kreuzung.“

 

Als wir kurz vor dem Ziel waren, lachte Jost. „Schau mal, dein Cousin wohnt über einem Szeneladen.“

 

„Dann beginnen wie die Tour durch das Nachtleben gleich hier, allerdings erst nach dem Gespräch.“ Ich grinste. „Aber wenn du nicht mitkommen willst, du kannst auch schon vorgehen.“

 

Er schüttelte mit dem Kopf. „Muss man hier nicht 21 sein, um sich ein Bier kaufen zu können?“

 

Ich nickte. „Dann machen wir erst mal in Familie!“

 

 

Erics Apartment lag im zweiten Stock. Er begrüßte uns in Flur. Nachdem wir uns umarmt und begrüßt hatten, stutzte er. „Gordon, wen hast du denn da mitgebracht? … Aber kommt doch erst mal rein.“

 

Nach vier Schritten, mehr brauchte man für den Flur nicht, standen wir im Hauptraum der Single-Wohnung, einer Mischung aus Küche, Ess-, Wohn-und Arbeitszimmer. Unordentlich war es eigentlich nicht, es war alles nur ziemlich voll gestellt. „Eric, das ist Jost, einer meiner Gäste und ein Freund von mir.“ Ich blickte auf den angehenden Studenten und lächelte ihm aufmunternd zu. „Und Jost, das ist Erik, mein verschollen geglaubter Cousin!“

 

Die beiden schüttelten sich brav die Hände und der dunkelblonde Brillenträger deutete auf das Sofa. „Setzt euch … Wartet, ich bring die Klamotten erst ins Schlafzimmer, dann könnt ihr es euch bequem machen. Ich dachte, ich hätte noch Zeit, um etwas aufzuräumen.“

 

Ich schaute etwas verwundert, legte er sich doch zwei Abendkleider über den Arm, in der Hand hielt er ein Paar hochhackige Pumps, fehlte nur noch eine Perücke, dann wäre eine Dragqueen perfekt. „Tu dir die Ruhe an. Wir sind ja etwas früh dran.“

 

Als er aus dem Nebenraum, wohl sein Schlafzimmer, zurückkam, grinste er, Jost und ich hatten es uns auf dem Sofa gemütlich gemacht. „Wollt ihr was zu trinken? Ich habe allerdings nur Bier und Cola im Haus.“ Er überlegte anscheinend. „Einen Tee könnte ich euch auch noch machen.“

 

Wir entschieden uns für Gerstensaft, Eric stellte drei Flaschen Bud auf den Tisch, die Frage nach Gläsern wurde verneint. Wir stießen an und, nachdem die Flaschen wieder auf dem Tisch standen, herrschte eine peinliche Stille. Jeder beobachtete jeden. Jost durchbrach die Mauer des Schweigens. „Darf man hier rauchen?“

 

Eric nickte, sprang auf und kam mit einer Packung Mentholzigaretten und einem Aschenbecher wieder. „Und? Womit habe ich euren Besuch verdient? Geht es um das Geld, das ich Luke schulde?“

 

Ich war mehr als irritiert. „Welches Geld?“

 

Er zog die Augenbrauen hoch. „Na, er hat mir doch vor zwei Jahren die Kaution vorgestreckt.“

 

„Ach, so lange bist du schon nicht mehr in diesem … Therapiezentrum am Mount Baker.“

 

„Therapiezentrum?“ Er kriegte große Augen. „Was soll ich außerdem in Washington?“

 

„Nach deiner Entziehungskur und deinem erneuten Rückfall …“ Ich blickte ihn an. „Sagte jedenfalls dein Vater.“

 

„Der Alte schon wieder!“ Er stöhnte „Ich habe nie eine Entziehungskur gemacht!“

 

„Leute! Ich glaube, es ist das Beste, ihr ordnet erst einmal die Fakten, denn ansonsten redet ihr noch in fünf Stunden aneinander vorbei.“ Jost blickte erst auf Eric, dann auf mich. „Schatz, jetzt erzähle mal die Geschichte aus deiner Sicht, dann berichtet Eric, was tatsächlich passiert ist.“

 

„Schatz?“ Der Brillenträger stutzte. „Seid ihr … ein Paar?“

 

„Noch nicht ganz …“ Ich grinste. „… aber was nicht ist, kann noch werden!“

 

„Und ich dachte, ich wäre der Einzige in der Familie, der abartig ist.“

 

„Hier ist niemand abartig! Wir sind alle nur … verzaubert.“ Jost musste selbst grinsen. „Und hatten wir uns nicht geeinigt, nicht durcheinanderzureden?“

 

„Ja Mama!“ Ich lachte. „Also, aus meiner Sicht: Eric, nachdem wir uns das letzte Mal gesehen hatten, also Thanksgiving 03, bist du zurück nach Berkeley. Du hast ja in dem Jahr mit dem Chemiestudium da angefangen. Alles andere, was ich weiß und jetzt erzähle, kommt entweder direkt oder indirekt von Onkel Ethan.“ Ich trank einen Schluck. „Dein Chemiestudium hast du aber anderthalb Jahre später wieder geschmissen, so um deinen Geburtstag herum. Danach wärst du auf die schiefe Bahn geraten: Zwei oder drei Verhaftungen wegen Drogen und Diebstahl; deine erste Entziehungskur hättest du erst gar nicht angetreten, die Zweite abgebrochen. Ende 2006 sollst du dann fast an einer Überdosis …“ Ich steckte mir eine Zigarette an. „… und seit dem sollst du in diesem Reha- und Therapiezentrum am Mount Baker sein. Erst in der Geschlossenen und seit einem Jahr in der offenen Abteilung, aber immer mit striktem Kontaktverbot zu deiner Familie.“

 

Eine Minute herrschte Schweigen. „Das gibt es nicht!“ Eric schüttelte fassungslos den Kopf. „Das hat euch das Arschloch erzählt? Wie konntet ihr ihm das glauben?“

 

„Du hast dich die ganzen Jahre ja nicht gemeldet.“ Ich blickte ihn an. „Oma war ganz fertig, als das Paket zu deinem 21. Geburtstag mit der Bemerkung ‚Empfänger unbekannt‘ zurückkam. Ich weiß zwar nicht, was du mit der alten Spieluhr deiner Mutter solltest, aber Oma wollte deswegen sogar einen Privatdetektiv engagieren. Da rückte Ethan dann mit der Drogengeschichte raus.“

 

Er atmete tief durch. „Jetzt brauche ich was Härteres! Jemand Scotch?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, erhob er sich, ging in die Küche und kam mit der Flasche und drei Gläsern zurück. Er schenkte ein, mindestens doppelstöckig. „Eis habe ich leider nicht. Prost!“ Während Jost und ich nur daran nippten, stürzte er das braune Gesöff in einem Zug hinunter und schenkte sich nach.

 

„Eric, wenn du jetzt bereit bist?“ Jost fragte fast schüchtern.

 

„Also das Einzige, was von der ganzen Geschichte stimmt, ist die Tatsache, dass ich seit Juni 2005 nicht mehr studiere.“ Er blickte uns an. „Aber freiwillig habe ich die Chemie nicht aufgegeben!“

 

„Wie kam es denn dazu?“ Jost hielt das Gespräch in Gang, denn offensichtlich fiel es meinem Cousin, der wie ein begossener Pudel da saß, schwer, über die Sache zu reden.

 

„Es war eine Woche vor meinem Geburtstag, da kam er angeflogen und tauchte unangemeldet bei mir auf. Ein paar Freunde und ich, wir hatten eine kleine Feier …“ Er sah meine hochgezogenen Augenbrauen. „Okay, wirkten alle etwas viel getrunken und geraucht und … und … und wir feierten eine Sexorgie. Sie hatten mich an mein Bett gebunden und … den Rest könnt ihr euch denken. Mein Produzent kriegt die Panik, ruft die Bullen … Als ich wieder zu mir kam, wachte ich in einer Gummizelle auf.“ Diesmal trank er nur einen Schluck des Destillats. „Wie sich herausstellte, hatte er mich in ein christliches Umerziehungslager gesteckt. Sie probierten es mit Elektroschocks, eiskalten Duschen, Tritten und Schlägen, Gehirnwäschen und sonstigen Nettigkeiten, mich von meiner abartigen Veranlagung zu befreien und mich wieder auf den rechten Pfad der Tugend zu führen.“

 

Ich schaute meinen Schatz an, diesmal tranken wir ex. „Das gibt es nicht!“

 

„Doch, das gibt es noch in den Vereinigten Staaten des einundzwanzigsten Jahrhunderts!“ Er klang ziemlich verbittert. „Das Lager lag am Mount Baker.“ Er verfiel wieder in Schweigen. „Ihr müsst mir glauben, außer ab und an etwas Gras und Alkohol … nehme ich keine Drogen, hab sie noch nie genommen!

 

„Wie ist dir dann die Flucht gelungen?“ Jost, ganz in seinem journalistischen Element, blickte ihn an. „Ansonsten wärst du ja nicht hier!“

 

„Nach sechs oder sieben Monaten, ich weiß es nicht mehr so genau, unternahmen wir eine der sogenannte Pilgerfahrten nach Kanada: Zu Fuß durch die Wälder. Man hat uns unsere Pässe in die Hand gedrückt, falls wir auf irgendwelche Grenzpatrouillen stoßen sollten. … Mir gelang die Flucht.“ Er trank erneut. „Ich hab mich dann irgendwie nach Seattle durchgeschlagen und von da aus quer durchs Land, immer auf der Flucht vor meinem Vater und seinen ach so christlichen Häschern.“

 

„Aber …“ Ich blickte ihn mitleidig an. „… aber warum hast du dich nicht direkt nach deiner Flucht gemeldet? Wir wären noch für dich da gewesen! Wir sind doch eine Familie!“

 

„Habe ich doch! Aber niemand von euch ging ans Telefon!“ Er wirkte resigniert. „Ihr hattet mich doch verstoßen, wolltet nichts mehr von mir wissen, dem Perversen! Hat der Alte jedenfalls gesagt!“

 

„Wir wussten doch nichts!“ Ich überlegte. „Kann es sein, dass du im Januar 2006 geflohen bist?“

 

Er nickte. „Ja, am 6. Januar, um genau zu sein. Wieso fragst du?“

 

Nun wurde mir einiges klarer. „Dann kannst du auch niemanden erreicht haben, die ganze Familie Lensing war in Deutschland, Oma Ursula, also Paps Mutter, feierte ihren 80.sten Geburtstag.“

 

„Und ich dachte schon …“ Er fasste sich an den Kopf. „… deshalb war es wohl auch für Luke kein Problem, mir die 3.000 Dollar, die ich brauchte, sofort zu leihen, als ich ihn um Hilfe bat.“

 

Nach seiner Flucht hat sich Eric als Gelegenheitsarbeiter und teilweise auch als Stricher verdingt, ehe er von einem Trucker, der ihn mitnahm, zusammengeschlagen und hier in Springfield ausgesetzt worden wäre. Calvin, der Inhaber der schwulen Kneipe im Nebengebäude, hätte ihn an auf einem Strichertreffpunkt aufgelesen und aufgepäppelt. Seitdem würde es bei ihm wieder bergauf gehen, er besuche Kurse an der Uni, arbeitet als Statist am Theater und als Kellner in Calvins Kneipe. Jeden Freitag wäre er der Star der dortigen Drag-Show, daher auch die Kleider, die wir gesehen hätten.

Dass es bei der Schilderung und gelegentlichen Zwischenfragen nicht bei einem Bier blieb, dürfte klar sein. Plötzlich wurde er wieder ernst. „Und jetzt verratet mir mal, warum ihr genau hier seid! Um in Familie zu machen doch wohl bestimmt nicht, oder?“

 

Ich fühlte mich sichtlich unwohl. Jost bemerkte das und drückte meine Hand. „Um ehrlich zu sein, es geht um deinen Vater! Wir wollen ihn loswerden!“

 

„Ihr wollt ihn umbringen?“ Sarkasmus lag in seiner Stimme. „Da bin ich sofort dabei!“

 

„Nein, das nicht gerade, … wir wollen ihn nur aus der Firma haben!“ Ich blickte ihn an.

 

„Wie? Er hat doch mit Lensing Travel nichts zu tun!“ Erstaunt blickte er mich an. „Das ist das Erste, was ich höre. Er hat immer über Onkel Richard und seine Mischpoke gemeckert. Entschuldige bitte.“

 

„Wir mögen ihn auch nicht! … Aber er hat was mit Lensing zu tun und …“ Ich atmete tief durch. „… und das ist ja unser Problem. Lensing Travel tritt nach außen zwar als Einheit auf, in Wirklichkeit sind es aber zwei Firmen, einmal das Busunternehmen und zum anderen die Reisebüros.“ Ich trank den Rest meines zweiten Bieres. „Die Busse und die Werkstatt liefen immer schon unter Lensing, die Reisebüros firmierten bis 1992 ja noch unter Hamburg Travel, also Opa Walter und Oma Rita. Als Opa 2000 starb, erbte Oma die eine Hälfte und deine und meine Mutter die andere Hälfte der Reisebüros. Seit dem Zeitpunkt geht jedes Jahr ein Scheck mit einem Viertel des Gewinns aus der Vermittlung von Reisen an deinem Vater, im letzten Jahr waren das knappe 120.000 Dollar.“

 

„Äh, Oma heißt doch Lippmann.“ Eric wirkte überfordert.

 

„Stimmt, aber sie ist eine geborene Hamburg. Ihre Eltern hatten 1940 das erste Reisebüro aufgebaut und, da Charles, also Omas Bruder, kein Interesse hatte, hat Opa Walter ihn 1960 ausgezahlt und die Reisebüros zu einer Kette ausgebaut.“ Ich versuchte, die Firmengeschichte so einfach wie möglich wieder zu geben. „Und jetzt geht jetzt um eine Erweiterung, ein ziemlich gutes Angebot. Aber weder Lensing, das Busunternehmen, noch Lensing, das Reisebüro, kann das allein stemmen. Es geht nur zusammen und die beiden Firmen müssten fusionieren, ehe sie expandieren könnten.“

 

„Klar, aber was hat das mit mir zu tun?“ Er hatte immer noch Fragezeichen in den Augen.

 

„Als Tante Nora 2001 starb, muss sie ihren Anteil an den Reisebüros irgendjemanden vererbt haben, also entweder ging er an dich oder an Ethan oder an euch beide. Das ist die Frage aller Fragen!“ Ich steckte mir eine neue Zigarette an. „Erst wenn auf die Eigentumsverhältnisse bei euch geklärt sind, kann man an eine Fusion und die Expansion denken.“

 

„Gordon, ich bin Chemiker und kein Wirtschaftswissenschaftler! Kannst du mir das auch einfacher erklären?“ Er blickte mich hilflos an. „Noch jemand etwas trinken?“

 

Wir nickten und nachdem drei neue Flaschen auf dem Tisch standen, grinste mein Engel. „Eric, hast du mal einen Krug und drei Gläser da?“

 

„Ja, aber …“ Er schaute ungläubig. „… aber was willst du damit?“

 

„Hohl sie bitte, dann zeig ich dir das, was Gordon meint.“ Nun war auch ich neugierig.

 

Als Eric mit den gewünschten Gegenständen wieder am Tisch erschien, nahm Jost die erste Flasche Bud in die Hand und öffnete sie. „Das ist das Reisebüro. Ein Viertel der Flasche gehört Nora.“ Er schüttete sie in den Krug. „Die beiden Flaschen sind das Busunternehmen.“ Er entleerte beide ebenfalls in den Krug. „So, wie viel Bier in dem Krug gehört nun Nora?“

 

„Das ist doch einfach!“ Er grinste. „Ein Zwölftel! Jede Flasche hat vier Teile, wir hatten drei Flaschen, also zwölf Teile und von einer Flasche gehörte mir ein Viertel, also einer von zwölf.“

 

„Genau! Jetzt sagen wir einmal, der Krug hat einen Wert von 180 $, dein Anteil beträgt somit 15 $. Der Krug will sich jetzt aber vergrößerten, er will noch eine Flasche zum Preis von 60 $ dazu kaufen. Du müsstest dich jetzt mit deinem Anteil, also mit 5 $, an den Erwerb beteiligen, damit es bei deinem Anteil bleibt von einem Zwölftel bleibt.“ Jost sollte Lehrer werden  und nicht Journalist.

 

„Klar.“ Er überlegte kurz. „Und wenn ich sage, ich kann den Fünfer jetzt nicht aufbringen, die anderen wollen aber unbedingt, dann beträgt mein Anteil am Ganzen hinterher nicht mehr ein Zwölftel, sondern nur noch ein Sechzehntel!“

 

Ich grinste ihn an. „Es hängt nun alles von dir ab: Sagst du Ja, dann können die anderen kaufen und du nimmst du eine Verkleinerung seines Anteils in Kauf. Sagst du Nein, können die anderen nicht kaufen und es bleibt alles beim Alten.“

 

Der Brillenträger schüttelte mit dem Kopf. „Das leuchtet mir ein. Wo ist jetzt das Problem?“

 

„Das Problem ist, wem gehört das Viertel von Tante Nora!“ Ich schaute ihn herausfordernd an. „Mit wem müssten wir verhandeln, ob wir die vierte Flasche kaufen können oder nicht? Mit Ethan oder mit dir oder mit euch beiden?“

 

„Jetzt mal langsam! Tante Erica muss nachdenken!“ Er kratzte sich am Kinn, grübelte etwas. „Es kommt also auf Mamas Testament an?“

 

Ich nickte. „Gaynau! Und dann noch auf die Frage, ob sie mit ihrem Mann irgendwelche Regelungen getroffen hat, einen Ehevertrag zum Beispiel, oder ob die gesetzliche Erbfolge eintritt.“

 

Er wirkte plötzlich wie erstarrt. „Welche Konsequenzen könnte das haben?“

 

„Sagen wir einmal, deine Eltern lebten im Stande der Gütertrennung und deine Mutter hätte dir ihr gesamtes Vermögen vermacht, das würde heißen das du, spätestens ab Volljährigkeit, Anspruch auf ihr Vermögen und die Früchte daraus haben würdest. Das Haus deiner Eltern war ja ein Geschenk an sie von Uropa Albert, dann die Wohnungen am Battery Park …“ Ich atmete durch. „Der jährliche Scheck aus den Gewinnen der Reisebüros, … du könntest alles von deinem Vater zurückfordern, auf Dollar und Cent.“

 

„Über was für eine Summe reden wir?“ Er wirkte ziemlich kurz angebunden.

 

Ich überlegte. „Die Einnahmen der letzten fünf Jahre dürften sich auf anderthalb bis zwei Millionen belaufen, mindestens!“

 

„Jost, tust du mir bitte einen Gefallen?“ Eric blickte meinen Angebeteten fragend an.

 

Mein Spatz lachte. „Was soll ich machen?“

 

„Geh mal bitte in den Laden.“ Der Brillenträger grinste. „Wir brauchen jetzt Champagner!“

 

„Bin doch nur 20, da darf ich noch nicht rein!“ Er war plötzlich wieder mein Kleiner.

 

Eric holte sich einen Zettel, schrieb etwas auf. „Hier! Den Zettel gibst du Jeff, dem Türsteher. Und sag ihm, wenn du nicht binnen von zehn Minuten wieder mit der Flasche hier oben bist, dann soll er sich warm anziehen, dann legt ihn Tante Erica über das Knie!“

 

Jost nahm lachend den Zettel und stürmte in Richtung Tür. „Dann bis gleich.“

 

„Dein Kleiner ist echt süß!“ Eric lachte. „Aber das du auch? … Das hätte ich nie gedacht!“

 

„Wieso? Ich bin, wie ich bin.“ Ich lachte. „Ach, der Ausdruck ‚verzaubert‘ kommt übrigens von Oma Rita. Sie hat keine Probleme damit und mein alter Herr mittlerweile auch nicht mehr.“

 

„Äh, wie das?“ Er schaute mich erstaunt an. „Erzähl …“

 

Ich berichtete ihm von Ethans Auftritt, als er Gregs Zwangsverlobung ankündigen wollte. Wir lachten beide. „Das ist typisch für den Alten! Er hat Mutters Krebs ja für Gottes logische Reaktion für …“  Er grinste. „… für meine Verzauberung gehalten. Aber unter uns beiden Schwestern gesprochen, was erwartest du genau von mir? Du musst dir doch bei dem Besuch was gedacht haben!“

 

Mit der Frage hatte ich nicht gerecht! „Eric, um ganz ehrlich zu sein, ich hatte, bis Luke mir deine Adresse gegeben hat, dich gar nicht als Variabel in die Auseinandersetzung mit Ethan eingeplant. Lensing muss wachsen, will es Morgen auch noch am Markt bestehen. Dein Vater würde sich jede Entscheidung mit viel, viel Geld bezahlen lassen. Er hat sich nämlich deutlich verspekuliert und braucht dringend Bares!“

 

„Und was erwartest du jetzt von mir?“ Er blickte mich offen an.

 

„Eine Entscheidung mit Augenmaß.“ Ich blickte ihn ernst an. „Lensing kann nur dann wachsen, wenn aus den Reisebüros und den Bussen eine Firma wird. Wenn Ethan sich querstellt, dann sieht es düster aus.“ Ich steckte mir erneut einen Glimmstängel an. „Aufgrund der Mehrheitsverhältnisse könnte man auch an eine Zwangsfusion denken, aber dann könnte Ethan auf Auszahlung der Anteile bestehen, … das würde Lensing als Ganzem das Genick brechen. Außerdem …“ Ich atmete noch einmal tief durch. „Dir muss Ethan alle Informationen über das Vermögen geben, wir müssten erst auf Auskunfterteilung klagen. Von daher wollen wir dich auf unserer Seite haben!“

 

„Danke dir für die Offenheit.“Eric erhob sich und bedeutete mir, das gleich zu tun. Er ging auf mich zu, umarmte und küsste mich erst links, dann rechts auf die Wange, zum Schluss sagten seine Lippen den Meinen Hallo. „Dann mal auf in den Kampf! Gemeinsam machen wir ihn fertig!“

Wir setzten uns. „Ich hätte eigentlich meinem Herzen vertrauen müssen, aber … wegen meines Alten … bin ich vorsichtig geworden.“ Er schluchzte. „Wir brauchen als Erstes also Mamas Testament?“

 

Ich nickte. „Das wäre der erste Schritt, die Gerichte werden später bemüht, …“

 

Der Brillenträger rieb sich sein Kinn. „Gordon, ich glaube, Mamas letzter Wille liegt bei Oma!“

 

„Bitte?“ Ich war platt wie eine Flunder! „Was hast du gerade gesagt?“

 

„Als Mama im Krankenhaus lag, sollte ich ihr ihre alte Spieluhr bringen.“ Er atmete schwer. „Und kurz vor … vor ihrem Ende … gab sie mir den Auftrag, die Uhr an Oma zu übergeben, die wüsste schon, was sie damit machen sollte.“ Er blicke mich an. „Als du das gerade mit dem Paket und dem Detektiv gesagt hat, … jetzt machen Mamas Worte Sinn: ‚Das wäre ihr letzter Gruß an eine bessere Welt für mich.‘ So muss es sein!“

 

„Da könntest du recht haben.“ Ehe ich weitersprechen konnte, klingelte es an der Tür. Eric öffnete.

 

„Sorry, hat etwas länger gedauert. Die mussten erst eine Tüte suchen, nur mit der Flasche wollten sie mich nicht auf die Straße lassen, …“ Er schüttelte den Kopf. „… dabei sind das doch nur fünf Meter.“

 

Eric und ich lachten. „Schatz, du kennst die Gesetze hier nicht. Allein ein Meter auf dem Bürgersteig mit der Flasche in der Hand und du hättest verhaftet werden können.“

 

„Und ich dachte immer, die USA sind das liberalste Land.“ Er kicherte. „Wie man sich irren kann!“

 

Wir besprachen Sekt trinkend das weitere Vorgehen. Ich würde mich um einen Anwalt bemühen und Eric sollte nächsten Sonntag als Überraschungsgast zur Lensingschen Mittagstafel stoßen. Während unser Gastgeber immer euphorischer wurde, wurde der Mann meiner Träume immer verschlossener.

„Was ist los, mein Engel?“ Ich blickte ihn liebevoll an und strich ihm über die Wange.

 

„Ich wollte, ich könnte unter dem Tisch sitzen und Mäuschen spielen.“ Seine Stimme klang traurig.

 

„Wieso solltest du es nicht können?“ Ich griff mir seine Hand und drückte sie fest.

 

„Gordon, die Diskussion haben wir doch schon gestern geführt.“ Er stöhnte. „Das ist doch reines Wunschdenken ohne jeden Realitätsbezug.“

 

Sollte ich die Katze aus dem Sack lassen? „Jost, das war nicht die Antwort auf meine Frage. Würdest du gerne an dem Essen teilnehmen? Egal, ob du es jetzt für möglich hältst oder nicht?“

 

„Natürlich.“ Er blickte mit erstaunt an. „Aber das ist und bleibt …“

 

Ich schnitt ihm das Wort ab. „Würdest du gerne hier in den Staaten studieren?“

 

„Wenn es eine vernünftige Uni wäre, dann …“ Er starrte auf sein Glas. „… Ja!“

 

„Das Semester hat hier ja schon angefangen.“ Ich spielte mit den Fingern seiner Hand, die ich immer noch hielt. „Würdest du den verpassten Stoff nacharbeiten?“

 

„Das wäre doch …“ Mein Engel verdrehte seine smaragdgrünen Augen. „… selbstverständlich.“

 

Ich warf ihm einen ernsten Blick zu. „Du würdest also, zum Beispiel an der Columbia, anfangen?“

 

„Ja!“ Wieso war er plötzlich genervt. „Was soll die ganze Fragerei?“

 

„Keine Gegenfragen!“ Nun grinste ich. „Und würdest du gerne jeden Morgen neben mir aufwachen?“

 

Jost starrte mich an und Eric lachte. „War das gerade ein Antrag? … Hat sich für mich so angehört!“

 

„Ja …“ Ich blickte erst auf Eric und dann auf meinen Traummann. „… also Jost … würdest du …?“

 

Jost grinste über beide Backen. „Ja, besser neben dir … als alleine im Studentenwohnheim!“

 

Ich zog die Augenbrauen hoch. „Ach, ich bin nur eine Notlösung?“

 

„Nein, das nicht …“ Sein Blick hatte etwas Schelmisches an sich „… aber ich bin altmodisch, wenn du mir schon einen Antrag machst, dann bitte auf Knien und … wo sind die Blumen und der Stehgeiger?“ Er konnte sich kaum noch vor Lachen halten. „Außerdem … ohne elterlichen Segen heirate ich nicht!“

 

Mir entglitten die Gesichtszüge, ich muss ausgesehen haben wie ein begossener Pudel. Die Beiden amüsierten sich königlich: Auf meine Kosten! „Da will man mal romantisch sein …“

 

„Ach, Schatz! Ich hab dich auch so lieb, …“ Er küsste mich. „… auch ohne Antrag!“

 

Es wurde noch ein lustiger und entspannter Abend in nun lockerer Atmosphäre. Dass sich die Erkundung der Szene von Springfield erst einmal nur auf den unten liegenden Laden beschränkte, trübte Josts Laune überhaupt nicht. Er schien sich blendend mit Eric zu verstehen, beinahe wäre ich eifersüchtig geworden, aber nur fast.

Gegen Mitternacht verabschiedeten wir uns, Eric musste als Kellner einspringen und allein wollten wir lieber zu zweit sein. Als wir auf der Straße waren, blickte Jost mich verliebt an. „Du, ich würde jetzt gerne zurück ins Hotel und …“ Er küsste mich. „… und am liebsten neben dir aufwachen. Aber schauen wir mal, was passieren wird.“ Er griff meine Hand und zog mich mehr, als ich gehen konnte, in Richtung Schlafstätte.

 

 

Je näher wir dem Hotel kamen, desto aufgeregter wurde ich. Eine vernünftige Erklärung für meine Nervosität hatte ich nicht: Wieso war ich so aufgeregt und gereizt? Weshalb hatte ich Herzklopfen? Gut, ich würde gleich gegen eine meiner festen Maximen, nämlich nicht mit einem Gast das Wort Begehren buchstabieren, verstoßen, aber war es das wirklich? Oder lag es vielmehr daran, wer der Partner in diesem Buchstabierwettbewerb sein würde? Ich kam mir wie ein pubertierender Teenager vor, der gleich sein erstes Mal erleben würde.

 

Aber war es überhaupt ein erstes Mal? Innerlich schüttelte ich heftig den Kopf, denn Sex hatte ich schon öfters gehabt, also eindeutig ein Nein. Meine Unschuld würde ich auch nicht verlieren, die hatte Henry McGregor mir schon vor Jahren geraubt. Nackt hatten Jost und ich uns auch schon gesehen, hatten uns berührt, den Anderen gefühlt und gespürt, über die Haut geleckt und den Geruch eingesogen. Unsere Sahnespender hatten auch schon enge Tuchfühlung aufgenommen, Klein-Jost hatte Klein-Gordon ja sanft seinen Mantel umgelegt.

Auf der anderen Seite sprachen einige Dinge dafür, diese Frage zu bejahen. Es würde gleich wohl keine Störungen mehr geben, wir könnten den intimen Moment endlich bis zur letzten Sekunde voll und ganz auskosten, insofern wäre es ein erstes Mal. Zweitens wäre es der erste richtige Sex mit Jost! Ich hatte mich verliebt, Soviel stand für mich fest. Gut, Frühlingsgefühle hatte ich schon des Öfteren gehabt, aber dass diese solche Formen annahmen, war auch eine Premiere für mich. Es waren keine Schmetterlinge, die ich im Bauch hatte, es war eine ganze Schmetterlingsfarm, die da in meinem Innersten ihr Unwesen trieb. JJ, Jost Jacobsen, war einfach der Mann meiner Träume, der Mann, mit dem ich alt werden wollte.

Zugegeben, Gefühle hatte ich auch zu Ian und Juan, aber die, waren anderer Natur. Wie soll ich sie richtig beschreiben? Der Sex mit ihnen war gut, dass will ich ja gar nicht abstreiten, und wenn ich es denn täte, würde ich lügen. Diese Empfindungen waren eher freundschaftlicherer Art. ich mochte sie vom Wesen her, aber das letzte Quäntchen, das Gran zu einer Beziehung, das fehlte mir bei den beiden; es hatte einfach nicht Klick gemacht. Jost jedoch schlug in mein Gefühlsleben ein wie eine Bombe, noch ehe er das erste Wort zu mir gesprochen hatte.

Aber auch die erneute Kontaktaufnahme zu Henry, meinem alten Freund aus Schultagen, hat meine Welt durcheinander gebracht. Zwar hat er sie in ihren Grundfesten nicht erschüttert, aber etwas irritiert über sein Auftauchen nach all den Jahren war ich schon. Götter oder andere himmlische Wesen standen einem Treffen anscheinend nicht wohlwollend gegenüber, insofern gab es gewisse Parallelen mit Jost, mit dem ich den Höhepunkt bis jetzt auch noch nicht erlebt hatte. Aber wäre eine Auffrischung dieser alten Geschichte die Erfüllung, die ich so sehnlichst suchte? Durch unsere Telefonate kam die Erinnerung an die alten Zeiten wieder hoch. Ich wollte ihn unbedingt wieder sehen, wollte ihn nicht wieder aus den Augen verlieren, aber mehr? Eine Beziehung? Nein, ein Mehr wollte ich wohl eher nicht!

Einer engeren Bindung standen auch zwei Dinge im Weg: Zum einen hatte mich JJ zu sehr gefangen genommen, zum anderen war da die Vergangenheit. Gut, alte Liebe rostet nicht und Erbensuppe schmeckt aufgewärmt angeblich am besten und der Sex mit dem Ex hat ja auch was für sich, aber in den letzten vier Jahren ist ziemlich viel passiert; sowohl in seinem Leben, als auch in meinen. Wir waren längst nicht mehr die verliebten Teenager, die wir einmal waren.

Unsere Trennung war ja auch nicht so ganz ohne gewesen: Während ich mit Urlaubsvorbereitungen beschäftigt war, traf er für sich die Entscheidung, zur Army und nicht auf eine Universität zu gehen. Als ich ihm damals freudestrahlend den Hotelvoucher für 14 Tage Florida unter die Nase hielt, wedelte er mit seinem Einberufungsbescheid. Er zog ein Ausbildungslager also einem Urlaub vor. Vier Tage nach unserer Entlassung aus der Highschool trennten sich, bis auf ein zufälliges Wiedersehen am Times Square, unsere Lebenswege, von Heute auf Morgen, von jetzt auf gleich. Ob das eine gute Basis für einen Neuanfang wäre, wagte ich mehr als zu bezweifeln.

 

Meine Knie zitterten, als ich die Tür zu meinem Zimmer öffnete. Jost schob mich mehr oder minder hinein. In dem kleinen Vorflur drehte er mich zu sich und seine Lippen fielen über mein Gesicht her. Wieso kriegte ich wieder Herzrasen, als seine Zunge meine Mundhöhle erforschte? Wie ein Kleinkind versuchte ich, mich meiner Jacke zu entledigen. Irgendwie hatte ich arge Schwierigkeiten mit dem Reißverschluss meiner Lederjacke, er wollte sich nicht öffnen lassen.

 

Der angehende Student blickte mich liebevoll an. „Da scheint ja jemand aufgeregt zu sein.“

 

„Etwas schon, aber …“ Ich blickte in seine smaragdgrünen Augen. „… aber ist das ein Wunder? Alleine mit dem wunderbarsten Mann der Welt in meinem Zimmer?“

 

„Ich werde ja gleich rot.“ Er grinste und unsere Lippen trafen sich erneut. „Vertraust du mir?“

 

Ich zog meine Augenbrauen hoch. Was sollte diese Frage? „Ja!“

 

Er streifte sich seine Jacke ab, nahm seinen Schal und verband mir die Augen. „Dann lass mich mal!“

 

Ich war mehr als überrascht. Was sollte das werden? Viel sehen konnte ich durch seinen braunen Kaschmirschal nicht, eigentlich war ich blind. Ich spürte, wie er mir aus der Jacke half, vermutlich würde er sie jetzt an die Garderobe hängen. „Kannst du mir verraten, was du mit mir vorhast?“

 

Er lachte und ergriff meine Hand, zog mich ins Zimmer. „Abwarten!“

 

Er tänzelte wohl um mich herum. Langsam knöpfte er mir das Hemd auf, streifte es mir von den Schultern. Als er mir das Shirt aus der Hose zog, durchzuckten mich erneut Blitze. Was machte der Kerl da mit mir, dass ich so auf ihn abfuhr? JJ schob mein Shirt langsam hoch, erst befreite er meinen rechten Arm, dann folgte der Linke. Im Zeitlupentempo zog er mir Millimeterweise das baumwollene Bekleidungsstück über den Kopf, anscheinend immer darauf bedacht, dass der Schal nicht verrutscht.

Er blies über meine Brust, leckte über meinen linken Nippel; ich hätte abheben können. Versuche, seinen Kopf mit den Händen zu greifen, scheiterten, er entzog sich immer wieder meinem Griff, dabei wollte ich doch nur den Augenblick so lange wie möglich auskosten.

„Ah, Jost! Was … was wird das?“ Ich konnte nur noch stöhnen. „Das ist … das ist unheimlich geil!“

 

„Soll es ja auch sein!“ Er strich mir über die Wange und trat wohl einen Schritt nach hinten. Der Blonde mit den schwarzen Strähnen musste sich wohl vor mich hingekniet haben, denn plötzlich beschäftigte er sich mit meinen Schuhen, zog sie mir recht schnell von den Füßen. Dann folgten die Socken, die er ebenfalls abstreifte.

 

Das Nächste, das ich spürte, war, wie seine Hände an meinem Gürtel hantierten. Diesmal konnte er meinem Griff nicht entgehen, ich griff in seine Haare, klammerte mich in ihnen fest. Ich stöhnte. „Was machst du da?“

 

Er zog mir das Lederteil heraus. „Vertraust du mir?“ Was sollte diese Frage schon wieder?

 

„Ja, … aber was tust du?“ Warum fuhren die Neuronen auf meinen Nervenbahnen wieder Amok?

 

„Dann leg mal deine rechte Hand auf den linken Unterarm und umgekehrt.“ Er klang aufgeregt.

 

Ich erfüllte ihm seinen Wunsch. „Und was jetzt?“

 

„Jetzt?“ Ich spürte plötzlich das Leder auf meiner Haut. „Jetzt wirst du erst mal deine Hände nicht mehr gebrauchen können. Lass dich einfach überraschen und genieße, mein Engel.“

 

Was sollte ich machen? Auf der einen Seite war ich neugierig, was er mit mir vorhatte. Auf der anderen Seite schwang eine gewisse Unsicherheit mit, ich war nicht mehr Herr der Lage, in der ich mich befand. Angst war es zwar nicht, aber ängstlich war ich schon. „Ok.“

 

Mein Süßer schlug den ledernen Gurt dreimal um meine Unterarme, ehe er den Gürtel verschließen konnte. Fest war die Fessel zwar nicht, aber sie erfüllte wohl ihren Zweck, meine Hände konnte ich in diesem Moment nicht mehr gebrauchen. „Und jetzt genieße einfach!“

 

Jost öffnete mir die Hose, nestelte an den Knöpfen, zog sie langsam nach unten. Ganz vorsichtig half er mir aus den Beinkleidern, er wollte wohl nicht, dass ich ins Wanken geriet. Plötzlich spürte ich seine Zunge auf meinem linken Knie. Er leckte den Oberschenkel entlang, stoppte aber kurz vor dem unteren Ende meiner schwarzen Retro. Diese Behandlung seiner Zunge, die mir Schauer um Schauer über den Rücken laufen ließ, machte er nicht nur ein- oder zweimal, es waren mindestens sieben oder acht Wiederholungen. Danach ließ er die gleiche Pflege meinem anderen Bein zuteilwerden. Es war so geil, ich hätte abheben können, aber, ich glaube, das sagte ich bereits.

Klein-Gordon wurde es mehr als eng unter seinem Zeltdach. Dass Nächste, das ich spürte, war, wie sich Josts Finger an meiner Hüfte festhielten, um dann langsamen unter den Gummizug meiner Retro zu gleiten. Mit einem Ruck beförderte er das letzte Stück Stoff, dass meine Scham verhüllte, runter auf meine Füße. Er ergriff meine Fußsohle, hob sie etwas an. Mühe, das Gleichgewicht bei dieser letzten Befreiungsaktion zu halten, hatte ich nicht. Nun stand ich, nur mit seinem Schal um die Augen und meinen Gürtel um die Unterarme geschlungen, nackt vor ihm.

Den Geräuschen nach zuurteilen, die an mein Ohr drangen, musste er sich erhoben haben. Wo war er? Ich wollte meine Hände nach ihm ausstrecken, aber es gelang mir nicht, der Ledergurt um meine Unterarme machte jede vernünftige Bewegung unmöglich. Das Bild, nackter Mann mit verbundenen Augen und gefesselten Händen, hätte sowohl aus einer billigen Pornoproduktion als auch aus einem französischen Film stammen können. Es war, zugegeben, etwas merkwürdig, aber auch reizvoll und erotisierend zugleich.

„Jost, … Schatz … wo … bist du?“ Ich konnte nur noch stammeln.

 

Plötzlich spürte ich seine Hände auf meinen Hüften. Ich erschrak, mein Herz raste. „Hier bin ich.“

 

„Was … was … machst du?“ Endlich konnte ich wieder durchatmen.

 

„Nichts Schlimmes!“ Etwas Schelmisches lag in seiner Stimme, als er mich umdrehte.

 

Mein Herzschlag hatte sich fast schon wieder normalisiert, als er mich rückwärts in Richtung Bett dirigierte. „Dann bin ich ja beruhigt.“ Ich war alles andere als ruhig, eher aufgewühlt.

 

„Kannst du auch sein!“ Unschuld lag in seiner Stimme. „Ich mache schon nichts Schlimmes!“

 

Meine Unterschenkel berührten die Bettumrandung. Er gab mir einen leichten Stoß auf die Brust und ich fiel rücklings auf die Liegefläche. Ehe ich richtig realisieren konnte, was mit mir geschah, spürte ich, wie seine Hände plötzlich unter meine Achseln griffen und mich weiter nach oben auf das Bett zogen. Das Nächste, das ich wahrnehmen konnte, war eine Schubkraft an meinen Füßen; er drückte mich erneut nach oben, mein Kopf kam auf dem Kissen zum Liegen. Was hatte Jost vor?

Seine Finger berührten meine Unterschenkel, spielten mit den Kniescheiben. Jost hatte sein Hemd noch an, ich konnte den Stoff seines Oberteils spüren. Seine Griffel bewegten sich zu meinen Fersen hinab, wobei seine Fingernägel auf meiner Haut Schlittschuh liefen. Wäre die Schwerkraft nicht gewesen, ich wäre mit Sicherheit abgehoben.

Wo war er? Wo seine Hände? Ich hörte ein Rascheln, er musste sich wohl sein Hemd ausgezogen haben, denn beim nächsten Griff an meine Schenkel fühlte ich nur seine warme Haut. Ein wohliger Schauer durchflutete mich, endlich konnte ich ihn wieder spüren. Auch wenn es sich dumm anhört, aber da ich nicht mehr sehen konnte, wurden die anderen Sinne aktiver. Es war das erste Mal, dass ich blinde Kuh beim Sex spielte. Bis jetzt hatte es mir gefallen, aber ohne Körperkontakt kam ich mir dann doch etwas einsam und hilflos vor.

Seine Zunge berührte meine Fußsohle. Es kitzelte unheimlich. Ich giggelte. „Nicht … Schatz … stopp!“

 

Er löste sich von mir. „Du redest mir zu viel! Schwarz oder weiß?“

 

Was wollte er von mir? „Was meinst du?“

 

Er wiederholte die Frage. „Was willst du nun haben?“

 

Ich verstand nur noch Bahnhof! Schwarz oder Weiß? Meinte er die Hanky-Farben? Weiß steht für Wichsen, aber Schwarz? Wofür stand noch einmal Schwarz? Egal! „Weiß!“

 

„Ganz, wie du es haben willst!“ Welche Entscheidung hatte ich getroffen? Ich hörte, wie er an seinem eigenen Gürtel hantierte. Was, um alles in der Welt, machte er da gerade? Das nächste Geräusch, das meine Ohren vernahmen, war der Aufschlag seiner Turnschuhe auf dem Boden. Der Mann meiner Träume entledigte sich jetzt vermutlich seiner Beinkleider, anders konnte ich das Gehörte nicht zuordnen.

Plötzlich spürte ich, wie er neben mir stand, mir sanft über mein Gesicht blies. „Schatz! Mund auf!“

 

„Was …“ Mehr konnte ich nicht sagen, denn mir wurde etwas Wollenes in den Mund gestopft. Ich schmeckte Baumwolle und … menschliche Ausscheidungen. Der Geruch von Urin drang in meine Nase! Er musste mir seine Unterhose zwischen die Zähne gedrückt haben. Schwarz und Weiß? Ja, das musste es sein! Meine Retro war ja aus schwarzem Stück Stoff, die Farbe seiner Unterhose kannte ich nicht, sie musste folglich weiß sein.

 

„Jetzt kann ich mich ganz auf dich konzentrieren.“ Er lachte auf. „Dann wollen wir mal!“

 

Er fing an, meine Füße zu lecken und zu liebkosen. Während der besonderen Art der Fußwaschung, selbst die Zwischenräume meiner Zehen ließ er nicht aus, wand ich mich wie ein Aal. Erstens war es mehr als kitzelig, zweitens hatte ich so etwas noch nie erlebt. Nur mit Mühe konnte ich auf Nasenatmung umstellen, denn der Hauptausgang war ja versperrt.

„Ich könnte mich in den Anblick verlieben, wenn …“ Jost schien zu grinsen. „… wenn ich es nicht schon längst wäre!“ Hatte ich richtig gehört?

 

Langsam arbeitete er sich zwischen meinen Beinen nach oben, ich glaube, es gab keine Stelle, die seine Lippen nicht berührt hatten. Sein Kopf hatte den Mittelpunkt meiner Beinschere erreicht, als er kurz über meinen Beutel leckte und den Inhalt einsog. Ich hätte nie gedacht, dass er beide Murmeln auf einmal in seinen Brutkasten unterbringen konnte. Ich zuckte zusammen, als ich seine Zähne auf der empfindlichen Haut spürte. Ein Biss von ihm jetzt und ich würde wieder im Knabenchor singen können. Es war einfach nur galaktisch, ihm so ausgeliefert zu sein.

Mit einem Plopp wurden meine Sahneproduktionsstätten wieder in die Freiheit entlassen, seine Zunge wanderte mastaufwärts und tanzte auf dem Ausguck, um dann vom Wal gefressen zu werden. Allerdings dauerte Gepettos Reise im Bauch des Walfisches nicht lange und es bedurfte auch keines Pinocchios, um den Weg zurück in die Freiheit zu finden. Der Meeressäuger entließ mich freiwillig in die Unabhängigkeit. Ich schüttelte mich, als der Wind aus seinem Mund über die speichelfeuchte Tanzfläche strich.

Seine Hände griffen unter meine Knie und je höher er meine Beine nach oben drückte, desto tiefer fuhr seine Zunge an mir hinab. Der Ausguck wurde verlassen, der Mast und der Proviantbehälter nur kurz gestreift. Sein Waschlappen beschäftigte sich nun ausgiebig mit dem Schiffsrumpf. Dann wanderte er noch etwas tiefer, ich spürte seine Spucke, wie sie an meiner empfindlichsten Stelle entlanglief. Ich hätte laut schreien können vor Lust und Geilheit, wenn ich dazu in der Lage gewesen wäre. Zwar versuchte ich, die Baumwolle aus dem Mund zu bekommen, aber der Stoff sorgte für nicht nur für eine Austrocknung meines Mundes. Die Ladeluke war einfach zu klein für die Masse an Ladung in meinem Stauraum, ein einfaches Ausspeien war nicht möglich.

Plötzlich spürte ich seinen Mund auf meinem Tunneleingang. Was machte er da? In einem Moment pumpte er Luft in seine Baken, im anderen Augenblick sorgte er für einen Unterdruck. Dieser Wechsel machte mich kirre, ich konnte kaum noch atmen. Meine Nase leistete Schwerstarbeit.

Jost spielte an meiner Pforte zum Glück. Er ließ seine Zunge über meinem Eingang gleiten. Als die Muskeln schon reichlich eingeschmiert waren, ließ er für kurze Zeit seinen Geschmackslöffel auf dem Spalt verweilen, ehe er versuchte, in mir zu graben. Die Spitze stieß in meinen Lustkanal vor, es war einfach nur himmlisch. Ich konnte es kaum abwarten, dass er seine Zunge durch seinen Zauberstab ersetzen würde. Ich wollte ganz ihm gehören!

Plötzlich nahm er seinen Kopf zurück, ich fühlte eine Leere. „Das scheint dir zu gefallen, oder?“

 

Mehr als Nicken konnte ich nicht. „Mh … j …“

 

Ich spürte jetzt einen Finger an der Stelle, wo noch vor einem Augenblick seine Zunge war. Er ließ ihn langsam in der Dunkelheit meiner Grotte verschwinden, ich konnte nicht mehr ruhig liegen, so aufgegeilt war ich. Ich vermutete, es war sein Mittelfinger, der da Höhlenforscher spielte. Aber lange blieb er nicht allein, kurze Zeit später kriegte er einen Kollegen, aller Wahrscheinlichkeit nach seinen Zeigefinger. Als er sie drehte, langsam im Uhrzeigersinn, hätte ich explodieren können.

„Es gefällt dir wohl tatsächlich!“ Triumph lag in seiner Stimme. „Dann machen wir mal weiter!“

 

Die Grottentour wurde abrupt beendet und die Lippen meines Angebeteten traten wieder in Aktion. Jost schob sich langsam zwischen meinen Beinen noch oben. Er spielte mit meinem Bauchnabel, füllte das natürliche Becken mit seinem Speichel und ließ seine Zunge Tauchversuche unternehmen. Ich konnte kaum noch atmen, so aufgekratzt war ich.

Der angehende Student robbte sich weiter nach oben. Legte seine Brust auf meine immer noch gefesselten Arme ab. ‚Jost, nur noch ein paar Zentimeter, dann ist dein Schwert in meinem Futteral.‘ Ich probierte, ihn mit noch bereiteren Beinen und einer leichten Beckenbewegung nach oben zum Eindringen zu stimulieren, aber anscheinend wollte er mich noch länger quälen, ehe er seinen Stecker in meine Dose einführen würde.

„Da kann es einer wohl gar nicht abwarten!“ Er gluckste. „Aber ich bin noch nicht fertig mit dir!“

 

Sein Kopf musste jetzt ganz nah an meinem Gesicht sein, ich konnte seinen heißen Atem spüren. Was hatte er vor? Seinen Wachlappen fühlte ich, wie er mir schlabbernd über das Kinn und die Nase fuhr. Wenn er jetzt mit seiner Spitze in meine Nase eindringen würde, würde ich zwangsläufig mangels Frischluftzufuhr ohnmächtig werden. Der Mann würde mich noch um den Verstand bringen!

Seinen Luststab ließ er durch mein Tal wandern, immer auf und ab. ‚Stoß endlich zu!‘ Aber mein sehnlichstes Flehen erhörte er nicht. Seine Kuppe machte wohl des Öfteren Rast am Grottenrand, aber zu mehr war sie wohl nicht bereit. Ein Abstieg schien ihr, sehr zu meinem aufgepeitschten Leidwesen, dann wohl doch zu gefährlich zu sein.

„Kann es sein, dass du rattig bist?“ Lag Häme in seiner Stimme? Ich konnte nur winselnd nicken.

 

Seine Finger berührten sanft meine Wange, sie tasten sich vor in Richtung Lippen. Mit einem Ruck zog er mir plötzlich das Stück Stoff aus meiner Mundhöhle. Es brannte zwar nicht, aber meine Zunge klebte sofort an meinen Gaumen fest. Er drückte mir sofort seinen Waschlappen in den Hals, half mir so, mein Flüssigkeitsdefizit auszugleichen. Ich konnte endlich wieder frei durch den Mund atmen und vor allem, was mir persönlich wichtiger war, wieder meine Stimme gebrauchen. Aber durch die Vereinigung der Lippen war Sprechen erst einmal unmöglich.

Nachdem ich mich genügend an ihm gelabt hatte, drehte ich kurz meinen Kopf auf die Seite, entzog mich so seinen Küssen. Flüssig reden konnte ich zwar noch nicht, aber es ging. „Schatz! Was machst du mit mir?“

 

„Ich will mit dir den Augenblick auskosten!“ Er schien zu lächeln. „Wer weiß, wann wir das nächste Mal dazu Gelegenheit haben werden!“ Jost küsste mich erneut. „Aber sag einmal, hast du eigentlich Gleitgel da?“ Er räusperte sich. „Es soll ja so angenehm wie möglich werden!“

 

Innerlich grinste ich über beide Backen, endlich würden wir uns miteinander vereinigen. „In meinen Kulturbeutel im Badezimmer ist eine Tube.“

 

„Dann werde ich sie einfach mal holen!“ Eine gewisse Häme lag in seiner Stimme. „Nicht weglaufen!“

 

„Keine Angst!“ Ich hob meinen Kopf und drehte ihn in Richtung der Geräuschquelle. „So, wie ich jetzt bin, kann ich ja noch nicht einmal die Tür öffnen, geschweige denn, das Zimmer verlassen!“

 

„Stimmt, ein nackter Reiseleiter auf dem Flur kommt wohl nicht so gut!“ Jost lachte. „Außerdem will ich mit dir Spaß haben, wir sind noch lange nicht fertig für heute! … Und für einen dahergelaufenen, notgeilen Hotelgast bist du mir viel zu schade.“

 

Ich hörte, wie er sich entfernte. Der Mann meiner Begierde ging wohl ins Badezimmer, ein anderer Weg kam auch gar nicht infrage. Gespannt wie ein Flitzebogen wartete ich auf die Sachen, die da kommen sollten. Kurze Zeit später vernahm ich erneut Schritte im Zimmer, die Matratze bewegte sich. Jost kletterte wohl wieder zu mir aufs Bett, legte sie Tube auf meinem Bauch und beschäftigte sich wieder mit meinem Eiertragebehältnis.

„Den Anblick habe ich schon vermisst. Ich glaube, ich sollte mal ein Foto davon machen, so …“ Er giggelte. „… für einsame Stunden.“

 

„Meine Knipse liegt im Aktenkoffer.“ Ich richtete meinen Kopf in Richtung seiner Stimme. „Du gehst jetzt nicht los, um deine Eigene zu holen!“

 

„Keine Angst! Die Bilder können warten, aber …“ Jost griff in meine Kronjuwelen. „… aber das hier? Das duldet keinen Aufschub!“

 

Es war kein hartes Abgreifen, es waren eher sanfte Streicheleinheiten, Liebkosungen, und andere Wohltaten, die er meinen prallen Beutel angedeihen ließ. Seine Zunge umspeichelte meine empfindlichste Stelle, leckte nicht nur einmal über den Schaft. Der Behälter auf meinen Bauch wurde entfernt. Was machte er?

Die Sekunden kamen mir wie Stunden vor, solange dauerte es, bis wir wieder Körperkontakt hatten. Jost griff sich meine Beine, drückte sie erneut nach oben, mein Loch präsentierte sich ihm mehr als empfangsbereit. Ich spürte etwas Glitschiges an meinem Ausgang, der gleich zum Eingang werden würde. Mein sehnlichster Wunsch würde endlich wahr werden, wir würden eins werden. Mit zwei Fingern spielte er an mir und ließ seine Kuppen immer wieder durch das Tor zur Wonne schreiten. Ich freute mich schon auf ein anderes Stück von ihm in mir. Plötzlich wurden die Wartungsarbeiten an den fleischlichen Scharnieren unterbrochen, er legte meine Beine wieder ab. Was hatte er vor?

Ich merkte, wie mein Süßer nach oben krabbelte, seine Knie drückten sich an meine Rippen. Er schien jedoch nicht gerade auf mir zu sitzen, der Druck seiner linken Seite war stärker als der von rechts. Seine rechte Hand, eben noch an meinem Schleuseneingang, wanderte nun über Damm und Beutel nach oben. Klein-Gordon wurde diesmal etwas härter angefasst und Jost hielt sich daran fest wie an einer Haltestange in der New Yorker Metro, er schlenkerte hin und her.

Seine Linke wanderte oberhalb der Lederfessel über Brust und Hals, seine Finger legten sich auf meine Unterlippe und begehrten Einlass, den ich gerne gewährte. Meine Zunge spielte mit ihnen, wie seine es mit meinen Zehen vor gefühlten Stunden getan hatte. Sein Schenkeldruck verlagerte sich etwas, war jetzt gleichmäßiger. Die Untergrundbahn fuhr immer noch, allerdings hatte sich das Tempo geändert, es wurde rasanter.

Plötzlich stieß meine Kuppe gegen ein Hindernis. Mein Angebeteter musste seinen süßen Knackarsch wohl gesenkt haben, ein anderes Hindernis konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Jost hantierte mit Klein-Gordon wie mit einem Schaltknüppel. Erst ging es im Gelände hin und her, der saftende Kopf setzte oftmals auf dem Boden auf, dann ging es auf die gut ausgebaute Talstraße, immer auf und ab. Sollte ich einen Achsbruch durch sein natürliches Schlagloch erleben?

 

„Schatz, was … was … was machst du da?“ Ich konnte nur noch hecheln. „Du willst doch nicht …“

 

„Und ob!“ In seiner Stimme lag eine gewisse Vorfreude. „Das wollte ich schon, als wir in Niagara Falls in der Wanne lagen, aber …“ Wenn jetzt meine Augen nicht verbunden wären, würde ich vermutlich ein hämisches Grinsen sehen. „… aber da kam ja der dämliche Portier dazwischen!“ Er positionierte meine Achsfeder genau über dem Riss im Straßenbelag. „Und jetzt halt die Klappe, oder soll ich sie dir wieder stopfen?“

 

„Nein, bitte …“ In diesem Moment setze er sich, ich spürte seine Gesäßknochen. „… ja … nein …“

 

„Was denn nun?“ Er wackelte etwas mit seinem Allerwertesten. „Ah … geil …“

 

„Bist … bist du … eng!“ Seine Grotte war wirklich schmal.

 

Der Mann meiner Träume begann, sich leicht zu erheben, um nach einer Handbreit sofort wieder den Rückweg anzutreten. Er stöhnte, als er zu einer erneuten Tour ansetzte. Ich wedelte mit meinen immer noch verschränkten Armen, der Blonde mit den dunklen Spitzen erkannte wohl mein Ungemach, denn ich spürte plötzlich, wie seine Hände an dem Leder hantierten. Meine Fesseln wurden gelöst.

„Ich brauche keinen Ledergürtel, um dich an mich zu fesseln!“ Wie Recht er hatte.

 

„Das … brauchst … brauchst du … tatsächlich nicht!“ Ich wimmerte vor Lust.

 

Kaum hatte ich meine Bewegungsfreiheit wieder, glitten meine Hände zu seinen Hüften und versuchten, ihnen bei ihrer nun langsam schneller werdenden Wanderung behilflich zu sein. Jost ritt auf mir wie ein Cowboy im Wilden Westen in den Sonnenuntergang. Je länger er auf meinen Sattel saß, desto mehr probierte ich, ihm bei seinem Ausflug über die Prärie so gut wie möglich zu unterstützen. Ich versuchte, seine Bewegungen abzufangen, ihnen entgegen zu kommen, er sollte ja nicht abgeworfen werden.

 

„Du … du … bist endlich … in … in mir! … Mann! Wie … wie geil!“ Das Sprechen fiel ihm wohl schwer.

 

„Du bist so … herrlich eng! Was machst du nur mit mir?“ Ich griff fest in sein Fleisch, er ächzte auf.

 

Ich hörte neben seinem Stöhnen ganz deutlich, dass er an sich herumspielte; eine Vorhaut kann halt auch verräterische Geräusche machen. Ich wollte ihm helfend zur Hand gehen, aber er schlug das Angebot aus, indem er meine Hand wieder zu seiner linken Hüfte führte. Das Gelände, über das er ritt, schien eben zu sein, denn aus dem anfänglichen Schritt war schon ein recht ansprechendes Traben geworden. Sollte er aber in den Galopp übergehen wollen, würde er nicht mehr freihändig reiten können.

Aber der Mann meiner Träume machte keine Anstalten, das Tempo anzuziehen. Getreu dem Motto, auch ein langsamer Reiter kommt irgendwann einmal ans Ziel, ritt er gleichmäßig auf mir, als wäre er auf einer Patrouille, Zeit spielte keine Rolle. Mir war es recht, konnte ich doch so die Wärme, die er mir gab, länger genießen. Er hatte anscheinend den ersten Kontrollpunkt erreicht, saß ruhig im Sattel und beugte sich plötzlich nach vorne, um mich zu küssen.

Während unsere Zungen miteinander spielten, glitten meine Hände auf seinem Rücken auf und ab. Klein-Gordon, derweil beschäftigungslos, machte leichte Anstalten, seinen Arbeitsplatz zu verlassen. Einen Streik wollte und konnte ich nicht zulassen. Meine Finger glitten um den Apfelansatz herum in Richtung seiner Seiten und übten sich dort Schreibmaschine schreiben. Gut, ich kitzelte ihn durch, er sollte sich wieder in Bewegung setzen.

Jost zuckte zusammen. „Aufhören!“ Er lachte. „Du … du weißt genau, ich … ich bin da … empfindlich.“ Er giggelte erneut. „Hörst du … auf! Das … das … schreit nach Rache!“

 

Ich hätte zwar gern gesehen, wie er sich auf mir hin und her rutschte, aber ich konnte es mir gut vorstellen. Schließlich steckte mein Dorn immer noch in ihm und übertrug wie ein Seismograf seine Bewegungen direkt auf mich. „Nicht schlagen, Massa!“

 

„Abwarten!“ Er schien nachzudenken. „Abwarten!“

 

Der angehende Student nahm langsam wieder Fahrt auf, aber eine Änderung seines Reitverhaltens konnte ich erst einmal nicht feststellen. Plötzlich griffen seine Hände nach hinten und pressten meine Oberschenkel fest auf das Bett, er wollte wohl ein Entgegenkommen meinerseits unterbinden. Auch Klein-Gordon stellte eine Positionsänderung fest: Jost musste wohl ins Hohlkreuz gegangen sein, der Druckpunkt meiner Kuppe hatte sich leicht verlagert. Außerdem setzte der Reiter jetzt zusätzlich seine Muskeln ein, er molk mich regelrecht ab.

 

„Was … was machst du da?“ Ich konnte nur noch hecheln. „Ja, mach … mach … weiter!“

 

„Dein Wunsch ist mir Befehl!“ Eine gewisse Häme konnte ich seiner Stimme doch entnehmen.

 

Während er das Tempo seiner Pfählung langsam steigerte, wanderten seine Hände auf meinen Oberschenkeln abwärts in Richtung Knie. Ich bedauerte es wirklich, das Muskelspiel seines wohl definierten Oberkörpers nicht live sehen zu können. Aber dadurch, dass er seine Arme als Stütze brauchte, konnte ich mich ungestraft nun mit seinem Szepter beschäftigen.

Ich zog seine Vorhaut nach hinten und strich mit meinem Mittelfinger über seine Kuppe, er tropfte wie ein Marathonläufer im Ziel. Jost stöhnte, ließ mich aber die Politur fortsetzen. Allerdings konnte ich mich auf meine Arbeit nicht recht konzentrieren, musste sie laufend unterbrechen, er lenkte mich einfach zu sehr ab. Es kam mir vor, als hätte er eine Melkmaschine eingebaut, so sehr stimulierte mich das Wechselspiel seines Muskels, der Klein-Gordon fest umschlossen hatte.

„Schatz, … wenn … wenn … wenn du … du so … so weitermachst, dann …“ Ich war keines klaren Gedankens mehr fähig. „… dann kann ich … für nichts mehr …“

 

„Dann … dann … mach doch!“ Auch er hechelte. „Ich will … füll … füll … mich … ab!“

 

Es gab eh kein Zurück mehr, den bekannten Point of no Return hatte ich schon vor gefühlten Stunden überschritten. Nach zwei, drei weiteren Bewegungen auf meinem Sattel und entsprechenden Muskelkontraktionen konnte ich mich endgültig nicht mehr zurückhalten und gab der Melkmaschine das, was sie die ganze Zeit haben wollte, meine Sahne.

„Ja … ich … ich … komme!“ Mein Körper bäumte sich auf, als ich ihn flutete.

 

Ich ließ mich auf das Kissen fallen, ich war fertig wie 1000 Russen. Auch Jost schien Erholung gebrauchen zu können, er saß jetzt fast ruhig auf mir, sein Atem war immer noch beschleunigt. Er war wohl immer noch in Hohlkreuz, seine Hände krallten sich an meinen Kniescheiben regelrecht fest. Ich nahm die unterbrochene Politur wieder auf. Das schmatzende Geräusch seiner Vorhaut war Musik in meinen Ohren.

Ich hatte zwar keine Maschine, ich musste altmodisch noch mit Hand melken, aber es schien ihm zu gefallen: Seine Atmung wurde lauter, kam stoßweise. Er musste sich aufgerichtet haben, seine Hände auf meinen Beinen konnte ich nicht mehr spüren, aber die Verbindung zwischen uns blieb bestehen.

Seine Finger löste meine Melkhand ab. „Ich … ich …“ Er hob sein Becken leicht an. „Ich … komme!“

 

Ich hob meinen Kopf und meine Hände fasten an seine Apfelhälften, gaben ihnen einen Stoß nach vorn. Zwar wurde meine Verbindung zu ihm dadurch unterbrochen, aber binnen eines Augenblicks wurde eine neue Vereinigung begründet. Er parkte seinen Wagen in meiner Garage. Zwar etwas unsanft, er schrammte zweimal an der Einfahrt vorbei, aber dann fand er doch den richtigen Weg durch das offene Garagentor.

War es jetzt sein Schwung oder meine Vorwärtsbewegung? Es kam zu einem kleinen Auffahrunfall, er stoppte erst an meinen Zäpfchen. Der Schaden war nicht allzu groß, es liefen erst nur ein Paar Tropfen Bremsflüssigkeit aus, aber die Benzinpumpe schien einen Schlag abbekommen zu haben, sie pumpte und pumpte ihren Treibstoff in meinen Schlund. Ich schluckte es wie göttliches Ambrosia.

Seine Quelle war schon längst versiegt, aber er verharrte immer noch in mir. Erst als er zu Atem gekommen war, parkte er aus. Jost rückte nach unten und setzte sich wieder auf mein Becken, Klein-Gordon ließ er zwischen seinen Apfelhälften verschwinden. Der angehende Student griff an meinen Kopf und nahm mir die Augenbinde ab. Ich musste blinzeln, denn der plötzliche Lichteinfall war nicht gerade angenehm. Als meine Sehkraft wiederhergestellt war, blickte ich in ein fertiges, aber auch glücklich aussehendes Gesicht.

 

„Schatz, das war … einfach galaktisch.“ Sanft lächelte er mich an. „War das gerade real?“

 

Ich nickte und griff nach seinen Schultern, zog ihn zu mir herunter. Wir küssten uns. Ich blickte in seine smaragdgrünen Augen. „Das war gerade die Wirklichkeit, mein Süßer, denn die Realität ist eine Illusion, die nur durch Alkoholmangel hervorgerufen wird.“

 

Der Mann meiner Träume grinste. „Nicht schlecht, ich habe mir also einen Philosophen geangelt.“

 

Ich schüttelte mit dem Kopf. „Danke für die Blumen, aber ein großer Denker? Ich bin eher …“

 

„… schlagfertig, witzig, interessant, …“ Er strich mir über die Wange und machte es sich an meiner Seite bequem. „… charmant, intelligent, …“

 

Mit meinem linken Arm, in dessen Beuge er lag, zog ich seinen Kopf zu mir. „Hör sofort auf, ich werde gleich rot. Solche Lobhudeleien …“ Ich ließ meinen linken Daumen über seine Wange gleiten. „… sind nichts für mich. Außerdem …“

 

Er blickte mich fragend an. „Außerdem was?“

 

„Außerdem sollte man seinen Pulver nie auf einmal verschießen.“ Ich kniff ihm ein Auge zu. „Fünf kleine Komplimente über den Tag verteilt sind mir lieber als eine große Schmeichelei.“

 

Jost zog die Augenbrauen hoch. „Du machst mir Angst!“

 

„Wieso das denn?“ Ich war mir keiner Schuld bewusst.

 

„Ich sehe das auch so!“ Er wurde plötzlich ernst. „Lieber eine rote Rose, weil man an den anderen gedacht hat, als einen ganzen Strauch, weil man den anderen vergessen hat.“

 

„Stimmt, manchmal ist weniger mehr!“ Ich küsste ihn auf die Stirn. „Aber Schatz, auch wenn ich gerne noch stundenlang mit dir reden würde, … wir sollten so langsam ans Schlaf denken. Schau mal auf die Uhr!“

 

„Was? So spät ist es?“ Der Wecker zeigte 2:20 Uhr. „Ich hätte nicht gedacht, dass wir so lange …“

 

Ich musste grinsen. „Ist doch nicht schlimm! Wir mögen ja beide keine Fünfminutennummern.“

 

„Gaynau! Aber wir sollten jetzt mal ins Bad!“ Er leckte über mein Gesicht. „Etwas Hygiene könnte uns beiden nicht schaden!“ Er deutete auf Klein-Gordon, der deutliche Spuren aufwies, die nicht ganz so appetitlich aussahen.

 

Ich blickte erst auf ihn und dann auf mich. „Dann mal auf! Aber eine Kurzwäsche reicht, wir können morgen früh ausgiebig duschen gehen. Jetzt will ich meinen Mann reichen!“

 

„Kleines Ferkel!“ Er erhob sich lachend und reichte mir seine Hand. „Ich muss mich ja nur hinten schrittfrisch machen, vorne hast du mich ja schon sauber geleckt.“

 

Als ich auf den Beinen stand, küssten wir uns und gingen dann Händchen haltend ins Bad.

 

Jost war relativ schnell fertig, einmal kurz den Hintern abgewischt und dann schnell mit einem Waschlappen durch die Spalte. Ich brauchte etwas länger. Nicht nur die Reinigung von Klein-Gordon dauerte, das warme Wasser brauchte etwas, bis es die richtige Temperatur hatte, ich bin ja kein Sklave, der sich eiskalt waschen lässt, ich bekennender Warmduscher!

Auch musste ich erst einmal meine Gedanken ordnen. Ich klappte den Klodeckel herunter, den Jost zu Reinigungszwecken aufgeklappt hatte, und setzte mich. Der Mann mit den smaragdgrünen Augen hatte mir gerade den schönsten Sex meines Lebens beschert. Ich hätte nie gedacht, dass man mich so überraschen könnte, dabei hatte er mir einfach nur die Augen verbunden: kleiner Einsatz, große Wirkung, es war einfach nur hypergalaktisch.

Während ich meine Kauleiste polierte, kamen immer wieder Bilder von dem gerade Erlebtem hoch. Ich mochte Jost, mochte ihn sehr, nein, ich liebte diesen Knaben mit jeder Faser meines Herzens! Er war wirklich der Mensch, mit dem ich alt werden wollte, in dessen Armen ich meinen letzten Atemzug tun wollte, um mit ihm später wieder im Paradies vereint zu sein.

 

Ich löschte im Badezimmer das Licht und ging ins Zimmer, betrachtete den Mann, der in meinem Bett lag und zu schlafen schien. Ich konnte mich gar nicht satt genug an ihn sehen. Langsam übermannte mich aber dann doch die Müdigkeit und ich schlüpfte zu ihm unter die Decke. Dass ich mich eng an ihn kuschelte, war selbstverständlich. Ich hörte ein Grummeln, als ich ihn in den Arm nahm.

„Da bist du ja endlich!“ Er griff mit seiner Rechten nach unten und klemmte Klein-Gordon zwischen seine süßen Apfelbäckchen. „So, und nun will Mama schlafen! Gute Nacht, Papa!“

 

 

Der Wecker klingelte um 7.30 Uhr. Verschlafen tastete ich im Bett umher, aber meine Hand griff ins Leere. Wo war der Mann geblieben, neben dem ich ins Reich der Träume eingetreten war? Ich setzte mich auf und rieb mir verschlafen meine Augen. Weder er noch seine Sachen, die vor dem Einschlafen wild verstreut auf dem Boden gelegen hatten, waren in dem Zwielicht, in dem das Zimmer getaucht war, zu sehen.

Ich schüttelte mich und blickte umher. Es war niemand zu erkennen, auch aus dem Badezimmer drangen keinerlei Geräusche. Wo war Jost? Neben in den Radiowecker entdeckte ich eine gefalteten Zettel, ich nahm ihn und machte erst einmal die Nachttischlampe an, um lesen zu können.

 

‚Guten Morgen, mein Engel!

 

Ich danke Dir für die schöne Nacht, die ich mit Dir verbringen durfte. Leider, leider … war sie viel zu kurz! Ich hätte mir gewünscht, die Augenblicke mit Dir doch noch länger auskosten zu können, aber ich werde mich jetzt zurück in unser Zimmer schleichen und hoffen, dass Sven nicht wach wird. Der mögliche Ärger soll ja nicht zu groß werden.

Aber, mein Schatz, je länger ich hier sitze und Dich betrachte, desto mehr wird mir klar, wie viel Du mir bedeutest! Deine Idee vom gestrigen Abend, auch wenn sie aus einer Sektlaune heraus geboren wurde, gewinnt für mich immer mehr an Reiz. Zwar dürfte die Realisierung nicht einfach werden, es wird sicherlich Probleme geben, aber Probleme sind ja dazu da, gelöst zu werden. Das sagte mal ein sehr weiser Mann zu mir, der nur zwei Jahre älter ist als ich. Wir könnten sie ja gemeinsam lösen, wenn Du es wirklich ernst meinst!

Ich möchte Dich bitten, heute Abend mit mir und meinen Eltern zu essen, denn ich möchte Ihnen endlich reinen Wein einschenken. Ich will mein Leben nicht mehr heimlich und nur für mich führen müssen. Dazu könnte ich Deine Hilfe brauchen: nicht nur als moralische Unterstützung, sondern als der Mann an meiner Seite. Insofern sage ich aus tiefstem Herzen Ja zu Deinem Antrag.

 

In Liebe

Dein Jost‘

 

Ich legte den Zettel beiseite und ließ meinen Tränen des Glücks freien Lauf. „Hyannis, I am coming!“

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