Welcome to Australia – Teil 22

„Habt ihr das auch gehört?“, flüsterte Molly.

Draußen krachte laut ein Donnerschlag. Wir alle fuhren zusammen.

„Ich glaube dass wird heftig…“, meinte Lesley.

Und plötzlich war wieder dieses Geräusch zu hören. Ein leises Wimmern.

„Vielleicht ist en Tier unter dem Haus?“, fragte ich leise.

„Quatsch, unter dem Haus befindet sich ein geschlossener Keller“, sagte Lesley.

Berry ging zum Herd und entnahm dort eine Petroleumlampe.

„Dann sehen wir doch gleich mal nach“, meinte er und entzündete den Docht der Lampe.

Währenddessen zog Lesley einen Stuhl zu Seite und für mich kam eine Falltür zum Vorschein, die mir vorher nicht aufgefallen war. Molly stellte sich zu mir. Deutlich spürte ich ihre Angst und mir ging es auch nicht besser.

Lesley zog die Falltür auf und wich zurück.

„Boah, was für ein übler Gestank…“, meinte er und nahm Berry die Lampe aus der Hand.

Nun waren wir wieder ruhig und lauschten. Aber außer dem zunehmenden Wind draußen und vereinzelte Donnerschläge war nichts zu hören.

„Hallo?“, rief Lesley plötzlich laut, was Molly wie mich zusammenzucken ließ.

Plötzlich war es wieder da, dieses Geräusch. Es hörte sich an, als würde jemanden rufen wollen, aber durch etwas verhindert.

„Ich geh da jetzt runter“, sagte Lesley mutig, während ich mir bald vor Angst in die Hose machte.

Das Zittern, das mein Körper durchfuhr ließ nicht nach. Molly schien es nicht besser zu gehen. Sie drückte sich mittlerweile an mich und ich legte den Arm um sie. Lesley setzte den Fuß auf die erste Sprosse und verschwand langsam nach unten.

„Ich bin bewaffnet!“, hörte ich Lesley rufen.

Ich konnte nicht anders und fing an zu kichern, obwohl mir eigentlich gar nicht zu mute war. Das hier war alles nur ein schlechter Film.

„Berry komm sofort hier herunter“, hörte wir Lesleys Stimme von unten.

„Was ist?“, rief mein Schatz zurück.

„Ich habe jemanden gefunden.“

*-*-*

Tom

Berry stürmte so schnell er konnte, die Leiterstufen hinunter und Molly und ich standen dich an der Falltür.

„Boah, nach was riecht es hier unten?“, hörten wir Berry fragen.

„Frag nicht…, was würdest du machen, wenn du hier unten gefesselt liegst und nicht aufs Klo könntest.“

Gefesselt?

„Mach doch mal die Mundfessel weg, Timothy krieg auch schon so schlecht Luft“, hörte ich Berrys Stimme.

„Ihr habt Timothy gefunden?“, rief ich erstaunt hinunter.

Ein lautes Husten folgte. Wenig später erschien Lesley wieder auf der Bildfläche.

„Könnte ihr mich mal festhalten?“, sagte er und bückte sich in das Loch der Falltür.

Molly und ich griffen nach ihm.

„Zieh“, hörte ich Berry von unten rufen.

Mit vereinten Kräften zogen wir so kräftig wie wir konnten und Timothy kam zum Vorschein. Er hustete immer noch. Sein Gesicht und auch seine Klamotten standen vor Dreck. Ich konnte deutlich die Schmerzen sehen, die ihm sein Arm bereitete, als Lesley und Molly ihn zur Couch zogen.

„… Wasser…“, hustete Timothy.

Ich ging an den Korb und konnte aber nur Cola entdecken. So nahm ich die Flasche, füllte einen Becher damit und ging ebenfalls zur Couch. Berry war mittlerweile auch aus dem Kellerloch geklettert und ließ die Falltür zufallen.

Ein weiterer Donner ließ uns zusammenfahren.

„Molly ruf deine Vater an, dass wir Timothy gefunden haben“, meinte Lesley und nahm mir den Becher ab.

Berry machte ich an den Fußfesseln zu schaffen.

„Ich bekomm kein Netz!“, sagte Molly plötzlich.

Ich zog ebenso mein Handy heraus. Sie hatte Recht, kein Netz. Ich schüttelte nur den Kopf.

„Mist, dann muss irgendwo der Blitz eingeschlagen haben“, meinte Berry.

„Langsam…, sonst verschluckst du dich noch“, sagte Lesley zu Timothy, da war es aber schon zu spät.

Wieder begann er fürchterlich an zu husten und auch an zu weinen.

„Wir müssen ihn aus diesen Klamotten bekommen“, meinte Molly.

„Und was sollen wir ihm anziehen?“, fragte ich.

„Berry, oben im Schrank, da liegen ein paar Klamotten von uns, da wird sicher etwas Passendes dabei sein“, sprach Molly weiter und wandte sich an Timothy.

„Es tut mir Leid, aber da musst du jetzt durch…, wenn es dir lieber ist, gehe ich vor die Tür.“

Ich verstand erst nicht, was ich meinte, bis Timothys Gesicht rot anlief, na ja, was man unter dem Dreck so sehen konnte.

„Waschen müsste er sich auch können“, meinte Berry und lief zum Herd.

„Ich hole Wasser“, meinte Molly, „Tom hilfst du mir dabei?“

Ich nickte. Sie ging zu Berry und ließ sich einen Eimer geben. Dann folgte ich ihr nach draußen. Dort angekommen, blies uns kräftig der Wind entgegen. Der Geruch nach verbranntem war stärker geworden.

„Irgendwo muss es eingeschlagen und ein Feuer entfacht haben.“

Leichte Rauchschaden, die von Süden her kamen, bestätigten ihre Vermutung.

„Wir sollten schleunigst hier weg“, meinte ich.

„Und wie stellst du dir das vor? Timothy auf den Gepäckträger nehmen und los fahren, dazu ist er nicht in der Verfassung.“

Sie hatte Recht, aber hier bleiben konnte wir auch nicht, falls das Feuer näher kam.

„Dad weiß wo wir sind und wird schon das Nötige unternehmen, wenn wir uns nicht melden.“

Sie schien ein großes Vertrauen in ihr Vater zu haben, aber ich zweifelte eigentlich nicht an Bob, sondern an der Tatsache, dass sie einfach nicht mitbekamen, was sich hier draußen zutrug.

Wir hatten die Blockhütte umrundet, als eine Wasserpumpe zum Vorschein kam.

„Pumpst du, ich halte den Eimer“, meinte Molly.

So griff ich nach dem Bügel und zog ihn nach oben, um ihn anschließend gleich kräftig niederzudrücken. Das wiederholte ich vier oder fünf Mal, als das erste Wasser heraussprudelte.

„Gut so“, kam es von Molly.

Nach mindestens weiteren Tausend Drücker war der Eimer voll und mir fielen die Arme ab. Molly setzte sich in Bewegung und ich dackelte ihr nach. Vor dem Haus konnte ich feststellen, dass die Rauchschwaden nicht stärker geworden waren. Ob das ein gutes Zeichen war?

Als wir die Hütte wieder betraten, saß Timothy nur noch in ein Badetuch gewickelt auf der Couch und seine Klamotten auf dem Boden. Seine Haut wirkte weiß zu dem dreckigen Gesicht.

Berry hatte wohl in der Zwischenzeit Feuer gemacht und einen großen Topf auf den Herd gestellt. Er nahm Molly den Eimer ab und schüttete das Wasser in de Topf.

„… und wenn sie wieder kommt?“, hörte ich plötzlich Timothys weinerliche Stimme.

Es war das Erste, was er von sich gab, seit wir ihn gefunden hatten.

„Sie kommt nicht wieder“, meinte ich und ging zu ihm, „ sie wurde gefasst und verhaftet.“

Timothy fing wieder an zu weinen. Seine Tränen vermischten sich mit dem Dreck in seinem Gesicht. Deutlich sah man die man die Spuren, die sie sich bahnten.

„Berry, könntest du mir etwas zu abwischen geben, damit ich wenigstens sein Gesicht sauber machen kann?“

Berry nickte. Ich setzte mich zu Timothy und nahm ihn in den Arm. Er saß in sich gekrümmt neben mir und hielt seinen Arm fest. Berry reichte mir einen Lappen. Vorsichtig zog ich Timothy Kopf am Kinn nach oben und begann sein Gesicht abzureiben.

„Danke“, hauchte er fast.

Lesley kam die Leiter von oben herunter.

„Ich habe eine Shorts und ein Tshirt gefunden, dürfte nach der Größe zu urteilen Bob gehören.“

„Egal“, meinte Molly, „Hauptsache etwas zum anziehen.“

Der Wind nahm noch zu. Dreck wurde herein geweht und draußen zuckten die Blitze.

„Wir sollten vielleicht die Fahrräder in den kleinen Schuppen stellen“, sagte Molly.

„Ich helfe dir“, kam es von Lesley und schon waren beide verschwunden.

Berry kam zu uns und kniete sich vor uns hin.

„He, es wird alles gut. Okay Timothy…?“

Er schaute Berry mit großen Augen an.

„Ist…, ist Nath… tot?“, stammelte er.

Wieder liefen dicke Tränen über seine Wangen. Er musste Nathaniel wirklich lieben, wenn ihm dass so Nahe ging.

„Nein, ihm geht es so weit gut…, wenn man von der Schusswunde am Bein absieht.“

Ich wunderte mich darüber, dass Berry so ruhig war. Seine Stimme klang sanft und beruhigend, wie ich sie schon oft gehört hatte, wenn es mir nicht gut ging. Timothy nickte nur.

„Sollen wir dir helfen, oder kannst du dich selber waschen?“

Timothys Blässe im Gesicht verschwand und wurde durch ein kräftiges Rot ersetzt.

„Du brauchst dich nicht zu schämen, ich sehe dich sicherlich nicht zum ersten Mal nackt.“

Verdutzt schaute ich Berry an, der anscheinend meine Gedanken lesen konnte.

„Nach dem Sport hat Timothy auch immer geduscht, da sind wir alle nackt!“

Ich atmete tief durch und Timothy machte es mir nach. Berry stand auf und ging zum Topf, den er vom Herd zog.

„Es ist zwar nicht heiß, aber auch nicht zu kalt zum Waschen“, meinte er, während er den Topf zu uns trug.

Ich half Timothy aufstehen und mir blieb nicht verborgen, dass es unter dem Badetuch mächtig beulte.

„Ähm…“, meinte Berry verlegen, „wir sollten uns beeilen, bevor Molly wieder hereinkommt.“

Ich konnte nicht anders und fing an zu kichern. Timothy grinste nun auch und Berry ebenfalls. So wie ich es beurteilen konnte, war Timothy recht gut bestückt und ich konnte mir vorstellen, dass Nathaniel seine wahre Freude daran haben würde.

Was hatte ich plötzlich für seltsame Gedanken? Während ich unseren Geretteten stützte, begann Berry ihn abzuwaschen.

*-*-*

Berry

Wer hätte gedacht, dass ich einmal Timothy in solch einer Situation erleben würde. Ich die Stadtmatratze, wie er mich immer nannte. Plötzlich tat er mir nur noch Leid. Dass was seine Mutter veranstaltet hatte, zog ihn sicher ganz heftig hinunter.

Ob alles besser wurde, wenn sie einmal hinter Schloss und Riegel war? Wenn Riley und Mum sich nun zusammen tun würden, dann würde Timothy mein Stiefbruder, wie würden wir uns vertragen?

So viele Fragen schossen mir durch den Kopf. Mittlerweile war ich mit dem Abreiben fertig und Tom rubbelte Timothy mit dem Badetuch ab. Er half ihm danach in die Shorts und ins Tshirt.

Ich schob den Topf beiseite und Timothy setzte sich wieder. Gerade rechtzeitig, denn Lesley und Molly erschienen wieder. Sie bleiben beide in der Tür stehen, aber sagten nichts.

„Was ist, ihr könnt herein kommen, wir sind fertig“, meinte ich zu ihnen.

Plötzlich stolperte mein Bruder herein, als wäre er gestoßen worden. Molly folgte ihm unsicher. Was war da los? Plötzlich erschien noch eine dritte Person in der Tür.

Priscilla Stefferson.

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