Welcome to Australia – Teil 30

Ungläubig schüttelte Riley den Kopf.

„Riley Stefferson, du solltest dich was schämen“, erklang die Stimme meiner Mutter, „dir hätte dass doch auffallen müssen. Komm Timothy.“

Sie legte den Arm um ihn. Timothy sah mich an. Vielleicht war es wirklich keine gute Idee ihn zu küssen, aber wie sagte man so schön, der Zweck heiligt die Mittel. Ich drehte mich zum Haus und wollte mit hineingehen, als ich aus dem Augenwinkel heraus Tom sah.

*-*-*

Tom

Fassungslos stand ich da. Berry küsste Timothy. Was sollte jetzt der Mist? Unweigerlich trieb es mir Tränen in die Augen. Das Warum hämmerte in meinem Kopf. Ich wollte mich gerade herum drehen und zurück laufen, als ich meinen Namen hörte.

„Tom, jetzt bleib doch stehen“, hörte ich Berrys Stimme.

Blieb ich nicht. Das eben Gesehene war wie ein Schock für mich. Natürlich holte Berry mich ein und zog an meiner Schulter. Leider an der Falschen.

„Au!“, rief ich und fuhr herum.

„Bist du von allen guten Geistern verlassen?“, schrie ich Berry an.

„Tom…, entschuldige, aber was ist denn?“

„Das tat weh!“

„Tom, entschuldige noch mal, aber ich meine, warum läufst du weg?“

Ich atmete tief durch.

„Ich… ich hab gesehen…, dass du Timothy geküsst hast.“

„Verrückt oder? Ich wusste auch nicht wie ich darauf kam.“

Fragend sah ich Berry an. Da war nichts von Reue, oder so in der Tat erwischter Lover.

„Aha.“

„Was ist Tom?“, fragte Berry, wohl merkend, dass etwas nicht stimmte.

„Sag du es mir?“

„Ich verstehe jetzt nicht was du meinst.“

„Du hast gerade Timothy geküsst und es sah sehr leidenschaftlich aus… Hat es wenigstens Spaß gemacht?“

Berry schloss die Augen und atmete tief durch.

„Kann es sein, dass du etwas falsch gedeutet hast?“

„Wie kann man etwas falsch deuten, wenn der eigene Freund an den Lippen eines anderen hängt.“

„Wieso? Du lässt dich ja auch von anderen Männern küssen.“

Wieso hatte ich das Gefühl, dass Berry mich und vor allem die Sache nicht sonderlich ernst nahm?

„Tom…, Timothy war in so einer Art Wachtrauma und keiner hat es bemerkt, nicht mal auf Schütteln reagierte er. Ich weiß nicht wie ich darauf kam, dass ich ihn geküsst habe…“

„Heimliche Wünsche?“

„Ach Tom, jetzt rede doch keinen Scheiß! Es hat Timothy geholfen und wie du gesehen hast, hat er auch sehr sauer darauf reagiert. Ich liebe nur dich, verstanden!?“

Ohne auf eine Antwort meinerseits zu warten, drehte sich Berry um und ließ mich einfach stehen. Da war ich wohl mit Anlauf ins größte Fettnäpfchen getreten.

„Berry…, warte doch.“

Er drehte seinen Kopf kurz. Sein Blick war traurig und wütend zu gleich, Tränen liefen ihm über die Wangen.

„Kannst ja wieder kommen, wenn du dich beruhigt hast!“, schrie er, rannte die Treppe zum Haus hoch und knallte die Tür hinter sich zu.

*-*-*

Es klopfte an meiner Tür.

„Ja?“

Abby streckte den Kopf herein.

„Willst du nichts zu Abendessen?“

„Nein danke, keinen Hunger!“

Abby schob die Tür auf.

„Alles klar mit dir?“

„Ja… ja, alles im grünen Bereich…“

„Dein Gesicht sagt etwas anderes. Ich werde Doreen sagen, dass sie für dich einen kleinen Teller richten soll, falls du doch noch Hunger haben solltest.“

Ich nickte. Abby sagte nichts mehr und zog hinter sich die Tür zu. Ich stand auf und hob meinen Rucksack auf den Stuhl. Morgen war wieder Schule und ich musste noch die Sachen packen, die ich für morgen brauchte.

Aber schon beim ersten Buch hielt ich inne und dachte an Berry. Scheiße, was war nur in mich gefahren? Wie konnte ich dass wieder gut machen? Ich musste dringend mit ihm reden. Mein Blick auf die Uhr sagte mir, dass es für einen abendlichen Besuch nicht zu spät war.

Ich ließ das Buch auf den Tisch gleiten und schnappte mir meine Jacke.

„Komm Gustav, drehen wir noch eine Runde.“

Gustav sprang sofort auf und lief zur Tür.

„Nein, komm her, wir gehen hier hinaus“, sagte ich und lief zu meiner Verandatür.

Ich nahm seine Leine und öffnete die Tür. Gustav drückte sich an mir vorbei und rannte ins Freie. Ich zog hinter mir die Verandatür zu und pfiff leise nach Gustav, der sogar sofort angerannt kam.

„Gustav, die Leine muss sein und habe etwas Erbarmen mit mir, ich kann heute nicht so schnell rennen.“

Geduldig ließ er sich die Kette am Powergeschirr fest machen. Ich lief die Treppe hinunter und er folgte mir. Es war schon leicht dunkel und die Straßenbeleuchtung brannte. Bisher war ich mit Gustav immer nur auf dem Grundstück herum gelaufen.

Seit meinem Schlangenbiss war ich mehr oder weniger vorsichtig geworden, was Ausflüge in die Natur betraf. Gustav trottete gemächlich neben mir her und stoppte ab und zu um irgendwelche Bäume zu beschnüffeln oder dieselben mit seinem Zeichen zu versehen.

Es dauerte auch nicht lange, als Das Haus der Johnson in Sicht kam. Auf der Veranda vor dem Haus konnte ich Berry mit Lesley und Timothy ausmachen. Die drei saßen bei einander, erzählten miteinander und lachten ab und zu.

Ich hielt inne. Diese traute Dreisamkeit wollte ich nicht stören.

„Komm Gustav, wie laufen zurück.“

Gustav folgte ohne Beschwerden. Mein Arm nervte. Es juckte, es zog, aber daran ändern konnte ich nichts. Als ich fast wieder auf dem Grundstück war, begann Gustav zu bellen. Ich hatte nicht nach dem Weg geschaut, mich einfach von Gustav führen lassen.

Ich schaute auf und konnte vor dem Grundstück jemand stehen sehen. Als ich näher kam, sah ich im schwachen Laternenlicht Bob stehen.

„Hallo“, meinte er.

„Hallo“, gab ich zurück und löste Gustavs Leine.

Der rannte an Bob vorbei aufs Grundstück. Ich war mittlerweile bei Bob angekommen.

„Ich wusste nicht, dass du das Haus verlassen hast.“

„Spontane Idee…“

„Berry hat angerufen.“

Ich nickte und wollte Gustav folgen. Bob griff nach meinem Arm und hielt mich zurück.

„Ich will noch meine Schulsachen richten.“

Bob ließ los.

„Tom…, Abby und ich haben ab und zu auch Streit, aber das vergeht auch wieder.“

Aha, da hatte wohl jemand am Telefon geredet. Ich nickte.

„Gute Nacht“, meinte ich noch, weil ich keine Lust hatte, darüber zu reden.

*-*-*

Die Nacht war kurz, ich hatte nicht viel geschlafen. Mein Rucksack war gepackt. Mir fiel ein, dass ich noch kein Fahrrad hatte, aber ich auch noch keins fahren konnte. Ich legte die Schleife um den Kopf und streckte meinen Arm durch.

Da ich auch heute Morgen keinerlei Lust hatte mit jemand zu reden, zog ich es vor, durch die Verandatür zu verschwinden und in die Schule zu laufen. Gustav stand schon an der Tür und wartete schwanzwedelnd.

„Du musst leider hier bleiben, Gustav. Ich habe Schule, aber heut Mittag gehen wir aber sparzieren, okay?“

Ein Wuff schien meine Frage zu bestätigen. Ich wuschelte ihm über en Kopf und verließ das Haus. Vorsichtig schulterte ich den Rucksack so gut es ging und lief vom Grundstück. Da ich noch keinen anderen Weg zur Schule kannte, führte mich mein Gang natürlich am Johnson Haus vorbei.

Keiner war zu sehen, so war ich auch froh darüber. Irgendwann lief ich nicht mehr alleine. Andere Schüler, die denselben Schulweg hatten, sammelten sich vor oder hinter mir. Ich war froh, dass niemand aus meiner Klasse dabei war und mir jedes unnötige Gespräch erspart blieb.

„Morgen Tom“, sagte plötzlich jemand neben mir und ich fuhr zusammen.

Ich drehte meinen Kopf und sah Sophie in die Augen.

„Morgen Sophie.“

„He, cool dass du wieder in die Schule kommst, so wie meine Großmutter erzählt hat, hätt man glauben können, dass du eine Weile fehlst.“

„Wieso das denn?“

„Wegen deiner Wunde am Arm. Grandma hat erzählt, dass du furchtbar zugerichtet aussehen würdest.“

„Nein, ich habe nur eine Wunde am Arm.“

Sophie schwieg und lief neben mir her.

„Stimmt es wirklich?“, fragte sie plötzlich.

Ich blieb stehen und sah sie an.

„Was?“

„Dass Timothys Mutter tot ist?“

„Ja…“, sagte ich leise und lief weiter.

„Tom, warte doch…, ihr seid ja nicht schuld…!“

Erneut blieb ich stehen.

„Nein schuld sind wir nicht, aber es hätte auch nicht so weit kommen brauchen…“, meinte ich ärgerlich und lief weiter.

Sophie sagte nichts mehr und lief schweigend neben mir her. Als wir an der Schule ankamen, fuhr gerade Bobs Wagen vor. Er und Molly verließen den Wagen und kamen auf mich zu. Sophie lief weiter Richtung Schuleingang.

„Weißt du Tom, es ist eine Sache nicht gut drauf zu sein, warum auch immer. Aber einfach so das Haus verlassen, ohne jemand Bescheid zu gehen… Tom, was soll das?“

Jetzt war auch noch Bob auf mich sauer. Aber anstatt, dass er weiter schimpfte, nahm er mich in den Arm. Seine Hand griff unter mein Kinn und drückte es hoch, so dass ich ihm in die Augen schauen musste.

„Tom, dass du nicht reden möchtest, akzeptiere ich, wenn ich es auch nicht gut heißen kann. Aber bitte, mach so etwas nie wieder. Du sagtest selbst, wir sind deine Familie und deine Familie wüsste zumindest gerne, wenn du einfach so ohne Verabschiedung das Haus verlässt.“

Ich nickte betrübt. Hinter uns waren Fahrradklingeln zu hören und Bob zog mich etwas zur Seite.

„Wenn irgendetwas mit dem Arm sein sollte, melde dich bei Scot… ähm Mr. Steinhardt… oh guten Morgen Berry… Lesley.“

Ich drehte mich herum und sah die beiden auf uns zu radeln.

„He Molly, ich dachte du kommst mit dem Rad“, hörte ich Lesleys Stimme.

„Ich geh mal hinein“, sagte ich leise zu Bob.

„Soll ich dich abholen?“

Ich schüttelte den Kopf. Lesley hatte Molly erreicht und die beiden umarmten sich zur Begrüßung. Deutlich spürte ich, dass Berry hinter mir stand. Bobs Blick ging an mir vorbei.

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